Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 19, 1899, Page 3, Image 3

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    MlMidMiie.
i.
Es war am 13. April 1861. In ei-
Jm Parterre eines der sechs und
nichr Stock hohen Häuser des obern
Broadway, die von oben bis unten mit
Geschästslocalen aller Arten besetzt
waren, hatte die Firma George C.
V.'adley ihr Musterlager, während
sich .»ine Treppe hoch die „Office" und
der Zeichen- und Conftructionsfaal bc
waren in den obern Räumen nur zwei
Männer anwesend. Der eine von
ihnen, eine große, schlanke Persönlich
keit von etwa achtunddreißig Jahren,
handhabte einen großen Kehrbesen, mit
dem er den Fußboden der „Office" von
Siaub, Papierschnitzeln und Cigarren
stummeln säuberte. Der andere, der
acht bis zehn Jahre jünger sein mochte,
stand auf einer vor das breite Stra
ßenfenster gerückten Stehleiter und be
arbeitete mit einem großen Lederlap
pen aus Leibeskräften die hohen Glas
scheiben. Die Stulpenstiefel, in die die
cng anliegenden Hosen gesteckt waren,
sowie der intensive Stallgeruch, der
von ihm ausging, bezeichneten den letz
hilfsweise zu der ungewohnten Reini
gungsarbeit im Comptoir herangezogen
Beide Männer hatten sich ihrer
Röcke entledigt und arbeiteten in
schein kam. Auch der feine Schnitt der
Gesichtszüge und die Kleinheit der
Hände und Füße bildeten bei beiden
keit.
Schaun's, jetzt wär i beinah von
der Leiter g'fall'n, sagte der jüngere in
ausgesprochen österreichischem Dialekt
stete.
Lande?
Erst drei Monat! I wünscht, i
lich, i hatt keine Wahl. Es war halt
'ne verflixte G'fchicht! Er machte eine
gewiß. .
Wissen Sie, bester Herr Albert,
lass' ich Ihnen. Der Titel klingt mir
zu pompös, seit ich nicht mehr den De-
Sie standen bei der preußischen
Garde, Herr von Galis?
Der Gefragte nickte. Er nahm wie
belte.
A-Mn.""' Besen guckte mit den
Meinens nit?
Albert! Ich bin zwei Jahre im
ab zu gehen.
Das wär 'ne Geschieht! Das wär 'ne
Geschicht! rief er verzweifelt und blieb
vor dem Norddeutschen stehen. Was
sollt i dann anfangen? I bitt Sie. i'
kann doch nicht mein ganzes Leben
Sie können ja auch Kellner werden.
Kell ner!
Der Oesterreicher sah ganz erschro
cken aus.
Kellner! wiederholte er entsetzt. I
bitt Sie, Kellner! I soll den Leuten die
Bierkrüg zutrag'n und sollt womöglich
gar Trinkgeld nehmen und mi noch
schön bedanken. Jessus, wär das a
Schmach für ein K. K. Oberlieutenant
in Falten.
Mein lieber Herr Kamerad! sagte er
und ließ den Besen ruhen. Wenn ich
Ihnen einen Rath geben darf: legen
Sie den Oberlieutenant ab, je eher, je
besser. Sonst bringen Sie's hier nie
zu etwas andern, als zum Kellner.
Kutscher oder dergleichen. Daß ichs,
obgleich ich schon zwei Jahre amerika
nische Luft athme, immer noch nicht
weiter als bis zum Comptoirdiener
gebracht habe, daran ist auch nur der
verwünschte Garde-Ossicier-Tic schuld,
ich.
Der Sprechende warf einen unwill
kürlichen Blick auf seine schmale Hand,
der er noch immer die aufmerksamste
Pflege angedeihen zu lassen schien.denn
sie war trotz aller Arbeit weiß und
wies elegant geformte, fast zolllange
Nägel aus.
Da mögens schon recht haben.
Der Oesterreicher kraute sich hinter
dem Ohr, trat dann wieder an seine
Leiter, rückte sie ein Stück weiter und
begann von neuem mit seiner Arbeit.
Plötzlich drehte er sich wieder herum.
