Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 08, 1901, Page 2, Image 2

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    2 ffine russische Toiree.
Als Großfürst Michael im Jahre
.. nach der festlichen Aufnahme, die
ihm in London geworden war, zum er
stenmale wieder in Petersburg Level
hielt, versammelten sich in den Sälen
des General - Feldzcugmeisters daS
gesammte Ossiziercorps und die ersten
und höchsten Notabilitäten der Wissen
schaft und Kunst. In großer Gala,
mit glitzernden Sternen und Orden,
funkelnden Ketten und Bändern über
säet. stolzirte hier die Generalität,
während in einem Bogen des Fensters
halb verborgen der Professor Dr.
Struwe, der berühmte Astronom und
Director der Sternwarte in Pulkowa,
in seinem bescheidenen Fracke seiner
harrte. Endlich fliegen die Thüren
auf, der Großfürst tritt herein und be
grüßt freundlich die versammelte Men
ge; da fällt feinAuge auf den unschein
baren Mann in der Fensternische, und
ihn zu sich rufend, äußerte er sich sehr
wohlwollend über Struwes Thätigkeit.
.Ich habe," sprach er freundlich und
gütig zu dem Gelehrten, „auch in der
Ferne von Jhr.em Wirken auf dem Ge
biete der Astronomie gehört und werd«
Sie bald in Pulkowa aufsuchen, wo
Sie aus Ihrer Warte dem lieben Gott
«inige Klafter näher wohnen als wir
anderen Sterblichen." Struwe ver
beugt sich verlegen einmal um das an
deremal und, sicherer auf dem Obser
vatorium als aus dem Parquet, drückte
er sich sodann ziemlich ungeschickt zur
Thür hinaus.
Natürlich ist er das Stichblatt aller
Anwesenden; man wundert sich über
das linkische Benehmen dieses Stu
bengelehrten, der kühn dem lieben
Herrgott in die Karten guckte, aber in
einem vornehmen Kreise hölzern und
ungelenk sei wie ein Bauer.
Der Großfürst Michael, ein ebenso
gütiger und wohlwollender als geist
schranzen mit den Worten: „Sie müs
sen Nachsicht mit ihm haben, meine
Herren! Dieser große Astronom war
erstaunt, so manchen Stern am un
rechten Orte zu sehen."
Wenige Wochen nach diesem Lever
gab der Fürst eine Abendtafel, zu der
auch Dr. Stuwe geladen war. Dies
mal erschien er aber mit einem Bril
lantstern auf der Brust. Es war der
höchste Orden, der in Rußland für
ausgezeichnete Dienste verliehen wurde.
Sein fürstlicher Gönner hatte ihm die
sen von dem Zaren erwirkt.
Die Tafel war soeben aufgehoben
und Seine kaiserliche Hoheit zog sich in
ihre Gemächer zurück. Alles verließ
den Saal und rief nach Diener und
Equipage. Auch Professor Struwe
bat draußen im Foyer einen betreßten
Lakaien, er möchte ihm zu seinem Wa
gen verhelfen, was auch mit der größ
ten Dienstfertigkeit geschah. Während
der Fahrt aber mußte er die unange
nehme Entdeckung machen, daß ihm
zurück, um Nachforschungen anzu
stellen, doch ohne Erfolg. Der Orden
war und blieb verschwunden.
Des anderen Tages suchte Struwe
um eine Audienz beim Großfürsten
nach in der Absicht, diesem das Mal-
zu Tage.
