2 «o» Carl Bulcke. Wir lassen uns« Wünsche schweifen, Wir lassen unsern trunknen Sinn Und lachen sorglos vor uns hin: Das Leben ;st so voll .er Gnade, Und aus der Fern« lockt das Gluck, Und stetig wächst der Wünsche Zahl, ten Die Seele saßt ein tiefes Bangen, Wo winlt im dunkeln Wald ein Dach? Das Licht von der" Gaslaterne v.'r dem Hause fiel auf die Wände, die ter, trippelnder Schritte abrechnete, die über den Teppich des Salons glitten. Ratsch! Ein Streichhölzchen entzün den Wachsstock in der Hand, wäh rend ihr Blick prüfend im Zimmer um herglitt. Nein, es konnte m Wahrheit nicht besser sein! So viele Blumen, so viele schöne Sachen Überall, und wie nc». Ein unfreiwilliger Seufzer glitt über Tante Lottchens Lippen, während sie die Lampe» und Kandelaber anzün dete. Hell sollte es hier sein und so festlich wie möglich, das war für sie So, nun war die ganze Wohnung erleuchtet. Der Salon, das Eßzimmer, die Wohnstube und die Stube dcs Hausherrn. Sogar in dem Schlafzim mer herrschte ein geheimnißvollesDäm merlicht, verbreitet durch die rosafarbe ne Ampel unter der Decke. Tante Lottchen kannte jeden Winkel; jeden kleinen Gegenstand in diesem Hause, das zu ordnen und einzurichten sie geholfen hatte, und nun hatte sie das Hochzeitshaus vor allen anderen verlassen, um hierher zu eilen, die Lich ter anzuzünden und sich noch einmal zu überzeugen, daß alles zum Empfang des neuvermählten Paares bereit sei. Wie blank und schön und neu war alles, vom Silberzeug aus dem Büf fet bis zu dem Kochgeschirr in der Kü che. So hätte auch einmal vor langer Zeit nein, sie wollte nicht daran denken. Jetzt mochte» sie kommen! Wenn sie sich hier an's Fenster setzte, konnie sie den Wagen um die Ecke biegen se hen. Wie wunderbar, daß die kleine Thyra, ihrer Schwester Tochter, die sie unzähligemal auf den Armen getragen hatte, hier als Hausfrau walten sollie! unselbständig, gedankenlos und aus gelassen wie sie war. das Herz eines Mannes so ganz in Fesseln hatte schla gen können! be sie lehren. War das nicht ein Wagen? Ja wohl! Doch er rollte vorüber. Tante Lottchen setzte sich wieder hin, einen be sorgten Blick auf die vielen Kerzen wer fend, die für sie allein brannten. Es war eine gar seltsame Zeit für Tante Lottchen gewesen, diese letzten tung der Nichte und der Einrichtung des neuen Heims beschäftigt gewesen war. Thyras Mutter war kränklich und von ihrem großen Haushalt und und zu ordnen. Erst jetzt als alleS fertig war, fühlte Wandspiegel, aus dem ihr Bild v?n Kopf zu Fuß ihr entgegentrat. Ja, so sah sie jetzt aus! Das Haar ergraut, die Wangen tingesallen u?cd Elastizität eingebüßt hatte; die Blu- Die Schwelle des eigenen Heims an der Seite eines geliebten Mannes überschreiten zu dürfen! Wie sagen zu müssen, gerade wenn man dem Glück so nahe war! Konnie ein Mensch ein solches Leid tragen, es überleben? O ja. sie selbst hatte es ia gemußt! Auch sie war schön gewesen, sehr schön so sagte man und Braut. »achte. Einei Abends, als Thyra und ihr Bräutigam sich gar nicht trennen zu Aber hatten sie ihr geglaubt? Nicht Leben? Ja, so hatte sie bisher gedacht Sterbebett. So nahe war sie dein Glück gewesen so nahe, als es mit nnem Schlage vernichtet, alles ihr ent rissen wurde! Ein eigenes Heim wurde ihr nie zu theil, nur ein Unterschlupf in demjeni- j M ihrer Schwester, wohin sie sich flüchten konnte, wenn die Kinder sie zu sehr ermüdeten. Eine Hilfe war sie ihrer Schwester und vielen An