Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 02, 1902, Page 3, Image 3

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    Ikeinmeb.
Liouia» von Nliiihold Or iNiNiu.
(3. Fortsetzung.)
„Es ist hübsch, daß Sie Wort hal
ten, Herr Doktor! Ich fürchtete schon,
Sie könnten uns wieder vergeblich
warten lafsen. Aber Sie müssen vor
läufig mit meiner unbedeutenden Per
son vorlieb nehmen. Mama ist, wie
es scheint, irgendwo aufgehalten wor
den. Ich darf Ihnen doch gewiß ein«
Tasse Thee machen, »iyt wahr?"
Die zierlich« weiße Schürze über
dem einfachen Hauskleide stand ihr al
lerliebst, und di« Anstrengungen der
gestrigen Gesellschaft hatten keine
Spur von Ermüdung auf ihrem fri
schen, rosigen Antlitz zurückgelassen.
Bewundernd und entzückt folgten die
Augen des jungen ArzteS ihren an
muihigen Bewegungen, während si«
am Theetisch hantirt«, und es war
ihm, als mache jed« weitere Sekunde
ihm n«u«, b«strickend« Reize ihrer hol
ten Erscheinung offenbar.
„Es war doch jammerschade, daß
Sie gestern schon so früh die Alucht
ergriffen," plauderte sie. „Wir hatten
noch einige sehr hübsche musikalisch«
Vorträge, und schließlich Sie wer
den es kaum für möglich halten
schließlich wurde sogar getanzt."
„Ohne Zweifel waren es di« H«rr«n
Lieutenants, die Ihnen auf diesen
Gipfel irdischen Vergnügens verhal
fen. bemerkte er mit einem kleinen
Anfluge von Eifersucht. Und si«
stimmte lächelnd zu:
„Natürlich! Man durfte ihnen doch
riicht die Möglichkeit abschneiden,'sich
in ihrem voll«n Glanz« zu zeigen.
Ihr« B«in« sind ja meist beweglicher
als ihr Geist. Und ich leugne nicht,
daß ich es vorziehe, mit ihnen zu tan
zen. als da» Vergnügen ihrer Unter
haltung zu genießen."
„Das ist begreiflich. Ich darf aber
in diesem Fall nicht «inmal bereuen,
das Glück eines so herz«rheb«ndin An
blickes versäumt zu haben. Denn ich
wär« darüber vielleicht um «ine der
schönsten Ueberraschungen gekommen,
die mir bisher im Leben beschieden
waren."
Etwas argwöhnisch blickte Fräulein
Else von ihrer Verrichtung auf.
„Ei, «i, Herr Doktor! So enthu
siastisch pflegen di« H«rren der Schö
pfung nur von Ueberraschungen zu
sprechen, b«i denen eine Dame im
Spiele ist."
„Es war auch «ine dabei im Spi«l«.
Aber sie war nicht eigentlich die Haup
tperson."
Und er erzählte ih? in lebhaften
Worten von d,r unerwarteten Heim
kehr seines seit fünfzehn Jahren ent
fernt gewesenen Bruders, von der
Freude, die ihm das Wiedersehen be
reitet hatte, und von den frohen Hoff
nungen, die er an das künfti^Zu
zu" Dann, während sie ihm auf sil
berner Tablette den fertig«» Thee dar
bot. sagte sie
„Sie müssen ihn sehr lieb haben,
diesen T-ruder. Und doch haben Sie
uns bisher niemals von ihm erzählt."
„Was hätte ich Ihnen viel erzählen
lönnen, da ich selbst seit Jahren nichts
m«hr von ihm gehört hatt«. Wußt«
ich doch nicht einmal, daß er verheira
thet sei." .
Ihren Augen gesunden?"
„Mehr als das. Ich bin von ihr
«ntzückt."
