Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 12, 1901, Page 3, Image 3

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    Gräfin Leszek.
Roman von Heinrich Lee.
1. Capitel.
«He, Hoppla, Heidonc!" gellte eZ
durch den weiten, im grauen Borgen
licht liegenden Circusraum. Unten
«us der Manage bis hinauf zu dem
über der ersten Rangloge befindlichen,
nun leeren Orchester war «ine schräge
Bretterbahn gebaut. Auf einem Brau
nen saß ein junges, im unansehnlichen
Probeanzug steckendes, fast linderhaft
aussehendes Mädchen und versuchte
mit heftig zuschlagender Gerte und in
die Zügel reißend das Pferd hinauf
zutreiben. Hinter ihr knallten die
Stallmeister mit den Peitschen, und in
diesem Augenblick gab einer von ihnen
dem Pferde einen Hieb, der es auf den
Kopf traf.
„Go! Go an!" schrie die Reiterin.
Das Pferd, ein junger Fuchs-
Wallach, bäumte sich auf «in Schrei
dann stürzte es mit seiner Last, sich
überschlagend, in die Tiefe, mitten in
«in« Log« hin«in.
An der jetzt aufgezogenen „Gar
dine", die den Circusraum von dem
dahinter liegenden Stallgange trennt,
standen als Zuschauer einig« Ossiciere.
„Jetzt hat sie sich das Genick gebro
chen," sagte der ein« von ihnen.
In derselben Sekunde tauchte der
Mensch- und Thierknäuel, unterstützt
von der Schaar der Stallmeister, aus
der Loge wieder auf.
Es schien ganz unglaublich; aber
unverletzt, nur sehr unruhig stand das
Pferd wieder auf seinen vier Beinen.
Unverletzt war auch die Reiterin, und
sie stieg wieder auf. Reiterin und
Artisten thaten, als wäre nichts ge
schehen. Das junge Mädchen klopfte
das Pferd nur beruhigend auf d«n
Hals, und dann ritt es, während einer
der Stallmeister das Pferd am Mund
stück führte, einige Male in langsamem
Schritt um die Piste herum. Die Os
siciere grüßten, das junge Mädchen
nickte dankend, wobei ein unschuldiges
Kinderlächeln über ihr anmuthiges,
fast zigeunerbraun«s Gesicht huschte,
und ein Herr in Civil, der zu der Of
ficiersgefellfchaft mitgehörte und der
durch seinen Accent d«n Russen ver
rieth, sagte, sich an die Anderen wen
dend :
„Wie heißt die Dame?"
„Wir kennen bloß ihren Künstler
namen, Fürst," erwiderte ein beleibter,
nicht mehr ganz junger Oberleutnant
mit einem blonden, jovialen Gesicht.
Leutnant Göppendors, „d«r ist Sisi!"
„Sie werden die Güte haben, mich
ihr spät«r vorzustellen?"
In der ganzen Art deß Fürsten lag
etwas Naives, Urwaldhaftes.
„Wir sagen Ihnen aber gleich im
voraus," erklärte Göppendors, „Sisi
ist nicht eine Dame, wie Sie sie sich
vielleicht vorstellen. Fräulein Sisi hat
strenge Grundsätze, oder vielmehr ihre
Tante hat welche!"
„Ihre Tante?"
„Ja. Sisi hat eine Tante und ich
wundere mich nur, daß sie nicht hier ist.
Sie geht ihr sonst nicht von d«r Seite."
„Einen Cerberus!" fiel einer von
den andern Officieren ein, der jüngst«,
und alle lachten.
„Still!" sagte Göppendors.
Von neuem machte sich Sisi jetzt be
reit. Die Stallmeister bildeten wieder
ein« Gasse.
Die Bretterbahn nannte man in der
Circussprache „die Cascaden". Es
war ein neues Pferd, das Sisi heute
ritt, ihr „Bijou" hatte am Huf eine
Fistel bekommen und stand deshalb im
Stall. Die Cascaden gehörten zu der
Pantomime, in der Sisi jeden Abend
auftrat, eine Jagdscene mit einer
Steeple Chase, die über dies« Bretter
bahn ging.
„Go! Go an!" schri« jetzt zum zwei
ten Mal Sisi.
„He. Hoppla!"
Abermals fuchtelten und knallten die
Stallmeister mit ihren Peitschen. Das
Pferd setzte an, seine Hufe dröhnten
auf den Brettern, aber auf der Mitte
der Bahn angelangt, scheute es von
neuem.
Im Stallgang, an der Gardine, er
schien jetzt ein junger Mann. Er
mochte Mitte der Zwanziger sein. Mit
hastigen Schritten trat er auf die Gar
dine "zu. Daß es Sisi war, die jetzt
probirte, das hatte ihm schon draußen
einer der Stallknechte gesagt. Bei ih
rem Anblick blieb er, ohne daß di« Os
siciere ihn bemerkten, weil sie ihm den
Rücken zukehrten, sein« großen, schwar
zen Augen aus die Reiterin gerichtet,
stehen. Sein edles Gesicht mit dem
dunklen Haar verrieth in seinem gan
zen Typus den Polen.
„Go an!" tönt« es von Sisis Lip
Pen, und ihr« Gerte fuhr dem Pferd«
über die Flanken.
Ein neuer Aufschrei klang durch den
Raum, und wieder kollerte das Pferd
mit seiner Reiterin di« Bahn hinab uno
wied«r in die Loge hinein.
„Sie ist todt!" rief der junge
Mann; alles Blnt war aus fcinem
Gesicht gewichen ,und im nächsten Au
genblick war er in'der Manage.
Abei' niemand von den Stallleuten
bekümmert« sich um ihn. Si« halfen
dem Pferd« und d«r Reiterin zum
zweitenmal auf, und wieder waren
d«id« unversehrt, als hätten sie, Thier
und Mensch, nicht Glieder wie andere,
sondern solche aus Gummi. Wie vor
hin suchte der Stallm«ister das Pferd,
indem er es w'eder an d«m Mundstück
nahm und im Kreise herumführte, zu
beruhigen.
