Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 13, 1901, Page 2, Image 2

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    2 „Meine Aelteste".
l.
In einem Coupv des Schnellzuge?,
Reisegesellschaft.^
Augen zwischen ihm und dem Bilde
hin und her fDweiscil ließ. „Wie
freundlich sie aussieht und wie klug
dabei.
„Dal; wir uns gleichen, sagt jeder,"
entgegnete „nur war sie weit klüger
als ich! Seit ich sie nicht mehr habe,
fehlt «s an allen Ecken und Enden.
Ganz verloren find' ich mich in unfe
junge Frau bringt Leben genug in's
Haus!"
„Den Rath hat mir schon mancher
mich paßt? Wissen Sie, alle diese
jungen Mädchen von heutzutage sind
mir zu prächtig! Und wie kommt man
dazu, sie auch nur kennen zu lernen?
Auf der Straße oder in Gesellschaften,
deren ich wenige besuche, ist mir noch
leine begegnet, der ich zugetraut hätte,
daß ihr ein stilles Leben gefiele, so wie
ich's daheim immer gewohnt war.
Man müßte sie in ihrem Hause sehen
das ist aber nicht so leicht. Unsere
paar alten Hausfreunde haben zufällig
alle Wel/gleich den Freier. Das paßt
mir nicht "
Die Dame schwieg und saß eine gute
Weile nachdenklich in ihrer Ecke. Auf
ihrem frifchfarbigen, gescheiten Gesicht
stritten sich allerlei Geister der Ernst
haftigkeit wie des Humors. Die im
Schooße ruhenden rundlichen Hände
drehten sich lebhaft umeinander, ihre
Fußspitze klopfte auf und ab, ohne daß
sie es merkte. Nach einer gerauinen
Pause hob einem Ruck den
„Wie komme ich Ihnen vo'r?"
Der junge Mann sah sie erstaunt an
und wiederholt« unsicher: „Wie Sie
mir vorkommen, gnädige Frau?"
„Ja, ja. ganz wörtlich! Wir sind
ilui: so und so viele Stundin mitein.in-
Begriff von einander. Sie z. B. kom
zuverläfsiger Mensch vor. Jetzt möcht'
ich auch wissen, was Sie von mir hal
ten?"
„Nun, gnädige Frau/' sagt« er ganz
«rnsthaft, „würd« ich wohl von meinen
Persönlichen Verhältnissen, von meinen
Ansichten so freimüthig zu Ihnen ge
sprochen haben, wenn Sie mir nicht
das größte Vertrauen eingeflößt hätten
durch Ihre —darf ich es sagen?
durch Ihre mütterliche Art, Ihre an
theilsvolle Güte?"
so werden Sie mich doch wenigstens
nicht falsch taxiren. Daß ich Wittwe
bin und mein Mann mir ein schönes
zukehren, Sie haben ja noch acht bis
vierzehn Tage freie Zeit. Den Mä
dels werde ich sagen, Sie seien mir
empfohlen, das sind Sie auch durch
Ihre beiden ehrlichen Augen. Sie
hätten da die Gelegenheit, zu sehen,
wie Töchter eines guten bürgerlichen
Hauses sich daheim betragen. Von
Arglist und Schönthuerei wissen alle
drei nichts. Mich däucht, meine Aelte
ste könnte für Sie passen; sie ist ein
großes, frisches Mädel, wirthlich und
ollerzeit guter Dinge. Therese, die
zweite, ist ein bischen still, nicht dazu
angethan, ein Haus viel aufzumun
tern, auch glaub' ich, sie hat schon so
was im Kopf. Unsere Kleine ist noch
«in halbes Kind, erst seit Ostern aus
dem Institut der englischen Fräulein
heimgekommen, ein rechter Sausewind,
den man am Schlafittchen erwischen
muß, bis sie stand hält, was Ordent
liches zu thun Natürlich haben
alle drei ihre Schulen durchgemacht.
! volle überhaupt selbstver
der Bahn. Reisen Sie weiter, so
sprach, hatte Fritz Holst's Gesicht sich
sein sympathisches Gesicht, etwas Be-
stlmmtes, verständlich Nachdenkliches.
