Ar MuM. Roman von K. Orth. 1. Capitel. Der «rste Prokurist der La Plata- Bank zu Buenos Aires, Georg Hen ninger, saß emsig arbeitend in seinem gehörte er doch zu den ältesten Beam ten des Instituts, in dem er seit dem Tage d«r Errichtung, also seit nahezu einem Jahrzehnt, arbeitete. Er war d«m auf den ersten Blick an sah, daß er seiner äußeren Erscheinung wie seinem körperlichen Wohlbefinden ein« ganz Sorgfalt widmet. den, während txr modisch zugestutzt« Vollbart, der ein intelligentes, scharf markirtes Gesicht von bräunli^er durchaus nicht Miene macht«, von der des Besuchers zu schen uns vereinbarten Inhalt hatt«." „Sie hat Ihren Entwurf wörtlich abgeschrieben und dem armen jungen Folgen fällt allein aus Sie." Der Prokurist hatte für die l«tzt«n Worte nur ein geringschätziges Achsel „Ja. Er befand sich nach der Aus- Zorn der einfachste Weg, von sich ab. ..Ah. Thorheit! Aber ich nem Herzen von ihrer Nolhivendigkeit nicht überzeugt bin. Alle Achtung vor Ihrer Klughnt, Sennor Henninger, aber ich fürchte ich fürchte, wir spie len diesmal ein gar zu gewagtes Spiel." Er befand sich offenbar in einer nichts weniger als behaglichen Stim mung, und ein Klang ernster Sorge war in seinen Worten. D«r Prokurist aber erwiderte kalt: „Ich sagte Ihnen bereits, daß vo: einem Wagniß nicht die R«d« ist. Sie haben diesen Strahlendorf vollständig in d«r Hand, und er taim nicht das Geringst« geg«nS!« unternehmen. ohn« sich selbst zu Grunde zu richten." „So sagten Sie allerdings schon ge trifft ihn sehr hart. Ein in Schwiegersohn zu mach«n?" „Nein kein«sw«gs! Ich hatte Ihnen ja mein Wort verpfändet, daß Schließlich ist Ihr« Tochter doch auch Als Ihr Fr«und oder als Ihr Feind Manuel del Vasco's breite Brust stell«« könnten," versicherte der m>oere mit großer Lebhaftigkeit. „Ich werde selbstverständlich auch weiterhin nach Prokuristen nur von den angenehmst«» Dingen die Red« gewesen. Es war auch gar nichts mehr von Erregung od«r Beklommenheit in seiner Stimm«, als er ein«n der jüngeren Buchhalter «rsucht«, ihn bei dem Herrn Director anzumelden. Und erst, als «r ein« Mi nute später seinen Fuß üb«r die Schwell« des mit großem Luxus aus gestatteten Directionszimmers setzte, nahmen seine Züge wieder einen Aus druck feierlichen Ernstes an. Blatt aus der Brusttasche seines Rockes »ist gewiß nichts, als «in schlecht«! Scherz? man hat ihn ge schrieben, um mich aus irgend einer unbegreiflichen Ursach« auf di« Probe zustellen! Reden Sie reden Sie schnell, denn Sie sehen, ich bin nahe daran, über all' diesem Unbegreiflichen den Verstand zu verlieren." Mit einer beschwichtigenden Geberde erhob der Argentinier die Hand. Ruhe! Ich bitte allem drin gend —" ..Bitten Sie mich um nichts, sondern antworten Sie mir klar heraus: Ist dies Spaß oder Ernst Traum oder Wahrheit? Ich bin nicht ausgelegt, Raths«! zu lösen." als ob er ihm die Worte von den Lip pen reißen wollte. Nun lacht« «r kurz und schneidend auf, und indem er sich ,Mso Wahrheit! Man hat ein frevelhaftes, schändliches Spiel mit mir getrieben! Lug und Trug war alles Ihre sogenannte Freund schaft wie Jscibellas angeblich« Liebe! Ich hab« «s manchmal Vunk«l geahnt. Aber ich habe mich mit allen Kräften dagegen gewehrt, wenn der entsetzliche Argwohn an mich heranschleichen wollte. Es war ja auch nicht zu fas sen nicht