Ja, da fällt mir ein, rief er dem
Schicksals- und Leidensgenossen zu,
während sein Gesicht vor Eifer er
strahlte. die Feindseligkeiten haben ja
schon so zu sagen begonnen. Habens
denn nit die Depesch gelesen, die gestern
in allen Blättern stand und überall in
der Stadt angeschlagen war, daß Fort
setztes Fort bei der C^rle
schossen wird?
Gelesen hab ichs freilich, entgegnete
der andere, aber ich glaube trotzdem
nicht an den Krieg. wird ein
den die Vertreter des Nordens und die
des Südens zusammenkommen und
werden sich miteinander verständigen;
denn das Volk will keinen Krieg und
denkt an keinen Krieg. Das Volt aber
ist in Amerika maßgebend. Darum
Der Sprechende wurde durch den
Eintritt eines jungen Mannes unter
brochen, dessen moderne, gutgewählte
Kleidung eine höhere Lebensstellung
bewies, als sie die beiden ehemaligen
Osficiere zur Zeit inne hatten.
Der junge Mann begrüßte den
Comptoirdiener mit einem freundlichen
„Guten Morgen, Herr von Galis!"
und verschwand durch die Thür, die in
den Covstructionssaal führte.
Wer war das? fragte der Oester
reicher, der erst seit kurzem bei der
Firma Bradley u. Co. bedicnsiet war.
Herr Henning, beschied der andere.
dem genießt er den besondern Vorzug,
im Hause Mr. Bradleys zu wohnen.
Er hat den jungen Herrn Harry Brad
ley in der deutschen Sprache und auch
in andern Wissenschaften unterrichtet.
Auch der schönen Miß Carrie, der
Tochter unseres Principals, soll er Un
terricht in unserer Muttersprache er
theilt haben. Im Uebrigen ist er ein
netter liebenswürdiger junger Mann
Mit den Waffen? rief der Oester-
im Jahre neunundvierzig während
des Feldzugs in Baden. Ich stand
damals bei einem der preußischen Li
mando des Prinzen von Preußen der
badischen Regierung gegen die Auf
ständischen zu Hilfe kamen. Herr Hen
ning aber, der früher Student gewe-
dcn Kehricht hinaus. Als er wieder
jungen ClerlS g-füllt. Auch Mr. Cun
ninghani, der Procurist der Firma,
Mr. Cunningham verschwand in der
Privatoffice des Chefs, während Har
ry ein paar Worte mit Herrn von Ga
erregte seine Aufmerksamkeit.
Er sah, wie die Straße sich mehr
und mehr belebte, wie sich rasch Grup
pen
beiden Händen ein großes, wohl zwei
Fuß breites Plakat tragend. Neugie
rige und Hilfsbereite waren rasch zur
Stelle und im Handumdrehen war das
große Pappstück neben der Ladenthür
befestigt.
Zwar reckte sich der Oesterreichcr
oben auf seiner Leiter den Hals aus,
große Menschenmenge, die im Nu das
Trottoir und einen Theil des Stra
ßendammes besetzt hielt, raubte ihm
den Ausblick und ließ ihn auch nicht
einen einzigen Buchstaben erkennen.
Die Wirkung des Plakats auf die
erregten Gemüther war eine wunder
bare, elektrisirende. Heftige Rufe wur
den laut, wilde Schreie gellten bis zu
ten sich zornig in die Höhe, die Gesich
ter verzerrten sich in . wüthendem
Grimm. Das Lärmen wuchs zum
Brausen des Orkans. Aus hundert
rauhen Männerlehlen erscholl es:
gibt's? Was ist geschehen?
Wie ein Signal wirkte das Wort.
Alle stürmten zur Thür. Jeder wollte
der erste sein. Auch aus dem Saal
schaft zur Kapitulation gezwungen
Freier Abzug der Belagerten mit Waf
fen und fliegenden Fahnen. Der Bür-
Cen!ralhotel, das sich wie ein Riese
zwischen den Geschäftshäusern erhob,
wurde plötzlich die Nationalflagge, das
auf Dächern und aus den Fenstern be
gannen Fahnen und Flaggen zu we
hen.
stand, ein Redner pojtirt, und als der
Gesang sein Ende erreicht hatte, wur
den die Leidenschaften der Umstehen
den mit einer von kräftiger Lunae her
ausgeschmetterten Rede noch heftiger
aufgestachelt. Schlagwörter wie:
„Schutz der nationalen Ehre! Unan
tastbares Erbe der Väter! Heilige Er
rungenschaft Washington's und seiner
Kampfgenossen! Tod den Rebellen!"
wurden mit stürmischem Jubel aufge
nommen. Zuletzt wälzte sich die er
regte Menge nach dem südlichen Theil
der Broadway, wo sich City Hall, das
imposante Mw Dorker Rathhaus, und
in unmittelbarer Nähe davon die stol
zen Paläste der großen Zeitungen be
fanden. Man wollte Neues erkabren.