Der jung« Mann war an die Ga>
din« zurückgetreten. Erst jetzt sah er
sich beobachtet, und ein« gewisse Ver
legenheit trat in sein Gesicht. Die
Osficiere, so schien es, hatten sich ein
bischen lustig über ihn gemacht, nun
aber begrüßten sie ihn wie einen B;«
kannten.
„Man nicht gleich ängstlich, LeSzek
ch«n," rief ihm Göppendors in vertrau
t:m, gutmüthigem Tone zu, dann
wendete «r sich zum Fürsten.
„Die Herren erlauben Graf Les
zek Fürst Ostromudoff aus Pe
tersburg."
Beide Männer verbeugten sich leicht.
„Go! Go! Go an!"
«He. Hoppla!"
Zum drittenmal flog das Pferd mit
seiner Reiterin die Bahn hinan. Eine
Sekunde, dann war «s ob«n auf d«m
Orch«ster glücklich gelandet. Es war
gelungen.
„Braav, braav!" rief die ganze
Stallmeisterschaar.
Auch die Officiere klatschten in die
Hände.
Vom Orchester führte im Hinter
grunde ein schräger Weg in den Stall
gang und in die Manage zurück. Auf
diesem kam Sisi mit dem Thier« wieder
zum Vorschein. Noch «inmal und noch
«inmal machte sie d«n Ritt hinauf.
Immer gelang «r jetzt. Endlich stieg
sie ab, reichte dem Ps«rd« eine Mohr
rübe, di« sie in der Tasche ihres kurzen,
braunen Röckchens hatte, dann führte
es einer der Stallknechte davon, und
Sisis Probe war zu Ende. Die Cas
caden wurden abgebrochen und eine
Anzahl Maulesel wurde hereingeführt,
di«, da si« schon ein paar Tag« müßig
im «stall gestanden hatten, wieder ein
mal bewegt werden mußten.
Sisi wollte in ihre Garderobe. Zu
diesem Zweck mußte sie durch die Gar
dine. Sie sah jetzt, wo sie nicht mehr
auf dem Pferde saß, noch zierlicher,
kinderhaster aus. Das häßliche
Probekleid entstellte sie nicht wie an
der« Künstlerinnen, im Gegentheil, es
bildet« zu dem lieblichen, braunen
Mignongesichtchen und dem reizenden
Figürchen nur eine wirkungsvolle pi
kante Folie. Ihr braun«s, r«iches
Haar war mit einem blauen Seiden
band zusammengeknüpft. Die kleinen
Füße steckten in absatzlosen, kreuzweise
üb«r dem Fußblatt gebund«n«n Schu
hen. Von der gehabten Anstrengung
schien si« kaum etwas zu spiir«n. Nicht
ein Tropfen Schweiß stand auf ihrer
Stirn. Nur eine leicht« Rüth« färbte
ihr« Wangen.
Die Officiere kannte sie eigentlich
nur vom Ansehen. So oft es der
Vormittagsdienst erlaubte, fanden si:
sich bei den Proben ein. Das war in
dieser langweiligen Garnison einer
Garnison im äußersten deutschen Osten.
die fast als Strafgarnison galt im
merhin mal eine Abwechslung. Da
Sisi stets von ihrer strengen Tante um
geben war, so stand es mit etwaigen
Annäherungen, wie schon gesagt, ganz
aussichtslos.
„Na, Fräulein Sisi," sagte Göppen
dors, „haben Sie sich nicht weh ge
than?"
Sisi schüttelte lächelnd 'den Kopf.
„Ich habe mir noch niemals weh
gethan," sagte sie.
Unter „weh gethan" verstand si« wie
jed«r Artist «inen Gliederbruch oder
sonst eine Verletzung, die aber so stark
sein mußte, daß man dadurch am Ar
beiten gehindert wurde.
Damit wollte sie an den Herren
vorbei.
„Hier ist noch ein Herr, der gern
ihre Bekanntschaft machen möchte,"
fuhr Göppendors fort „Seine
Durchlaucht, Fürst Ostromudoff."
Der Fürst verneigte sich.
„Sind Si« aus Rußland?" fragte
Sisi erfreut, als sie den Nam«n hörte.
„Ja, mein Fräulein," lächelte der
Füch.
Sisi klatschte in di« Hände. Wie
j«d«r Artist, d«r «inmal in Rußland
war, hatt« sie «in gut«s Andenken an
dieses verschwenderisch und enthusia
stisch die Kunst «hrende Land behalten.
Seine Durchlaucht wollte wissen, wo
Sisi in Rußland ausgetreten war, aber
Sisi gab ihm keine Antwort. Ihr
Blick, ihre ganze Aufmerksamkeit war
plötzlich auf einen riesigen Brillant
ring gerichtet, den der Fürst am Fin
ger trug. Es schien nicht anders, als
hätte si« dieser Ring geradezu verhext.
Für Edelsteine und Juwelen hat der
Artist eine Passion. Einen Stein von
dieser Größe hatte sie noch si« gesehen.
„Bitte bloß «inmal ansehen!"
rief sie wie ein kleines Kind.
Der Fürst streifte den Ring von sei
nem Finger. „Es wird mir ein Ver
gnügen sein, mein Fräulein," sagte er,
„wenn Sie ihn zum Andenken be
halten."
Plötzlich sah Sisi ein Gesicht aus sich
gerichtet, es war Graf Leszek. Sie
hatte ihn bisher, da er etwas abseits
in dem Dunkel des Stallganges stand,
nicht bemerkt. Sisi schreckte zusam
men. Ihre Tante, Frau Camilla,
hatte ihr zwar verboten, G«sch«nke an
zunehmen, aber Camilla war nicht d.i.