„O. welche Begeisterung! Werden
Sie es für sehr unbescheiden halten,
wenn ich Sie bitte, auch mir den Vor
zug ihrer Bekanntschaft zu vermit
teln?"
seines Entstehens für einen sehr glück
lichen hielt, fuhr dem Doktor durch
den Kopf.
„Und wenn ich Si« beim Wort näh
me. Fräulein Elfe? Würd«» Sie mir
versprechen, sich meiner Schwägerin
freundlich anzunehmen, noch eh« ich
Ihnen gesagt hab«, wer sie ist?"
„Sie ist Ihres Bruders Gattin,
wie ich denke. Was brauche ich mehr
von ihr zu wissen, um Ihnen mit d«m
größten Vergnügen ein solches Ver
sprechen zu geben, vorausgesetzt, daß
die Dame selbst sich damit einverstan
den erklärt."
„O, dessen glaube ich Sie mit gu
tem Gewissen versichern zu dürsen.
Aber es giebt doch einen kleinen Um
stand, der Si« Ihr« Zusage vielleicht
bereuen lass«n könnte. Meine Schwä
gerin Tuima Arln«r ist nämlich sozu
sagen Halbblut di« Tochter eines
deutschen Arztes und «in«r Samoan«-
Els« sah ihn an, als habe sie ihn
im Verdacht, daß er sich einen Scherz
mit ihr mach«n wolle.
heißt: einer auf Samoa geborenen
Weißen, nicht wahr?"
„Nein einer richtigen Eingebo
den ersten Blick."
können?"
Belustigt lachte der Doktor aus.
Und mit einer Wärme, di« ihn selbst
hat nach meines BrudersVer
tressliche Erziehung erhallen." schloß
er, „und ich meine, daß es einem
warmherzigen weiblichen Wesen seh»
leicht sallen müßte, sie lieb zu gewin-
nen. Ei ist mein Innigster Wunsch,
daß sie hier recht bald ein solches We
sen finde. Zwar bat lick die junge
Frau Rodenberg, wie eS scheint, ihrer
sehr gütig angenommen; aber wenn
Rolf sie nur richtig geschildert hat, ist
si« zu sehr vornehme Weltdame, um
diesem schüchterne». Naturlinde gera
de das bieten zu tönnen. dessen es zu
nächst und am allermeisten bedarf."
„Ist «S die «legante Frau Lizzießo
denberg, die Gattin des bekannten
Reeders und Großkaufmannes, von
der Sie sprechen?"
„Ich kenne Sie nicht; aber ich denke
wohl, daß sie es ist. Mein Bruder ist
ja seit Kurzem ein jüngerer Theilha
ber dieser Firma."
Jetzt war Fräulein Else wieder
ganz strahlendeLiebenswürdigkeit und
lächelnde Anmuth.
„Und Sie halten wirklich mich für
das warmherzige weiblichi Wesen,
nach dem Si« für Ihr« Schwägerin
suchen? Das ist nicht blos ein leeres
Compliment, H«rr Doktor?"
„Nein, gewiß nicht! Ich bin gewiß,
daß Tuima sehr glücklich sein würde,
Ihr« Fr«undschast zu gewinnen."
„Nun, wenn das Ihr Ernst ist, so
danke ich Ihnen aufrichtig für das
Vertrauen, das Sie in mich setzen.
Sie haben mir damit eine große, eine
sehr große Freude bereitet."
Hermann Artner mußte eilig seine
Theetasse bei Seite setzen, denn wi« in
warmer Herzenswallung hatte Else
ihm ihre beiden Hände entgegenge
streckt. und er zögerte natürlich nicht,
sie zu ergreifen.
„Ich darf Ihnen also meine Schw
agerin zuführen?"
„Ich rechne mit Bestimmtheit dar
auf. Und nicht an mir soll es liegen,
wenn Ihre Erwartungen getäuscht
werden. Aus vollem Herzen werde ich
ihr alles gibin. was ich zu bitten ver
" Er küßte die seinen, schlanken Hän
de. die sich fest in die seinigen ge
schmiegt hatten. Und die lebendige
Wärme, die von ihnen ausging, drang
ihm wie ein Gluthstrom zum Herzen.