Die Mission des Grafen von Berg
an seine Abreise. Von seinem Gelde
hatte er trotz Großfürst und Polizei
minister bekommen. Da
ten, das Verlorene wieder beizubrin
gen. aufmerksam, versicherte aber,
nachdem letzterer seine Bedenklichkeiten
mittelst einer Summe von tausend
Silberrubeln gehoben, sein Möglichstes
thun zu wollen. Vierzehn Tage ver
sehen indessen, ohne daß der Deutsche
irgend eine Nachricht oder gar seine
Briestasche wieder bekommen, und die
hohe Polizei speiste ihn aus seine wie
derholten Nachfragen mit Vertröstung
ab. Da entschloß cr sich, weil die Zeit
drängte, abzureisen und den Verlust
zu verschmerzen. Er erhielt noch ein«
Abschiedsaudienz bei dem Kaiser aller
Ueußen, in der der Zgr.den deutschen
Diplomaten auf's Huldvollste empsing
und ihn unter anderem auch fragte,
wie eS ihm in Petersburg gefallen
habe. Der junge Diplomat bezeugte
dem Zaren sein unumwundenes Wohl
gefallen an allem, was er am russischen
Hose erblickt, nur, fügte er bescheiden
scherzend bei. habe er weniger Ursache,
mit der russischen Polizen zufrieden zu
fein, die ihm vielleicht mit mehr Eifer
zur Wiedererlangung seiner Briefta
sche hätte behilflich sein können. Der
Kaiser runzelt die Brauen, äußert sein
Bedauern und bat den Diplomaten,
doch noch einen Tag zu verziehen, und
keinen ungünstigen Eindruck von einem
russischen Institute mitzunehmen, das
sonst in einem so guten Rufe stehe. Am
anderen Morgen klopfte es schon in al
ler Frühe an der Thür Gras Berg
heims und hereintrat unter tiesenßück
lingen der Chef der Polizei.
„Bitte tausendmal um Vergebung,"
begann er, „daß «8 der Wachsamkeit
„ES waren 30,<XX1 Rubel in Bank
der Brieftasche?"
„Nein!"
Großfürsten ein Diener beim Umhän
gen Ihres Mantels behilflich war?"
„Gewiß, Herr Präsident."
„Nun, sehen Sie. diesen Burschen
haben wir in Verdacht. Er leugnet
zwar, aber welcher Spitzbube leugnet
nicht? In einigen Tagen wird er nach
Sibirien geschickt, dort kann er darü
ber nachdenken."
Graf Bergheim schüttelte ungläubig
den Kops, nahm aber hocherfreut das
» » »
Der Großfürst gab einen Monat
nach der Abreise des Grafen Bergheim
abermals eine Abendtafel. Die bei der
damaligen unglücklich verlausencnSoi
ree anwesenden Gäste des Fürsten
wurden auch diesmal wieder geladen,
in Betreff des Werthes der damals g^
Es fehlten diesmal eine Anzahl massi
ver, goldener Teller, Löffel, Messer
stärkte die Polizei in der Ansicht, daß
hohl und von außen mit einer kleinen
Feder aus Stahl versehen. Sobald
man nun an diese Feder drückte,
nun außerhalb des
drückte er auf die kleine Feder feines
Stiefelabsatzes sofort öffnete sich der
genstände darin, schob das Fach wieder
hinein, die Feder klappte zu und
schloß sich, und kein Mensch ahnte oder
Absätzen der Stiesel Tschertschikows
Teller, Messer, Löffel und Gabeln, di«
ihrer Größe wegen doch nicht in den
drefsirten Pudels beiseite geschafft
hätte.
Gelehrigkeit Klugheit von allen
Insassen des Schlosses gut gelitten
war. hatte Tschertschikow so gut abge-
Tschertschikow dem Hunde ein warmes,
gepolstertes Deckchen machen, und die
Innenseite desselben mit Taschen ver
sehen. Konstantin bummelte auch an
jenem Abend, wie gewöhnlich, mit phi
sophischer Ruhe in den weitschichtigen
Gängen des Schlosses herum. Bei
günstiger Gelegenheit zog ihn feinHerr
in einen Winkel, schnallte ihm die Decke
ab und, nachdem die gestohlenen Ge
genstände in die Taschen der letzteren
verpackt waren, jagte er ihn durch Wort
und Wink fort. Der Pudel lies so
dann in die Wohnung seines Herrn,
was durchaus nichts Ausfälliges hatte,
und dort nahm ihm die Frau Ves
Tschertschikow die gestohlenen Schätze
ab. Von den 30,(XX) Gulden wollte er
nichts wissen, er schwur hoch und theu
er, daß er sie nicht entwendet habe.