Der Zug fuhr in die Halle des Kölner
Bahnhofes ein. Ein leises Lächeln
glitt über Fritz Holst's volle Lippen.
Er streckte seiner Reisegefährtin seine
11.
Der Zug hielt. Aus dem Menschen-
Weber sogt«:
„Ich bring' uns einen Hausgast mit,
Lott«. Herr Fabrikbesitzer Holst aus
Linden meine Aelteste!"
j Während er Mutter und Tochter
mochte etwa 22 Jahre zählen; ihre
elastisch«, voll entwickelte Gestalt, rei
staltlichen Gehöfte zu, dessen solides
des Dienstmädchens zum Vorschein ge
stellte vor, und trat in's Haus. Lotte
verschwand, um ein-n Blick in das stets
wurden häusliche Angelegenheiten
Spracht gebracht; als deren Mittel
punkt erschien die nahe Lese, wozu
! sehr von einander" verschieden. Die
stille Therese, mit ihrem hellen Gesicht,
dem röthlichen, schweren Haar, den
i schön geschweiften Lippen, stand den
lebhafteren Schwestern an Reiz nich!
ncch. Sie sprach in der That nicht
viel, verstand aber in einer Weise zuzu-
hören, als sei sie an allem, was be
rührt wurde, ganz wesentlich betheiligt.
Uebrigens ließ auch Traud, die Jüng
ste, ihr Glockenktimmchen wenig hören.
! Dem Gaste blieb ungewiß, ob seine
i fremde Gegenwart sie etwas einschüch
tere. Das tief brünette, lebenswarme
Gesicht mit den nußbraunen, großen
Augen war beweglich genug in stets
zur Ruhe gegangen waren und das
Licht gelöscht halten, wurden im Mäd«
diesem letzten Lobe, das sich um ein am
Rhein vieldeutiges Wort knüpfte, lam
ein halbunterdrücktes Lachen zu Gehör.
„Die Trubel hat natürlich wieder
schläfrig.^
„Ich. o gar nichts! im Gegenteil!
es war so spaßhaft zuzuschauen, wie
der hellgraue Zipfel an seinem Halse
immer hin und her hüpfte, so oft er den
Kopf drehte. Mein lleiner Finger
sprang jedesmal mit!'"
„Kindstopf! Schlaf lieber, Du
denkst blos an Narrerei."
Die folgenden Tage waren erfüllt
von Geschäftigkeiten. Holst sah, wie
sehr Lotte die Seele des Hauses, die
rechte Hand ihrer Mutter bedeutete, der
ihre Aelteste ganz nach ihrem Sinne
gerathen war. Das große Geschäft
der Jahreszeil erforderte vielerlei Mit
thätigkeit der Frauen, Gäste fanden
sich an den Haupttagen der Lese in
großer Zahl ein aus der Nachbarschaft,
wie aus der Stadt. Vom Morgen bis
zum Abend nahm das Bewirthen kein
Ende, was Holst komisch genug er
schien, während er doch an der Herz
lichkeit und Natürlichkeit, womit Ge
ladene und Ungeladene aufgenommen
wurden, seine Freude hatte, und nicht
übersah, wie hoch seine Gastgeberin bei
allen in Ehren stand. Auch Frau
Webers Wort, daß es an Freiern nicht
fehle, wurde ihm durch eigene Beobach
tung bestätigt. Die Mädchen waren
sehr umgeben, was namentlich für
Lotte galt. Den Bevorzugten der
Stillen herauszufinden, war nicht
stehen; sie zeichnete Niemand aus, auch
nicht den Hausgast, ver sich viel zu ihr
hielt, und Ach täglich sagte, daß er noch
keinem Mädchen begegnet sei, mit dem
sich gleich angenehm und leicht verkeh
ren ließ. Für Theres« ward er zum
stets bereiten Helfer.