„Wie gut Sie sind. Fräulein Else!"
stammelte er. „Wie tief wie innig
ich Sie verehre!"
Die schlanke Gestalt der vor ihm
Stehenden neigte sich ein wenig zu
ihm herab. Ein reizendes, sinnver
wirrendes Lächeln war auf ihren Lip
pen. Und in ihren Augen war ein
Leuchten, das ihn um alle Besinnung
brachte, als ihr Blick sich lies in den
seinen senkte. Si« antwortete ihm
nicht, aber sie macht« auch leinen Ver
such, ihr« Hände zurückzuziehen. Und
plötzlich, seiner selbst nicht mehr mach
tig. sprang er auf. um sie ungestüm
an sich zu reißen.
„Els« liebst« Else sind S>«
mir gut?"
Sie hatte seine stürmisch« Umar
mung geduldet, ohne sich zu sträuben
und ohne daß ihr- Wangen sich höher
gefärbt hätten. Das süße, bezaubernde
Lächeln war noch immer auf ihrem
Gesicht, und in stummer Bejahung
neigte sie das Köpfchen. AIS er sich mit
glückverklärtem Antlitz herabneigte. sie
zu küssen, kamen ihre halb geöffneten,
feucht schimmernden Lippen seinem
Munde entgegen, und viele Minuten
lang blieben sie wie ineinander ver
schmolzen in stummem, weltvergessenem
Entzücken. , .
Da schlug draußen zweimal die
Glocke an. und hastig fuhren sie auS
„Das ist Mama! Kein Wort zu ihr!
Sie versprechen es mir nicht
wahr?"
„Aber weshalb —"
„Nein, nein! Sie darf es noch nicht
erfahren! Werden wir darum weniger
glücklich sein, weil unser Glück vor
läufig noch unser Geheimniß sein
!°ll?"
Er hatte gar nicht mehr Zeit, ihr
darauf zu antworten, denn Frau Flem
ming hatte sich nicht einmal Hut und
Mantel draußen abnehmen lassen,
sondern rauschte in ihrem vollen Stra
ßenanzuge mit hochgeröthetem Antlitz
und allen Anzeichen großen Aus-
Fünstes Capitel.
„Aber, Mama um Gottes willen,
wie siehst du aus! Was ist dir denn
widerfahren?"
Else hatte es in aufrichtiger Bestür
zung gefragt, indem sie der Eintreten
den entgegeneilte. Aber Frau Flem
ming schob sie sast heftig zur Seite und
ließ sich schwer athmend in einen Sessel
fallen. Erst jetzt schien si« H«rmann
Artners Anw«senheit wahrzunehmen;
aber sie gewann es noch nicht über sich,
ihm das gewohnte verbindlich« Läch«ln
zu zeigen.
.Guten Tag, Herr Doctor! Verzei
hen Sie, wenn ich mich nicht ganz in
der Gewalt habe. Aber diese schreck
liche Neuigkeit hat mich gar zu uner
wartet getroffen."
.Eine schlimme Neuigkeit, gnädig«
Frau? Darf ich fragen —"
tor Dallwig hat sich in dieser Nacht er
schossen. Denke Dir, Else: unmittel
bar nach der Heimkehr von unserem
Schlag in's Gesicht.
„Er war es ja auch hier. Den Ein
sturz des Himmels hätte ich eher für
möglich gehalten, als ein« solche Kata
strophe. Was sagst du dazu, Else? Ist
es nicht entsetzlich?"
„Gewiß. Mama, es ist sehr traurig!
Aber daß du so aufgeregt darüber bist
—«r war uns doch .schließlich »u>
Fremder!"
den Sinn, und eine Empfindung des
Unbehagens, die seltsam mit seiner
kaum Gli^cksstimmu^
Schritt." eii ,
klommen, als sie erwiderte:
„Es heißt, daß er vollständig ver
schuldet war und daß ihm wegen seiner
Verfahren drohte. Aber das ist viel
leicht nur müßiges Gerede."
