2 MlezeS Badereise. Von LicSbeth Dill. „So, jetzt steig ein, Mieze, und gib an Minna Otterndorf!" Meine Schwester will sich todtlachen. Sie steht, den Fuß im mausgrauen steig. Tante Lene ist schon eingestiegen. Sie räumt Hutschachteln, Handtaschen, Reiseplaids und Schirme in die Netze, weshalb sich von den übrigen Coupe- Mieze!"^ „Ach Gott!" .Und fünfzehn Stück Handgepäck!" .Zehn bloß!" „Ohne den Käfig! O Mieze, ich sehe euch schon umsteigen, du trägst den Vo gelkäfig natürlich!" Tante Lene, die beste Frau der Welt, „Mie ze Mieze, Mieze!" Erhitzt, ärgerlich, aufgeregt taucht Tantes Kopf hinter mir auf. „Mache die Thür zu. Anna, nimm den Fuß vom Trittbrett, sonst gibt's ein Unglück! Der Zug fährt ja schon act».nein es ist bloß die Lokomo tive! Und, Mieze, sieh nach, ob du auch alles hast!" .Ja Tante." Damit setzte sich der Zug in Bewe gung und Tante Leire -sich gerade auf den Schoß eines jungen Herrn. Lächeln der Coupe-Insassen. „Verzeihung! Ich habe es gewiß nicht gern gethan ich meine, ich wollte nur ich konnte nichts da für ", stottert Tante Lene. Der Herr lüftet feinen Hut, ver beugt sich und schweigt. Tante Lene nimmt Plak, sichtlich ärgerlich über das etwas hochmüthige rrthen Weste. ~W'» sind schon im Bayrischen!" Was? Schon? So hab' ich mich nicht getäuscht! Noch eine Viertelstunde, stein oder Barnstein oder wie? Was? Ja, mein liebes Kind, dann sieht man im Fahrplan nach wir müssen doch dort umsteigen und haben nur eine Minute Aufenthalt. Der Schnellzug wird doch warten? Das ma>hinaus! Ja ? Ach Gott, das Teilte Lene fährt herum. .Wer ist denn das? Was will er denn? Wieder Art diese Uriver—" das vielleicht der Ihre fein?" Tante Lene stößt einen Schrei „Wo steht er? Im Coupe?" wem er gehörte. Darf ich ihn Ihnen vielleicht holen?" „Bitte, bitte! Nein. Mieze, wie konn „Aber du hast ja selbst das Coupe Älber Tante Lene hat den Pfiff ver pack ist schwer voran. „Mieze hast du's gehört eile Um Gottes willen! Schnell, schnell! Hast du den Käfig? Ach sieh, dort Tableau. Tante Lene, umringt von Schaff „Tante", sage ich, „komm jetzt end- Tante die Plaidrolle, die Hutschachtel Ihre Blicke heften sich fest auf ihn ihre Gestalt richtet sich auf. geht weiter nach der anderen Seite auf das Plüschfofa zu. Mir aber fällt in diesem Augenblick etwas Schreckliches ein: nämlich woher steigt mir ins Gesicht. Natürlich! Fastnacht auf dem Mäste,°!ball im Kurhaus! Anna und ich in wcißseide »en Dominos mit schwarzftidenen Masken und rothen Schuhen! Wenn Tante das erführe! Grade uns Gott! Wir sind sowieso schon tief ge weiß, daß wir „ohne Bigleitung" in den Kurgarten gehen. Unserer Mut ter hätte sie einst gesagt: an Minna Otterndorf". Minna Otterndorf! Wenn Anna und ich diesen Namen hören, befällt uns ein Schreck. Es war dieses Tante Lenes Jugendbekannte, das schönste Minna Otterndorf ihrer maßlosen Koketterie wegen haßte. Als Tante dermaßen geendet hatte, sagte Mut- Wilhelinstadt nicht das Richtige ist für Elsterbad reifest, wird Mieze sich sehr bittlichen Blick Muttevs erhalten Mutter und Tante Lenes! ab. Während ich dies denke, hat sich Tante in ihren Stuhl gelehnt und Im Wartesaal ist es still, die Flie gen surren und die Uhr tickt. Mir fällt der Karneval im Kur haus ein! Die Scene vorher, weil Großer Gott dort hinten auf dem rothen Plüschfofa dort sitzt er, und als ich hinüberblickte, treffe ich Wir stehen einander gegenüber, der junge Herr und ich. Er zieht den Hut, murmelt seinen Namen und blickt mich scharf an: „Also doch!" Und ich stehe immer noch halbbe stürzt vor ihm, nach Ausflüchten su chend. „Trotz der Maske?" sage ich endlich, verwirrt von seinem Lächeln und sei nem prüfenden Blick. „Trotzdem! Am Gang, an der Fi