Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 07, 1903, Page 2, Image 2

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    2 Ter alte Baron.
Novellistisch« Llizzc von Armin Rvnai.
Er lebt« nur noch für's Spiel.
Nicht vom Spiel. Dazu hatte er nicht
genug Glück. Auch früher nicht, als
«r noch jung und reich war. Im Ge
gentheil. Das Spiel verschlang allge
mach, was di« einst noch mehr bevor
zugten Pferde und Weiber übrig ge
lassen hatten. Pferde und Weiber
vorbei, vorbei! .... Nur das Spiel
war geblieben, der Club und das Jeu.
Der Club, der ihm zugleich die verjeuie
Heimath ersetzte.
Schon neunundsiebzig war «r, der
alte Baron Fellenbrock, in «in paar
Monaten achtzig, aber immer noch ein
liebenswürdiger, fescher alter Herr,
tadelloser Kavalier, Aristokrat durch
und durch und ein unverwüstlicher
Lebemann. Er spielte und dinirte, di
nirie und spielte. Das war sein Le
bensprogramm. Bald spielte er Bac
carat, bald Ecarte, wie es die Gelegen
heit ergab, aber er spielte täglich. Das
war ihm Lebensbedingung. Bald
spielte er hoch, bald um lächerlich kleine
Beträge, je nachdem es mit der Kasse
bestellt war. In der letzten Zeit spielte
es langte nicht mehr. Nicht mal zu
guten Diners, die er ebenfalls liebte.
Besonders am Abend, vor dem Jeu...
Das alte Gut war fort, ganz dahin,
verthan, aufgezehrt. Im Kastell zu
Fellendorf hausten findige Engländer,
die aus dem alten, feudalen Herrensitz
eine Sodafabrik gemacht hatten.
Dann waren noch einige Wälder übrig,
aus denen Einiges herauszuschlagen
war. Schließlich sandte Baron Hans,
ein Neffe des alten Fellenbrock, an je
dem Ersten pünktlich fünfhundert
Mark. Das war alles. Wenig genug
für den alten Herrn. Aber man konnte
immerhin leben, wenigstens scheinbar
nach altgewohnter Art und hergebrach-
Psennige, zur Zeit der Ebbe. Aber
Subvention erst in zwei Wochen fällig
war. Fast alles, was er hatte. In
Baccarat wollte es ihm gelingen. Er
saß immer auf der Außenseite. Und
gestern ging der letzte Hundertmark-
Der alte Baron befand sich in gries
grämiger Laune. Es war schon fast
Mittag, er lag noch im Bett, schlafen
konnte er aber nicht. Er vertrieb sich
die Zeit damit, daß er auf dem Plu
ineau nach alter Spielerart Karlen
tastische Glücksfälle. Ach, wenn er ge
stern diese Karten bekommen hätte und
nein, lieber wieder einmal beim alten
Meyerfeld Probiren Wenn nur der
letzte Wechsel schon honorirl wäre. Er
dürfte längst fällig sein Ach, die
Wechsel und das Podogrä! Wie schön
wäre sonst das Leben auch mit achtzig
Jahren
Da klopfte es an der Thüre. Der
Clubdiener «inen eigenen konnte sich
egal von woher, es kam jedenfalls zur
rechten Zeit. Der Baron zitterte doch
vor freudig«! Erregung, als er in den
Schlafrock schlüpfte. Als aber der
Also ein Brief. Em Geldbrief.
Herr wankte einen Moment über
5275 Mark So, da wär's. Er
„nterfchrieb in kräftigen Zügen, gab
dem Postmann ein fürstliches Trink
gestern und blieb dann allein mit sei
ne? Ueberraschung.
Nun lonnte er sich geben lassen.
Himmel, welche Summe! 5275 Mark!
Cin seit langen Jahren nicht mehr ge
sehener Schatz. Und gerade jetzt, zur
Zeit totaler Ebbe. Wer war denn der
Rettungsengel?
Er öffnete den Brief und suchte die
Unterschrift. Seine Engländer wa
ren's, die aus dem Kastell eine Soda
kabrik gemacht hatten. Sie haben
einen Theil des Schloßwaldes, der
noch sein Eigenthum war, umhauen
lassen und das Holz für Fabrikzwecke
verwendet. Nach umständlichen Ver
rechnungen, Abzügen, Spesen u. dergl.