„Warum sollte es nicht wahr sein?"
warf Else «in. „Ich hatt« immer ein
ausgeprägtes Mißtrauen gegen diesen
Doctor Dallwig. Und du weißt, Ma
ma, wie ungern ich ihn in unserem
Hause sah. Ohne ein« s«hr triftige Ur
sache wird er gewiß nicht zur Pistole
„Nun, wie es auch sein mag, jeden
falls ist es für uns über die Maßen
peinlich," sagte Frau Flemming, die
noch immer ihre Haltung nicht völlig
gen werden natürlich «ine große Sen
sationsaffaire daraus machen. Und
es wird überall zu lesen sein, daß er
zugebracht hat."
„Nun und was weiter? Kann
man uns verantwortlich machen für
die Thorheiten oder die Verbrechen, die
unsere Gäste begehen? Ich verstehe
wirklich nich., Mama, was dich dabei
so sehr beunruhigen kann."
Eine etwas unkindlich scharfe Mah
nung war in Elses letzten Worten ge
wesen. Aber als ihr Blick in diesem
Moment zufällig das erstaunt« G«sicht
d«s Doctors streift«, änderte sie sofort
ihr Ben«hmen.
„Und möchtest du mir nicht vor Al
lem erlauben, dir deinen Hut und den
schweren Mantel abzunehmen?" fuhr
sie sehr liebenswürdig fort. „Du siehst
so echaussirt aus, arme Mama!"
Während si« ihr behilflich war, be
rührten ihre Lippen leicht^die^Wange
trat, schien Doctor DallwigS Selbst
mord sür sie eine vollständig abgethane
Sache.
„Auch ich habe eine Neuigkeit für
Dich, liebste Mama ab«r zum Glück
«ine erfreuliche. Wir werden das Ver
gnügen haben, eine sehr interessant«
Bekanntschaft zu machen. Denke Mir:
Doctor Artners Bruder ist nach fünf
zehnjähriger Abwesenheit gestern ganz
unerwartet zurückgekehrt. Und mir
mir der Docto/während der letzten
halben Stunde schrecklich viel vorge
schwärmt hat. Er hat mir versprechen
müssen, sie uns recht bald zuzuführen,
und ich kann dir gar nicht sagen, wie
ich mich auf sie freue."
Es war, als hätte Frau Flemming
zugleich mit ihrem Pelzmantel auch
ihre Aufregung abgestreift. Sie war
jetzt wieder ganz die beherrschte und ge
messen liebenswürdige Frau von Welt,
nen gelernt. Nur ein eigenthümlich
gespannter Zug in ihrem Gesicht und
ein gelegentliches Zucken ihrer Mund
winkel verrieth, daß ihre äußere Ruhe
nur eine Maske sei.
.Gewiß es wird uns sehr ange
nehm sein," sagte sie höflich. „Ihr
fernt?"
„Allerdings, gnädige Frau! Er lebte
seit seinem einundzwanzigsten Jahre in
Apia auf Samoa."
Mit einer hastigen Kopfbewegung
wandte die Wittwe sich ihm zu.
„Auf Samoa? Was Sie sagen! Das
ist in der That außerordentlich interes
sant. Und seit fünszehn Jahttn?"^
lust ließ ihm nach dem Tode unserer
Eltern keine Ruhe mehr hier in
Deutschland. Es war «in nicht gerin
ges Wagniß; aber er hat glücklicher
weise keine Ursache gehabt, es zu be
reuen."
.Er ist nämlich als Theilhaber der
Firma Rodenberg zurückgekehrt, Ma
ma," ergänzte Else mit einem gewissen
Nachdruck. Aber Frau Flemming
hatte es allem Anschein nach trotzdem
dele den Besuch zweier dem Hause be
freundeter Damen. Und nach ihrem
Eintritt wandt« sich das Gespräch so
sort wieder dem großen Ereigniß des
Dallwig, zu.