Wenn sie den Ring sich schenken ließ,
würde sie ihn schon so gut verstecken,
daß Camilla ihn nicht finden sollte.
Da sah sie sein Gesicht.
„Nein," sagte sie furchtsam, „nein,
nein!"
Und noch ehe Fürst Ostromudoff
sein galantes Angebot wiederholen
konnte, war sie davongehuscht und hin
ter der kleinen Thür, die in ihre
Garderob« führt«, verschwunden.
Auf d«r d«r Gardin« gegenüberlie
genden Seite befand sich ein Büffet.
Dorthin begaben sich die Herren jetzt,
um ein Glas Bier zu trinken.
„Sie nimmt ihn doch noch!" sagte
der Fürst, und er meinte damit seinen
Ring.
„Lassen Sie das Leszek nicht hö
ren!" lacht« Göppendors, nachdem er
sich umgesehen hatt«, ob der Genannt«
nicht in d«r Näh« war.
„Was hejßt das?" fragte ungehal
ten der Fürst.
„Wenn Sie's noch nicht g«merkt ha
ben —et ist wahnsinnig in sie ver
liebt!"
Es war nun schon ein paar Wochen
her, daß der Circus Franklosf in die
ser Stadt weilt«. Alljährlich, wenn
das Franklosf'sche Geschäft sich nach
Rußland begab, machte es auf seiner
R«is« in dieser Stadt Station. In
zwei Tag«n wurde ein großer Holzbau
errichtet, der in ebenso kurzer Zeit
wieder abgebrochen wurde. Was die
Stadt selbst betraf, so herrschte in ihr
infolge der nahen Nachbarschaft nicht
nur von Rußland, sondern auch des
österreichischen Galiziens ein ziemlich
starker Gr'iizverkehr. Die Stadt hatte
ehemals unter polnischer Herrschaft ge
standen, und daran erinnerten auch
noch der polnisch« Adl«r, der auf dem
Rathhausthurm schwebte, die vielen
polnischen Firmenschilder und in der
engen, winkeligen Altstadt der polni
sche Schmutz. Der diesjährig« Star
des Circus Franklosf war Sisi. Auf
den Anschlagzetteln hieß si«: „Sisi, die
R«isenkönigin" nach ihr«m Haupt
trick, den das Publikum an jedem
Abend bejub«lt«, den fünfzig Stück
Ballons, durch die sie hintereinander
sprang. Wo hatte die Direction sie
her? Man wußte es nicht. Genug,
gleich am ersten Ab«nd war si« zu einer
Zugkraft geworden. Man mußte sie
eben sehen.
Leutnant Göppendors und der jung?
Graf Leszek waren Jugendbekannte
sie hatten zusammen dasselbe Päda
gogium besucht. Schon als Knabe
hatte der junge Graf etwas Absonder
liches gehabt. Er war ein stiller, sanf
ter Junge, der nicht zu den Andern
paßte. Dennoch fetzte er sich schon da
mals bei seinen Mitschülern in einen
gewissen Respect. Das kam daher,
weil er ein Meister im Schwimmen,
Turnen, Schlittschuhlaufen und Fech
ten war. Auch ein Reitpferd hielt ihm
sein Vater, der sehr reich war. Wenn
die andern Jungen in ihren Freistun
den bei ihren Spielen weilten, sah man
den jungen Grafen auf einem braunen,
schottischen Pony, das sonst in einem
Tattersall stand, von einem Stall
knecht gefolgt, hinaus durch dasStadt -
thor traben. Dieses Reitpferd war ein
besonderes Privilegium, das der Graf
Leszek Vater, als er seinen Sohn aus
das Pädagogium brachte, b:i dem Di
rector für ihn ausgewirkt hatte. Rei
ten war des Knaben größte Lust, auf
den väterlichen Gütern war er es von
klein auf gewöhnt gewesen, und die
Trennung von der Heimath hatte dem
Knab«n schon ohnehin die bittersten
Thränen erpreßt. Daß die and«r«n
Jungen dabei nicht n«idisch auf ihn
wurden, das lag an einer gewissen,
stillen H«rzensgüte, mit der er diese
Gemüther versöhnte und die sich beson
ders darin zeigte, daß er zu jeder Zeit
bereitwillig von seinem reichen Ta
schengelde jedem, der ihn darum an
sprach, abgab. Vor allen anderen er
fuhr das Göppendors. Göppendors
war dem jungen Grafenfohn allerdings
einige Classen voraus, aber sein Be
darf an Windbeuteln und den ersten
heimlichen Gläsern Bier und Cigarren,
der zu seinem eigenen Taschengelde
nicht in dem richtigenVerhältniß stand,
hatte zwischen ihm und dem jüngeren
Mitschüler eine Brücke geschlagen.
Göppendors kam später auf eine Ca
dettenanstalt und Misko —so war
sein Vorname auf ein Gymnasium,
von wo er nach einem guten Examen
von seinem Batet auf ein« landwirth
schaftliche Hochschule geschickt wurde.
Da starb nach «ner kurzen Krankheit,
einer Erkältung auf der Entenjagd, der
alte Graf, nachdem ihm Miskos Mut
ter schon bei dessen Geburt vorange
gangen war, und Misko eilte nach sei
ner Heimath zurück, um sich nun ganz
seinenPslichten als Grundherr zu wid
men. Zombkowikowa, das väterliche
Stammschloß, das er bezog, lag von
den Nachbargütern viele Meilen weit:
Besuch«, die man von dort dem jungen
Erb«n machte, wurden von diesem nich:
erwidert, alle mütterlichen Hoffnun
gen, die man auf ihn gesetzt hatte, wur
den zu Wasser. Allmälig beachtete man
ihn nicht mehr. Ein junger Mensch
von fünfundzwanzig Jahren, Edel
mann, einer der reichsten Grundbesitz«:
in ganz Galizien, gesund und hübsch,
der für nichts Anderes Sinn hat, als
über Stock und Stein, selbst durch das
hohe Weidegras auf den wildesten
Pferden hinzurasen und sich aus
schließlich an der Gesellschaft seines
Wirthschaftsinspectors genügen zu las
sen was konnte der anders wie ver
rückt sein?