bleiben noch so vielMark übrig, die an
bei übersendet werden... Den Schloß
park Himmel, seinen Wildpark, die
Fasanerie, das nennt der Sodamann
„das Holz"! Einen Moment wollte er
aufbrausen, es lehnte sich etwas in ihm
gegen den Handel auf er besann sich
Mark! Eigentlich recht nett von den
Herrn Engländern, und wie anständig
abgerechnet.... Ach was, Fasanerie,
wozu denn überhaupt Fasanen? So
überflüssiges Geflügel... aber Geld,
das brauchte er, und das hatte er nun,
wie vernünftig wollte er den Schatz
verwenden. Nicht verspielen. Nein,
ganz gewiß nicht. Im Gegenthei^
armen Wittwe, seit sechs Monaten das
Waschgeld! Das mußte getilgt wer
den. Wie konnte er das so lange ver-
Es war schon spät am Nachmittag,
als der alte Baron in tadelloser
Abendtoilette seine Wshnung im Par-
Aber schon während des zweiten Aktes
ergriff den alten Baron eine fonder
dampf und Sportgeträtsche als Prä
ludium zum Spiel Schon nach
dem zweiten Akt hatte er das Theater
Tisch auf. Er hatte mit tadelloser
spielt und das Glück hatte ihm dies
mal, eben nur eine Lebensaufgabe er
füllt, läuft fortwährend dem Glücke
nach und schimpft gewaltig, weil es
sich nicht zwingen, nicht fangen läßt,
ier der Orangerie, das allein noch vom
Wildpark übrig ist, sollte auch gerettet
werden. Gewiß, er wird den Englän-
Strahl. Der Alte schlief und schlief,
Es war IV UHr. Clubzeit. Baron
Wieder dauerte es bis zum hellen
Tag. Um 7 Uhr früh lnöpste der alte
Baron seinen Rock zu, stülpte seinen
des Bettes, ehe er sich entlleidete. Er
taumelte zu seinem Tisch suchte ein
Blatt Papier und schrieb, so gut
als es eben ging, an seine Engländer.
cheln, als hätte er eine Heldenthat ver
richtet die erste seines Lebens in
den Stuhl zurück und seine Augen
schlössen sich und er schlief, schlief
ruhig und fest, bis es wieder Abend
wurde Clubzeit....
Knallpro y> Parvenu:
„Was stellt denn dieses Gemälde vor?"
Maler: „Die sieben Todsünden. !
Es ist aber schon verlaust an
Commercienrath Silberstein für 20llH
Mark." Parvenu: „Wie, der
berstein für 2000 Marl? Malen
Sie mir 1l) Todsünden für 4000
Mark!" l
Schnuddel.
Der Tag der Aufnahme neuer Ka
detten. Ein Festtag und nicht nur
für die Anstalt, sondern auch für das
Pensionen sind von Gästen überfüllt.
Alle Zimmer sind schon lange für den
wichtigen Tag bestellt gewesen. Aber
auch diejenigen Eltern, Onlel, Tanten
nen „Stift" angemeldet und für ihr
Logis nicht rechtzeitig vorgesorgt hat
ten, kommen schließlich doch unter. Sie
Jeder der Bürger weiß, was die Ka
dettenanstalt für das Städtchen bedeu
tet, und er trägt dem Rechnung in jeder
Hinsicht.
Die Anstalt selbst liegt in feiertägli
cher Ruhe wie an Kaisers Geburtstag.
Die Höfe, Turn- und Spielplätze sind
peinlich sauber gefegt, beziehungsweise
geharkt. Aus den weitgeösfneten Fen
stern der Klassenzimmer dringt kein
Laut, dafür aber herrscht in den Stu
ben ein in seinen Geräuschen zwar auch
unterdrücktes, aber doch sehr lebhaftes,
bienenemsiges Treiben.
Die Kadetten haben einen freien Tag
heute.
Die meisten benutzen die Vormit
tagsstunden, in welchen die neuen
Stifte geprüft werden, zu einer ganz
besonders sorgfältigen, gewählten
Toilette. Es wird gebürstet, geputzt
und gewichst, fast ebenso als wenn es
auf Ferien nach Hause gehen sollte.
An ischweiß und Sorgfalt wird nicht
gespart. Die Scheitel werden noch
strammer gezogen als sonst. Ja bei
den Tertianern kursirt sogar ein gele
gentlich eingeschmuggeltes, sorgfältig
versteckt gehaltenes Stückchen Bartpo
made ein ganz winziges Stückchen
nur, taum zwischen den Fingern zu
halten, aber es wird mit Ernst und
Würde für die dürftige Schonung
oberhalb der Mundwinlel benutzt.
Auch ein lleiner Parfümrest wird von
Interessenten lebhaft begehrt und um
stritten.
Gilt es doch wichtige repräsentative
Aufgaben heute!
Den Stiften muß von vornh:rein
imponirt werden, und nach-Möguqleit
auch den Angehörigen derselben. Das
ist man der Anstalt schuldig.
Es aibt Stadturlaub heute!