Der ungetreue Diener seines Herrn
wurde nach diesem Geständniß in «in
finsteres, kellerartiges Loch geworfen
'und von zwei Kosaken bewacht, um deS
anderen Tages der Polizet übergeben
zu werden. Damit cr aber nicht ent
schlüpfe, so bewachte ihn der eine der
Kosaken in seinem Gefängniß, wäh
rend der ändere mit der Lanze in der
Faust vor der Thür des Gefangenen
auf und ab schritt.
Tschertschikow that ganz unglücklich,
bereute feine That und sagte zu seinem
Wächter, daß er zwar eine harte Stra
fe zu gewärtigen hätte, dieselbe aber
verdiene. Er ergebe sich in sein Schick
sal. Als der Abends herandämmerte,
den Stunden in ein herzzerbrechendes
Stöhnen über, so daß ihn sein Wächter
fragte, ob er vielleicht krank wäre. Da
„Wutky" von seinen Lippen.
Jeder Russe, und der russische Sol
dat erst recht, wird elektrisirt, sobald
er dieses Zauberwort vernimmt. Je
ner Pope kannte seine Leute, als er in
Ausübung seines Amtes vor einer
te: „Den Feigen erwartet das
ste Geschick. Er wird dereinst im Jen
seits bis zum Halse in eine Tonne
nur einen einzigen Tropfen davon ko
sten zu dürfen." Und die Soldaten
fochten damals wie die Löwen.
. Der Wächter Tschertschikows stand
verhandelt/er mit seinem Kameraden
kurze Zeit und trat dann wieder mit
den Worten in das Gelaß seines Ge
fangenen: „Bruder, wir wollen Dir
Wutky holen, wenn Du ihn bezahlst
und uns beiden davon etwas abgibst."
Selbstverständlich ging Tschertschi
kow aus diesen menschenfreundlichen
Tisch, mit denen sich sein Wächter
len. Aber es zeigte sich, daß Tscher
schnarchte alsbald gewaltig.
Gegen Mitternacht erhob sichTscher
tschikow plötzlich von seinem Lager,
ckeren Schläfern ins Gesicht. Als er
Hauptmann mit seinen Soldaten er
schien um Tschertschikow gesangen
wegzuführen, fand er zu seiner großen
trieben und dort seinen Kops mit Ei
nigen Kübeln eisigkalten Wassers be
gossen hatte, führte man ihn an Stelle
Tschertschikows in das Gefängniß.
Von Tschertschikow hat die russische
Polizei niemals wieder etwas gesehen
oder gehört.
Zehn J«hre waren seitdem verstri
chen. Graf von Bergheim hatte in-
türlich mußte Bergheim bei dem Em
pfang des Landesvaters in feiner frü
heren Uniform al» Gesandter erschei
nen. Bei der näheren Besichtigung
derselben wurde er gewahr, daß das
Futter seines Rockschoßes ausgetrennt
sei. Er untersuchte den Schaden und
fand in einer Ecke seines Rockes die
vermißte Brieftasche und darin un
versehrt die verloren geglaubten 30,(XX)
Rubel in Banknoten.
Verbesserte Fraurnkleidung.
Unter den Bestrebungen, welche da
rauf gerichtet sind, auf Grund neuerer
Erkenntniß und ernsten Nachdenkens
die Menschheit vorwärts zu bringen,
nimmt die Bewegung, welche di« Ver
besserung der Frauenkleidung zum
Ziele hat, eine bevorzugte Stelle ein;
denn sie beschäftigt sich mit einem Ge
biete, für das alle Menschen Interesse
haben, mit Ausnahme vielleicht we
niger Weltverächter.
Die Kleidung der Frau, anschei
nend ihre intimste, privateste Angele
genheit, ist in Wahrheit eine Cultur
frage von allgemeiner Bedeutung. Sie
ist das eigentlich von jeher gewesen,
insofern man in der jeweiligen Tracht
und Mode den Bildungsgrad, das gei
stige Niveau, die sittlichen Eigenschaf
ten der verschiedenen Zeitalter sich spie
geln sieht. In noch höherem Maße
endlich auch auf diesem Gebiete das
Bewußtsein und damit das Ver
antwortlichkeitsgefühl erwacht ist.
pertieft.