gur, an all Ihren Bewegungen hatte ich Sie sofort erkannt." Wir setzen uns langsam in Bewe gung und prominiren den Bahnsteig „Aber es ist doch sehr nett", hen! Ich fahre nämlich auch nach El sterbad —" „Sie?" rufe ich, stehenbleibend. „Aus vier Wochen, mein gnädiges Fräulein! Ich habe also das Bergnii ßen, Sie dort täglich zu sehen, was ich in Wilhelmstadt nicht batte auße' „Ist Ihnen das wieder nicht recht?" Was wird die sagen. Denn sie haßt „Ja warum denn in aller Welt?" „Weil wir Ihretwegen den Zug ver säumt hätten!" sage ich. „Da hört doch alles auf!" .Ja ja. Und dann woh- „Aber das ist ja famos! Das ist nein das ist einfach ein göttlicher Zufall brillant! Also in demselben Bad, eine Woche lang, in demselben Hoiel —' Er kann sich gar nicht über diesen Zufall beruhigen, plötzlich unterbricht er sich: „Wissen Sie auch, mein gnädiges Fräulein, daß ich Ihretwegen ebenfalls den Schnellzug versäumt habe?" Daran hatte ich nicht gedacht! Und etwas schuldbewußt suhle ich mich ihm gegenüber nun doch. Aber Tante Le wollte ich sagen wenn wir nun in Elsterbad uns einmal treffen —" „Was selbst im günstigsten Fall daß wir uns schon" kennen, nicht wahr?" „Aber selbstverständlich, wenn Sie Schweigen. Der junge Herr sieht „Sie werden sich Tante feierlichst Er zieht den Hut. „Otterndorf— Regierungsassessor." Ich stehe wie vom Blitz erschlagen vor der Wartesaalthllr. „Ot —tern—dors das wird Tan te Lene ja freuen!" „Mieze aber Mieze wo bleibst schlugt. Das hat er geschickt ge- Mir wirbelt noch der Name und der „Europäische" im Kopf während ich hinter Tante hergehe. ich mit dem Bummelzug spät in der Nacht in Elsterbad an. Wir gehen durch die nächtliche, verschlafene Bil dn geschlafen? Gu!? Natürlich. Mein Bett ist hart wie ein Brett; dabei be ten Wilhelmftadt." h M' , ! E' ' . s Und gehorsam erhebe ich mich. Tante Lene klappert, klopft Pantof fel aus, rückt Schränke nebenan, Thii- D' K sik d' kl d d t her? Und grüßt grüßt! Als ob wir wunder wie bekannt wären. Solche murmelt seinen Namen Gott sei Dank, daß ihn Tante nicht verstanden hat! fen/^ sehen ist." „Danke! Wir haben noch Briefe zu Ich bin roth geworden. Sein Blick ist wieder so amllsirt von Tante nach mir hinübergeglitten. „Dann sehen wir uns wohl an der Table d'hote oder nach Tisch im Kurgarten? Man sitzt da so schön bei der Musik, trinkt seinen Kaffee ' —Herr Ottern dorf erhebt sich, „auf Wiedersehen morgen!" Er grüßt und geht quer über die Terrasse in das Hotel. „Hast du nun schon so was erlebt, Mieze! Thut, als ob er uns kennt dabei hat er uns gestern zum er stenmal gesehen! Am Ende ist's ein Hochstapler in diesen Badeorten treiben die sich jetzt massenhaft umher ja, und du lachst dazu! Im sel ben Hotel hat er sich eingenistet, und du wirst sehen du wirst sehen, als wer er sich entpuppt." „Gott Tante, so laß mich doch ein mal zu Wort kommen, er hat sich doch vorgestellt, er ist Regierungsassessor und heißt —" (Hier stocke ich zwei felnd, ob ich es wagen soll.) „Regierungsassessor!" sagt Tante. Das kann jeder sagen!" „Und heißt: Otterndorf!" "Wa —" So sagte er!" Tante sieht mich mit großen, entsetz ten Augen an. Eine Minute. Dann geht es los. „Also Otterndorf! Als dieser Fa milie! Ein Verwandter von Minna Otterndorf! Na, so was Aehnliches hatte ich mir ja gleich gedacht! So war Minna auch, immer bereit, dem Ver gnügen nachzujagen, immer auf Rei sen, in die Bäder und dort Bekannt schaften angeknüpft: berechnend, kokett. Lieber Himmel, ich sehe sie noch in ihrem rothen Ballkleid, ein seuerro thes! Ich bitte einen Menschen, auf einem Militärkasinoball! So was zieht natürlich! Wie die Motten ums Licht, immer die Herren um das rothe Kleid. Ausgeschnitten natürlich. Nie tief