Die Witlw« vermocht« sich jetzt mit
vollkommener Nuhe darüber zu
wäre das große Erlebniß der letzten
Stunde nichts Anderes gewesen denn
ein holder, wunderlicher Traum, aus
plötzlich wieder zur nüchternen Wirk
lichkeit erwacht sei. Er flüchtete sich
auf die menschenleere Promenade längs
des Flußufers, um für eine kleine
Weile allein zu sein mit seinen Gedan
ken. Ab«r das köstliche Glücksgefühl,
das ihn berauscht hatte, während er
Else Flemming in seinen Armen hielt,
stellte sich trotz der Einsamkeit in seiner
vorigen Fülle und Reinheit nicht wieder
Er liebte sie gewiß! Wie hätte es
ihm in den Sinn kommen können, da
ran zu zweifeln. Aber er war seinen
Grundsätzen, seinem wohlerwogenen
Entschlüsse untreu geworden, als er eS
ihr in einem selbstvergessenen Augen
blicke verrathen. Und es mochte das
Bewußtsein dieser unmännlich«n
Schwachheit sein, das jetzt bei der Er
innerung an jene seligen Minuten keine
ungemischte Freude in seinem Herzen
auskommen ließ. Er konnte die selt
same Beklommenheit nicht los werden,
die auf seiner S««l« lag wie der Druck
ein«s begangenen Unrechts od«r die
Vorahnung eines kommenden Unglücks.
Und zudem drängt« sich in seine Ge
danken immer wieder das Bild jenes
unglücklichen Rechtsanwalts, dem er
mit seinem heatigen, entscheidungs
schweren Besuch im Flemming'schen
Hause hatte Trotz bieten wollen.
„Pah wohl d«m. der es hinter sich
hat!" hörte er ihn mit etwas schwerer
Zunge und sarkastisch verzogenen Lip
pen sagen. Und ein frostiges Erschau
ern ging ihm über den Rücken, als er
heraus der Mann diese wegiverfende
Aeußerung über d«n Werth des Lebens
Und jenes andere unselige
Wort, jener freundschaftliche Rath:
„Lassen Sie sich nicht zu tief mit den
Flemmings ein, mein Herr Doc-
Besseres dabei herauskommen, als bit
tere Enttäuschung!"
Wie ganz anders klang eS ihm jetzt
in der Seele nach jetzt, da er wußte,
daß der Mann, der es gesprochen, ein
Sterbender gewesen war! Warum nur
hatte er ihm nicht heftig entgegnet?
Warum hatte er nicht auf der Stelle
«ine Erklärung von ihm verlangt, die
ihn all' der quälenden Zweifel überho
ben haben würde, von denen er sich jetzt
heimgesucht war es zu
durch n?ch?s begründeter persönlicher
Groll g«w«sen war, der auS ihm ge
sprochen. nur die boShasle Freude am
Verhetzen und Verleumden jetzt gab
es «eine Möglichkeit mehr, es zu er
gründen. Der bohrende Stachel hatte
sein Gift verspritzt, und Hermann Art
ner fühlte eS in f«inem Fleisch brennen,
wie oft er auch das liebliche Bild des
theuren Mädchens zu Hilfe rufen
mochte, um über dem Bewußtsein sei
nes gleichsam vom Himmel gefallenen
Glückes das fatale Nagen zu vergessen.
Von zwiespältigen Empfindungen
gepeinigt und bitter unzufrieden mit
sich selbst, schlug er nach kurzer Wande
rung durch die dunklen verschneiten
nenverzeichniß.
„Ellinor, eine Waise Elfriede
Anders," las er gleich an der zweiten
Fräulein Dorette kaum irgend etwas
verspürt hatte. Er dachte an Rolfs
Erzählung von dem lieben Kind«rge-
Breul auf die Brett«r der Vorstadt-
Rade aufgelegt, irgend etwa» recht När
rifches zu unternehmen."