dern gewesen daher mochte cs wohl kommen, daß man sie für so praktisch hielt und so waren die Jahre unter stiller Resignation und viel Arbeit verstrichen, Arbeit für an dere, niemals für sich. Es waren die Kinder anderer, die sie in ihren Armen selbst für sie. Was hatte sie doch für V l dt d "b Der Wagen! Der Wagen! Er hielt nerungtn und Gedanken. Sie hörte das Klirren des Schleppsäbels auf den steinernen Stufen der Treppe, sah die das eigene Heim zu sein, zu hören, was Thyra, was sie beide sagen wür den, ihre Freude zu sehen, ihr Glück zu theilen. Ja, da kamen sie! Er, den Arm um sie geschlungen, sie stützend, fast in das Heim hineintragend, das seine Liebe ihr bereitet hatte. Eine weiße, wo gende Wolke von Seide und Tüll, ein Myrthenkranz, rosige Wangen und Lippen, feuchtfchimmernde, freude strahlende Augen Tante Lottchen sah nicht mehr. . . Wie ein Schatten glitt sie hinein, um die Balkonthüren zu schließen, und schlüpfte dann durchs Eßzimmer in die Küche, wo das Mäd chen saß, nur darauf wartend, die junge Herrin begrüßen zu dürfen. Nein, niemand sollte ihnen jetzt in den Weg treten, niemand. Allein nüt einander sollten sie bleiben, die beiden, Bungen über sie ausschüttete. Wird auch tiefe Stunde einst nur eine Erinnerung sein, sie wird doch einen lichten Ab glanz werfen aus die dunklen Tage der Zukunft. Immer protzig. Haus dame: „Wir haben großes Unglück unser Sohn ist gemüthskrank gewor den." Besuch: „Ach, der arme Jun ge!" Hausherr: »Nu, nu, wir haben ihn in eine Irrenanstalt ersten Ranges Vorsorglich. Professor: „Kellner, wenn ich nachher das Local verlasse, sagen Sie zu mir: „Herr Pro fessor, Sie haben Ihren Schirm ver aess'.n!" Derlen. Toaste vieles, was glänzt und blitzt: Uniformen Brillanten schöne Frauenaugen uno mitten darunter ein strahlendes Brautpaar. Letzteres nur Ai-jie und Ohr füreinander gegen das Schicksal, bemühen sich red lich, eben diesen Groll ihren lieben Gästen nicht zu verrathen. Eine große Freude ist ihnen diese Verlobung nicht, denn wenn zwei Leute sehr von unten herauf in Achtung und Ehren zu hoch angesehenen Millionären aufgerückt sind und nur einen einzigen goldguten Jungen besitzen, dem des Kaisers Rock prachtvoll stehi, dann können sie doch wohl Ansprüche in Bezug auf eine Schwiegertochter machen und sich vom guten und schönen das Beste aussuchen wenigstens denken Bankier Wiede nianns so! Wenn die Braut nun schon „nichts hat", denn soll sie doch eine Gräfin oder doch „wenigstens" eine Baroneß fein! Aber nein! Eigentlich unerhört! Sie, die reichen, angesehenen Wiede manns und eine Gerda Dreher! Eines simptln Philologen Tochter Philologen verkehren überhaupt nicht b:i Wiedemanns. Gerda Dreher! Wenn sie wenigstens von Dreher hieße, aber auch das nicht einmal! Freilich, wenn sie ihren Einzigen nicht so lieb hätten nie und nimmer wäre aus der Sache etwas geworden, aber so? Papa Wiedemann schlürft langsam feinen Sekt und guckt über den Rand der feinen Krystallschale nachdenklich nach dem Brautpaar hin aber so? Der Junge hätte sich wo möglich eine Kugel vor deg verliebten Kopf geknallt heutzutage wo wir schon so weit sind, daß Gymna siasten sich aus Liebesgram erschießen wie soll's da einem flotten Lieute nant auf eine Kugel ankommen freilich, da mußte man schon ein Auge zudrücken oder gleich beide Gerda Dreher! Da sitzt der kleine Glücks pilz! Mit dem Apfelblüthenteint. dem üppigen gewellten Flachshaar und den blauen Äugen