genug konnte es ihr sein, ohne Ber mel, und das Haar, frisirt wie die Kö nigin von Saba. Das ist so ein Fa milienzug, immer auffallen wollen. Gleich sah ich es dem jungen Mann an, daß es so etwas mit ihm war. Daher die rothe Weste. Womöglich ist er ein Neffe von Minna! Und Wiedersehen" sagen! Der käme mir ge- Zitternd setzt Tante ihre Tasse zur nommen hatte. An der Table d'hote, die um 2 Uhr im großen Speisesaal stattfand, nah noch mehr erinuthigt. Wir aßen k i'-ii'l auf der Terrasse, was theuer, umständlich und langwei lig war. Es ist heiß und sonnjg auf der Ho telterrasse die Lindenallee ist leer ein Mann im blauen Kittel kehrt die dürren Blätter auf dem Weg zu sammen die Leute im Hotel haben sich nach Tisch auf ihre Zimmer zurück glcichgUltig. steht Nun wer? Der Herr mit dem Vogelkäfig Herr Otterndorf. „Ich habe Sie erschreckt? Ja?" „Erschreckt nicht, aber —" „Aber?" Er nimmt Platz mir ge- Habe ich so etwas Schreckliches aii mir, oder was in aller Welt hat Ihre Frau Tante gegen mich? Ist der lich in die Augen, und in diesem Mo ment steht der Abend dieses unseligen, entzückenden Maskenballs vor mir in Er' lachl! „Ich weiß es!" „Weshalb?" dort war in diesen, tilgen- „Mein Gott, hätte ich diese Jugend- Mieze Mie—ze Mie—ze!" „Die Tante! O Gott!" „Wo bleibst du denn, Kind? Es ist höchste Zeit zum Kaffee!" Abends im Kurgarten. Im runden, offenen Musikpavillon spielt die Kapelle. Auf den breiten, hellen Kieswegen schiebt sich die Menge. Auf der Kurhausterrasse und unter den Platanen des Platzes zwischen den Anlagen sitzen die Kurgäste an kleinen Tischchen, trinken ihre Limonade, ihr Bier, ihren Eiskaffee. In der Linden - Allee ist es dunkel und menschenleer. Ich wäre viel lie ber dort. Die Luft ist hier schwül, und die Menschen sprechen trotz der Musik, Kellner klappern mit den Tas sen und rennen zwischen den Tischen „Höre mal, Kind, es ist kühl hier, du könntest mir meinen Shawl holen, Im Zimmer liegt er oben, du findest ihn gleich!" sagt Tante, als wir gera de Platz nehmen. the» Punkt entdeckt. len für Tante!" „Ich bin entrüstet! Erst machen Sie ich Sie nicht los! Wer ist Minna? Und tels. „Ich habe Ihnen keine Geschichte zu wenn ich ihren Namen nicht höre, er ist mein Schreckgespenst! Außerdem gibt es von Mmna weiter nichts zu er^ denallee hinunter. „Meine gute, alte Tante", sagte er lachend, „Sie hat Sie also derartig gequält. Sie ist so vergnügt mit ihrem Papapei und ihren Hunden und lacht so gern, sie trägt eine Brille und ein weißes Häubchen und wohnt in Berlin bei meiner Mutter. Die harmloseste alte Dame. Es ist also wirklich nicht nöthig, daß wir froh." „Weshalb froh?" „Doch!" „Nun, dann sehe ich nicht ein, wes wegen ich nicht auch vergnügt sein soll. „Bitte! Wir sind in Elsterbad „Aber das härt ja kein Mensch!" —" Lene den ganzen Abend von Ihrer „Um Gottes willen!" "°ch von diesem ! knickt. ! Am andern Morgen finden wir aus unserem Kaffeetisch einen Busch rother Rosen. „Wer erlaubt sich —!" Tante sieht mich an. Ich werde roth. In diesem Augenblick grüßt von der Allee herauf Herr Otterndorf. „Ah so!" Mehr hat Tante Lene nicht ge d' s Morgen hat sie „Bon einem fremden Menschen sich Blumen schenken lassen! Und gestern Abend bist du mit ihm in der Linden allee auf- und abgegangen! Daher der rothe Kopf und der vergessene Shawl! Schämen solltest du dich. Und ich muß mich für dich schämen, weil du meine Nichte bist! Geh jetzt zu Bett! Und ich werde dies alles deiner Mutter schreiben. Sie meint immer, ich übertriebe! Sie soll sehen, daß ich nicht übertrieben habe. Alles schreibt Abends schlief ich mit dieser Predigt Kaffee wieder an. Wie ich mich zwischen diesen Predig ten dreimal täglich mit dem unange nehmen