Es war die erste Reis«, auf der sich
Misko, seit er als Herr auf Zomb
kowikowa weilte, befand. Er war nach
Deutschland gereist, um dort einige
landwirthschastliche Maschinen einzu
laufen, auf d«r Rückfahrt hatt« er, we
gen des Zuganschlusses, hier in der
Stadt übernachten müssen und um den
Abend zu verbringen, war er in den
Circus gegangen. In der Log« ne
benan saß Göppendors. So sah man
sich wieder. Göppendors stind, nach
dem er seinen alten Jugendbekannten
sofort erkannt und begrüßt hatte, daß
er sich in seinem Wesen nicht verändert
hatte. Ruhig bis zum heutigen Tage
war sein Leben hingegangen ohne
irgend eines jener Ereignisse, die auf
Gemüth od«r Character einen Einfluß
üben. „Wie's manche Menschen doch
gut haben," dachte Göppendors für sich.
„Jetzt passen Si« mal auf," sagte er
dann, „jetzt kommt eine Nummer."
Sisi kam hereingesprtngt. Miskos
Augen wann anfänglich nur auf ih:
Pferd gerichtet, einen ziemlich schweren
Lippizano-Schimmel mit breitem
Rücken, dann erst hatt« «r «in«n Blick
für die Reiterin selbst. Das Kindliche
in ihrer Erscheinung hatte etwas Rüh
rendes. Immer kühner wurden ihre
Exercitien, endlich sprang sie durch die
fünfzig Reifen. „Arm«s Ding!" dachte
Misko im Stillen, „wenn sie nun das
G«nick bricht. Und sie ist noch so
?ung."
„Na, wie hat sie Ihnen gefallen?"
fragt« Göppendors, nachdem Sisi unter
dem donnernden Applaus des Audi
> toriums die Bahn verlassen hatte.
„Sie scheint noch sehr jung zu sein,"
erwiderte Misko.
„Sie ist erst siebzehn."
Woher wußte Göppendors das so
genau?
Sisi trat an dem Abend noch «in
zw«ites Mal auf. Diesmal zu zw«i«n
mit einem Herrit. „Monsieur Leo
nard" hieß er auf dem Zettel. Es war
erst Miskos Absicht, nach d«m zw«iten
Theil in f«in Hotel zurückzukehren,
aber als er aus dem Programm er
sah, daß Sisi noch ein zweites Mal
erscheinen würde, blieb er. Warum
hätte er sie nur lieber allein, als mit
einem solchen Partner zusammen ge
sehen? Es war ein Mensch, allerdings
schlank und gut gewachsen, mit «in«m
schönen, ab«r faden Wachssigurenge
sicht, das, wi« es Misko wenigstens
vorkam, ein«n Ausdruck von Stupidi
tät und Rohheit hatte, und glänzend
pomadirtem schwarzen Haar. Mon
sieur Leonard ließ, während ihr« beiden
Pferde neben einander gingen, Sisi
auf sein Knie und seine Schulter
springen, er nahm sie um ihren zarten
Leib und hielt si« hoch üb«r seinem
Kopf« in di« Höh« und das widrig«
Gefühl, das Misko g«gen di«f«n Men
schen empfand, wuchs. Welche An
rechte hatte der Mensch an dieses
Kind? Si« lächelt« dabei das ge
wöhnliche Kunstreiterinnenlächeln.
Aberdas mußte si« wohl sonst schlug
si« dieser Mensch vielleicht. Sie schla
gen! Als das Paar unter d«m n«uen
Jubel des Publikums verschwand,
sagte sich Misko: „Nun werd« ich die
ses Mädchen also niemals wieder
sehen. Nun werde ich nicht «inmal er
fahren, ob er si« schlägt." „Kennen
Sie di«s« Künstlerin?" fragte er Göp
pendors. Göppendors erzählte das
Wenige, was er von Sisi wußte.
Misko that sich dabei einen gewissen
, Zwang an. Er hätte Göppendors gern
noch mehr über si« gefragt, ab«r er ge
nirte sich. Am nächsten Morgen sollt«
«r fort zurück nach Zombkowikowa.
Aber Misko reifte nicht ab. AuS
Zombkowikowa war ein Telegramm an
ihn in sein Hotel gekommen in Sa
chen eines alten Processes mit einem
deutschen Getreidehaus«. Der Anwalt,
der diesen Proceß führt«, wohnte, so
wollt« es das Schicksal, hier in dersel
ben Stadt. Misko hatte mit ihm zu
conseriren, es mußten zeitraubende Er
hebungen angestellt werden so ver
gingen fast acht Tage. Dann war eZ
wieder der große berühmte Pferde
markt, der während der darauf folgen
den Woche hier in der Stadt stattfand,
und der Misko zum Bleiben bewegt«
und Misko blieb immer länger und
länger. Nach Zombkowikowa schrieb
er, daß ihn noch Geschäfte festhielten,
aber was ihn festhielt, waren keine Ge
schäfte mehr, sonderen es war Sisi.
Gleich an jenem nächsten Morgen
nämlich war Folgendes passirt. Misko
schritt in seinem Hotel über d«n Eorri
dor, als er in d«r Dunkelheit desselben
auf etwas Hartes trat. Er bückte sich
es war ein Damenarmband, das er
gefunden hatte, ein einfacher goldeinr
Reif, der mit kleinen billigen Steinen
besetzt war. Gleich darauf vernahm er
aus dem gegenüberliegenden Zimmer
aufg«r«gte weibliche Stimmen, «ine
laut fchluchz«nde und eine laut schel
tende. Die Thür öffnete sich, und
heraus trat eine weibliche Gestalt.
