Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 12, 1899, Page 6, Image 6

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    6 Die Wünze in Merlin.
Das still« vornehme Haus, das in
der Oberivasserstraße zu Berlin nahe
dem Königlichen Schloß steht, deutet
äußerlich beim ersten Blick wenig aus
seine Bestimmung hin. Betrachten wir
«iber den roihen Monumentalbau nä
her, so sehen wir an der Front allerlei
Basreliefs, durch die die Auffindung,
die Verarbeitung und Anwendung der
Schätze der Erde verherrlicht wird. Es
muß also wohl mit dem slorentimschen
Palast, als der das Gebäude mehr und
mehr in die Erscheinung tritt, eine
«igene Vewandtniß haben. Ein ge
fälliger Passant verräth uns: „Das ist
ja die Münze!" Also die Münze!
In unsern Gedanken hören wir ein
lieblich einschmeichelndes Lied, gesun
ken von demAlt thaufrischer 20 Mark
stücklein, dem angenehmen Tenor der
Zsünfmarkstiicke und dem Brummbaß
der Kupfermünzen.
Die Strecke.
Die Münze! Welche Hoffnungen,
Ivelchc Entwürfe bewegen dies arme
Menschenherz, das, ach, nur am Golde
hängt! Treten wir in die königliche
Münze des preußischen Staates, meine
Herrschaften!
Der Eintritt ist, wie jedes Handbuch
von Berlin besagt, gemeinhin verboten,
aber wir Parlamentiren ein Weilchen
mit dem Pförtner des Hauses, der ma
jestätisch in seiner Loge thront, und
werden dann nach dem Bureau des Di
«ctors gewiesen. Auf der großen
Freitreppe athmen wir erfrischt die
kühle Luft der schönen Vorhalle ein.
Es liegt etwas in ihr, das auf die
Weihe dieses Hauses deutet, allein man
riecht es nicht. Diese Geruchlosigkeit
aber ist seit der klassischen Zeit der Cä
des Goldes.
Durch das freundliche Entgegen
kommen der Verwaltung erhalten wir
Di« Beize.
sorgen hcit, wie es im Münzjargön
heißt. Das gleißende Gold, das schim
mernde Silber sowie die weniger oor-
Dießändelanstalt.
Just kommen wir zurecht zu einer
»verden 380 Psund Kupfer, 16 Pfund
Ainn und 3 6-10 Pfund Zink gescho
„Strecke" nimmt uns auf, wo das aus
der Schmelze lammende Metall seiner
nächsten Be»rbeitung entgegensieht. Es
wird dort durch Walzen gestreckt, ver
längert und zur Ausnahme der Prä-
Durch einige sinnreiche Stanzma
fchinen werden in der Minute 150
Platten in der Größe eines Eimirark-
stiicks herausgehoben, die nun als fet
tige, runde, noch nutzlose Häufchen ge
wissermaßen im Urzustand in Mulden
gesammelt und nach der nächsten Sta
tion, der „Beize", hinllbertranspvrtirt
Dort kommen die Miinzplatten in
die große, feurig« Wäsche. Sie werde»
durch Glühen weich und geschmeidig
gemacht und wandern alsbald auf zwei
bis drei Minuten in ein Beizfaß, wo
ihnen mit verdünnter Schwefelsäure
gründlich zugesetzt wird. Wenn sie
dort herciusschlüpsen, schämen sie sich,
als königlich preußische Münzavanta
geure aus die Welt gekommen zu sein.
Oxyd und allerlei sonstiger Schmutz
schaut ihnen aus den Augen kurz,
sie befinden sich in einem wenig impo
nireiiden Zustand. Der barmherzige
Miinzmeister läßt sie flugs in ein
Scheuerfäßchen tauchen und mit Wein
stein eine halbe Stunde lang gründlich
abreiben. Wenn sie diesem Bad ent
steigen, werden sie Mann für Mann
mit wollenen Tüchern gut abgetrocknet.
Jetzt sind sie reinlich, zweifelsohne und
auf ihren kommenden Beruf in der Ge
sellschaft wohl vorbereitet.
Das nächste Rendezvous ist in der
Nändilanstalt. Die Platten werden
etwaigem Uebergewicht befreit und
wiederum eingeschmolzen, insofern sie
das Normalgewicht nicht erreichen.
Dieser Proceß der Gewichtsfeststellung,
der durch eine Reihe automatischer
Wagen ausgeführt wird, schließt jeden
Irrthum so gut wie aus.
Das Rändeln der Münzen, das in
diesem Saal vorgenommen wird, bildet
den Vorläufer der Prägung. Durch
die Rändelmaschinen werden die Mün
zen mit Randschrift versehen; führen
sie eine solche nicht, so erhalt« sie den
Die Graviranstalt.
gepreßten Rand. Mit welcher Behen
digkeit die Maschinen arbeiten, geht
aus dem Umstand hervor, daß bis 800
Stück in der Minute ihren Weg durch
das complicirte Maschinengetriebe ma-
Jn der Graviranstalt werden die
Stempel für die Prägong hergestellt.