wie „Flachsblllthen ein Auge wie die blaue Blume des Glücks", hatte Ernst gesagt. Mondlicht die junge Braut. „Na, jetzt sei so gut und geh' schla fen," schilt gutmüthig Tante Pauline, ihr Federbett durch energisches Klopfen in die richtige Lage bringend, „du Tante Pauline ist zwölf Jahre älter als Gerda und ihrem Ausspruche nach „Wirthin und Anstandswauwau" im Hause ihres Bruders, des Herrn Doc tor Dreher. „Ach Tante Paulchen! Ich bin zu zu zu glücklich." „Na, das gibt sich wieder," kommt es trocken unter dem Federbett hervor, „wenn er dir wenigstens nicht Perlen geschenkt hätte! Ich kann mir nicht Hel sen Perlen bedeuten Thränen! Ich schwärme sür Fuchsien mit Brillanten als Thautropfen wenn so einer wie dein Nabob mich um Rath fragt gesicht! Verliebter Schnack! Und gute Nacht!" Ein Helles Jubellachen kommt vom Fenster her. „Nein, Paulchen! Du mit deinem Aberglauben! Perlen, ach! Ich li^be sie nur Freudenthränen bedeuten übrigens ist das alles Unsinn! Aber glauben!" „Na, na! Wollen alles Gute hoffen," gähnt Pauline, „ich habe gestern im Traume immerfort Aepfel und Birnen gesehen, das bedeutet Unglück," unkt sie schlaftrunken. Wieder ein Helles Glückslachen. „Tante Paulchen, schläfst du schon?" Ja." allen, nicht?" „Hm." „Und wenn er spielt! Ach, seine Geige singt ja geradezu nicht „I! Was sagst du? Ei, nun laß „Nein, diese Schlafhaube! Gute Nacht, Paulchen!" von den Schultern der Heide und zieht ihn leise nach in die glänzende Fluih. Die einsame Heide! Mit stillen großen Augen blickt sie dem verschwin denden trügerischen Purpur nach, der sie kurze Zeit nur geschmückt wie eine Königsbraut, fröstelnd hüllt sie sich in weißgraue Nebelfetzen, die eben dem gebüsch auf und weit unten am Hori zont stehen einzelne wenige Fichten, wie verirrte Kinder in fremdem Land. Eine Schaar Krähen fliegt mit lau tem Gekrächz vorüber sonst kein Laut stille, todtenstille Einsamkeit. Arm um die graue Rinde geschlungen, lehnt ein blasses Weib wie die ver körperte Melancholie mit großen trau- Gerda Dreher. Wer tiefes Herzeleid hat, muß ei nicht in die einsame Heide tragen «« wächst dort und wird riesengroß. Zehn Jahre sind vorbei, seit Gerdas kurzer Glüekstraum jvh zerstob. Tante Pauline schob das Unglück auf die Perlen. Die Perlen waren schuld, daß das Haus Wiedemann über Nacht zu» sammenbrach wie eine morsche Holz bude daß sich der Bankier erschoß, daß der einzige Sohn den bunten Rock ausziehen und in's Ausland wandern mußte und daß Gerda auf den Tod erkrankte und nach ihrer Ge nesung für nichts Sinn hatte wie für Thränen, Thränen, Thränen! Das alles hatten die Perlen verschuldet, denn Perlen bedeuten Thränen. Pau line war damals gleich und durchaus nW eingesehen und Gerda Gerda sieht es heute noch nicht ein sie hat immer ein so schmerzliches, abwehren des schein für Paulinens Perlenaber glauben ein Lächeln, das um die Lippen irrt, während die Augen wei nen. Die Schatten der Heide werden dunk ler und immer noch verharrt die schlanke Frauengestalt an der Ficht? re gungslos, nur ein Ende des weißen Tllllschlciers, den sie zum Schutze ge gen den Wind um das üppige Flachs haar geschlungen, bewegt sich hin und her, und langsam, ohne daß ein Mus kel in dem feinen Antlitz zuckt, rinnen große Tropfen über die blassen Wan gen. Das Leben und Treiben in der Großstadt hat im Laufe der Jahre Gerdas Herzeleid in den Schlaf ge wiegt. Die stille Heide Per weckt es und macht todte Zeiten lebendig