Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 11, 1900, Page 2, Image 2

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    2 Ihr Berus.
Buche blätterte und ab und zu ein paai
Zeilen las. Sie fühlte, daß er si« an
sah, und legte das Buch fort.
„Ach ja, Wilhelm, ich wollte noch mit
Dir sprechend
„Na. was denn, mein Kind?"
„Es ist wegen Hedwig, weißt Du!
dachte, Du hättest etwas Wichtiges
„Nein, Wilhelm! Es hat nicht bis
„Aber um Gotteswillen, liebste Ma°
ein« kluge Frau. Wenn ich auch nicht
ganz verstehe, wozu Du Dich so unnö
thig erregst, so werden wir uns natür
willst, werden wir mit ihr darüber re
den. Du wirst sehen, sie will nicht
Seiltänzerin werden oder Schauspiele
„Ja, ja, Wilhelm, gute Nacht!" ant
srauen'? Sie selbst, als sie nochMäd
chen war, hatte für sich recht große
Pläne und Wünsche gehabt. Freilich,
ja auch unmöglich! Aus dieser Umge
bung heraus auf die Bühne! Dieser
Unterschied in den Verhältnissen! Die
ben und nun gar zum Theater! In
diesen Sündenpfuhl! Da hatte Maries
Schulfreundin, die jetzt Malerin war
und in Berlin lebte, ganz recht, wenn
sie sagte: „Hier bei Euch ist Alles so ge
diegen, die Einrichtung und die Dienst
boten, Alle schon acht oder gar zwölf
Jahre im Hause, und sogar die Gesin
nungen!" Und die hübsche, noch immer
scharfzüngige Person hatte gelacht. Ja.
die war so jung geblieben, sie war nicht
verheirathet und sie fühlte sich sehr be
friedigt von ihrem Berufe.
Und Marie sie selbst? Es gab
eigentlich nichts mehr, worauf sie sich
freute. Es war so Alles fertig in ihrem
Leben. Was sollte noch kommen? Sie
hatte sich als Mädchen Alles ganz an
ders gedacht in der Ehe. Es war ja
sie am meisten störte, war, daß er sich
Wie sie schon das Wort haßte, das
«r immerfort im Munde führte! Geei
nigt, das hieß, si« mußte nachgeben,
immer, immer. Scenen konnte sie ihm
«nfälle und dergleichen Mittel ver
schmähte si«. Und wenn si« geglaubt
Hatte, in der Ehe mehr Meinung haben
zu dürfen als zu Hause, so hatt« sie sich
geirrt. Er ließ ihr Freiheit in vielen
Stücken, aber wenn er an etwas ge
wöhnt war, oder etwas ihm sehr gefiel,
so konnte ihn nichts davon abbringen.
Allerdings, wie viele beneideten sie
um ihren Reichthum, ihr sicheres und
zufriedenes Leben. Ja, zufrieden
War sie es denn? Sie fühlte eine Lee«
in sich, einen fortwährenden Thaten
durst, der durch dieses tägliche Einerlei
nie gestillt w«rden tonnt«.
Und in dieser Leer«, di« si« empfand,
in diesem Verschmachten sollt« ihr Kind,
ihre geliebt« H«dwig nicht das L«ben
verbringen. Si, sollte selbstständig
werden, auf eigenen Füßen stehen.
Wenn sie denWunfch hätte, zu ftudiren,
wie sie selbst es einst so gern gewollt!
Jetzt war das ja nicht mehr etwas
Außergewöhnliches. Oder, si« sang sq
nizend sie würde zur Oper gehen,
Sie würde das Kind vor Gefahren
schon behüten.
Und morgen wollte sie Hedwig frü
gen. ob sie den großen Wunsch hege,
und dann würde sie es hören, gewiß
' etwas Großes!
-» » »
Am nächsten Morgen, als die Fami
lie S«iler beim Frühstück saß, begann
Frau Marie:
„Also Hedwig, Papa und ich Haber
gestern darüber nachgedacht, womit wii
Dir zum Geburtstag noch eine groß«
Freude machen tonnten,"
Das jung« Mädchen wurde roth.