Bei dieser mühevollen und langwieri-
, '
ihrer Größe 250 bis 80 Stück in der
69 Millionen Marl. Von Silber«
münzen werden Fünf-, Zwei- und
Einmarlstücke im Werthe von 5,400,-
000 Mark geprägt. Nickelmllnzen
(Zehn- und Fllnfpfennigstücke) sollen
im Betrage von 858,000 Marl, Ein
pfennigstück« in Höhe von 167,000
Marl aus der Preußischen Münz« her
4W,OOo"Marl^"'
Wenn das Metall die Präge verläßt
treue Kundschaft in der Fremde, Ci
vilisirt« und uncivilisirte Staaten las-
sen Ihre Werthsachen in Berlin präg«ir.
Auch privat« Kreise nehmen die Münze
zur Ausprägung von Medaillen viel
fach in Anspruch, denn das Atelier der
Münze für Modelle und Medaillen
kunst steht bei allen Fachleuten in ho
hem Ansehen.
Die Medaillen, die in der Regel
einen größeren Umfang und ein stärke
res Relief als die Goldmünzen haben,
erfordern zum Prägen eine sehr bedeu
tende Kraft und eine größere Anzahl
Stöße (bis zwanzig), die mit Ausglü
hen und Beizen der Platten und ge
wöhnlich mit einem starten Spindelreck
ausgeübt werden.
Sonderbare Heilige.
In unserem gesegneten Lande kann
ein Jeder nach seiner eigenen
selig werden und deshalb schießt das
Sectenwesen nirgendwo so üppig in's
Kraut wie hier. Von Religion, im
edlen Sinne des Wortes, kann freilich
bei einer großen Anzahl Secten kaum
die Rede sein, da ihre Gründer nicht
selten an Größenwahn leidende Nar
ren sind, die den ihrem krankhaften
Gehirn entsprungenen Blödsinn leicht
gläubigen Schwachköpfen als „höhere
Eingebungen" aufzuschwatzen verste
hen. Zu den Religionsgemeinschaften
von diesem Schlage ist auch eine Secte
zu zählen, die unweit von Las Cruces,
New Mexico, eine Kolonie gegründet
D r. N e w b r o u g h.
hat. Der „Prophet" dieser sonderba
ren Heiligen ist der New Uorker Zahn
arzt Dr. Newbrough und ihre Darin
nen sind in einem „Oahspe" benannten
Buche niedergelegt. Schon der Name
desselben läßt auf den Inhalt schlie
ßen, denn derselbe ist weder einer tod
ten noch einer lebenden Sprache ent
nommen, sondern im Hirne des Pro
„Erde, Luft und Himmel" bedeuten.
Der Prophet hat das Buch mit einer
Schreibmaschine geschrieben, wobei,
seiner Behauptung zusolge, eine über
natürliche Macht seine Finger führte.
Newbrough's Anhänger nennen sich
„Kosmons", was „Nichtbesitzer" in der
Sprache ihrer „heiligen" Schrift heißt.
Der Inhalt derselben ist ein Durchein
ander von tönenden, aber leeren Phra-
Vorhof des „S h a l a m."
sen und conimunistischen Gemein
plätzen. „Die Kinder sind Euere En
gel, die Euch der Schöpser gegeben hat
und Ihr seid deren Götter", heißt es in
dem Buche und die Kinder werden ge
lehrt, „sich vor den Geistern der Tod
ten, Ivelche das „Große All-Wesen"
anerlennen, zu hüten." Der kommu
nistische Theil dieser sonderbaren Lehre
Las Cruces einen praktischen Ausdruck
gesunden. Dieselbe heißt Shalam,
ivas „das Land der Kinder" bedeuten
und Adobehäuser (Levitica genannt)
sür die Erwachsenen.
Kritik. „Sie fragen mich auf
gibt Nichts in der Welt, was er nicht
virtuos wiedergäbe außer Geld!"
Fräulein: „Hab' ich aber heute einen
heftige» Hustenreiz!" Herr (leise zu
einem anderen): „Das scheint aber
auch der einzig« Reiz zu sein, den sie
hat."
Aus der Instruktion s
stunde. Un-terossicier: „Mayer, was
ist «in Terratn?" Mayer (schweigt).
Unterossicier: „Jetzt iveiß das Ka-
Maner: „Ee Paar Stibbeln, Herr Un
terofsicier."
In Damengesellschast.
Herr (erzählend): „Die geehrten Da
men erinnern sich wohl noch an das
Festspiel, welches die Aristokratie zu
Gunsten der Stadt veranstaltete?"