Näheres über die Kapitulation der Be
satzung des Forts Sumter und über
das weitere Schicksal derselben.
Ueberall wehten bereits Fahnen, so
wohl von City Hall, wie von den Häu
sern der Zeitungen Tribune, Times
und World. Allein der Palast, in dem
das große Weltblatt The Herald redi
girt und gedruckt wurde, hatte sich von
der allgemeinen patriotischen Demon
stration ausgeschlossen.
Die Menge stutzte, wilde Verwün
schungen wurden laut und drohende
Fäuste erhoben sich. Man erinnerte sich
Südlichen geliebäugelt, Gordon Ben
nett, der Besitzer des Herald, hatte nie
aus seiner Sympathie für die Süd
staaten ein Hehl gemacht. Eine Anzahl
Heißsporne bückte sich zur Erde nieder.
Steine wurden aufgerafft und dieFeu
sterscheiben des Heraldgebändes klirr
ten und fielen in Scherben auf die
Straße nieder.
Schon drängte sich ein schreiender,
fluchender Menschenknäuel zu dem
Hause hin, als plötzlich hoch oben aus
dem Dach die dreifarbige Fahne gehißt
wurde. Tausendstimmiges Triumph
geschrei begrüßte das geliebte Sternen
banner, und ebenso rasch wie sie ent
standen verrauchte die Volkswuth. Un
ter der Menge tauchten Männer und
Knaben auf, die kleine Kästchen an ei
nem Bande um den Hals trugen und
mit vielen lauten anpreisenden Rufen
Cocarden und Rosetten feilboten, die
mit den Wappen und den Farben der
Union geschmückt waren. Alles strömte
und drängte begierig herzu. Jeder
kaufte und steckte sich die patriotischen
Embleme in's Knopfloch. Die Hausi
rer machten glänzende Geschäfte und
räumten im Umsehen mit ihren Waa
ren auf. Aber immer neue Händler
wuchsen förmlich aus dem Boden und
immer neue Waaren, die den aufgereg
ten patriotischen Empfindungen der
Menge entgegenkamen, wurden mit
kreischender Stimme feilgeboten: Kar
ten mit Ansichten von Fort Sumter,
Briefe und Couverts mit dem Bilde
des Präsidenten Abraham Lincoln und
des Majors Anderson, des Comman
deurs von Fort Sumter.
Man staunte und lachte und kaufte.
Unmöglich war es, daß alle diese Din
ge, die dem Patriotismus der Menge
schmeichelten, innerhalb weniger Stun
den angefertigt und in den Handel ge
bracht fein konnten. Irgend ein fin
diger, schlau spekulirender Kopf hatte
ganz im Geheimen diese neue Indu
strie vorbereitet und in Bereitschaft ge
?> k
sagte Herr von Galis lachend zu dem
Oesterreicher. Sie treiben mit allem
Handel, auch mit dem Patriotismus
des Voltes. Der Geschäftsprosit ist
ihnen immer und überall die Haupt
sache.
Der Oesterreicher ebr'» glühte und
strahlte. Die allenthalben hclllodnnoe
Begeisterung schien auch ihn angesteckt
zu haben; auch er hatte sich bereits ein
Rock gesteckt.
Alle Hochachtung hab i vor diesen
Dankees! raunte er seinem Gefährten
aus innerster Ueberzeugung zu. Es
steckt doch Schneid in denen Kerls.
Und nun zweiselns doch nit länger,
Herr Kam'rad, daß es Krieg gibt,
Krieg, Krieg?!
2.