„Ja, Mamachen, ich wüßte schon et
was, aber "
' „Kinder, um Gotteswillen, mach!
das nachher ab, ivenn ich fort bin," un
terbrach Herr Seiler seine Tochter. Ei
ahnte unliebsame Erörterungen. Unt
so verschob man die Sache. Hedwic
schien es auch nicht so eilig zu haben
Frau Marie aber hatte teine Ruhe
Das Kind hatte augenscheinlich einer
großen Wunsch und fürchtete nur de-
Vaters Ansicht. Natürlich des Vater
stehen.
Herr Seiler ging fort. Marie unt
Hedwig blieben allein. Wie auf Ver
abredung schwiegen sie, bis das Mäd
chen den Tisch abgeräumt und da!
Zimmer verlassen hatte.
„Also, liebes Kind —"
„Ja, Mama —"
„Du hast einen Wunsch, einen rech!
großen?"
„Ja, aber Du Iveißt gar nicht,
„Soll ich Dir helfen? Ja? Also.
Schmuck hast Du, Kleider auch, Ta
schengeld, so viel Du willst, nicht wahrZ
Du machst Dir nichts aus Kinlerlitz
chen. Dein Herz hat größere, sehi
große Wünsche —"
„Ach ja, Mama!" rief Hedwig freu
dig.
„Du bist ein Kind der moderner
Banden alter Vorurtheile befreit ist, ir
der sie sich regen und beivegen, sich als
Individuum bethätigen lann."
die Mutter an.
„Du hast viel Verstand, mein Kind,'
sprach Frau Marie iveiter, „und auch
Talent, zur Musit, zur Malerei! Unt
den? Nicht wahr?"
„Wie? Nein? Du willst nicht —"
„Ja, was wolltest Du denn eigent
lich?" fragte Frau Marie bestürzt.
„Ach, Mama, Mama!" sagte HedwiZ
gar nicht!"
„Mein Himmel! Kind so sprich
doch; was ist es denn?"
„Nun, Mama, ich ich ach! Ich
bin so unglücklich!" Und sie brach in
liebendes Mutterl>erz bebte. Sollte
irgend ein Unglück geschehen sein?
„Aber, Hedwig, Kind!" flehte sie,
Mutter." b" sorgender
schluchzte sie leise.
„Du liebst Du? Wen denn?"
„Aber Mama! Kannst Du es denn
nicht errathen? Adolf, natürlich Adolf
Stehr den Einzigen, den Besten —"
„Ja. ja, ja!" sagte Frau Mar«
ärgerlich, enttäuscht. Aber sie lacht,
liche Ausdruck aus dem Gesichte Hed
„Morgen wird er lommen und Euch
fragen und Ihr sagt ja bitte, bittet
Mamachen, süßes Mamachen! Jhi
sagt ja!"
Und Frau Marie sagte ja. Wü
tonnte sie auch anders? Ihr Mann >^ai
des gesichert," sagt« am Abend Herr
S«il«r. „Du siehst, Deine Sorgen
-'vliren überflüssig. Nun sind wir einig,
Das „stind" hatt« sich ja selbst den
„Beruf" gewählt.
Da» «Sede« der Sachsen.
Im Archiv zu Goßlar fand sich fol
gende Gebetsformel der alten Sachsen
an ihren Donnergott in altsächsischer
Sprache: „Hili lroti Wandana! ilp osl
um oslen pana Unittilin vi lclta os ten
aistena Kalevtten stlaltenera. Jt kist
ti in our tou scapa un tat rose. I!
slacte ti fanla up tinen ililen Artis
berka." Ins minder melodisch tönende
Neudeutsch übersetzt, heißt dies: „Hei
liger großer Wotan, hilf uns und un
serm Feldherrn Wittetind, auch den
Hauptleuten, g«gen den häßlichen Karl
den Schlächter. Ich gebe dir einen
Auerochsen und zwei Schafe und die
Beute. Ich schlachte dir alle Gesang«
lette macht, dann werden Sie sich nicht
mehr wundern!"
Tie Ttirnlocke des Glücks.
hinuntersteigen nach dem berühmten
Äadeort? Gegen die Chaussee sprechen
Staub und Sonne, die „Höh«
für die „Hohe Wurzel" und
die Waldweg«. „Dem Kühnen ist das
Glück hold!" dachte ich. „Du wirst
Wald und Feld, Strom und Fluß.