Nachdem aller Trubel und Jubel der
Lcsetage verklungen war. blieb nur
all mit eingetreten war, wo sich dazu
Gelegenheit bot. Jeder Hausgenosse
rühmte seine Umsicht und Gefälligkeit,
auch das Gesinde hatte ihn, wie Frau
Weber es nannte, „in Affektiv»" ge
nommen. Selbst die Thiere zeigten
sich ihm geneigt. Nur Traud hatte,
zum wirklichen Aerger ihrer Schwe
stern. beständig etwas an ihm auszu
setzen, nahm sich wohl gar heraus, ihm
in's Gesicht allerlei an seinem Thun
und Lassen zu bemängeln, und war
stcrn schalten sie, die Mutter nannte sie
verdreht, es half nichts, sie blieb, wie
sie war...
Fritz Holst's Zeit war um; «r hatte
sie ausgedehnt bis zur letzten Frist.
Niorgen sollte er reisen. Mit nicht
geringer Spannung erwartete Frau
Weber in jeder Stunde der letzten paar
Tage seine Aussprache, seinen Antrag.
Daß ein solcher nicht ausbleiben könne,
stand ihr außer Zweifel, sonst würde er
nicht biS zum letzten Moment geblieben
sein. Auch daß es sich nur um ihre
Aelteste handeln könne, schien ihr sicher,
obgleich nicht zu leugnen war, daß er
sich oft und gern an Therese geschlossen,
ihr bei ihrer Thätigkeit geholfen, sie
wohlgefällig angesehen hatte. Was
noch war ja auch Therese frei. Da»
Bewußtsein eigener Hinterlist, womit
sie den etwaigen Freier in's Haus ge
schmuggelt, hatte sie ängstlich vor der
leisesten Neckerei zurückgehalten, um
nur ja rühren. be^
zugleich wurde ihr bewußt, wie sehr sie
dessen Ruf und Verhältnisse sie erfreu
„Nun?"
Jetzt ihm die Blutwelle bis
tapfer:
„Liebe Frau Weber, mein Glück
lieg! in Ihrer Hand! Glauben Sie
lhre Tochter anver.rauen zu du.
„Lieber Herr Holst, meine Aelteste
wird —"
Sie kam nicht weiter. Fritz stand
ihr, erfaßte ihre beiden Hände und
stieß schnell hervor: „Ich spreche von
Ihrer Jüngsten!"
Hätte sich das Haus umgedreht, und
hätte es plötzlich mit der Giebelspitze
auf der Erde gestanden, so hätte der
Mutter Verblüfstheilt nicht grenzen-
„Die Trud«l? Das Kind?" brachte
sie rathlos hervor. „Abel Ihr habt
„Doch, wir haben schon mit einander
geredet, liebe Mama, und ich iveiß,
Traud sagt nicht Nein, wenn Sie fra
gen."
„Aber Herr Du meine Güte, sie
ist ja wie ein Neugeborenes, kann
nichts, weiß nichts, und das soll eine
Hausfrau vorstellen?"
„Man ist ja jung, um zu lernen,"
meinte Holst fröhlich. „Ich selber
da machen wir zwei unsere kleinen
Fehler mit einander, bis mir's besser
können ... Sagen Sie ja, liebe, beste
Frau Weber! Wenn «in paar junge
Menschen sich l!«b haben und des täg
lichen Brodes sicher sind, giebt auch der
Die Mutter stand unschlüssig; halb
unvewußt murmelte sie:,
„Was wird meine Aelteste sagen!"
Fritz lachte nur leise.
vom Äiuder.
Lügenhaftigkeit ist, sofern nicht eine
krankhafte Disposition vorliegt, keine
Eigenschaft, die uns angeboren wird,
sondern lediglich eine sekundäre, die
sich unter allerhand Einflüssen aus
bestimmten Anlagen heraus entwickelt.
Wie oft giebt nicht z. V. eine allzu
lebhafte Einbildungskraft den ersten
Anstoß zum Lügen! Die Kinder ha
ben irgend etwas gesehen, was in ho
hem Grade Ihr Interesse erregt hat.
