2 Dur »nd Moll. schallt, doch sehr bitten, daß Sie den Fähnrich von Mikutschalsli etwas mehr zusammennehmen. Das geht ab — nicht weiter so. Der Mann wird von Tag zu Tag schlapper und ich muß mich sehr wundern, Herr Hauptmann, se-h-r wundern, daß Sie das nicht zu sehen scheinen!" Der Hauptmann machte ein Gesicht, sich!.' Ohne daß er den Mund auf machte. lag immer etwas wie eine Er widerung aus seinen Zügen. Und da ihm dieser Naturfehler bereits tausend Unannehmlichkeiten bereitet hatte, be eilte er sich, zu sagen, was selbst ein Hauptmann einem Borgesetzten einzig zu sage» berechtigt ist, nämlich: „Zu Befehl!" Und es war auch d!« höchste Zeit. Der Herr Major japste bereits auf, um zu einem noch heftigeren Schlage auf den Hut auszuholen, und außerdem trat der Herr Oberst heran. Er hatte zwar Alles gehört ja der Hauptmann von Mikutschalsli schwur innerlich siebzehn heilige Gide, daß er den Anpfiff überhaupt blos der Nähe des hohen Chefs zu verdanken habe, aber der Herr Oberst ließ davon nichts inerten. So harmlos wie etwa ein gu ter Schauspieler Nathans Geschichte von den drei Ringen beginnen würde, bemerkte er: „Ich glaube zu errathen, worüber die Herren sich unterhalten. Es handelt sich um den Fähnrich von Mitut schalsli, nicht wahr? Es kann sich nur um diesen handeln denn ich muß Ihnen gestehen, Herr Hauptmann von Mikutschalsli: dieser Fähnrich, welcher Namen trägt, ist unmöglich, mi mcht ganz anders herannehmen. Es ist ja menschlich, wenn Sie aber die militärische Erziehung ist ja k^rade tutschalsli, meinen eigenen Sohn! kurz vor der Kriegsschule eingesperrt und ihm damit die Carriere abgefchnit lönigliche Dienst ist uns Vater und Mutter, Sohn und Bruder, Vetter und Neffe Alles! Sie haben mich ver „Zu Befehl, Herr Oberst!" " rft Bl'ck lt ktivD^i Instrukteur von dem heranschnaufen- Pech, bei „Gewehr ab!" sich die Schuß waffe auf einen Leichdorn zu schlagen. „Und Sie versinlen bei einem solchen Resultat achttägigen Uebens nicht sechs Klafter in die Erde?" erdröhnen machen, trat der Hauptmann so dicht an den Fähnrich heran, daß dieser unwillkürlich zurückzuppte, wo rutfchti. „Stillgestanden!! Herr!! Wen» ich mit Ihnen rede! Wo sind Sie her?" „Aus Gorce bei Posen." „Was ist Ihr Vater?" , „Rittergutsbesitzer." „Ihr Großvater?" i .Auch." 5 Urgroßvater?' . '„Todt." ' „Herr!! Ich will wissen, was er ge wesen ist!!" > „Ebenfalls Landwirth, Herr Haupt« ! mann." sässigist?" „Nein, Herr Hauptmann." „Was führen Sie im Wappen?" „Ein schräggestelltes silbernes Beil sollen —." Als der Oberst zum Mittagessen schon im Entree entgegen. „Denle Dir, Männchen," rief sie strahlend, „ich habe einen Brief von „Emmy Emmy ?" brummte der Oberst vor sich hin. „Wer ist denn das?" „Aber Karl Du kennst die Frau Der Oberst hatte Mütze und Säbel „Liebste Cläre!" Denke Dir —!" „Hm das ist sehr hübsch von Ex cellenz. Und was schreibt sie?" „Sie bittet mich in entzückend lie ten, des Fähnrichs von Mikutschalsli." „Hm —" „Natürlich nur gesellschaftlich, ver- Genau so steht es da denk« Dir!" „Hm —" „Schließlich bittet sie mich, sie recht Weiter sagte der Oberst nichts, aber als seine Gattin vorschlug, den Fähn rich v. Mikutschalsli für nächsten Sonnabend zu Tisch zu laden. „Nun, Herr Major?" Mischung das ist das Rechte. Ich Major!" Als der verblüffte Bataillonschef stieß er auf den Hauptmann seiner Dritten. „So so." „Wenn der Herr Major mir gütigst Herz, beziehungsweise wohlmeinende Güte zeigen. Und ich tann mich nicht genug wundern, wie Sie Das, selbst einem ich weiß nicht, ob näheren oder entfernteren Angehörigen gegen über, so gänzlich außer Auge lassen lönnen. Ich halte Das für ein miß liches Zeichen. Herr Hauptmann. Seine Excellenz hat seinen Neffen nicht zu uns gegeben, um die Freude an der Waffe in ihm abzutödten. Ich wünsche also, daß Sie mir binnen acht Tagen Erfreuliches und zwar n u r Er freuliches über den Fähnrich zu