Der nationale Stolz der Bewohner
der nördlichmStaaten fühlte sich durch
den Fall des Forts Sumter, das sich
den Rebellen hatte ergeben müssen, auf
das tiefste getränkt. Schon am näch
sten Tage erließ Lincoln eine Prokla
mation, die 75,000 Freiwillige zu den
Waffen rief. Der Aufruf des Präsi
denten erregte allenthalben stürmische
Begeisterung. Die gesetzgebenden Kör
perschaften der einzelnen Staaten be-
in der amerikanischen Nation
steckte. Auch die Damen standen den
Männern an Patriotismus nicht nach.
Sie konnten sich zwar nicht selbst an
ligen - Regimenter sehr bald kriegs
marschmäßig gerüstet in das Feld zie
hen konnten. Ganze Regimenter wur-
Die militärischen Streitkräfte, übe?
I die die Union verfügte, waren c.: tzer-
Dauer des Feldzugs aufrief.
Besonders massenhaft eilten die
deutschen Einwanderer zu den Fahnen
der Unionsarmee. Neben der bloßen
kriegerischen Lust, dem Hang nach dem
der materiellen Verhältnisse manchen
bestimmen, sich für die Unionsarmec
anwerben zu lassen. Neben dem Hand
geld, das jedem Freiwilligen gezahlt
wurde und das zu Anfang des Krieges
300 Dollars pro Kopf betrug, erhielt
der gemeine Soldat außer völlig freier
Verpflegung 14 Dollars monatlich
Löhnung, der Feldwebel 22 und der
Secondelieutenant 140 Dollars.
An ausgebildeten guten Officiercn
war natürlich ein großer Mangel, und
mancher Amerikaner, der sich auf. ein
flußreiche Verbindungen stützen konnte,
erhielt eine hohe Commandostelle, ohne
vom militärischen Exercitium und von
Strategie mehr Kenntniß zu besitzen,
als etwa ein wilder Indianer vom Le
sen nnd Schreiben. Deshalb wurden
auch diejenigen Ausländer, welche in
ihrer Heimath eine gründliche militäri
sche Bildung genoffen und womöglich
schon praktische Erfahrungen im Krie
ge gewonnen hatten, mit offenen Ar
men in der Armee aufgenommen. Auch
Herr von Galis erhielt vom Gouver
neur des Staates New ?lork
auf das Coinmando über eines der »ch
in New Uork bildenden deutschen Frei
willigen - Regimenter, das den Namcn
De Kalb - Regiment annahm zu Eh
ren jenes deutschen Helden, der im
amerikanischen Unabhängigkeitskriege
gegen England sein Leben verloren
hatte.
Herr Albert, der ehemalige Ober
lieutenant, wurde als Capitän und
Compagniechef in demselben Regimeni
angestellt, während Dietrich Henning,
der sich allen Abmachungen Mr. Brad
leys zum Trotz ebenfalls entschlossen
hatte, dem Ruf des Präsidenten zu fol
gen, die Stelle eines Lieutenant im
De Kalb - Regiment erhielt.
Wer einst den Comptoirdiener Galis
in der Firma George C. Bradley be
obachtet hatte, würde denselben in dem
stattlichen Oberst und Commandeur
des De Kalb - Regiments nicht wieder
erkannt haben. An Stelle der ver
drießlichen Gleichgültigkeit, mit der der
ehemalige deutsche Ossicier sein- Ob
liegenheiten in der Office der „F"ma
freudige Rührigkeit getreten. Der skep
tische, lebensunlustige Zug war von
dem gebräunten, Gesicht ge
sparniffe gemacht werden konnten, und
so nahm John Leiphold gern die Ge
legenheit wahr, zu einem anständigen
Nebenerwerb zu gelangen, dcr ihm er
lauben würde, einen Sparpsennig für
Frau und Tochter zurücklegen zu kön
nen. Natürlich war der ehemalige ba
dische Osficier mit Freuden im De
Kalb - Regiment aufgenommen wor
den, indem ihm eine der zehn Com
pagnieen, aus denen das Regiment be
stand, anvertraut wurde.