und noch ganz erfüllt davon, erzählen
sie es Ihren Angehörigen, wobei sie sich
bemühen, ihren Eindruck recht anschau
lich wiederzugeben. Damit ihnen dies
gelingt, übertreiben sie unwillkürlich
diejenigen Punkte, die ihnen am er
staunlichsten erschienen sind, und
zwar oft bis über die Grenzen des
Möglichen hinaus. Ein Hund, dessen
Größe ihnen auffiel, wächst zu einem
Ungeheuer von den Dimensionen eines
Pferdes, aus einem ein paar Sätze
sprechenden Papagei wird einer, mit
dem sie sich lange über alle erdenkli
chen Fragen unierhaltcn haben. Es
wäre jedoch ungerecht, in solchen Fäl
len bereits von einem Lügen zu spre
chen, da das Kind, dessen Phantasie
sich an den eigenen Erzählungen be
rauscht, gar nicht das Bewußtsein
hat, etwas Unwahres zu sagen. Aber
solche aus Wahrheit und Dichtung ge
wobenen Schilderungen können doch
leicht der Keim zur Lügenhaftigkeit
werden. Das Uebertreiben wird eben
zur Gewohnheit, und wenn das Kind
noch gar merkt, daß es mit seinen
Münchhauseniaden Beifall erntet, so
kann es sich gar nicht genug damit
thun. Aus dem unwissentlichen
Uebertreiben wird bewußtes Lügen.
Daher sollten Eltern und Erzieher
rechtzeitig darauf achten, den Inhalt
von Kindererzählungen auf den wah
ren Thatbestand zurückzuführen. Nicht
freilich mit Schelten, sondern nur
durch vorsichtige Fragen: „War das
thatsächlich so? Du mußt Dich ent
schieden Irren, besinne Dich nur da-
Bedenklich wird das Lügen, wenn
es über die Lust am Fabuliren hin
ausgehend, als Mittel Erreichung
eines ganz bestimmten Zweckes auf
tritt. Worin dieser Zweck besteht,
dürste, wenn auch für die Beurthei
lung des Charakters von Wichtigkeit,
so doch für di« des Fehlers an sich
ziemlich gleichgiltig fein, denn wenn
es dem Kinde erst eigenthümlich ge
worden ist, so wird es sich bei jeder
Gelegenheit geltend machen, bei der es
seine Absichten durchzusetzen wünscht.
Vordem waren Ihm die Gesetze, die
sein Dasein regeln, unumstößliche
Nothwendigkelten, denen es sich, wenn
auch seufzend, fügen mußte, jetzt hat
es gelernt, daß es sie unter Umständen
mit List auch beugen kann, ohne unan
genehme Folgen auf sich herabzuzie
hen. In dieser Macht aber, welche die
Lüge d«m Kinde giebt, liegt zum gro
ßen Theil Ihre demorallsirende Wir-
Zmrst greift es vielleicht nur
werden, das Kind will nicht nur sich
ilgleit. Bei jedem Menschen Ist der
knüpft, nur besitzt der Erwachsene In
den meisten Fälle» Vernunft und sitt
liche Kraft genug, um ihm nicht nach
ßerdem die böse Regung verflogen
nicht so bei dem Kinde, das nach Im
pulsen handelt und sich die Beweg
lunzen nicht klar macht. Daher sollte
man sein Urtheil über dasselbe nicht
zu sehr von der einzelnen That ab
hängig machen.
Ueberhaupt muß man sich Hillen,
ein lügenhaftes Kind voreilig zu ver
fchah, daß der Fehler Macht über sein
besseres Selbst gewann! Vielleicht
hat man das Kind hart und ungerecht
behandelt und ihm die Freuden, die
anderen seinesgleichen gegönnt wer
den, entzogen, vielleicht auch ihm Un
glauben gezeigt, wo «s Glauben ver
diente! Gewiß können keinerlei Um
stände die UnWahrhaftigkeit rechtfer
tigen. aber immerhin vermögen sie, sie
zuweilen bis zu einem gewissen Grade
zu entschuldigen. Vor' Allem thut das
der letztgenannte Umstand, denn nichts
kränkt und verbittert mehr, als unge
rechtfertigtes Mißtrauen, nichts ver
dirbt so sehr den Charakter. »Wozu
soll ich die Wahrheit sprechen, da man
mir doch nicht glaubt?" denkt das
Kind, dessen ehrliche Aussagen mit
Zweifel entgegengenommen werden.
Das Wort von dem „Verbrecher aus
verlorener Ehre" besitzt seine tief« Be
gründung und man kann es bei der
Erziehung gar nicht genug beherzigen.