Viele der Kadetten haben unter oen
Bekannte und sind von deren Angehö
rigen zum Mittagessen eingeladen wor
den meist noch mit dem Anheimge
erbsen und „blauem Heinrich" Und
Nachmittags gibt es Kaffee, richtigen
Kaffee keinen „Mehlpams mit Bul-
für tadellose Verwandtschaft hatte
die Baronin leise, indem sie sich wieder
in den Sessel gleiten ließ. „Rechnen
ist gerade seine schwache Seite. Wie
schon annehmen."
„Natürlich werden wir das," ver
sicherte der Andere, nachdem er aus fei-
„Die Hauptsache im Corps ist, daß er"
sich verflucht stramm hält —"
„Was ist denn das?" fragte die Ba
.Keile —"
„Aber mächtig!"
„Unter Umständen gibt es sogar
Klassen- oder gar Corpsschmiere!
Aber das brauchen gnädigste Frau Ba
ronin wohl nicht zu befürchten. Das
gen die Baronin erhob. Er trank <>x,
erhob wieder sein Glas und setzte sich
dann von dieser Beschwörung
augenscheinlich selbst ergriffen und auf
das Höchste befriedigt.
„Na, wenn Gringel Emich in Schutz
nimmt, dann kannst du ganz beruhigt
sein, Tantchen," versetzte Fritz Gerbich
ebenfalls mit einiger Rührung in der
Stimme. „Und einen Bauchauf
schwung kann er von ihm lernen ei
nen Bauchaufschwung das ist ein
fach kol—los—sal! Diesen Bauch
aufschwung hat Gringel schon zweimal
vor Majestät gemacht. Wahrhaftigen
Gott."
So schwatzten und schwadronirten
die jungen Herren sich immer mehr in
Begeisterung, und es macht- ihnen auch
nichts, daß die Baronin augenscheinlich
nur sehr zerstreut zuhörte. Sie blieb
schließlich ganz am Fenster und über
ließ die Kameraden sich selbst, dem
süßen Spanischen und den Apfeltört
chen.
Ihr Jung wo blieb ihr Jung?
Und würde er die Prüfung bestehen?
Das Mutterherz pochte in banger
Erwartung.
Die schlanke Frau legte die gefalte
ten Hände auf das Fensterbrett, und
mit feucht schimmernden Augen spähte
sie unentwegt nach der Ecke, an der ihr
Junge an der Hand ihres Bruders, der
ihn vor der Anstalt erwartete, in die
Straße einbiegen mußle.
Plötzlich erhob sie sich jäh mit ei
nem leisen Schrei des Jubels, der in
neren Befreiung. Sie stieß das Fen
ster auf und lehnte sich weit hinaus.
„Schnuddel!" rief sie. „Mein lie
ber süßer kleiner Schnuddel! Er
kommt, Kinder! Er kommt! Und ver
gnügt sieht er aus! Schnuddel, hast
du bestanden?!"
Während die Baronin zum Fenster
hinaus mit den Nahenden laute ju
belnde Zwiesprache hielt, zog sich Heinz
v. Gringel - Strassow mit den Ände
ren verlegen vom Fenster zurück.
„Das gibt's doch erst Nachmittags
zu erfahren," sagte er vor sich hin.
„Und überhaupt Schnuddel
eigentlich eine furchtbar ulkige Bezeich
nung Schnuddel!"
Und der Jungensübermuth bemäch
tigte sich dieses Namens. Sie raun
te» sich ihn gegenseitig in allen Tonar
ten zu, und Fritz Gerbich mußte
obwohl es ihm etwas eontr>> oo«>>ir
ging mitmachen, wenn er sich nicht
auslachen lassen wollte wegen
Schnuddel, der lleine pausbäckige
Emich v. Eglafs, mit dem flachsblon
den Schopf und den drolligen runden
Augen, hatte bestanden.
Es war „fein" gewesen? hatte er ge
sagt.
Also bestanden für dle Baronin
leine Bedenken, als er am Nachmittag,
mit demOnlel wieder abgeschoben war,
um das Resultat zu erfahren und even
tuell gleich eingekleidet zu werden.
beim Mittagessen eine glänzende
Klinge geschlagen und mit großer
Befriedigung sahen sie bereits die Vor-
nicht recht. Der Uniformrock sperrte
Aber seine Hallung! Prachtvoll
ganz ausgezeichnet. Die älteren Ka-
Aber er bezwang sich.
Mit gut gespieltem Gleichmuth
schnüffelte er an dem Abfchiedslaffee
seit du Soldat bist?"
geht? Etwas, was du sehr gern möch
test ein Wunsch, eine Bitte sprich,
mein Herzensjung!"
Mama ich bitte dich!"