Es war an einem warmen Abend ge
gen Ende Mai, als die fröhliche Tafel
runde wieder einmal im Hinterzimmcr
von John Leiphold's Lagerbier - Sa
loon beisammen war. Die Fenster wa»
kleinen Gesellschaft. D-e Marschorsrc
war eingetroffen. acht Tagen solne
das De Kalb Regiment nach Wash
ington abrücken. Wer weiß, wie
in den ersten Monaten seines amerita
nischen Aufenthaltes sein Leben gefri
stet, indem er gegen ein geringes Ho
hoch vor Begeisterung und Kan pfc
Der einzige Nichlmilitär in der klei
nen Gesellschaft war Harry Bradlen.
Seine Kenntniß der Sprache,
Restaurant Leiphold noch eine andere
Anziehungskraft für ihn hatte, bewies
das ganze Verhalten des jungen Man
nes, dessen Blicke sich fast unausgesetzt
nach der Thür richteten, die in die Pr
ivatwohnung der Familie Leiphold
führte. Ab und zu beugte sich Harry
Bradley weit auf seinem Stuhl vor,
um nach dem benachbarten Limmer
hinüberzulauschen. Dann wieder
stand er auf und trat an das Fenster,
um in den Hos hinauSzuspähen.
Zum Glück waren die andern sa
sehr von ihrer sich immer lebhafter an
fachenden Begeisterung berauscht, daß
Niemand auf ihn achtele. Ebensowe
nig bemerkten die Singenden, wie jetzt
ein leichter Frauenschritt auf dem Hof
hörbar wurde und gleich darauf eine
schlanke Mädchengestalt an den Fen
stern vorüberhuschte. Bei Harry Brad
ley aber erregte dieser Umstand das
größte Interesse. Seine Unruhe nahm
einen geradezu fieberhaften Grad an.
Seine Augen strahlten, seine Hände
zitterten und auf feinem Gesicht flamm
te eine lebhafte Nöthe. Es kostete ihn
offenbar eine nicht geringe Mühe, sich
noch ein oder zwei Minuten zurückzu
halten und sich dann langsam und
unauffällig dem Garderobenhaken zu
nähern, an dem sein Hut hing. Leise,
ohne daß Jemand davon Notiz nahm,
schlich er sich aus dem Zimmer. Durch
nach dem jungen Mädchen, das das
Haus durch den Flur verlassen hatte.
Er eilte ihr im Sturmschritt nach,
Tempo einhielt, ja, hier und da an ei
nem Schaufenster stehen blieb und ver
stohlen nach rückwärts schaute. Jetzt
trat Harry Bradley, seinen Hut zie
hend, an sie heran. Die kleine Evas
tochter that sehr erstaunt und über
rascht.
Sie, Herr Bradley? Wo kommen
Sie denn her?
Er deutete lächelnd zurück.
Ihres Vater. Fräulein Gretchen. Ue
ber ihre lieblichen Züge huschte ein
Ausdruck des Erschreckens.
wegen bin ich ausgebrochen. Als ich
Sie durch den Hos gehen sah, hatte ich
keine Nuhe mehr.
In dem Herzen des noch sehr jungen
Mädchens regte sich ein angenehmes,
schmeichelndes Gefühl, aber sie war
doch schon Weib genug, um es den jun
gen Mann nicht merken zu lassen, son
dern ihm mit unmuthig geschürzten
Lippen und einem Blick des Vorwurfs
zu antworten: Das war sehr unrecht
von Ihnen, Herr Bradley. Was wer
den nun die andern Herren denken?
Nichts, Fräulein Gretchen. Sie ha
ben es nicht einmal bemerkt.
Ein Ausdruck von Trotz mischte sich
in die strahlenden Mac
ley?
gedehnt folgten die Wo'.te: Es ist für
ein junges Mädchen des Abends so
zu gehen, und deshalb ...
Sie stockte.
Nur deshalb, Fräulein Gretchen?
(Fortsetzung folgt.)
Jür die Küche.
Unechte Schildkröten
suppe. Aus Fleischabfällen, Schin
kenresten etc. sowie Fleischextrakt nebst
Pfund Rindslende oder sehr saftiges
strichen, auf die man eine Kartoffel
schicht legt und sie mit kleinen Butter
stückchen bestreut; dann kommt eine
Schicht Fleischwürfel, mit Salz, Pfef
fer und weichgedünsteten Zwiebelschei
ben gewürzt, abermals kleine
stücke, Kartoffeln, Fleisch etc., bis oben
Kartoffeln den Schluß bilden, die man
mit einem halben Pint saurem Rahm
in dem ein halber Theelöffel Fleisch-
Extrakt aufgelöst wurde, übergießt.