Manche Irrthümer würden dann ver
mieden, manche richtigeren Gesichts
punkte für die Beurtheilung der Kin
der gewonnen werden.
So hält man z. B. ein Kind, dem
es schwer wird, eine Lüge einzugeste
hen, leicht für verstockt, während es sich
derselben oftmals nur zu sehr schämt,
um sich zu ihr zu bekennen. Das
trifft gerade bei gut gearteten Kindern
zu, die sich ausnahmsweise aus Leicht
sinn einer Unwahrheit schuldig ge
macht haben, und je länger sie leug
nen, desto nxniger gewinnen sie es
über sich, zu sagen, „ja. ich habe gelo
gen". In solchen Fällen kommt es
darauf an, den kleinen Missethätern
die Ueberzeugung zu g«ben, daß man
trotz des von ihnen begangenen Feh
lers keine schlechte Meinung von ih
nen hat und sie wie bisher liebt. Man
sollte auch unter allen Umständen ih
nen die Beschämung ersparen, die
Sache zur Kenntniß anderer Menschen
zu bringen oder gar in Gegenwart
von Geschwistern oder sonstigen Per
sonen ein Verhör mit ihnen anzustel
len. Der Lügner darf niemals be
schämt werden. Daher hüte man sich
auch ihm gegenüber vor entehrenden
Strafen. Für Kinder, die noch nicht
gewohnheitsmäßig lügen, wird in der
Regel das Eingestehenmüssen des Feh
lers eine hinreichende Strafe fein; wo
sie jedoch nicht genügt,'da kann man
ihnen ja irgend ein Vergnügen entzie
hen oder ihnen eine unliebsame Arbeit
zudiktiren, in jugendlichem Alter
dürsten auch Schläge angebracht sein,
jedoch niemals in Gegenwart von Ze
ugen. Es ist zweifellos nicht leicht, hier
das Richtige zu finden, da selbst bei
sehr ähnlich veranlagten Geschwistern
die gleiche Maßregel gänzlich verschie
den wirkt, aber gerade dieser Umstand
macht Vorsicht bei der Anwendung der
einen oder anderen doppelt nothwen
dig. Wir sind leider nur zu sehr ge
neigt» anzunehmen, daß wir mit jeder
Strafe den Zweck erreichen, den wir
dabei im Auge haben, während oft ge
nau das Gegentheil zutrifft. Nur
sorgfältigstes, unermüdliches Stu
dium der Kinder ohne Voreingenom
menheit kann uns die Richtschnur für
unser Verhalten gegen sie geben. Das
gilt in allen Dingen der Erziehung,
aber aus dem besprochenen Gebiet
handelt man am besten erst dann,
wenn sie zu Tage treten, während hin
sichtlich d«s Lügens die Erziehung im
wesentlichen mehr eine vorbeugende
sein muß.
Wie kann sie hier vorbeugen? Oft
heißt es, man muß das Kind die
Wahrheit als höchstes, sittliches Gebot
erkennen lassen, es dieselbe lieben leh
ren. Das sind schön klingende Worte,
aber doch nur Worte. Was weiß das
Kind von sittlichen Geboten? Was
denkt es sich darunter? Um irgend
einen Begriff damit zu verbinden,
müßte es in diesem Falle erst den der
Lüge in sich aufgenommen haben. Das
aber wäre gefährlich, denn sie soll ihm
etwas völlig Fremdes sein, das es
überhaupt in keine Beziehung zu sich
selbst zu setzen vermag, mit anderen
Worten, es soll gar nicht auf die Idee
kommen, baß es lügen könnte. Diese
beste Schutzwehr gegen die Lüg« aber
giebt ihm nur das vollkommene Ver
trauen, das zwischen ihm und seinen
Eltern herrscht. Das Kind, das mit
seinen Freuden zu sei
beliigen. Muß es sich mit was
sein junges Herz erfüllt, dagegen zu
flüchten, ist jene unsicht-
Schutz gegen die Lüge giebt es das
Beispiel der Wahrheitsliebe. In gro
ßen Dingen ist sie dem Gebildeten wohl
während man doch gemächlich im
Wohnzimmer sitzt. „Eine Noth
lüge!" Damit meint man, der Un
wahrheit die Spitz« abgebrochen zu
haben und nach unseren conventlonel
len Begriffen hat man ja auch that
sächlich kaum etwas gethan, was Ta
von diesen nichts weiß, hört nur die
Lüge, ohne daß es eine sie erforder
lich machende Nothwendigkeit erkennt.