„Sollte es Wild sein?" dachte iH
Es war lein Wild. Ein Mann trat
schwer athmend und keuchend aus dem
Buschnxrk. Eine seltsame Erschei
nung, und unwillkürlich griff ich naH
Stocke b«m«rlt. Er lachte.
„Lassen Sie nur den Knüppel lie
gen, Herr!" rief er. „Ich komme mit
ehrlichen Absichten! Seit einer Stun
was zurückgelegt hätte, dann 'nxii
H'ö!)« d«S Gebirges!" sagt« ich. „Wo
„Nach Wiesbaden."
wollen." Es ist ein gut Stück Weg!
Er lachte.
„Fahren?! Ha, ha, ha! Ein Lums
von der Landstraße und fahren! Einer,
vor dem Sie vorhin nach dem Stock
griffen und die Eisenbahn!"
Es war ein schneidendes Lachen, das
mir durch Marl und B«in ging.
„Zum Fahren langen die paar Bet
telpfennige nicht, die man zusammen-
wahr, sein« Züge zu mustern. D«i
Mann sprach «in tadelloses Deutsch
seine Ausdruckweise war die eine!
"veist: G«vatt«r Tod!"
N«in, das bin ich nicht! Dieses Da"
Mein Interesse für den Mann stieg
„Verzeihen Sie," sagte ich, „aber Si<
Reise - Unterstützung behilflich seinZ
Mainz:'
ster!"
Ich erschrak. Wahrhaftig, es würd«
dunkel. Im Gesprach mit dem seltsa
»i«n Menschen hatte ich das Hereinbre«
Schneller ober kam die Nacht, und
plötzlich war ich trotz meiner Ortskennt«
iiiß und trotz meiner guten Augen mir
ich? . . >
„Ja! Fast scheint's so!"
„Mir thut das nichts!" lacht« er,
den!"
cht
Walde selbst den Kundigsten irre führt
„Welchen?" fragte ich.
den. Wie ist Zhr Name?"
„Nummer 263L4!" sagte ich. Ei
„Und Nummer 31334?" fuhr ick
nochmals.
mit 150,000 Marl gezogen wor^
„Ist hier ein Herr Richard Färbe,
fragte ich.
„Richard Färber?" fragten st«.
Herr Richard von R."
Ich stand wie vom Blitz getroffen,
Bon dem dllsterenSchicksal diesesMaw
„Wo sind die Effecten des Todten?"
fragte ich. „Oder trxr ist sein Erbe?"
„Seine verbrannt wor
milie stand."
„Besaß er leine Papiere?"
„Nein! Gar nichts!"
Ich ging.
Das Lo»s blieb verschwunden. Er
mochte es verloren haben. Der Betrag
Apprtit und Geschmack.
Bis vor einiger Zeit war es in der
Familien ziemlich allgemein Sitte, du
Kinder zu zwingen, die ihnen vorgesetzt
ien Speisen zu esse» und sie ihnen un
ler Umständen jeden Tag auf's Neu«
vorzusetzen, wenn sie auch Abscheu unt
Widerwillen zeigten. Aber glücklicher
weise ist man davon abgekommen. Mail
sieht «in, daß dies« Sitte auf ganz fal
schen Voraussetzungen beruht, als ol
Mechanisches, Maschinenmäßiges wäre
als ob der Magen wie ein«
wenn man sie heizt, arbeiten
während der Magen «twas Organi
sches, nicht etwas Mechanisches ist, et
was Lebendiges, nicht etwas Todtes
In der That ist der Magen als etwa-
Lebendiges von «inem Willen beseelt
Diesen Willen nennen wir „Appetit"
Ter Vater lann das Kind wohl zwin
gen, die Speise mechanisch hinunterzu
würgen? aber über d«n Willen des Ma
gens hat er lein« Gewalt. Der Appetr
ist die S«elensprach« der Verdauungs
organ« und ist als solche von äußerstei
Wichtigkeit. Auf diese Sprache sollter
wir mit peinlichster Aufmerksamkeit
lichten, dem leisesten Winle
den geheimsten Wunsch zu «rrathen su
chen. Statt dessen suchen wir schon be
der Erziehung das Verständniß füi
diese Seelensprache vollständig zu er
sticken. Wir trainiren uns förmlich
In d«m Fleische und Blute des Men
lichen chemischen Stoffe, wie Phosphor
Arsenik, Eilen, Kalt und so und sc
viele andere. Immerfort verbrauchi
gegen diejenige Sp«if«, welch« besagten
Stoff in b«fonder«m Maße «nthält, «in
ledhafter Widerwill« ein, während die
Zweck« d«r Blutbereitung diejenigen
mittels des Appetites sagen li«ß: „Gcbi
und Blut das alte ist. Also lvelche
auf die Speisekarte des Appetites:
„Heut« bitte Kopfsalat!"