Daß der weibliche Theil der Mensc
hheit auf das Ausschmücken der äußeren
det, als der männliche, ist ein historisch
verbrieftes Recht oder eine historisch
überlieferte Pflicht. Dieses Recht
oder diese Pflicht ist der Anlaß ge
breite Schichten des Volkes. Und
wen?
Keineswegs. Ein solches Unterneh
men würde ja auch gar keine „Bewe
sprudelndc Geschäftigkeit rücksichtslos
von der Frauenbewegung und aus
KUnstlerkreisen. Die medicinische
Wissenschaft ist zwar auch früher schon
dem weiblichen Anzüge gegenüber nicht
konnten die Frauenleiden weiter
Die moderne Wissenschaft aber fetzt
ja ihren Ehrgeiz darein, lieber noch zu
Jede Verbildung ist doch eigentlich
schon eine Krankheit. Und das Cor
fett verbildet. Mag es hoch- oder tief
vergeblich herumkuriren, sind Bleich
sucht, Nervosität und Kopfschmerz:
die Folge davon ist in Summa die auf
ckelte zu dem ausgesprochenen Zweck«,
seine Gestalt zu verändern, so würden
sein.
Nun, und bei den Mensch«» sollte
mit peinigen; unbewußt und, wenn
zum Bewußtsein gebracht, oft eine
Weile noch eigensinnig. Schließlich
athmen in einem lose angelegten, dem
Körper angepaßten Leibchen oder Bü
stenhalter. Sie lernen sich aufrecht
halten auch ohne di« so lange unent
behrlich geglaubte Stütze der festen
Stangen im Rücken. Sie lernen be-
Schutz und Wärme, das sie dem Kör-
Stoffbeinkleid, das an das Leib
eine Hemdhose aus porösem Gewebe
ersetzt wird, so ist die Unterkleidung
nach allen Regeln der modernen Hygie
ne umgestaltet.
Daß ihre Bestandtheile nach wie
vor elegant sein können, daß man
Seide, Spitzen und Stickereien dafür
verwenden darf, daß die .verbesserte"
Auf der Erkenntniß, welch« die
Aerzte ihnen verschafft hatten, bauten
zu der ersten Forderung die zweite.
Ihre Kleidung sollte fortan nicht nur
gesund, sie sollte auch praktisch sein.
Sie sollte den freien Schritt und die
unnütz Belastende, allen sinnwidrigen
Aufputz vermeiden sollte leicht an-
und abzulegen sein und nebenbei dem
oft gerügten Taschenmangel abhelfen.
Sie sollte für jeden Zweck und für jede
Gelegenheit das Richtige treffen und
jeder Persönlichkeit individuell ange-
sein. h H -
im Vereine mit der gesundheitlichen
Anspruch. Die Kleidung soll Such in
ästhetischer Rücksicht verbessert werden.
Oder richtiger noch: Eine gesund
ler gelehrt. Sie haben uns
davon überzeugt, daß die bisherige
Zweitheilung des Frauentörpers ein
ästhetisches Unding ist, eine Grau
samkeit gegen den Schönheitssinn so
gut wie gegen die Gesundheit. Sie
zeigen uns di« Wirkung der Linien,
des Faltenwurfes, der Farben. Sie
von Schmuck.
Das ist nicht so gemeint, als ob je
des nach den neuen Grundsätzen gefer
tigte Kleid von Künstlerhand entwor
fen wäre oder entworfen sein müßte.
Aber die Künstler haben in ganz au
genfälliger Weise als Lehrmeister ge
wirkt. Wenn ich nur einzelne Namen
nenne Schultze-Naumburg, van de
Velde, Mohrbutter, Hermann Widmer
wie haben sie uns die Augen geöff
net, haben unS sehen und etwa? Se
henswürdiges schaffen gelehrt!