melden haben werden. Andernfalls möchte ich glauben, tvß Sie Ihrer Aufgabe nicht ganz gewachsen sind. Ich danle Ihnen, War der Major tiefsinnig, so lenlte der Hauptmann passiv und mechanisch wie ein Nachtwandler seine Schritte zum Kasernenhof. Und sein verstörtes Antlitz gewann erst wieder Leben und Verständniß, als er das Toben des glücklichen Fähnrich in einer dauerhaf ten tiefen Kniebeuge verharren sah. „Sergeant!" donnerte der Haupt mann den wuthschwitzenden Instruk teur an. „Sagen Sie mal, sind Sie verrückt geworden!" haucht er den Her angetretenen an. „Als ich Sie vor einer Stunde verließ, übten Sie tiefe „Der Herr Hauptmann hatten be fohlen, ich solle fortfahren —" „So! Und besteht der Königliche Dienst nur aus tiefer Kniebeuge? Ich will Ihnen 'mal was sagen, Su ckow, Sie scheinen mir eine se-h-r rohe Natur und direkt zu Mißhandlungen geneigt. Ich warne Sie, Suckow, warne Sie ernstlich! Sowie ich das Geringste merke, sind Sie geliefert. Wenn Sie schon einen künftigen Offi cier so behandeln, dann möchte ich mal anstellen. Aber ich werde Sie im Auge behalten, merlen Sie sich das! Weg treten!" Sergeant Suckow stampfte ab. Der Fähnrich v. Mikutschalsli aber glaubte in einen Traumzustand hineingedrillt worden zu sein, als d«r Hauptmann ihn mit den Worten entließ: „Kommen Sie nachher in's Casino, Fähnrich. Auf eine Flasche Kalten zur Stärlung! Wissen Sie und verwandt müssen wir doch miteinander sein! Milutschalsli ist doch schließlich Zum Das Wunderkind. Bon Nlsred Rossig. Wladimir Tziganefcu war der Sohn armer, aber unehrlicher Eltern. Sein Vater, der für Geigenspiel und Pferdediebstahl ein« hervorragend« Be gabung besessen, war im Gefängniß von Bukarest gestorben. Seine Mut ter. ein« ungewöhnlich schöne Bauern tochter, die dem Zigeuner nachgelaufen war und von ihm das Geigenspiel er lernt hatte, ging mit einer zweifelhaf ten Damenkapelle nach Konstantinopel und ward nicht mehr gesehen. Des klein«n Wladimir nahm sich die Tanta Paraska an. Das alte Mäd chen war die Leuchte der Familie: sie hatte es bis zur Dorflehrerin gebracht. Parasta bemerkt« bald, daß sie in dem verlassenen Knaben einen Schatz erhal- Eltern das Beste geerbt, was sie beses- Ich ch ' Sande herum da hatte er sich schon aus einem Brettchen und einigen Fäden eine Fiedel gezim mert, die er nie aus den Händen ließ. le, wo Zigeuner zu spielen pflegten,w,n seine hohe Schule gewesen. Mit sechs Jahren spielte er so wie der berühmte Olanescu von Bottuschany. Als der Bojar des Dorfes sich von seiner Mei sterschaft überzeugt, rieth er Paraska, selbst verlangt. Mit Weltruhm bedeckt, denen er neun zugestand. Denn wenn andere Musiler «in Talent für reine Mathematil zu zeigen pflegen, so be kundete Wladimir ein solches für ange wandte Mathematil. Dan! dieser merk würdig«» rechnerischen Begabung hatte Impresarios übers Ohr gehauen. Hatte Vaters etwas geerbt? Thatsache ist, daß sich Wladimir sen angeeignet. Dei Mörsens aeaen zwölf Uhr etwa Pflegte Wladimir seiner Tante, die ihn überall begleitete, durch ein furchtbares Gähnen anzudeuten, daß er wach wäre. B ?' „Ziein!" kreischte Wladimir. „Du weißt, daß ich die alten Weiber nicht ausstehen tann." „Willst Du etwas genießen, mein Engel? Ich sterbe vor Hunger!" „Friß den Teufel!" Wladimirs Lieblingsepitheton aber war „altes Kameel". Diesen Kosen namen pflegte er dem Diener zu ge- Wahrhaft entzückend aber war Wla dimir auf der Estrade. Von der schnee weißen Seidenblouse stach sein oliven farbenes Gesicht mit den melancholi schen Augen und den pechschwarzen Locken wirlungsvoll ob. Seine lleine Statur unterstützte die Illusion, daß man neunjährigen Knaben oor sich habe, und die etwas bedenklich ent wickelte Wadenmuskulatur bildete nur einen Reiz mehr. Als Wladimir zum ersten Male in eine Sekunde zu spät einfallen ließ, da stampft« der feurige Knirps mit dem Fuße und zischte: , , / , „Altes Kameel!" Wohl