Und nicht genug, daß wir den Appe
un- d«nn Honig nicht all« dr«ihunderi
undfünsundsechzig Tage des Jahres?
Warum nach einer
sühl im Geschmackssinn uns gegeben
hat! Und wer seinem Geschmackssinn
zehorcht, a»s ihn achtet, ihn „studirt"
vird nicht nur seinen Körper mit all.m
Nöthigen versorgen, so daß di« Lebens
erhaltung und Gesundheit g«währleist:t
st, sond-rn er wird zugleich auch täglich
Miner auf's Neu« die ang«n«hmsten
Empfindungen (nämlich Geschmacks
empfindungen) haben und sich nicht nur
lußerordentlich wohl fühlen, sondern
sie ganze Lust des Daseins auch nach
sieser Richtung hin auskosten.
Ich kannte ein«n Menschen, der
Jahre lang einen häufigen Appetit auf
etwas sehr Merkwürdiges, nämlich auf
Eierschalen, hatte regelmäßig,
, und zwar zum Zwecke der Knochenbil»
dung. Ein Anderer hat vielleicht wie
der einen merkwürdigen individuellen
Appetit nach Zucker, Im Uebrigen
tann der Appetit nicht nur unterdrückt,
sondern auch verfälscht iverden, derar
tig, daß zum Beispiel ein Bedürfniß
nach solchen Speisen entsteht, die nicht
ausgenutzt und zum organischen Aus
bau d«s Körpers verwendet werden,
sondern zum Zwecke einer fortschreiten
den Entartung einzelner Organe die
nen, wie der Niere oder der Leber oder
auch des Herzens, wie es bei Herzver
fettung, Nierenkrantheit, Zuck.rlrank
heit u. f. >v. vorkommt, oder auch nach
solchen Speisen, die zum größten Theil
als Fremdstoffe abgelagert werden, wie
bei der Fettsucht, Wassersucht u, s, w.
In diesem Falle ist die Ursache in einer
verlehrten Erziehung, lvelche den Ge
schmackssinn und den Appetit verbil-
Erwähnt werden mag auch, daß der
Appetit sogar unter Umständen die
Rolle des Arztes übernehmen lann, in
dem er ein Verlangen nach solchen
Stoffen kundgibt, welche zur Reini
gung und zur Kräftigung nothwendig
find so, wenn man z, B. bei man
gelnder Verdauung nach grünem Ge
müse verlangt, oder wenn man bei
Ueberfluß an venösem Blut nach grü
nem Salat verlangt, oder bei Mangel
an Eiweiß nach Leguminosen u. s. w.
Auch hier sehen wir, daß der Mensch,
wenn er aus sein« Instinkte Acht gibt
und dieselben in ihrer natürlichen Fein
der Wahl derselben äußert sich die
bedeutungsvolle Weise. Jeder Mensch
braucht werden. Und ähnlich hat auch
jeder ein solches Gericht, das
ihre eigene Psyche haben, deren Sprache
der Appetit und Geschmackssinn sind,
sondern daß die Psyche des Menschen
Mensch ist, was er ißt/
ten. Sie bestellen die Reisfelder, sllh
mit Weben. Ihre Tracht ist fast noch
Kopfpntz vervollständigen die Toi
lette der Alkanerin. Dieser Kopfputz ist
ein dein modernen Matineehut der Pa-