Der Telegraphist Kaiser
Wilhelms l.
der im Kriege 187» 71 die Aufgabe
hatte, die Kaisertelegramme nach Ber
ühr, als Oberst Graf Strachwitz,
Helms brachte: „Königin AÜgusta,
Berlin. Großer Sieg; der Kaiser Na
poleon, der verwundete Marschall Mac
Mahon sowie die französische Armee
helfe uns weiter. Wilhelm." Nach
etwa einer Viertelstunde lief folgendes
Ben lassen? Berlin steht auf dem
Kopf. Augusta." Die Antwort lau
tete: „Das Telegramm ist echt! Es ist
von Sr. Majestät eigenhändig geschrie-
Strachwitz, noch neben mir am Ap
parat. Dessaules, Telegraphensecre
lär."
Indische Hochzeiten in Dentsch-Vst
asrika.
Aeußerst ruhestörendcn Lärm ver
ursachen die in Dar-es-Salaam gegen
wärtig häusiger abgehaltenen indischen
Hochzeiten. Meist beginnt der entsetz
liche Lär» gegen Mitternacht, wenn
der Bräutigam unter Paukenschlägen
und Trommelgewirbel sowie begleitet
von Dutzenden von singenden und krei
schenden Weibern durch die Straßen
der Stadt nach der Wohnung der
Braut zieht, wo die lärmenden Hoch
zeitsfestlichkeiten abgehalten werden.
Spät nach Mitternacht gegen 3 Uhr
Morgens führt dann der Bräutigam
seine Braut, verbunden mit demselben
entsetzlichen Skandal, in sein Heim.
Häufig gehen diese Processionen die
ganze Nacht hindurch hin und her und
mit Vorliebe grade durch die von Euro
päern bewohnten Straßen. Das In
teresse der Weißen an diesen exotischen
Festlichkeiten und Auszügen hat längst
Klagen um die gestörte Nachtruhe Platz
gemacht und derartigen Beschwerden
gibt die Deutsch-Ostafrikanische Zei
tung in beweglicher Weife Ausdruck.
zahl von Goldstücken im Betrage von
den. Gierig suchte die Alte das Geld
Stock, welcher ihr seit einer Reihe von
Jahren als Sparkasse gedient hat. Der
Polizeicommissär gab der reichen Belt-
Die Gesellschaft für V e r.
Jahre 1902 im Deutschen Reiche 1803
Bibliotheken mit 58,264 Bänden be-
ThrureS Balltofiüm.
Die Gemahlin des Kaisers von
Rußland bekundete in ihrer Kleidung
bis vor Kurzem eine fast zu strenge
Einfachheit. Zum nicht geringen Ver
druß des weiblichen Theils der russi
> scheu Hofgesellschaft erschien die Zarin
selbst bei glänzenden Festlichleiten in
Roben, deren Stoffe zwar kostbar wa
ren, aber wegen der überaus schlichten
Gelking kamen. Es ging nicht gut an,
daß die Damen des Hosstaates geputz
ter sich präsentirten als ihre Hirrsche-
Gelegentlich des letzten märchenhaf
ten Festes im Winterpalast zeigte sich
die Zarin in einem Costüm, wie nian
es in ähnlicher Pracht und Schönheit
noch kaum je gesehen haben dürfte. Sie
trug eine weiße Sammel - Toilette, de
ren Schleppe 12 Fuß lang auf dem
Boden schleifte. Der köstliche, schnee
ige Stoff war über und über mit
fremdartigen Goldstickereien bedeckt.
Diese stellten phantastische Blumenge
bilde dar, um die sich eigenthümlich ge
formtes Laub rankte. In jedem der
zahlreichen Blüthenkelche sprühte es in
sinnverwirrendem Farbenspiel. Ein
großer Brillant von seltenem Feuer
bildete den Mittelpunkt jedes Blumen
kelches. Die ganze Robe hüllte wie eine
stellt halte, die nur an der entferntesten
arktischen Küste des weißen Meeres zu
finden sind. Auf den ausgebreiteten
w die Luft streckte, so daß der Kopf
und wie findet der sonderbare Wan
derer die Kraft zu solchen Kopssprün
gen? Darauf kann ich keine Antwort
überzeugen konnten. Der eigenartige
Akrobat ist ein Däne, der 23 Jahre
alt ist. Sein 26jähriger Bruder macht
chen.
Einfamoser Wahlkandidat.
ist Herr Jules Laurent, der sich im 17.
energische Verordnungen erlassen; die
„große Therese" wird zur General
schatzmeisterin Frankreichs ernannt;
die Portiers und die... Wahlcandida
ten," Jedenfalls kurzweiliger alt
manches Wahlprosramm.