Bei der nächsten Gelegenheit folgt es
dem Beispiel der Eltern.
Was können Ermahnungen nützen
gegenüber solchem Beispiel?'
Man möge ihnen doch überhaupt
keine allzu große Kraft beimessen. Zu
mal nicht den langathmigen. Einen
Tadel muß der Lügner selbstverständ
lich hören, aber je kürzer er ist, desto
zweckdienlich«!. Ein paar kurze,
scharse Worte machen auf ein Kind
einen furchtbaren Eindruck, aber mit
jedem weiteren Wort schwächt derselbe
sich ab. Das Gleiche gilt auch für das
Verhör, man anzustellen hat,
tere Einleitung, möglichst leise und
langsam sprechend, fragt: „Hast Du
das gethan?" so dürfte ei fast aus
nahmslos wahrheitsgemäß antwor
ten; während längerer Vorreden ge
winnt es nur Zeit, Ausreden zu ersin
nen. Es kann ja vorkommen, daß eS
im ersten Augenblick so verblüfft über
die plötzliche Krage ist, daß es lediglich
aus Verwirrung eine falsche Aussage
macht, aber wenn man streng befiehlt:
„Sprich die Wahrheit!" so wird diese
Mahnung schon ihren Zweck erfüllen.
Gänzlich verfehlt dürften aber fast
immer Versuche sein, die Kinder durch
eine Appellation an ihr Gefühl auf
den Weg der Wahrheit zu führen. Es
liegt darin sogar eine doppelte Gefahr.
Einerseits werden die Kleinen be
sonders wenn die Mutter ihnen häu
fig ihren Kummer über ihr Benehmen
durch Worte oder Thränen zeigt in
ihrem Empfinden verhärtet und an
dererseits wird sie selbst ganz unge,
rechterweife gegen jene erbittert. Denn
sie faßt es als Verstocktheit und Herz
losigkeit auf, daß di« Kinder sich nicht
rühren lassen, während dies doch nur
in der Abneigung gesunderJugend ge
gen alle Sentimentalität seinenGrund
hat.
Ein« uralt« Mo»e.
Wie alt ist der Volants - Glocken
rocke? Jede Modistin dürfte diese
Frage sofort dahin beantworten, daß
diese zur Stunde noch hochmoderne
Kleidungsform unserer Damen im
vorigen Jahre zuerst an der Seine
auftauchte. Daß di«fe Annahme auf
einem gewaltigen Irrthum beruht, hat
die Wissenschaft in jüngster Zeit nach
gewiesen. Professor Paul Wolters
in Würzburg, früher Sekretär des
deutschen Archäologischen Instituts in
Athen, veröffentlicht in dem Jahrbuch
! des Instituts einen Aussatz, in dem er
! die Ergebnisse der von dem Engländer
Evans in Knossvs auf Kreta gemach
l ten Ausgrabungen aus der Zeit be
schreibt, in der die Griechen noch nicht
das phönikifche Alphabet angenom
men hatten. Hier wurden auch
Wandgemälde gefunden, auf welchen
! man die Tracht der damaligen Frauen
zu studiren vermag. Professor Wol-
ters schreibt nun über die mykeuischen
! Damen, deren Zeit hinter der des Tro
janischen Krieges liegt: „Auf dem
schneeweißen Grunde des Kalkvutzes
sind mit schwarz,'» Strich«» die Figür
j chen zierlicher Damen hingesetzt, dann
ihre Gewänder mi! Hellem Blau, roth
! und gelb colorirt; der weiß« Grund
giebt die Farbe des Inkarnats ab, die
lin langen Flechten herabfallenden
Haare sind schwarz gemalt. Das
Wort „Dame" klingt vielleicht Man-
ch«m arg modern, wo von Bildwerken
! vorhellenischer Epoche die Rede ist,
ftlige Ben Akiba hat wieder einmal
Mir ist, als hätt' ich Flügel;
Zwei lustige Vaganten
Frohsinn und Scherz folgt hinterdrein
Als treuliche Trabanten.