Ich hofft, es ist aus diesen skizzen
haften Betrachtungen das Ein« klar
geworden daß „Verbesserung
Gleichmacherei, keine Ertödtunz d;i
Geschmacks, keine Vernichtung der
Individualitäten bezweckt sondern
daß sie im Gegentheil die Persönlich
keit von der Gleichmacherei, von dem
die Phantasie zu erfinden, die Tech
nik zu schaffen und die Industrie zu
erwarten vermag, soll uns für die „ge
deutscht Mode wird? '
Wir hoffen es!
deutsche Frauen und Männer mit
künstlerisch geschulten Augen sehen ler
nen.
Berlielite Leute.
Eduard und Lilly sitzen auf einer Gar-
Eduard: —'Pjeißt Du, das ist das
Schöne bei d«r Liebe, daß sie uns bes
ser macht und auch gescheidter. Sie
weitet unser Herz aus, daß mehr darin
Platz hat als früher. Wenn wir lie
ben, verstehen wir plötzlich Dinge, Sie
uns bisher unverständlich waren, weil
Lilly (drückt feine Hand): Das Hab
ich auch schon gefühlt, aber ich konnte
es nicht so schön ausdrücken wie Du.
Siehst Du, gegen die Anna bin ich jetzt
auch viel nett«r, seit ich Dich habe.
Frage Sie nur, ich schimpf« sie fast gar
nicht mehr! '
Eduard: Weißt Du ich bin ja
ein trockener Mensch, so ein echter Bu
reaumensch und habe mich eigentlich
bis jetzt hoch erhaben gefühlt über di«
Künstler und Literaten und djese Leu
te. Jetzt versteh« ich sie auf einmal. Es
muß etwas Wunderbares sein, das
Schöne in sich aufzunehmen und dann
sein«n Mitmenschen wiederzugeben, so
daß sie es nun auch alle so schön sehen
und verstehen.
Lilly: In der Sezession habe ich mir
aber doch gedacht, so sieht die Natur
nicht aus.
Eduard: Ja, aber es giebt doch Je
der das Beste, was er hat. Wir Beam
te, was geben wir? Ein Vischen trocke
nen Verstand, «ingezwängt in tausend
feststehende Formeln. Aber sie, sie g«-
Lilly: Du, da hat« ich neulich etwas
gelesen über die Weltseele. Aber ver
standen habe ich es nicht ganz.
Eduard: So etwas läßt sich auch
nicht verstehen, das muß man fühlen.
Alles ist mit uns verwandt. Steine,
Bäume und Thiere und durch alle
fluthet der Strom der Liebe, daß sie
sich verändern müssen und werden, was
Lilly: Dann haben die Steine auch
eine Seele? Wie komisch.
Eduard: Warum komisch? Der höch
ste Berg zerfällt einmal in Staub und
der Staub wird Erd«, und aus der
Erde saugt die Pflanze ihre Nahrung.
Lilly: Warum muß man die Blu
men dann eigentlich jeden Tag begie
ßen?
Eduard: Auch ich habe bisher gelebt,
wenn ich auch einsehe, daß es kein Le
ben war im rechten Sinn« des Wor
tes. Aber seit mir Deine Liebe ge
worden ist. seitdem lebe ich wirklich
ich fühl«, daß ich leb«. Das ist tein
Dahindämmern mehr ich lebt« wie
eine halbverdorrte Pflanze, die der
Sandboden kümmerlich ernährt. Und
jetzt ist mir, als ob ich alle Quellen der
Welt in mich aufnahm«, als ob alle mir
Nahrung brächten. Oh, es ist ein« Lust,
zu leben, wenn man geliebt wird.
Lilly (schmiegt sich an ihn): Und
meine Liebe ist es, die Dir diese Lust
verschafft hat!