die stille Heide und eine Zeitungsnotiz, die sich in die Einsamkeit verirrt: eine romantische Notiz, die von einem jun gen flotten Kriegsmann erzählt, den unverschuldetes Unglück über den Ocean gejagt und der nun nach langem Verschollensein in der Heimath aufge taucht als weithin glänzender und der Glanz ginge nicht von Helm und Säbelklinge aus, sondern von einem kleinen braunen Instrument. In der Richtung auf Gerda zu kommt von weitem eine kleine kugel runde Frau, in steifem, sehr fußfreiem, blauem Kattunrock, der die blllthenwei ßen Strümpfe in den niederen, derben Lederschuhen sehen läßt, und schwarzer Wollschürze in den Händen flinkes Nadelaeklapper der Beginn eines Kinderftrumpses. Aus Rufweite herangekommen, hal ten die flinken Trippelschrittchen die Augenbrauen ziehen sich hoch, der Mund spitzt sich wie zum Pfeifen und die kleinen runden Aeuglein in dem vollen Gesicht blitzen vor gutmüthigem Spott das Ganze wirkt wie eine ur komische kleine Humoreske. „Hm! Hm!" macht sie mit dumpfem Pathos, „ungeheuer poetisch! Das weiße Kleid! Der Schleierstremel der Arm um die Fichte Nebelwollen Krähen Erika Hm! Hm!" und dann flink weitertrippelnd, schalt es resoluten Tones durch die Stille: „Gerda! Kind Gottes, ich hab- mit dir mehr Sorgen wie mit meinen sechs Göhren! Da steht das in der dünnen Fahne und holt sich den schönsten Schnupfen! Leer im Magen und voll im Herzen! Dorette hat prachtvolle Apfelkuchen gebacken komm flink nach Hause! Sag', Menschenkind, hungert dich nicht fürchterlich?" Gerdas fchwermüthiges Gesicht wen det sich lächelnd sie wischt schnell beiden dem Dorfe zu Poesie und Prosa. „Von vierUhr an bist du fort," schilt die Dicke, „na sag', dreht sich dir nicht alles um im Magen vor Hunger?" „Gott, Paulchen, du denkst immer nur an den Magen und seit ich dein Gast bin —" „Bist du noch mehr Mondscheinprin zeß geworden," eifert Paulchen, „man wird sagen, du hast hier nichts zu essen bekommen! Aber das macht nur dein dummes Alleinsein! .Du hättest ver nünftig sein und h'eirathen sollen! Gott nein, wenn ich so an all deine Dummheiten denke, —im vorigen Jahr noch der reiche Oppen Geld wie Heu!" „Er war mir entsetzlich gleichgiltig, Paulchen." > „Ach was, gleichgiltig! Ich war^auch fried ich war einfach seelenfroh, daß er mich nahm hätte sonst einen Dienst suchen müssen, als dein Vater starb na, und bin ich etwa unglück lich?" „Gottlob, nein, Paulchen, aber du hast ein so glückliches Temperament Leben nur Mühe und Arbeit die „Kinder hin, Kinder her da hätte ich keinen Pastor heirathen müssen," kichert Paulchen schelmisch wie ein „Was hast du denn vom Leben, Gerda? Ich plage mich mit eigenen, du mit fremden Kindern! Ich an deiner Stelle scher." Gerda antwortet nicht, aber sie lä chelt wie man das lästige, zwecklose Plaudern eines Kindes belächelt. Was weiß denn die kleine, dicke, praktische Frau von einem heißen Herzen, das ! den Traum seiner Jugend nicht lassen kann mag man sie später auch l jetzt schon, immerhin die alte Jungfer nennen sie bleibt sich selbst getreu. Eine alte Jungfer. Das Wort hat keinen hübschen Klang und nicht selten verbirgt sich hinter ihm ein stolzesWeib, das einst heißer liebte und geliebt wurde, das sich mit seinen Erinnerun gen freiwillig in die Einsamkeit flüch tete, das es verschmähte, das Schicksal jener Frauen zu theilen, die um.der Versorgung willen liebeleer und einsam durch's Leben gehen. Millemach!.... Zwei elegante