Menschen mit der rothen We ste in den Kuranlagen treffen konn te, ist mir heute noch nicht ganz klar. Aber es ist Thatsache. Es ging. . . Und am Abend des dritten Tages nach dieser Predigt hatten wir eine ganz ernste und geheime Aussprache miteinander im Kurgarten. Als ich Abends nach Hause komme, finde ich Tante Lene in ihrem Zim mer, beim Licht einer Kerze einen Brief studirend. Sie hebt den Kopf und sieht mich über ihre Kneifergiäser „Ein Brief von deiner Mutter hier!" Und ich lese auf der letzten Seite dieses Briefes gerade die Worte: „Also wenn irgend etwas an dieser Sache ist, so schicke Mieze sofort zurück." Ich lachte auf. „Nun, Mieze ich „Aber Tante Tante —" „Nun —?" Ich falle ihr um den Hals, trotz ih rer Predigten und der Scene! „Du mußt mich nach Hause schicken; denn es ist etwas an der Sache!" „Mie —ze! Du wirst doch nicht!!" „Ich werde jawohl, Tante, ich werde! Ich kenne ihn schon lange und habe ihn lieb, und heute Abend habe ich mich mit ihm verlobt!" „Mit dem Ottern—dors, dem Nef fen von Minna Otterndorf!" schreit Tante und setzt sich auf das Sosa und ich nicke nur dazu! So endete unsere gemeinschaftliche „Badereise" mit einer Versöhnung K »:»'! auf der Hotelterrasse des Euro päischen Hofes. In unserer Familie aber heiße ich seitdem nicht mehr Mieze sondern Minna Otterndorf. Das ließen sie sich Japanischer Schmuck. Hingebung und Treue dem Studium und der Wiedergabe der kleinsten Ne- wie der Japaner,^der, der Bijouterie zu Tage. Ursprünglich ist der Raum des japa nischen Schmuckes beschränkt, für eine Entwicklung der Schmuckindustrie bot sich lange Zeit kein Anlaß. Die alte Zeit kannte nicht Ringe, Armspange», nicht Knopf noch Nadel, nicht Schnalle St?ff ist der Obi, das breite, dicke Unentbehrlich ist den kleinen Dämchen das Nippestäschchen für Puder, Roth schminke und Moschus, mit einigen Pinsel birgt, unenlbehrlich, um das Gesicht stets weiß gepudert, die Lippen in der Mitte dunkel, das rothe Haar sellschaftskrcifen gilt das noch heute nicht als anständig. Es ist dieser Mangel anSchmucksachen bei der weib- für den Fremden, der zuerst das Land besucht. Keine Halsgehänge, kein Ringschmuck, weder des Halses noch der Arme, keine Agraffe. Nur etwa Das pechschwarze und durchSalbe und Oel fettglänzende, nach dem Alter ver schieden srisirte Haupthaar zieren noch künstliche Schmetterlinge und Blumen, Gold- und Silberfäden. Nur bei der Halbwelt, der Gefcha, steht ein ganzer Papier verwendet- denn Japan ist das Land des Papiers. Papier ist die Pflasteruntcrlage: Papier wird gefal- Toilettenstück, das Taschentuch, ist zu- Berhältiüß hat Kaiser Friedrich stets aufs genaueste befolgend. Als die Uni versität Königsberg, die älteste Preu stens, am 18. October 1861 dem Kron- Pflege der Wissenschaft die höchste aka ben Tages in dem Sommerlokal der .Börsenhalle" zu Königsberg stattfand. Der offizielle Theil des Festes mit mer in dem anstoßenden Garten dir pse in der kühlen Abendlust badeten. Auch der Kronprinz, die Cigarre im Polizeipräsidenten v. Maurach hinaus und ließ sich bei der Gelegenheit die draußen sich ergehenden Studenten bnsivürdigen Anrede erfreuend. Da nahte sich auch eine etwas schwankende Gestalt, welche zur Auf rechterhaltung des Gleichgewichts die Unterstützung zweier Kommilitionen bedurfte. Erschreckt winkt Maurach den Begleitern ein energisches „Zu rück!" zu, allein der Kronprinz hat die Gruppe bereits bemerkt und meint: „Warum zurück? Wenn ihm das Ge hen schwer wird, will ich ihm entgegen gehen." Und in der That macht er ein paar Schritte auf den^ schwer Gelade keineswegs verdutzten Bruder Studio, „ich bemerke hier an den Mützen Ihrer Kommilitonen bald einen großen bald iinen kleinen Albertus