Chorus der Damen: „Natürlich, ge
wiß, ganz genau!" Herr: „Also das
war eben gerade heute vor fünfund
zwanzig Jahren —" Chorus
der Damen: „Abscheulich, Frechheit!
So eine Ungezogenheit!"
O di«s«Dienst mädchen.
Hausfrau (zu dem sich meldenden
Dienstmädcken): „Sie haben Jkiren
man so einen Skandal nennt. Ich habe
zu ihr nichts Anderes gesprochen, als
ivas fede Dam« zu «inrr anderen sagen
darf."
Feo's xi» Wlisscggiatur.
lastes pflegt der Papst Leo Xlll. bei
fen.
Das Kaffeehaus.
Es ist begreiflich, daß der Papst dort
Der Roccolv.
Springbrunnen und dem leisen Rau
danten sich über die unterhal-
Beeren. Er ist sehr stolz auf die treff-
Gärten hat Papst Leo Xlll. sich «ine
rione", vor sich, der als wuchtiger
Zeuge des früheren Mittelalters in die
moderne Zeit hereinragt und weithin
di« Gegend beherrscht. Papst Leo IV.
hatte ihn zum Schutze des päpstlichen
zu cht theilt Papst Xlll. mit den
Pfarrer bilden di« gefangenen Vögel,
Das Ca sino.
gleichviel welcher Gattung, einen will
kommenen Zuwachs zu den Küchenvor
räthen; d«r Papst besichtigt und strei
chelt die Gefangenen, ihnen dann
Pech.
Ewig jung.
Arzt: „Ich versichere Sie, dies Me
dicament kann selbst im Säuglings
alter unbedenklich genommen werden!"
Alte Jungfer: „Dann will ich ein
mal den Versuch damit machen!"
Offenge st anden. Richter
(zu einem Kurpfuscher): „Und wie viel
pathiemittel?" Angeklagter: „Das
hübsch versorgt?" „Gewiß, Ma
dame: nur einmal hatte ich es versehen,
ine Katze zu füttern." „Hoffentlich
hat sie nicht zu lange Hunger leiden
müssen?" „O nein, Madame; sie
fraß gleich den Konorienvogel und den
kleinen Papagei auf!"
Auch ein: Sehenswürdig
keit.
hcnswiirdigkeit!"
Wirth: „Erlauwen Se gidigst
der eenunfuszigste Breedegrad soll Sie
geh'n!"
Aus Erfahrung.
„Das ist ja der Mater hoch zu Roß,
Stall des Pferdeverleihers Klippel!"
U) AM
Sie: „Das nicht! Die
Wörtlich befolgt.
.... Wie die Cenzi den Befehl aus
geführt hat.
Umschrieben.
Richter (zum Gauner, der den Win
ter über in Italien eingesperrt war):
„Wo hielten Sie sich diesen Winter
aus?"
Gauner: „Den verbrachte ich im
Süden!"
Gut erklärt.— Michel:
Bild?" Vater: „Dummer Bua. hast
net Millich g'seh'n, wie d«r Herr Maler
Hot?" Mich«l: „Freilich han i's
g'seh'n." Bater: „Na sixt, dös war
a lebendes Bild!"
Bis an das Ende der Welt.
Wir schreiten in goldener Fülle
Durch alle Ewigkeit...
Junggcsellcn-Hraue».
halb spöttisch die unleugbare Thatsache
Jungfern von Jahr zu Jahr steigt.
Gewöhnlich giebt man als Grund da
weniger gewillt sind, Verpflichtungen
auf sich zu nehmen und Opfer zu brin
gen. Daß die Frauen insofern ein
dort stets Gesellschaft zu finden.
unabhängigen Jungfriiulein und es ist
bereits ihre Bezeichnung sür dieselben
vorhanden. Sie werden nicht mehr
stets eine Dame, die nicht aus eigener
Wahl, sondern weil das Schicksal ihr
keinen Gatten beschreite, unverheira
thet durchs Leben ging, während
hat es durchaus nicht etwa mit Vor
fechterinnen für Frauenrechte zu thun,
die daclwlor-vumon sind weder Pio
niere noch Theoretikerinnen irgend wel
cher Art, sie haben nur ihr eigenes
Wohl im Auge und wollen nichts, als
Sorge ersparen.
Nur eins steht zu befürchten, näm
zu kalten Egoistinnen m:chen muß.
Bisher ist die „alte Jungser", wenn
auch viele ihr Dasein sür ein verfehltes
Mitglied in der Gesellschaft gewesen,
sondern konnte, gerade weil sie einen
Fonds von überschüssiger Zeit und
Liebe besaß, im engeren Kreise oder
gehen und sie dürsten daher nicht ge
willt sein, diese freiwillig aus sich zu
nehmen. Als eine Errungenschaft
Schadenfreude, wenn sich J«mand vor
Kälte di« Hände reibt.