Misko fühlte alles Blut zum Herzen
strömen. Es war Sisi. Das Kleid,
das Haar, alles an ihr hatte jetzt «twas
Wirres, Unordentliches. Erregt wurde
die Thür noch einmal ausgerissen. In
der Spalte erschien die Gestalt ein«:
dicken Dame mit einem furiosen gera
theten Gesicht und schrie unbekümmert
darum, ob si« jemand hört«: „Du suchst
solang«, bis Du's gesunden hast. Eher
kommst Du mir nicht zurück." Dann
schlug sie die Thür wieder zu.
ben Sie etwas verloren, Fräulein?"
sagt« Misko. Erst jetzt bemerkte sie
ihn. Erschrocken, verlegen sah sie ihn
mit ihrem verweinten Gesicht an. „Ich
habe hier etwas gesunden," suhr er
fort. Sisi stieß einen Freudenschrei
aus. „Das ist es," sagte sie strahlend.
Gleich darauf flog zum drittenmal die
Thür auf. Di« dicke Dame mit dem
furiosen Gesicht stand auf der Schwelle
jetzt aber, wo das voll« Licht über
sie fiel, in ihrer ganzen imposanten
Vollständigkeit. Sie trug eine grell
bunt« seidene Blouse, unter der die ge
waltigen Busenformen sich abzeichneten
und ungeheuere goldene Ohrringe. D>r
Ausdruck ihres Gesichtes war streng,
hart, gebieterisch. Sie mochte fünfzig
Jahre alt fein. Als sie ihr«n Psleg
ling in der Gesellschaft eines fremden
Herrn erblickte, wurde der Ausdruck in
ihrem Gesicht noch härter und strenger.
„Es ist da," rief Sisi glücklich aus,
während ihr noch die Thränen auf den
Wangen klebten, und all' ihr Kummer
schien verschwunden „hier der Herr
hat es gefunden!" „Bedanke Dich bei
dem Herrn," commandirte Frau Ca
milla in kurzem Ton. Sisi streckte ihm
die Hand entgegen. „Ich danke Ih
nen," sagte sie herzlich. „Ein Tele
gramm, Herr Graf!" Mit diesen
Worten erschien in diesem Augenblick
der Oberkellner vor Misko. Es war
das Telegramm aus Zombkowikowa.
Bei dem Worte „Graf" ging in Frau
Camillas Antlitz «ine Veränderung vor.
Sie faßte Misko noch einmal in's
Auge, aber diesmal wie einen Men
schen, der ihr dessen überhaupt erst
werth erschien, dann nickte sie kurz und
steif, sagte zu Sisi „Komm", und die
beiden Damen verschwanden.
Sisi wohnte also mit ihm unter
demselben Dach. Ob er sie Mittags
wiedersehen würde bei der Table
d'Hote ? Nein, die Damen ließen sich
das Essen auf ihr Zimmer bringen.
Geweint hatte sie und obendrein
Schelte bekommen. Und wie glücklich
sie dann ausgesehen hatte. Alles um
armseliges Ding, wie dieses Arm
band. Eine Koryphäe, jeden Abend
umjubelt von einer tausendköpfigen
Menge und doch ein Kind! Misko
dachte an seine Heimakh, an der er mit
allen Fehlern seines Herzens hing.
Dieses Kind es hatte keine Heimath.
Auch keine Mutter, keinen Vater hatte
sie wie er.
Am Abend ging Misko wi«d«r in
die Vorstellung. Sisi machte dieselb«n
Exercitien wie gesier«n. Wie ihr jun
ger Leib, ihre zarten Gli«d«r, welche
di« Tricots nur verhüllten, aber nicht
verheimlichten, allen Blicken preisgege
ben wurden. Schämt« sie sich nicht?
Nein, sie hatte gar kein Bewußt
sein davon. Niemand sagte es
ihr. Als Sisi die Manege ver
ließ. flog von den Logen ein klei
ner Blumenstrauß auf sie herunter.
Von wem war er gekommen? Es war
eine Dame, di« ihn g«worfen hatte.
Man sah si« noch zu Sisi sich herunter
beugen und freundlich ihr zuklatschen,
während Sisi sich mit einem graziösen
Nicken bei ihr bedankte. Misko ath
mete auf. Es war eine Dame kein
Mann.
Was hatte Göppendors man
hatte sich an diesem Abend im Circus
wiedergesehen von Sisi ihm gesagt?
Daß er für ihre Reinheit seine Hans
in's Feuer legte. Wie ein eifersüchtiger
Drachen hütete si« ihre Tante.
Warum? „Frau Camilla sucht für sie
ein« vornehm« Parti«," sagte Göppen
dors. Der einzige Weg, aus dem
Sisi zu erringen war, führte durch'Z
Standesamt. Das stand bei Frau Ca
milla bombenfest.
Misko wußte nicht, ob er sich über
diese Auskunft Göppendorfs freuen
sollte oder nicht. Er war noch nie ver
liebt gewesen und Sisi erfüllte ihn
plötzlich mit einer Empfindung, die er
nicht verstand, die er nur fühlt«. Si:
kiiss«n nur ein einziges Mal! Aber
auch keinem Anderen sollte das gelin
gen. Und inmitten der Schmerzen des
Entbehrens empfand er das als «inen
großen Trost.
Jeden Morgen, pünktlich früh um
neun, ging Sisi mit ihrer Tante zur
Probe. Misko hatte das herausbe
kommen und so saß er wie zufällig um
diese Stunde r«gelmäßig auf der
Bambusbank, die unten im Hausflur
stand und an der di« Damm vorüb«r
mußten. Dann zog er jedesmal d«n
Hut, Frau Camilla nickt« wieder kurz,
Sisi etioaS .ieser und freundlicher, als
dächte sie dabei jedesmal an d«n ihr von
diesem geleisteten kostbaren Dienst
aber das war alles. Seit jenem Mör
sen hatt« er mit Sisi nicht wieder ge
sprochen. Wi« hätte er das auch in's
Werk setzen sollen?