auszudenken! Und wenn ich an diese Augen, diesen Mund, diese Stimme denke —dann will es mir noch jetzt nicht in den Sinn, daß alles, was sie mir hundertmal g«lobt, nur Lüge und Heuchelei gewesen ist. Nein, nein, Sie allein sind der Schuldige! Sie haben einen grausamen Zwang auf Jsabella ausgeübt od«r Sie haben sie ebenso nichtswürdig hintergangen wie Manuel del Vasco nahm die Miene eines tiefgekränkten Mannes an. „Ich will diese beleidigenden Worte Ihrer Aufregung zugute halten," sagte er mit mildem Ernst, „aber ich muß Sie ersuchen, sich zu mäßigen, wenn Sie nicht wollen, daß ich diese Unterhal tung abbreche. Ich habe so wenig «inen Zwang cws meine Tochter aus geübt, als es mir eingefallen ist. Je mand zu hintergehen. Sie selbst wa ren es, der durch seine thörichten Eifer süchteleien nach und nach die Zunei gung in Jsabellas Herzen erstickt und sie schließlich zu diesem Aeußersten gezwungen hat." „Ich war es also ich? Ja, mein Gott, was habe ich denn so Unerhörtes gethan? Daß ich es nicht ruhig anse hen wollt«, wenn mein« Braut sich von all' diesen leichtfertigen, gewissenlosen Herrchen, die als angehende politisch« Größen in ihrem Hause verkehren, den Hos machen ließ, und daß sie mit ihnen in einer nach meinen Begriffen höchst unschicklichen Weise cokettirte war es nicht mein gutes Recht?" „Sie vergessen eben, mein verehrter Freund, daß wir hier nicht in Ihrem deutschen Vaterlande sind, und daß für uns andere Schicklichkeitsb«griffe Gel tung haben als für Ihre Landsmän ninnen. Und di«se jungen Politiker, die Sie mit einer so wegwerfenden Aeußerung abthun, sind die Blüthe unserer Nation sie repräsentiren die Zukunft unserer glorreichen Republik." Der Bankdirector unterbrach ihn lch ' gönn« Ihrer glorrr«ich«n Republik diesen würdigen Aber es han macht haben! Alles, was in Grund für die Aufhebung meines Ver löbnisses mit Ihrer Tochter zu erfin den wahrscheinlich weil Sie der Meinung waren, daß es dessen nicht mehr bedürfe. Ich habe mich in der Verblendung meiner Leidenschaft hin nicht als Schwiegersohn umarmen lann. Jsabella hat auS eigener freier Entschließung ihr Wort zurückgefor dert. Sie werden gut thun, mem Jsabella?" heilen zu verhandeln." „Wenn sie nicht sehr dringend sind, dürfte es allerdings besser sein, sie zu verschieben. Ich will Ihre kostbare Zeit also nicht länger in Anspruch neh men um so weniger, als auch die meinige knapp bemessen ist. Leben Sie wohl!" Senor del Vasco fühlte sich durcq diese Veränderung in dem Benehmen Etioa eine halbe Stunde später trat der Bankdirektor in das Cabinett des «rsten Prokuristen. Er sah auch jetzt noch sehr bleich aus, aber er war doch Vasco beherrscht hatte. hoffe, Ueber College, daß bietigen Haltung eines Untergebenen empfangen hatte. „Ich sehe mich plötz lich genöthigt, eine Reife anzutreten. „Ich bin selbstverständlich ganz zu Ihren Diensten, Herr Direktor! Was Gefälligkeiten, sondern Obliegenheiten meiner Stellung, die ich ohne Weiteres zu erfüllen habe." auffassen," sagte Strahlendorf nach ei nem kurzen Zögern. „Wenn «s sich auch um geschäftliche Angelegenheiten bandelt, so sind sie doch von einer so be nicht wahr?" „Ich werdc mit dem Glockenschlag« zu: Stell« jein." kann, als den Ihrigen. Aber ich möcht« Ihnen gern jede überflüssig« Unbe quemlichkeit ersparen. Sie wissen, daß ist