Eduard: Mir ist es, als ob ich «in
Dichter wär« nicht ein Dichter, der
dichte fühlt. Wie soll ich das ausdrü
der Welt. H
Lilly: Möchtest Du das wirklich
Vom Kirchthurm schlagt
Eduard: Ach Gott schon jetzt
Innere, das ist eine Himmelsgabe, di«
kein Mensch verdient
Nun steigt der Mond in rother Pracht
Die in Tages Lärme schwiegen,
In der heißen Helle schliefen,
S«lentief«, f««lenfchöne,
Einsamkeit.
terne sind" daß der hinter mir Gehende
auf meinen Schatten tritt. Ich weiß,
daß es nur Einbildung sein kann? aber
s ' !?/.t w" hätte
Hebung hängt sich wie eine traurige
Last an mich, verdoppelt den trüben
Schauer über dies« immer gleiche un-
Vielleicht ist es Einer, der Aben
teuer sucht. Er glaubt wohl, ich sei
Eine für ihn, und meine Eile sei
Schein und Lockung. Ich brauchte
mich nur zu wenden, ihn mit einem
kalten, gleichgiltigen Blicke zu strei
fen. . . Warum thue ich es nicht? Ich
schen Schritt mich peitschte. . . Wenn
ich langsamer ginge ihn an mir
vorbeigehen ließe —? Doch die Angst,
daß alsdann etwas Gemeinsames,
gleichsam Verabredetes uns verbände,
zwingt mich zu immer größerer. Eile.
Schneller als jetzt kann ich nicht
kann ich nicht! Ich bin so
athemlos. Mir ist mein Herz
Und der Schritt ist immer, immer
hinter mir. Als ob es nie anders
iverden könne, so ist es. Als solle es
in all« Ewigkeit so bleiben ich vor
an, hinter mir dieser Schritt, der dem
meinen sekundirt in erbarmungslosem
Takt, vor dem ich bin, wie ein
Wild vor dem Jäger, sinnlso vor Ent
setzen, halb taub vor rasendem Herz
klopfen.
Sieht es denn keiner, wie ich leide?
Verjagt mir Niemand den Verfolger?
So allein bin ich, daß es in dieser
großen, großen Stadt nicht Einen
gibt, der mich erlöst von diesem Schick
sal!
Ja, wie das Schicksal schreitet eS
da hinter mir. Das Schicksal der
Tod das, vor dem es tein Entrin
nen gibt. . . Ein eisiges Erstarren in
mir —: wenn es mich nun lähmte,
mich widerstandslos vor seine Füße
hinwürfe Vorwärts nein
vorwärts! Und wenn es das Unab
wendbare ist ich bin schneller als
das Unabwendbare!
Die Straße wird lebhafter. Wir
nähern uns mehr und mehr der In- >
nenstadt. Es ist wie ein Winken na
her Erlösung.' Ich kann diesen Schritt
hinter mir nicht mehr ertragen
diese zudringlich« Nähe, die mir den
Rücken zu Eis macht, die Muskeln aus
löst. als kröchen sie auseinander, jede
Faser für sich
Plötzlich ändert sich der Schall des
Schrittes. Er wird Heller, ferner,
kürzer er verliert sich in einer Que
rstraße. Zuerst ist es ein Schrecken, es
ist so unerwartet, so anders, so neu.
Mein Herz schlägt auf einmal schnel
ler und leiser. Ich verlangsame mei
nen Gang und athme tief auf mehrere
Male. Ah Gottlob, denke ich
Gottlob!
Aber ich denke es nur und lauscht«
dabei hinter mich, enttäuscht fast, den
Schritt nicht mehr zu hören. Es war
doch etwas wie eine Begleitung, etwas,
das ich auf mich, auf meine Persönlich
keit bezog Närrin!
Und nun drängen sich mir Thränen
in die Augen. Es war ein Fremder,
der seines Weges ging nicht meines
Weges
Ich bin einsam, so einsam wie nie.
unaufhaltsam an mir vorbei. Ich bin
ein versprengter Ton, der zu keiner
von ihnen gehört nebenher^
„Donnerwetter, steht der Mensch
miserabel da! Dagegen ist ja ein Roll
mops noch die reinst« Fahnenstange!"
blatt benützt wird!"
Dilemma. A.: ..Warum Hei
rathen Sie eigentlich nicht?" B.: