Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 04, 1903, Page 2, Image 2

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    2 Der Wille zum Glück.
Der elegante Luxuszug stand zur
Abfahrt von Berlin nach dem Süden
bereit.
Nur vereinzelt kamen die Passagiere
an. Es war kein großer Zudrang,
obgleich die Saison an der Riviera be
xann.
Jetzt kam noch eine Dame. In den
Händen hielt sie Blumen. Zwei Dä
das Geleit.
Zärtlicher Abschied, bei dem sogar
Thränen flössen, wurde voneinander
tet hatte.
Er lächelte ein klein wenig über die
Ueberfchwenglichleiten der beiden Da
men, die zurückblicken.
»Addio, depefchire sofort nach dei
ner Ankunft!" Sie nickte, lächelte unter
Thränen wehte, solange es an
virt.
Sie war nicht mehr ganz jung, aber
ihre schlanke, biegsame Gestalt hatte
etwas unbeschreiblich Unmuthiges, jede
Mit halben, diskreten Blicken sorsch
beugung begrüßt.
Als sie jung war, mußte ihr Antlitz
sehr schön gewesen sein: große, seltsa-
Diese beiden Linien gaben ihm zu den
ken. Eine gewisse Zartheit des Teints,
verbunden mit dem Leuchten der Au-
Abschied""^
Ihn, den kraftvollen Gefunden,
packte ein plötzliches Mitleid mit ihr.
Als sie leicht hüstelte, beeilte er sich, das
saß/
„Ich danke Ihnen sehr, aber ich
ziehe die frische Lust vor, ich sitze
sehr geschützt, aber wenn es Sie ge
nir —"
Frau, nur Rücksicht auf Ihr Wohlbi
sinden ließ mich das Fenster schließen.
ker in Italien?"
Glückt
schwieg dann eine lange Weile. Sie
schaft. Der Reisegefährte entfaltete
«in Morgenblatt und begann seine Lek
sein mit einer schönen, eleganten, auch
geistreichen Frau hat stets einen wun
derbare,, Zauber für den Mmn, ei
plötzlich alles. Ihre Sprache, ihr Ton
fall, ihr Gesichtsausdruck, ihre Gestalt,
len. und zwar sobald es anging, trug
er sich schon einige Zeit.
„Hans Joachim, du mußt Heirathen,
ehe du die Vierzig antrittst, sonst,
nachher wird es leicht zu spät."
Seine alie Mutter sprach es oft zu
ihm, beinah täglich, er sagte sich es
Rechte finden? h d k
Aber wo wär dann ihr Gatt« beim
Pbschied? D«n älteren Herrn,hatte
sie „Onkel" genannt. Bielleicht er
wartete er sie schon am Ziele der
Reise.
Aufenthalt durch —"
„O nein, ich reise mit Ruhe, ein,
zwei Tage München, dann längerer
Aufenthalt in Bozen und Meran," ent
gegnete sie.
Absicht hatte ich auch.
unerfahren ohne längeren Ausent
Sie streifte di« Handschuhe jetzt von
den Händen. Begierig hing fein Blick
ger, eine feinsinnige Hand. Sie paßte
Kein Ring! Was das bedeutete?
Aber er blieb bei seiner Anrede „Gnä
dige Frau". Sie hatte trotz aller Zart
heit und Anmuth doch etwas Frauen
haftes, etwas Wissendes, Erfahrenes,
was die Ehe gibt.
sie ihre Hand danach ausstreckte.
Ihre Finger hatten seine Hand
leicht gestreift: Es durchzuckte ihn wie
plauderte unbefangen über die Gegend,
über Italien, über das Leben, seine
Verkettungen, über Kunst und Arbeit,
über Menschenschicksale und über das
Glück.
Wie und was sie sprach, gefiel ihm:
nur daß sie gar nichts von sich er
zählte, siel ihm auf. Ihre eigene Per
son schien ihr gleichgültig; sie hatte
eine Frage stellte, die sie selbst betraf,
ter.
Vorgestellt hatte er sich schon bald,
gen hinter dem ihren an dem Hotel
Kunststadt an der Isar.
Daß es kein Zufall war, als er zur
ihre Gesellschaft. Gar bald kam daS
Gespräch auf die Ehe, auf Ehe
glück.
„In mancher Ehe fehlt der Wille
Adel. In Gedanken nannte er° sie je
doch „May".
Es klang ihm wie eine Liebko
sung.
Sie war jetzt stiller. Das Liebes
paar schien mit seiner neckenden Zärt
hört ein Wille, der Wille, sich zu er
derte:
„Hat das Glück ein klares Bewußt
sein, ist es nicht ein Rausch, etwas,
was unsern Verstand ganz betäubt?"
„Ja, ja das ist Glück; Gliicksrausch,
das ist der Höhepunkt, dazu gehört
kein Wille, das kommt und geht;
aber es festhalten, im Besitz bleiben,
dazu gehört der Wille zum Glück. Ich
habe es auch erst kennen gelernt, als
es zu spät war, wie groß ein Wille
sein muß, um das Glück festzuhal
ten."
lhrer Ehe?"
„In meiner Ehe", gab sie leise zu
rück. Wie ein Schleier zog es über
ihre Auaen.
' Da kämen sie nach Bozen, das weite,
sonnige That mit seinen Reben that
sich vor ihnen auf, blauer Dunst über
Dort wandeln mit ihr, über jene
Höhen und den Schleier lüften,
der über Vergangenheit und Zukunft
liegt!
Seine Hand bebte, als er ihr be
hilflich war, auszusteigen, als sie
„Ihr Gatte, erwartet er Sie hier?"
„Also frei!" jubelte es in ihm. Frei,
Er wußte nicht, war sie Wittwe oder
lebte ihr Gatte irgendwo in der Welt.
Er glaubte das letztere. Ueber einen
wirkte? s
Beinah täglich erhielt sie Briefe.
Darunter sah er mit Eifersucht stets
einen mit großen, steilen, kräftigen
meldete.
Auch diesen Morgen schritt sie neben
ihm den Bergpfad hinan. Dann sa
ßen sie auf einer Ruhebank an einem
herrlichen Aussichtspunkt, dem Kalva
rienberg.
liebliche Bild, das ihre Blicken sich
bot.
das herrliche Thal der Etfch nach Me-
Blutwelle stieg ihm zu Kopf. Er nahm
„Ich danke Ihnen, Gräfin, daß
schon zulässig."
Dame in Ihrem Alter?" lä
chelte er und küßte abermals die seinen
Fingerspitzen.
Liebreiz der Gräfin May. Er bewun
derte ihre Geistesstärke, ihre Seelenbil
dung, ihre Welterfahrenheit, ihre Ge
tankenreinheit.
Sie erhielt noch immer täglich ihre
Briefe von derselben Männerhand',
und er bemerkte, daß diese Briefe sie
jetzt beunruhigten.
Eines Tages schritten sie ander rau
schenden Passer hin nach den Gilsan
lagen, wo sich die glühende Farben
pracht der Blüthen des Südens mit
dem Ernst der Weinberge mischte. Hin
und wieder stand eine Palme an
windgeschützter Stelle. Den Küchel
berg stiegen sie langsam hinauf. Im
mer tjtfer sank die Fluth der Passer,
Villen empor. Die Stadt verschwand
immer mehr in der Tiefe.
Es schien, als ob sie die Welt, die
Blicke"''
Heiß, leidenschaftlich loderte «S in
seinem Auge auf. Beinah ängstlich
sah sie ihn an mit plötzlichem Erschre
cken. Die wandte das Gesicht zur
Seite.
Nach einem Augenblick sprach sie bei
nah traurig:
„Ich glaube, wir müssen uns nun
doch bald trennen."
„Um Ihretwillen. Ich hoffte, daß
„Nein, Freunde, das geh! nicht", be
„Schade," sagte sie leise, „ich hätte
so gern Ihre Fiihrerin in Italien ge
uns trennen."
„Sprechen Sie nicht so grausam!
Lossen Sie mich Ihr Reisegefährte,
lassen Sie mich Ihr Freund sein. Ich
will mich bezwingen. Nie, nie wieder
soll ein Wort über meine Lippen kom
men, das Ihnen mehr verräth, als es
soll", bat er in eindringlichem Ton.
„Im Stillen werden Sie hoffen, nicht
wahr? Nein, nein, es ist unmöglich.
Depesche. Sie erblaßte, und als sie
las, bebte ihre Hand. Ihre Blicke glit
räthselhaften Ausdruck.
„Mein früherer Gatte ich bin
seit drei lahren geschieden von ihm
heit! Ich fürchte nicht ihn, nur einen
Skandal. Reifen Sie, ich bitte Sie,
reifen Sie."
fort!"
ihr Mund.
„Ist es nicht feige Flucht?" wider
werde ich es ganz bestimmt. Ich hoff
te, daß Sie meinen Wunsch erfüllen
würden."
„Ich reise, Gräfin! Auf Wiedersehen
schwand sie.
Hans Joachim packte, beglich seine
Rechnung und setzte sich in den näch
sie. Er bangte für sie. Im Geiste sah
zwischen ihm und ihrem Gatten, dessen
Brutalität sie fürchtete, nicht für sich,
sondern für ihn. Oder wollte sie ihn
entfernen?
Der häßliche Verdacht hatte keine
Minute Raum in seinem Hirn. Dann
doch wieder ihrem früheren Gatten ver
band! Es wäre nicht das erste Mal
gewesen, daß solches geschah.
tigt. Während er still und schweigend
in der Ecke seine» CoupeS im dahin
brausenden Zuge saß, sah und hörte er
Hier wollte er sich niederlassen und
auf sie warten. Ob sie Wort hielt, ob
sie kam?
Gatten ausgesöhnt, und reichte ihm die
Hand zum Freundschaftsbund.
„Nie und nimmer!" sprach er laut
zu sich selbst.
Der schöne, blaue Gardasee mit sei
nem lebhaften Schiffsverkehr, seinen
bewegten Wellen übte einen etwas be
ruhigenden Eindruck auf ihn aus.
Wenn er am Abend auf der Terrasse
seines Hotels saß, im Silberschein des
Mondes, dann befiel ihn eine grenzen
sich glühend erwünschte.
Bei jedem Zuge, der von Meran
kam, war er auf dem Bahnhofe. Er
wartung, Enttäuschung das waren
die Wellen, auf denen seine Seele sich
Regimentskameraden mit
Nicht«. Die Nichte, ein sonniges, la
chendes, siebzehnjähriges Wesen, nahm
ihn sofort in Beschlag. Ihre jZng
sräuliche Knospenhaftigkeit übte einen
beinah onkelhaftes Gefühl bewegte ihn
kür die Kleine. Aber was war das a:> >
genüber dem Sturm, in den Gräsin
May ihn versetzte!
Hier hätte er Freund sein können,
" 's d'
eine Map geliebt hat mit aller Leiden
schaft und Kraft des Mannes.
Gräfin May war sein Schic^al.
reist sei.
Die Antwort lautete, daß die Grä
fin seit zwölf Tagen Meran verlassen
Also doch, sie kam nicht, si«
Blicks
te. Ich hatte es Ihnen doch verspro
chen."
Nun war er wieder da, dieserGlücks
senheit der Welt.
h
eine Kokette und schlug mich mit der
Reitpeitsche in seinem beispiellosen
Zorn."
besessen. Was Glück der Liebe ist, weiß
Ich erst jetzt."
„May^ — o May! —"
Wille zum Glück! Mein Glück bist
du!"
Aranenrechte in Aegypten.
lung der Frau unter den Pharaonen"
bervor, den der Aegypter Attia Wah
bn in dein „Aegyptischen Institut" in
Mann gleichgestellt sein sollte. Bei
den Einfluß auf ihn. Von allen Län
dern des Alterthums war Aegypten
das einzige, das die Rechte der Frau
Ben! - Hassan beweisen, daß die erbli
chen Rechte des ägyptischen Adels auf
die weibliche Linie iiberaingen. Der
auf gleiche Stufe stellte. Im Haus-
Blauprümpfe.
Die Blaustrümpfe haben bekanntlich
ihre Heimath in England; doch gehen
die Ansichten darüber auseinander, ob
diese Zeit Pflegten mehrere
Eines der trefflichsten Mitglieder die
ser Gesellschaften bei ihrem ersten Auf
durch blaue Strümpfe auszeichnete.
Die Vortrefflichkeit. seiner Unterhal
tung war so groß, daß seine Abwesen
die Bezeichnung Blau-Strumpf-Club
Trotz der Autorität Boswell's ist ei
der Gesellschaft, die sich zwischen 1770
berühmten Mrs. Elisabeth Montag»,
nungen der Tochter dieser Dame, d:r
Lady Crewe, aus dem Jahre 1816 er
schien nämlich einmal ein berühmter
Mitglieder des Clubs der Mrs. Mon
taqu diese Tracht an. Ein französi
scher Cavalier, der als Gast diese
Abendgesellschaften besuchte, bemerkte
„Na, hat Sie Ihr Onkel gut bedacht
in seinem Nachlaß?" „Hm, hätt' et.
nißarzt (zu einem erst kürzlich einge
te, Ihre Tage sind gezählt. „Na,
dann hätt' ich ja die Richter schön ge
theilt haben!"
Unverfroren. Meister (sehr
aufgeregt, zum Lehrling): „Ich finde
überhaupt gar keine Worte für Dein
Benehmen!" „Ja, ia, Meester, Ihre
läßt in letzter Zeit be.
Wichtigere. Graf
(als Freier): „Ich habe Ah-
Seltsame LiebeSwerbunge«.
Die Formen d«r
wie sie b«i den verschiedenen Völkern
vorkommen, sind gar mannigfach und
sonderbar. Die Liebesetikette bei den
ungarischen Zigeunern ist zum Beispiel
folgende: Kuchen werden als „Liebes
eine Münze hineingebacken, die bei der
ersten Gelegenheit der Begünstigten
zugefchleudert wird. Das Behalten
wird als „Annahme" angesehen, das
terS Zelt getrieben, so ist der Zweck des
teten Wälder..
wartet die nächste dunkle Nacht. Dann
stiehlt er sich zu ihrem Hause und weckt
sie, wenn sie schlafend neben ihren
din getragen zu werdend Wirft sie die
Blumen leicht heraus, so ist der Be
werber verworfen; steckt sie dieselben
kühl geworden ist, pocht der Mann an
ihres Baters Thür und bittet um eine
Kürbisflasche voll Wasser, die er na
statt.^°^
, BoSliaft.
In Christiania erzählt man sich eine
prachtvolle Geschichte: Aus irgend
einem gleichgültigen Grunde hatte sich
rirte und der Ladeninhaber raste wie
Nothschrei. Junger Ehe
mann: „Hast Du schon gehört, Dora,
daß es selbstspielende Klaviere gibt?"
Junge Frau: „Ja, wenn es nur
auch selbstkochende Küchen gäbe!"
Gerechte Strafe. Er:
„Eine schöne Wirthschaft! Wollt' mir
heute den Flecken da aus dem Rock
«ntf-rntn, und kein Tropfen Benzin ist
im Hause!" Sie: „Da haben wir's
jetzt! Warum hast Du mir auch zu
Weihnachten das gewünschte Automo-
A,: Sa
gen Sie mir mal, waS bedeutet denn
das Wort Illusion? B.: Na, geben
Sie mir einen Thaler, ich werde es Ih
nen damit zeigen! A.: Gern, hier ist
einer. B.: So, wenn Sie nun glau
ben, daß Sie d«n Thaler je wieder be
kommen. das ist «in« Illusion.