aber das grinsende Orchester und die Reihe der Fürstinnen. Wladimir war der Held des Tages. . . War das ein Jubel, als Wladimir zwei Tage nach seinemConcert aus dem Jour der Fürstin Valescu erschien! Die Valescus waren eine der ältesten ru in einem so lleinen Lande bleiben. Die Valescus lebten in Paris und bewohnten da ein glänzendes Hot«l, das zum Empfange Wladimirs mit riesigen Theerosen-Bouquets geschmückt Welche für Musik schwärmte, schloß Wladimir mütterlich in ihre Arme. Aber das gefeierte Wunderlind ent rang sich ihr, und nach einer lurzen geradezu auf die reizende Marquise „Wollen Sie mich auf Ihre Kniee „Oh, er ist entzückend!" riefen die Damen. „Er ahnt es, wie musika lisch Sie sind!" „Gott behüte!" antwortete Wladi mir, indem er sich an die schöne Italie nerin mit kindlicher Zutraulichteit an schmiegte, „ich verabscheue die Dilet tantinnen wie die Pest! Die Dame ge fällt mir vialü tont!" Man bot ihm Bonbons an, aber er aß sie erst, als die Marquise Torena ein Stück abbiß und ihm d«n Rest Augen. „Wie gefällt es Dir denn bei uns?" fragte die Fürstin Valefcu. „Ganz gut! Wie in einer Menage ähnliche Typen gesehen!" Nun erst stand es für die Damen fest, daß Wladimir das größte Genie des Jahrhunderts sei. Und wie zur Bekräftigung dieser Ansicht geschah ct was Außerordentliches. Der alte Fürst Valescu, welcher sein Leben im Club und seit zwanzig Jahren auf den Jours seiner Gemahlin nicht gesehen worden war, erschien an der Schwelle. Die Begegnung des Fürsten mit Wladimir sollte für beide Theile v-r -hängnißvoll werden. Kaum hatte Fürst Valescu sein griesgrämiges Gesicht mit der langen rasirten Unterlippe und dem weißen Backenbart gezeigt, da fragte Wladi mir miß-iiuthig (er liebte nur Damen g-s«llschaft): .Wer ist das alte Kameel?" Der Chor der Damen lachte lau! ,aus, Fürst Valeseu aber blickte geärgert „Aber Georges!" beschwichtigte die Fürstin „Du wirst es doch dem Kleinen nicht verübeln? Ein entzücken des Naturkind —" „Oh, er ist vollkommen!" bekräf tigten die Damen, sich vor Lachen schüt telnd. „Ja, er ist vollkommen" brummte der Fürst, dem das Lachen der Damen das Blut noch mehr in Wallung brach te, als die Frechheit Wladimirs „es fehlt ihm nur der letzte Schlief. nicht Jean, Dimitri!" Als der rumänische Diener sich nä herte, ergriff der Fürst Wladimir an seinem Höschen und reichte ihm die zappelnde Kröte hin: „Fünfund zwanzig!" „Georges!" jammerte die Für stin. „Was thun Sie, Fürst?" rie fen die Damen. Aber mit dem alten Hospodaren sproß war nicht zu reden: Schliff. Trr Liebling. dieses Wort! Welche Fülle zartesten, ten! Ein« Welt voll Liebe, voll heiße sten Empfindens schließt dieses Wort in sich. geheimnißvolle Zug von Herz zu Her zen Wahlverwandtschaft, Sympa thie, oder wie man es nennen möge! und unbewußter Vorgänge des psychi schen Lebens. Wie die äußeren Er scheinungen des Lebens auf die indivi- Landschaft den einen entzückt, den an dern kalt läßt, wie die Werke der bil denden Kunst und der Tondichtung süßesten, erhabensten Gefühls, der Mutterliebe, ist es nicht von allen Dich tern besungen, von allen Philosophen blick in späteren Kainpsjahr«n des Le bens. Und die Mutter, die das reiche Fllll- Saat des Unheils säet, die unausrott bar tiefe Wurzeln schlägt und, fort- die besten, edelsten Keime zu Temperatur, welche die rauhe Luft der Außenwelt nicht mehr verträgt, durch die verweichlichende Verzärtelung an Nahrung entbehrt. Soll die Familie geeignet sein, der sittlichen Entwicklung der Kinder die günstigsten Voraussetzungen zu bieten, so darf sie vor allem in deren Behand lung der vollsten Gerechtigkeit nicht ent behren. All« Ungerechtigkeit wirkt sitt lich verderblich, sowohl für den Bevor zugten wie für den Unterdrückten, da ewe ganze Reihe moralischer Defecte hervorruft. Wie die Ungerechtigkeit für den Bevorzugten eine Schule der Selbstsucht, des Eigenwillens, der