SalonZ in einem ersten Hotel der Metropole. Lorbeer kränze und Blumenarrangements überall auf Tischen und Stühlen ein schwüles Gemisch von Treibhaus luft, neuen Juchtenkoffern und türki schem Tabak. Es klopft. Ein Kellner tritt herein. „Die Herrschaften unten werden un geduldig, gnädiger Herr, es soll servirt Keine Antwort. Der Diener wiederholt bescheiden seinen Auftrag. Ein Stuhl wird ge kopf. Das schwarze Haar militärisch gescheitelt ein bleiches Gesicht, in dem und Genuß mit zugeflogen, keines hat seine Seele ge rüttelt wie dieses Perlen be- Tropfen fällt auf die Perlenschnur Gerda sitzt unter den Fichten und liest von dem Feste, das man zu Ehren des Geigenvirtuosen in der Residenz gegeben. Dann läßt sie das Zeitungs blatt sinken und starrt sinnend in's Leere herbstlich kühl weht es Moore herüber, sie schauert zusammen. Ein bleicher, hochgewachsener Mann kommt leise auf die Fichtengruppe zu seine Linke hält ein Sträußchen Alpenveilchen er hebt die Hand, sein duftender Gruß soll die Einsame tref det sie den Kopf er sieht das feine blasse Profil die Blüthen entfallen seiner Hand - eine Perlenschnur fällt mit geisterhaft feinem Klirren zur Erde „Gerda! Gerda! Gerda!" Er kniet bei ihr feine Arme um schlingen sie, seine Lippen küssen ihr Haar, ihre Augen, ihren Mund und wiederholen fortwährend das eine: Sie ist wie betäubt und dann stam melt sie fassungslos: „Lieber Ge liebter wie wußtest Du? W' „Riefen Dich?' „Ja, mein süßes Weib meine Gerda niemand weiß, daß es meine Lieblingsblüthe ist niemand wie Du." „Und Du Du wußtest gleich ich fühlte mich so sicher hier in dem ein samen Heidedorf." „Ja, das Heidedors der Stempel auf Deiner Veilchenschachtel ich wußte, ich fühlte Du mußtest hier sein mein Herz sagte es mir und ich kam. Ich fragte auf der Post, hier beim Pastor seiest Du, hieß es, und ach Gerda!" Er senkt das Haupt und dann reißt er sie in seine Arme: „Gerda, meine Braut mein Weib! Ja, ich hatte Dich vergessen im Taumel der Welt nachdem ich Dich unter tausend Schmerzen verloren, und dann mit einemmale kam das Heimweh ganz plötzlich, als riefe mich Jemand ich kam nach Deutschland Dich zu suchen und fand Deine Alpenveilchen Gerda! Ich hätte früher kommen können kannst Du mir verzeihen?" Sie streichelt liebkosend die blassen Künstlerhiinde. „Hast Du mich denn noch lieb, Ernst?" „Und Du fragst noch? Du fühlst es nicht? Gerda, Du weinst, jetzt, wo uns nichts mehr trennt?" „Die Perlen, Ernst Deine Perlen mein Glück ist zu groß es gibt auch Thränen der Freude ich hatte doch recht Deine Perlen." Zurück! Fern, fern der Strand, wohin dein Schiff du lenkst. Gieb nur die Hoffnung auf, ihn zu er- Am ganzen Himmel leuchtet dir kein Zeichen, Daß je du deinen Anker dort versenkst. Trugbilder tauchen lockend aus dem Meer, Und jedem schenkst du thöricht wieder Und schickst frohlockend alle deine Tau ben, Doch keine bringt dir nur ein Zweig lein her. O kehr zum Hafen, wo ein treues Glück Die Felder hütet, die dir Früchte tra- U-n. , „ Weh, Wenn's zu spät! Du irrst, vom Sturm verschlagen, Und findest deinen Weg nicht mehr zu — Immer gemüthlich. Ein Berliner kehrt spät in der Nacht von einer schweren Sitzung in das eheliche Schlafgemach zurück. „Jotte doch," klagt die Frau, »schon zw« Uhr! Schämst Du Dir denn jar nich, daß es schon so spät is?" „Awer Liese, hab' Dir doch nich so. Wäre ick zu Haus jeblieben, na, denn wär' et doch jetzt —Bo r s i cht ist die Mutter