Trum thu' inir's kund!
Du lächeltft und
Sprichst leif': von deinen Küssen!
So laß denn küssend mich durchs Land
Mit dir, Geliebt«, gehen
Und Wunder, die du nie gekannt
Wirst du mit Staunen sehen!
Aus Erden Mai, im Herzen Mai!
O Wonne, nicht zu sagen!
Wir wollen's tapfer tragen.
Zwei Herzen stark, zwei Herzen jung
Sind nicht zu unterjochen,
Da wär' kein Lied am Orte!
Der Ton verklingt, das Wort ver
schwebt.
Gern will ich drum verzichten:
Wer selbst ein Liebeslied durchlebt,
dumm Du Dich anstelltest, als Du um
meine Hand bat'st!" Er: „Dumm
anstelltest? Ich war dumm!"
Eine tta lauer In. Er:
aus Rosen!" Sie: „Au!" Er: „Wie-
N»r immer praktisch.
der nach der damaligen Organisation
Richter und oberster Äerwältungsbe»
amier de- Bezirkes in einer Person
war, und' mü scu.i", ersten Assessor
nlchi eben in bester Harmonie lebte.
Nach Anfichl Sr. Gnaden des Herrn
Landrichler- arbei:e!e der Herr Asses
sor zu langsam und iveidi mit de:
A:be:> nich! fertig.
Ten Assessor wurmte die öfter er
theUte Rüge; sann er
Praxis fehle.
der Landrichter selbst trotz aller Amts-
Assessor alle in den Acten schwebenden
ließ sich der schlaue Assessor krank
sengroß.
laden seien. Die Leute zeigten Ciia
tions-Zettel vor, die Sache hatte also
ihre amtliche Richtigkeit. Ein Pech ist
es aber, daß der Assessor gerade heute
auch ohne den Assessor, wir werden
bald fertig sein! Die erste Partei soll
schen und ein dralles Mädel in die
Kanzlei des gestrengen, gefürchteten
Landrichters und überreicht Sr. Gna
den die Vorladungszettel.
Der Landrichter erkennt den Bur
schen sogleich: „Ah, der Parasol-
Franzl! Gerichtsbekannte Persönlich
keit! Immer die alt« Geschichte von
der Lustbarkeit, die nichts kosten soll!
810 ß das Weibets ist alle Jahr ein
anderes! Meinst Du denn, das geht
alleweil so fort? Heh, Gerichtsdiener,
führ' Er die zwei ab, geb'. Er jedem
zehn Stockstreiche, aber ordentliche!"
Der erschrockene Parafol-Franzl
möge von der Prügelstrafe Abstand
Das Mädel vollführt «inen Kniesall
und steht um Erbarmen.
„Hinaus! Und auf die Gerichtsbank
mit Euch! Zehn Hiebe für jedes!" Der
Gerichtsdiener schleppt das zeternde
Paar hinaus, und bald dringt da?
Geheul der Justisicirten durch alle
Räume des Gerichtsgebäudes. Wieder
vor den Landrichter gebracht, zeigt sich
der früher bockbeinig« Bursche zum ge
wünschten Vergleiche bereit, der Fall
ist in wenigen Augenblicken erledigt
Vergleichsprotocoll. „Nur ! mmer
praktisch! Der Assessor wird es nie!"
Das Paar verschwindet in aller
Der Landrichter schellt und be
fiehlt dem eintretenden Gerichtsdiener,
lass-n.
ßen!"
d«r Landrichter:
.Na als"! ja gelrmßt! Nur
einer Torte nascht): „Aber. Anna ich
ÖhneG e l d. Doctor: „Nun,
dereS übrig."
"Na, wi« Ist das Beefsteak?" Gast:
„Einfach großartig; gegen Ihre Frau
Gemahlin bin ich nur ein Stümper!"
Wirth: „Sind Sie denn Koch?"
Gast: „Nein, ich sabrizire unzerreiß
bare Bilderbücher!"
Enttäuscht. Floor Walker
(im Dry Goods Siore) : „Sagen Sie