Rolf die Hand, denn es ihm
ersichtlich große Freude, daß die Ge
suchten gefunden waren.
„Aber es ist eine Borstadtbühne be
derhastes Spektakelstllck."
S e ch st e s C a p i t e l.
gangsthür in großen schwarzen Buch
staben die Inschrift .Urania-Theater"
prangte. Das alte, Haus,
setzt hatte.
spiel in elf Bildern", stand in gewalti
di« gewissenhaft aufgezählten Tite l die
ser elf Bilder zu studiren. Der übliche
Sturm auf die Kasse aber war bereits
halsbrecherisch steile Stieg« empor, die
aus dem Kassenflur g«radeswegs zu
dem bevorzugten Platze führte.
Es war ein winziger, Ver-
ein wenig an die Dämmerung
gewöhnt hatten, gewahrten sie, daß sie
nicht die einzigen Insassen des kleinen
Raumes waren. Ganz im Hinter
wnbliches dessen Gesicht
abe/auf ein Alter von höchstens fünf
zehn oder sechzehn Jahren rathen lie
ßen.
Beim Eintritt der neuen Ankömm
linge schien sich die jugendliche Theater
besucherin noch schüchterner in ihre
Ecke zu drücken. Und Rolfs höfliche
Frage, ob sie nicht auf einem der vorde
wortete sie mit ein«m kaum »«rnehmlich
geflüsterten: „Nein, ich danke ich
bleibe lieber hier."
Just in diesem Augenblick ertönte
das letzte blecherne Klingelzeichen, und
schwerfällig, wie mit verdrießlichem
Widerstreben, rauschte der verschlissene
Borhang empor.
Hätte nicht der Zettel verrathen, daß
„ein verrufener Stadttheil von Lon
don" der Schauplatz des ersten Bildes
sei, so würde man sich ohne Zweifel
auf den Marktplatz eines höchst ehrba
ren deutschen Städtchens versetzt ge
glaubt haben. Das auf der Scene
herrschende Halbdunkel aber und die
lebhafte Phantasie der dicht gedrängten
Zuschauer mochten die Illusion dennoch
zu einer vollständigen machen. Und
Stammgästen wohlbekannte Bösewicht
des Urania - Theaters schleichenden
Schrittes und in Gesellschaft zweier
ebenfalls äußerst verdächtig aussehen
der Individuen die Bühne betrat.
Es gab zwischen den Dreien eine
weitläufige Unterhaltung über irgend
einen schurkischen Anschlag, dessen
Opfer eine arme, elternlose Straßen
sängerin werden sollte. Di« beiden
Strolch« wurdtn beauftragt, sie mit
List oder mit Gewalt zu entführen.
Und nachdem jeder von ihnen eine
„Hundertpsundnote" als Handgeld
empfangen hatte, schlich sich der Böse
wichts von einigen unzweideutigen
vorsprung versteckten.
.Du hattest recht es ist ein schau
erliches Machwerk," flüsterte Rolf sei
nem Bruder zu. „Und ich denke
aber, so wahr ich lebe, das ist Bernhard
Lornsens Tochter!"
Weit beugte er sich in seiner freudi
gen Ueberraschung über die Logenbrü
stung vor. Aber auch durch das Par
terre und die beiden Galerien des
Hauses gleich einer Bewegung
bewundernden Staunens. Und man
während sich gleichzeitig der durchdrin
gende Geruch bengalischen F«u«rs als
eine natürliche Erklärung der wunder
baren Naturerscheinung im ganzen
Hause bemerklich machte.