Man schließt die Form fest mit dem
paffenden Deckel, stellt sie in eine Kasse
role mit kochendem Wasser und läßt
die außerordentlich kräftige, wohl
schmeckende Speise, die man übrigens
auch von magerem Schweinefleisch be-
Sauerkraut. Aus einem schon
mehrere Tage vorher geschlachteten
jungen Schweine haut man den Rücken
Speck darauf lassend, brät ihn dann
bei starker Hitze und mit wenig Butter
auf allen Seiten braun, gießt ein Pint
kochendes Wasser dazu, salzt ihn, giebt
etwas Gewürz- und Pfefferkörner
daran und läßt ihn hiernach ganz
langsam, während man ihn einige
Male umwendet, zwei bis drei Stun
den zugedeckt kochen. Die Brühe muß
zuletzt immer mit der Fettseite nach
oben liegend, so fleißig damnt begos
sen werden, daß er wie glacirt erscheint.
Inzwischen hatte man Sauerkraut sehr
schmackhaft und klar, hellgelb aus
sehend, zubereitet. Dasselbe richtet
man nun recht heiß auf einer Schüssel
an, indem man hin und wieder, so viel
man will und hat, eben aus dem Scha
len genommene und von den Bärten
befreite Austern hineinschiebt, und legt
den Schweinsrücken in die Mitte des
Sauerkrautes. Da das Sauerkraut
kranzartig arrangirt wird, so ist es
auch sehr hübsch, wenn man die Au
stern einige Minuten in heißen Wein
legt, sie eben steif werden läßt und dann
auf dem Gemüsekranze, rings um den
girt.
Kalbfleischrouladen. Aus
der Kalbskeule schneidet man feine
Scheiben in Handbreite und etwas
größerer Länge; nachdem man sie gut
geklopft hat, spickt man sie mit feinen
Füllung aus' den Fleischstückchen, die
abfallen, etwas Niere, Speck, Sardel
len und Semmelkrume, alles fein ge
hackt. Kapern, Salz, Pfeffer und
zwei Eier rührt man darunter und
streicht diese Mischung auf die Fleisch
stücke, die man dann aufrollt und mit
Zwirnfaden umwickelt. So zuberei
tet, legt man die Rouladen dicht neben
einander in ein Kasserol, streut etwas
Salz darüber und schmort sie in But
ter weich, indem man Bouillon von
Fleisch oder Liebig's Fleischextralt von
Zeit zu Zeit zugießt; zuletzt giebt man
saure Sahne daran.
Selleriesalat. Man^braucht
Wasser kocht, bis er sich leicht durchste
chen läßt. Dann schält man sie rasch
und schneidet sie in Scheiben, um diese
noch heiß mit drei Löffeln Oel, zwei
Löffeln guter Bouillon aus Liebich's
Fleischextrakt, Salz. Pfeffer, einer ge
wiegten Zwiebel und drei Löffeln Essig
zu vermischen. Nach Belieben kann
man gewiegte Kräuter über den Salat
streuen, auch sehr gut Kartoffel- und
Selleriefalat zu gleichen Theilen mi
schen.
Bras!lranrfch-z Thee
brot. Man schneidet Weißbrot in
dünne Schnitten, entfernt die Rinde
und weicht die Schnitten in Milch ein.
Wenn sie darin angesaugt sind». nimmt
man sie heraus, bestreicht sie mit ge
schlagenem Eigelb und röstet sie in ei
ner Pfanne mit etwas Butter licht
warmen Teller und bestreut sie mit
Zruter, dem etwas Zimmet beigemischt
wurde.
Austern in Rahm tunke.
Sechs große Austern werden in eine
kleine Pfanne gethan, etwas Salz und
weißer Pfeffer, ein halber Theelöffel
voll Citronensaft hinzugethan und im
Marienbad erstarren lassen. Das Gelbe
eines Eies wird, mit einer Tasse Rahm
vermischt, dazu gerührt und nebst den
Austern heiß werden lassen. Auf einer
hübschen Schale mit Crackers zu ser
vilen, 3