Wenn er ihr «in« Freud« machen
dürfte ? Wi« sie sich über den armselig
gen wiedergefundenen Armreif gefreut
hatte. Misko ging zu einem Juwelier,
kaufte eine hübsch«, nicht allzu an
spruchsvoll« Garnitur, Ohrringe und
Brosche von Brillanten und Saphi
ren und gab dem Juwelier den Auf
trag, ohne daß er seinen Namen dabei
nannte, die Garnitur an Sisis Adresse
zu schicken. Bon wem das Geschenk
kam, das braucht« sie ja nicht zu wis
sen, wenn es ihr nur Freude macht«.
Am nächsten Morgen in aller Frühe
klopfte es an sein Zimmer.. Der Kell
ner meldete, daß ihm eine Dame zu
sprechen wünschte. Di« Dame war
Frau Camilla.
Frau Camilla trug an diesem Mor
gen nicht ein« ihrer gewöhnlichen bun
ten Seid«nblous«n, sondern sie er
schien in ernstem, würdigem Schwarz.
Ueberrascht bat sie Misko einzutreten.
Frau Camilla eröffnete die Unterhal
tung mit der Mittheilung, daß sie dem
Herrn Grafen etwas zurückzubringen
hätte. Darauf zog sie das Etui mit
dem Schmuck aus der Tasche. Den
Herrn Grafen als dessen Absender zu
eruiren, das war für si« ein« Kl«inig
keit gewesen. Die Firma des Juwe
liers stand in dem Etui und bei die
sem Manne hatte si« sofort eine Be
schreibung des edlen Spenders einge
holt. Es war also der Herr Gras.
Oder etwa nicht? Misko macht« eine
ziemlich verlegene Figur, aber auf ein
so directeS Jnqnisitorium konnte er
seine Urheberschaft nicht in Abrede
stellen. „Ich möcht« Sie doch fragen.
H«rr Graf," fuhr Frau Camilla sor:.
intxm sie sich jetzt erst ordentlich in dem
Fauteuil zurechtsetzt« „was Ihnen
das Recht giebt, meiner Nichte Ge
schenke zu machen. Das, bitte, beant
worten Sie mir doch!" Misko wußte
nicht, was er erwidern sollte er ent
schuldigt« sich. .Ich will es Ihnen sa
gen, Herr Graf," fuhr Frau Camilla
in erhobenem Tone fort „Sie den
ken sich eben, meine Nichte ist nur «ine
Kunstreiterin. Eine solche Classe
Menschen braucht man natürlich nicht
zu respectiren, wehrlose, schutzlose
Frauen natürlich am wenigsten."
Misko war auf's Tiefste bestürzt, er
konnte nur eine neu« Entschuldigung
stammeln j«d« Absicht einer Beleidi
gung hätte ihm fern gelegen, er wollte
nur Fräulein Sisi «in« Freud« machen.
„Sie ist «in albernes Ding," sprach
Frau Camilla mit Entrüstung weiter
„sie hat noch geweint, als ich es ihr
wegnahm. Ich muß leider sagen, daß
sie auf Schmucksachen wie versessen ist.
Nun habe ich das Geheul« mit ihr d«n
ganzen Tag. Uebrigens werden wir
jetzt in ein anderes Hotel ziehen."
Misko fuhr auf. „Das werd«n Sie
nicht thun!" rief er aus. „Wollen Sie
es uns verbieten?" fragte Frau Ca
milla, die nun das Terrain beherrschte
und sich dessen auch bewußt schien.
Misko antwortete, daß er sich dann
die Schuld zuschreiben müsse, die Da
men vertrieben zu haben. „Sisis guter
Ruf steht auf dem Spiel. Sisis guter
Ruf ist das-Einzige, was sie hat.
Ich bin ihre einzig« Verwandt«, ich bin
dafür verantwortlich!" Frau Ca
millas Red« floß wi« ein Wasserfall.
Misko wiederholte demüthig seine
Bitte. „Weiß Jemand, was für eine
Last ich mit d«m Kinde habe?" erging
sich Frau Camilla weiter „was für
ein Leb«n ich führe? Ich könnte in
Ruhe und Frieden in einem Stift
wohnen, daS Geld dazu hab' ich mir
sauer erspart. Statt dessen muß ich in
der Welt herumfuhrwerken, von einem
Ort zum andern. Warum? Sisi?
Mutter. Sisis Vater ist anständig ge-
Ivesen, ich bin anständig gewesen, die
Anständigkeit liegt in unserer Familie.
Ich werde meiner Nichte nicht «her von
der Seit« gehen, als bis sie geheirathet
hat. Denn Heirathen soll si«. Dafür
ist sie Künstlerin. Darauf hat sie ein
Recht. Varone, Grafen, Fürsten ha
ben sie schon haben wollen, aber keiner
von ihnen hat mir gepaßt. Warum
nicht? Weil ich bei einem Manne auf
den Character sehe. Auf den Charac
ter kommt's bei einem Manne an."
Frau Camilla beruhigte sich allmälig
soweit, di« erneuten Bitten Miskos um
Verzeihung und um ihr ferneres Blei
ben im Hotel anzuhören, ohne indessen
sich wegen des letzteren zu einem be
stimmten Versprechen herabzulassen,
dann rauschte sie davon. Misko sagte
sich, daß Frau Camilla trotz des mer!
würdigen Feingefühls, das sie in Sa
chen seines Geschenkes belundet hatte,
etwas Ordinäres an sich hatte. Von
ihren Heirathsplänen betreffs Sisi
machte sie kein Hehl. Ja, hatte sie ihm
Sisi, obne jede Vermittelung, plump
und aufdringlich nicht gerade ange
boten. so, wie man eine Waare anble»
kt. gleichviel, wer der Käufer ist, wenn
er mir den nothwendigen Rang und
Reichthum hatte, um die ihr Sisi seil
war? Sisi! Nein, sie wußte nichts
davon nichts! Und er hatte ih:
mit seinem Geschenk statt Freude nur
treuen Schmerz gemacht.