In ein phantastisches Mignoncostüm
gelleidet, eine Guitarre in den Händen,
stand die junge Straßensäng«rin mit
ten in d«m grellen Lichtstreisen. Das
blonde Haar sloß aufgelöst in dicken,
weichen Wellen über ihr« Schultern
und ihren Rücken, das zarte Gesicht
überaus lieblich, wi« in einen goldigen
Nun wurde eS wieder still. Das
räthselhafte Mondlicht nahm zusehends
an Helligkeit ab, und die Straßenfän
g-rin begann ihren vom Verfasser vor
geschriebenen Monolog.
kli,ig«nd«n Stimme, aber leise und mit
sehr wenig dramatischem Ausdruck.
Es war ein« lange, rührselige Leidens
geschichte, di« sie dem Publikum zu er
zählen hatte, und «s schien, daß sie auf
hie naiven Besucher des Urania-Thea
ters wirtlich den beabsichtigten Ein
druck hervorbrachte. Hermann Artner
aber war schon nach ihren ersten Wor
ten mit sich darüber im Reinen, daß sie
eine herzlich unbedeutende Schauspiele
rin sei. Und er spürte jene peinliche
Empfindung, die uns überkommt,
wenn wir einen uns nahestehenden oder
sympathischen Menschen in einer un
würdig«» Lag« erblicken müssen.
„Nun, eine große Künstlerin ist sie
jedenfalls nicht," raunte jetzt auch Rolf
ihm mit dem Ausdruck des Bedauern?
zu. Tuima aber, die seit dem Auftre
ten der Straßensängerin die dunklen
Augen nicht von ihr abgewandt hatte,
sagte mitleidig:
„Jch fürchte, Rolf, ihr ist nicht wohl.
als wir gewöhnlichen Sterblichen,"
scherzt« ihr Gatte. „Aber du magst
dich beruhigen. Wahrscheinlich spielt
sie ihre Rolle zum ersten Mal und hat
ein wenig Lampenfieber. Das ist ganz
über."
Doch es ging nicht vorüber, sondern
das Gebahren der jungen Schauspiele
rin wurde immer seltsamer und be
fremdlicher. Sie stockte wiederholt
rnitten meinem Satze und
spiegelte.
rief:
likortseduna folat.)
Für die K üche.
Blumenkohl-Suppe. Der
Blumenkohl wird gereinigt, in Rös
chen getheilt, in gesalzen«?, kochende»
Wasser eingelegt und über einen Seiher
geschüttet. Dan» röstet man zwei
Lössel Mehl mit einem Stück Butter
und etwas Petersilie hellgelb, füllt un
ter Umrühren mit Fleischbrühe all
mählich auf, gibt den Blumenkohl dazu
und läßt es kochen, bis dieser weich ist.
Bor dem Anrichten werden zwei Eigelb
verrührt, die Suppe darüber gegossen
und in Butter geröstet« Semmelbrösel
Kalbsrouletten. Man kocht
3 Eier hart und wiegt den ganzen In
halt mit reichlich Petersilie und
Schnittlauch sehr fein. Dann schneidet
man Kalbfleisch vom Kamm von
der Keule in hübsch« Scheiben, klopst
sie gut und belegt jede Scheib« mit ge
wiegtem Speck und dieser Mischung.
Sodann rollt man die Rouletten zu
sammen, legt sie in steigende Butter
mit einer Zwiebel und einer Eilronen
scheibe, bratet si« in kurzer Zeit gar.
verkocht di« entstandene Sauce mit et
was Sahne und einer Messerspitze voll
Paprika und richtet an.
Sehrf«in«SC»mpott von
Möhren (Karotten). Man schält
die Möhren, schneidet sie durch und
entfernt das Gelbe daraus. Dann
schneidet man jede Hälfte einmal durch
und läßt sie in Wasser einmal aufwal
len und dann abtropfen. Nun kocht
man sie in etwas Wem mit Zucker und
ganz wenig Citronenschale oder Ing
wer weich, doch nicht, daß sie zerfallen,
nimmt sie heraus, legt sie in «ine Com»
pottschale, macht die Brühe mit Kar»
toff«lmehl gebunden und gießt sie über
Geschmack.