Selbstüberschätzung und Herrschsucht, des Sichgehenlassens und der Launen haftigkeit ist, so wird sie für den Zu rückgesetzten, je nach seiner Naturan lage, zu einem Nährboden des Trotzes und haßerfüllter Verbitterung oder der Lügenhaftigkeit und Heuchelei und tückischen Neides. Wenn aber die Mutter die Vorliebe, die sie für das eine Kind empfindet, nicht zurückzukämmen vermag, so wird sie unwillkürlich, oft auch unbewußt, in der Behandlung ihrer Kinder die so unerläßliche Gerechtigkeit außer Acht lassen so wenn etwa die Kinder in übermüthigem Spiel in eine kleine Balgerei miteinander gerathen, die mit Thränen endigt. Giebt es da nicht Mütter, die die Schuld von dem einen Kinde abwälzen, um die anderen zur Verantwortung zu ziehen? Hier und in zahllosen anderen Fäl len denlen diese Mütter nicht an die Tragweite ihrer Handlung, sie ahnen nicht die unheilvolle Wirkung solcher Ungerechtigkeit, weil diese nicht sofort und augenfällig zu Tage tritt, weil sie eben nicht in das Herz der Kinder blicken, es nicht sehen, wie das eine unter der ungerechten Verurtheilung in stummer Klage, bei jeder Zurücksetzung in neuer Wunde blutet, um sich endlich in trstzigem Groll zu erhärten, wäh rend in dem anderen jeder dieser schein deren üppige Ueberwucherung die Ent wicklung des Gefühls der Verantwort lichkeit für sein Thun und Lassen, die Ertenntniß der Rechte des Nebenmen schen und der Pflichten gegen die Mit welt vernichtet. Nur wenige, nur solche, deren ange borene Veranlagung sie über das Durchschnittsmaß intellektueller Fä higkeiten und Charattertrast hoch ein ersten Erziehung angebahnt wurden. Wie die Wirkungen körperlicher Ver weichlichung oder Vernachlässigung des bensführung sich tilgen lassen, so auch die in der Kindheit empfangenen seeli schen Einflüsse. Es fei gern zugestanden, daß in gu ten Familien das minder geliebte Kind nicht schlechter genährt und gekleidet, daß es desselben Unterrichts theilhaf tig wird wie das bevorzugte, daß die Mutter für keines ihrer Kinder ihre mütterlichen Aufgaben außer Acht läßt. Die treue Sorge, die sie dem einen Kind aus impulsivem Herzensdrange Pflichtgefühl gewähren. Die Kindes seele hat aber so sichere Instinkte, daß sie tief und scharf empfindet, was ihr aus Liebe, was ihr ausPflicht zu Theil wird, wenn die Mutter nicht jene licher Zärtlichkeit zu leihen. - Gewiß ist dies leine leichte Aufgabe, ihre Erfüllung erfordert eine heroische Menschen, die der Einsicht der Wichtig keit dieser Aufgabe oder der in der Er ziehung zu erwerbenden Gewöhnung an Selbstcontrolle der spontanen Gefühls dämmung solcher scheinbar legitimen Neigungen auf sich zu nehmen. So giebt es thatsächlich zahllose Fa ßere Verhältnisse die günstigsten Beu gungen für eine in jeder Richtung vor zügliche Entwicklung der Kinder zu bieten scheinen, die aber demungeachtet die unerläßliche Grundlage einer har monischen Charalterbildung der Kin der. nämlich die von den Eltern diesen zu Theil werdende liebevolle Gerechtig keit vermissen lassen. Micht in gerade stark fühlbaren Fäl len wird in solchen Familien das un gleiche Maß an Liebe sich zeigen, wohl aber in einer unabsehbaren /ieihe scheinbar nichtssagender Vorlommnisse, die, so unwichtig sie, vereinzelt genom men, dem Fernstehenden auch dünlen mögen, durch ihre stetig wiederkehrende Folge schließlich eine tiefgehend« Wir kung üben. Fällt die Wahrnehmung der Bevorzugung oder Zurücksetzung zuerst nur wie ein leichter, flüchtiger Schatten in das dämmernde Bewußt sein der Kindesseele, so wächst sie all mälig zur Erkenntniß einer unumstöß lichen Thatsache heran, um in die sich entfaltende Psyche mit stählernem Gri ff«l ihre charakterdeformirenben Züge einzugraben. So wird die Mutter liebe, der Kindheit süßer, heiliger Hort, zum trüben Born von Leid und Schmerz, wenn nicht Weisheit und Ge rechtigkeit sie lenken. Und nicht mindei räth: D K d Mutter begütigend. „A