der Schlüssel für d«n Fall, daß^ie ten. Ist es mir möglich, so werde ich Sie erwarten sollte ich aber durch zwingende Umstände daran verhindert sein, so bitte ich Sie, mir während mei ner Abwesenheit «in freundliches Ge denken zu bewahren." gegenüber von einer merkwürdigen Schweigsamkeit und Zurückhaltung zu sein schien, beschränkte sich auch jetzt Zügen gespieM das Arbeitsgemach des Bankdirektors, Beim ersten Blick hätte der Eintre 2. Capitel. das ersehnte Ziel der Reisi, die argen tinische Hauptstadt Buenos Aires. Was sich von Passagieren an Bord drängt auf der jenem dunklen Streifen zugekehrten S«it« des Verdecks. Fast auf all den Hunderten von Menschen- Schiffes lehnte mit über der Brust „So «rost, Senor Rodewaldt? Ist es Das Gesicht des Angeredeten hatte geblickt hatte. nicht. Doktor Vidal! Wie sollte mich zu beherrschen schien, wenngleich der Tonfall jedem geübten Ohr sogleich d«n Ausländer verrathen hätte. gange nicht, sich dem Lande weiter zu gen Schiffsgefangenschaft zu befreien." Eine Flotille von kleinen Dampfern hatte sich mit vielemGeräufch der „Jta lia" genähert, um die Reifenden mit ihrem Gepäck auszunehmen. In dicht gedrängtem Knäuel wälzte sich alles gegen die herabgelassene Schiffstreppe heran, aber der Kapitän, der mit dem «rsten Officier dort Aufstellung ge nommen hatte, wies die Ansturmenden mit gebieterischer Handbewegung zu- „Alles nach der gehörigen Ordnung! Den Vortritt hat Doktor Vidal. Dars ich bitten. Don Jos6! Der W«g ist frei." D«r Graubärtig« nahm vertraulich d«n Arm d«s jungen Deutschen, und durch die Gasse, die sich willig vor ih nen geösfnet hatte, schritten die beiden der Treppe zu. Einige Abfchieds wort« und «in letzter Händedruck wur den mit dem artigen Eapitän getauscht, dann stiegen sie hinab, und wenige Mi nuten später schoß die llein« Dampf schaluppe pfeilgeschwind dem Lande zu. Immer schärfer und deutlicher hob sich die Stadt, der sie «ntgegenstrebten, aus dem zerflatternden Nebel. Ein ge waltiges, schier unübersehbares Häu sermeer war es, das sich da auf weiter vom Flusse aus ließ sich die rechtwink lige Anordnung der schnurgeraden Straßen erk«nn«n. „Sie w«rden ohne Zweifel finden, Senor Rodewaldt," sagte Doktor Vi dal, „daß unser Buenos Aires leine schöne Stadt im Sinne Ihrer alten eu ropäischen Hauptstädte ist. Ab«r ich bitte Sie, mit Ihrem Urtheil trotzdem nicht allzu schnell fertig zu sein. Unter den Städten wie unter den Menschen gibt es solche, deren Vorzüge sich «rst bei näherer Bekanntschaft offenbaren." W«nn man seinen Fuß in ein völlig unbekanntes Land setzt, ist solch« Vor sicht ja doppelt geboten." Wort, das Sie da drüben überhaupt zu Ihrem Wahlspruch erheben sollten. Vorsicht ganz besond«rs da, wo man sich bemüht, Ihr V«rtrauen zu gewin nen. Der Porten» (so nennen sich die Eingeborenen von Buenos Aires im Gegensatz zu d«n eingewanderten Fremden) ist vielleicht der höflichste und verbindlichste Mensch von der Welt, daß er aber auch der ehrlichst« und zuv«rlässigste s«i. läßt sich leider nicht behaupten. Sie werden diese Warnung jetzt vielleicht etwas wunder lich finden, aber nachdem Sie einige Monat« in Argentinien gelebt haben, werden Sie begreifen, daß sie nur einer wohlmeinenden Absicht entsprang." „Ich bin dessen schon jetz' vollkom men gewiß," «rwid«rt« der junge Deut ben, d