Die D:men zogen nicht aus sie'
blieben.
An einem der nächsten Tag« sah
Misko mm die gewohnt« Morgenstunde
Frau Camilla allein das Hotel verlas
sen. „Ich komme in ein«r Stunde wie
der/' sagt« sie so laut zu dem Portier,
daß es Misko. der wi«d«r wie zufällig
feinen, gewohnten Posten an der Haus
thür eingenommen hatte, unbedingt
hören, mutzte. Sisi war also allein.
Wenn er an ihre Thüre klopfte. Un
möglich! Und was wollte er von ihr?
WaK ihr sagen? Und dann wieder
sollte er diese Stunde ungenützt ver
streichen lassen? Hinter ihm auf d«:
Treppe raschelte etwas. Misko sah sich
um. Alles Blut strömte ihm wieder
zum Herzen. Es war Sisi, im Hut
und Mantel, und sie war in den Spei
sesaal getreten.
Der große Speisesaal war um diese
Stunde ganz leer. Die Hotelgäste be
enden sonst nur aus Geschästsreisen-
,di« am Bormittage ihre Kunden
besuchten. Als Misko in,den Saal
trat, saß Sisi an dem großen Sopha
tisch in der Ecke und blättert« in «in«r
illüstrirten Zeitschrift. Sie schien hier
aus die Rückkunft ihrer Tante zu war
ten und sich indessen die Zeit zu ver
treiben. Bei dem Geräusch der sich
öffnenden Thür sah sie auf, und bei
Miskos Anblick breitete sich über ihr
Gesicht eine große Verlegenheit. „Ich
störe Si«, gnädiges Fräulein," sagte
Misko. „O nein," erwidert« si« wie
jeder andere Backfisch. Dabei war sie
unwillkürlich aufgestanden. Aber so
viel merkte er, daß in ihr etwas vor
ging, etwas, was mit seinem verun
glückten Geschenk zusammenhing. „Ich
habe Sie um Verzeihung zu bitten,
Fräulein Sisi," fuhr er fort, ohne daß
er selber wußte, wie er dazu kam, sie
bei ihrem Vornamen anzureden „ich
habe Jhn«n Ungelegenheiten verursacht.
Ich hätt« Ihnen so gern ein« Freude
gemacht."
Es war in dem großen Saal ganz
still. An den von grünen Drahtgeflech
ten verdeckten Fensterscheiben, durch die
man auf den breiten Marktplatz sab,
summt«n d« letzten Herbstfliegen, S'si
sah mit gesenktem Kopse vor sich hin.
„Sie sind so gut," sagt« sie leise.
Es waren die einzigen Worte, die si?
fcmd., Sie waren ungeschickt, ab«r sie
klangen wi« ein Laut der Natur in sein
Herz. Sie erfüllten ihn mit Rührung
und zugleich mit einem Gefühl des
Glucks.
So stand er vor ihr da und wußte
nicht, was er weiter sagen sollte. Wie
er sie jetzt hilflos vor sich sah, schwieg
jedes Begehren in ihm. Nur seine
Arme schützend um sie legen, sie behüten
für imm«r und gegen eine ganz« Welt
sonst nichts.
„Macht Ihr Beruf Ihnen viel
Freude?" sagte er endlich von neuem.
Sie sann über die Antwort erst nach.
„Ich weiß nicht." sagte sie dann.
Abend für Abend saß Misko jetzt i»
seiner Loge und er fragt» sie., av? sie ihn
schon einmal bemerkt Hütt«.
Sisi läch«lt«.
„O ja," erwiderte sie.
Misko fragte weiter. Was»das für
«in Reiter wäre, mit dem sie jeden
Abend auftrete. Nun sah sie ihm ge
rade in's Gesicht als wirnderte sie
sich über ihn.
„Das ist doch Leonard!"'
(Fortsetzung folgt.)
—lm Dusel. Si«: „Ich be
greife nicht, wie man so nach Hause
kommen kann!" Er: „Na, sch—sch —
schwer genug ist es mir auch gewor
den."
Guter Rath. A.: „Wie
g-:ht Dir's?" B.: .Ganz gut." Ä.:
„Was treibst Du denn?" B.i „Im
mer noch dasselbe." A.: „Was dcirn?"
B.: „Nichts!" A.: „Streng Dich blos
nicht zu sehr an?"
Genügender Gritnd.
..Sie haben sich'von Ihrer Frau schei
den lassen?" Er: „Jaivohl. Das
war nicht mehr zum Aushalten. Sie
sollte nämlich auch immer von der
Gans die Leber essen!"
Modern. Herr: „Ah. guten
Tag, Fräulein Süßmilch!" Dame:
.Mein Herr, was erlauben Sie sich?
Der Umstand, daß wir im vorigen
Sommer verlobt waren, berechtigt Sie
doch nicht, mich hier aus ofsener.Stratze
anzusprechen!"
Für die Kücht.
Zwiebelsuppe auf fran
zösisch« Art. Kleine weiße Zwie
beln werden ringelig geschnitten, doch
nicht gar zu sein, dann in Mehl ge
wendet und in Butter gelb gebackn;
man legt si« mit kleinen, runden, in
Butter gebackenen Semmelcroutons in
Vi« Suppenterrin«, gießt so vi«l Bouil
lon darüber als. man zur Suppe nö
thig hat, und richtet sie sogleich an.
Weiße Bohnen mit
Schweinefleisch und Kar
toffeln. Man stellt am Abend vor
her weiß« Bohnen zum Ausquellen in
kaltes Wasser. Am. Morgen stellt man
sie mit frischem Wasser auf, giebt ein
Stück gesalzenes oder geräuchertes
Schnxin«fl«sch, auch Bauchspeck, hinzu
und läßt es langsam koch«n. Sellerie
knolle und Porree schneidet man ganz
klein hinein.. Dies Gericht muß drei
Stunden langsam sieden; in der letzten
halben Stunde kommen die Kartoffeln»
sowie etwas Pfeffer,, hinzu.