Kalbsleber in Dämpf»
fauce. Man häutet eine Kalbsleber
fügt eine Citronenscheib«, ein Lorbeer
blatt, Pfeff«rkörn«r, «nglisch«s Gewürz
beschöpfend. Auch kommt ein« feinge
wiegte Zwiebel hinzu. DieS alles
schmort man stäubt etwas Me^hl
Schmorkohl und Kartoffelschnee reicht.
Gebackener Blumenkohl.
In Salzwasser weich gekochter und ab
getropfter Blumenkohl wird mit nach
unten gerichteten Stielen auf «ine
Schüssel, die die Hitze verträgt, ge
schichtet und mit einer dicke Tun!«
überzogen. Zu dieser nimmt man «in
halbes Pint Sahne, eine Unze Butter
und zwei Löffel Mehl; nachdem die»
gut über dein abgerührt ist,
stellt die Schüssel in den Ofen. Dort
läßt man bis zur Kruft« backen und
servirt die Speise mit dem Braten.
Zrazy. Derbes Rindfleisch wird
Scheiben daraus geschnitten. Diese
werden mit Zwiebeln, welche vorher
fein gewiegt und mit roher Butter ver
zusammengerollt. Ein tüchtiges Stück
Butter, eine Citronenfcheibe, Lorbeer
blatt, ganzer Pfeffer, englisch Gewürz
und «ine ganze Zwiebel werden in ein«
Kasserolle gethan. Man läßt dies erst
hinein ordnet, welche dicht neben-, je
doch nicht übereinander liegen sollen.
Dies alles läßt man langsam —2
Stunden schmoren, gießt nur, wenn es
anhängen will, ganz w«nig Wass«r
hinzu, fügt zuletzt «twas geriebenes
Brot bei oder <>uch Braunmehl, damit
die Sauce dicklich wird, und richtet dai
" Hotch -P 0 (schottisches Na
tionalgericht). Man nimmt etwa 4
Pfund vom Hammelkotelettstück und
schneidet davon K—B Koteletten ab.
putzt sie gut und entfernt alles Fett da
von und stellt sie einstlveilen zurück.
Nun thut man das übrige Fleisch nebst
den Abgängen von den Koteletten in
«ine größere Kasserolle, schneidet zwei
Blumenkohlrosen recht Nein, wäscht sie
gut, thut sie in die Kasserolle und eben
so ein Pirrt geputzte Karotten, ein
Quart Schotenkerne und ein Quart
Kohl- oder Oberrüben in kleine Stück
chen zerschnitten, dies Alles läßt man
2 Stunden langsam kochen. Jetzt
nimmt man das Reststiick d«s Rippen»
ftückes heraus, legt dafür die ja nicht
zu dünn geschnittenen Koteletten hin
ein, ebenso 12 geschälte, ganz weiche
Zwiebeln, noch ein Quart grüne Scho
ten, Salz nach Geschmack und endlich
läßt man noch eine Stunde das Gericht
ganz langsam ziehen. Sollte daS letz
tere zu dünn fein, so kann man noch
mehr Gemüse beifügen. Statt Scho
ten nimmt man im Winter Erbsen und
füat zuletzt ein Pfund Biichsensckoten
bei, da da? Gericht ganz grün aussehen
muß. Es darf, wenn es abgekocht ist,
durchaus nicht stehen, sondern wird ?o
ftleich in einem tiefen Heller oder der
sehr heiß sein, die Koteletts kommen
in» in die Terrine.
Berralhervsch. Töchter
chen: .Mama, die Köchin kann wohl
unsern Papa gar nicht leiden?"
Mutter: .Warum denn, mein Kind?"
Töchterchen: .Sie putzt sich jedes«
mal den Mund ab, wenn er ihr eine»
Kuß giebt!"
einmal etwas Geistreiches, nm merkt
«r ei nicht. 3