Gebäck e.ne Kartoffeln
au 112 fra nzöf i 112 che Ar t. Große
mehlige Kartoffeln werden roh geschält»
der Quere nach in Scheiben geschnitten
und in reichlicher, sehr heißer Butter»
welche man mit Fett vermischt hat, un
ter öfter«m Umschütteln goldgelb ge
backen. Nach dem Herausnehmen be
streut man fieberst mit Salz.
G e hirnsich n i t te n. Man blan
chirt einige Kalbs- oder Schweinsge
hirne und zieht ihnen die Haut ab.
Dann thut man die Gehirne in steigen
de Butter mit Salz, Pfeffer und eini
gen gehackten Zwiebeln und rührt diese
Masse zu Brei. Ist letzteres etwas er
kaltet, so streicht man ihn aufSemmel
schnitten und bestreut ihn, wenn man
will, mit geriebenem Parm«sankäs«.
was aber nicht nöthig ist. Dann wer
den die Schnitten in «!n«n Tiegel mit
steigender Butter gelegt und in der
Ofenröhre goldbraun gebacken. Man
servirt sie heiß.
Ente mit Zwiebeln. Eine
groß«, m«hr fleischige als fette Ente
wird mit so viel Wasser, daß es gleich
steht, ausgesetzt, gut abgeschäumt und
gesalzen. Dazu legt man fünf bis
sechs Zwiebeln, läßt die Ente weich-
und die Sauce-einkochen. Indessen
dünstet man einen Löffel M«hl in
Butter gar, vermischt es mit der durch
ein Sieb gegossenen Sauce und läßt
alles zusamm«n gut durchkochen. Wenn
man eS liebt, kann man di« Zwiebeln
in die Sauce legen. Di« Ende wird
bei Tisch zerlegt.
Paprika - Schnitzel. (Böh
mische Vorschrift.) Die von der Kalbs
keule geschnittenen Schnitzel werden
breitgeklopft, gesalzen, in Mehl, dann
in geschlagenem Eigelb und in gesieb
ter, geriebener Semmel umgedreht und
in steigender Butter leicht übergebra
t«n. Dann gießt man j bis I Pint
Sahne dazu, giebt Paprika nach Ge
schmack daran und läßt die Schnitzel
darin gar dünsten.
Kalbfleisch-Klops« in
P« terfilie n s a ur e. Ein Pfund
gehacktes Kalb- und Schweinefleisch
(halb und halb) wird mit einem ein
geweichten und wieder ausgedrückten
Milchbrot, einem oder zwei Eiern, et
was feik>geri«ben«r und in «twas But
ter gedünsteter Zwiebel, Pfeffer, Salz
und Muskatblüthe gut vermischt und
runde Klopse davon geformt. Inzwi
schen wird von ein«m Löffel in Butte?
gar gedünsteten Mehl mit «twas Brühe
oder Wasser und Salz eine ebeneSauce
bereitet, in der man einige geputzte und
zerschnittene Petcrsilienwurzeln gar
kochen läßt; dahinein legt man die
Klopse, läßt sie recht langsam gardün
sten, würzt die Sauce mit gehackter
Pet«rsilie und richt»! sie mit d«n Klop
sen zusammen an.
G.Ullcrs ch von Hase,n s l e i s ch.
Ein gehäuteter Hase wird in Stück«
zerlegt und in einem halben Pfund stei
gende Butter, in der einein Scheiben
geschnittene Zwiebel braun gerostet
wurden nebst Salz und «twas Paprika
zehn, Minuten gedünstet. Dam, gießt
man etwas Wasser oder Fleischbrühe
hinzu und läßt das Fleisch, gut zuge
deckt. weichvämpfen. Nachdem dassel
be heWusgsnommen, wird die Sauc«
mit einem in süßer Sahne verquirlten
Eßlöffel Mehl seimig gekocht uwd über
den Hasenstücken angvkichtet., Dazu
gibt man Maccaroni avev in Butter
geschwenAk Nudeln.
Eierkuchen nriit Obst. Man
quirlt! aus dreiEiern, guter Milch oder
Sahne, etwas Zucker, einer Prise Salz
und so viel Mehl, daß, die Masse ein
dickflüssiger Teig wird, einen guten
Eilerkuchenteig. Diesen bäckt man in
gewohnter Weise i» der Omeletten-
Pfanne, jedoch zuerst bloß auf einer
Seite. Auf die angebackene Seite legt
man nun beliebiges zerschnittenes
Obst, am liebster, Pflaumen oder
Aevsel. Diese bestreut man mit etwas
Reibbrot, dreht sodann den Kuchen
um und bäckt ihn auch auf der anderen
Seite. Er wird ohn« Sauce servirt.
Quittenconsett. Di« Quit
ten werden in Wasser weich gekocht.ge
schält und gerieben. Zu einem Pfund
Mark werden dreiViertel Pfund Zucker
geläutert; sobald er Fäden spinnt,
wird das Mark dazu gegeben neöst d»
Schale und dem Saft einer Citron».
Man läßt dies unter fortwäl/rende«
Rühren so lange auf schwachem Feuer
kochen. Vis «S sich von der Pfanne löst.
In eine Schüssel oder in beliebige Fav»
men geschüttet, wird es sehe rasch ftst
und «ianet sich zu sein«m D«ssert >tor»
trefflich.
mecyt angen « ym. „Also
Ihre Frau ist Bauchrednerin?! Sin!»
Sie denn damit einverstanden?" „Ja»
wohl! Wenn im Biergarten sie zu
mir sagt: „Karl, nun hörst Du aber
sofort mit dem Trinken auf!" denkb
jeder, das wäre am Nachbartische g«?
sugi worden!* 3