der Weisheit, aber die Weisheit ist kein Kind der Vorsicht. Zugend. Eines Abends saßen zwei Jünglin ge in einem Keller und tranken Bier. beim dritten von Tod und Vernich tung. Die Beiden saßen schon beim dritten seins - Räthsel gegrübelt hatte. Noch sang auf den Lippen, und das junge Herz von süßer Liebeshoffnung ge schwellt. Nun wanderte er heim in seineKam schmerzende Haupt voll trüber Gedan ken. Er legte sich nieder, um zu schla fen, aber er konnte leine Ruhe finden Zuletzt sprang er auf. Er lonnte diesen Zustand nicht länger ertragen. Er tappte zu seinem Schreibtisch, wo ein Revolver lag, den er in den Som- Lande draußen Ratten zu schießen. Hastig lud er ihn und spannte den Hahn. „Leb wohl, du unselige Welt," rief er und schob die Mündung in dasOhr. Aber im selben Augenblick durchfuhr ihn der Gedanle, daß er von einer Wahrsagerin hatte erzählen hören, die drunten am Flusse wohnte, und die für ein Goldstück Alle ihre Zulunft schauen ließ. Sollte er nicht erst einmal dorthin gehen? Es müßte doch ganz lehrreich sein, zu erfahren, was das Schicksal ihm eigentlich für Leiden zugedacht hatte! Schnell kleidete er sich an, steckte den Revolver in die Tasche, schlug sich den Rockkragen über die Ohren und schlich sich wieder durch die dunkeln, nebeli gen Gassen. Bald fand er das Haus der Wahr sagerin am Flusse drunten. Ein rothes Licht leuchtete matt über der Thür und er sah einige vermummte Gestalten aus dem Hause gleiten und im Dun lel verschwinden. Am Eingang stand ein Mann; der fragte ihn, was er wolle. Und wie ihm der Student sein Goldstück in die Hand drückte, nickte er und führte ihn eine Treppe hinab durch eine Reihe fin sterer Gänge bis in eine gewölbte Grotte, wo ein Feuer glühte. Dort saß die Wahrsagerin im Lehnstuhl, zu Füßen auf dem Schemel eine rothe Katze, auf der Schulter eine Eule. Wie sie ihn sah, erhob sie sich und näherte sich ihm, setzte ihm eine Brille auf, be rührte ihm Stirne und Brust und be gann, ihn tanzend zu umkreisen. Es war ihm als ob die Katze auf dem Schemel und die Eule aus ihrer Schul ter mit menschlicher Stimme sängen. Zuletzt streute die Alte ein Pulver in den brennenden Holzstoß und rief: „Akkalaba! Akkalaba!" Die Grotte füllte sich mit weißem Dampf. Alles verschwand vor des Studenten Augen, und er hörte ein tiefes, unterirdisches Brausen, gleich dem Meere im Sturm zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche. „Was willst Du sehen?" rief die Alte. Der Student besann sich. Dann antwortete er bebend: „Mein Alter." Der weiße Nebel hob sich vor seinen Augen und er schaute in eine armse lige, nackte Stube, wo auf einem Bette ein Alter ausgestreckt lag unter Lum pen und Fetzen. Sein Haupt war mit Wunden und Geschwüren bedeckt, krampfhaft wand er sich auf dem La ger und grub sich die Nägel in die Brust, stieß wilde Schmerzenslaute aus, die in der leeren Stube widerhall ten. Am Fußende des Bettes saß eine ältliche Frau mit mürrischem Antlitz und strickte. „Na, na schrei doch nicht so," brummte sie und wechselte die Nadeln. „Was kann denn das nützen, wenn Du so daliegst und, heulst? Denk' doch daran, was der Doktor sagte, daß Du Dich in Geduld üben solltest; es wird doch in diesem Leben nicht mehr besser mit Dir. Man muß eben den Kampf auskämpfen .... dagegen ist nichts zu machen." Mehr hörte der junge Mann nicht. Wieder sammelte sich der weiße Ne bel vor seinen Augen, wieder ließ sich das tiefe unterirdische Brausen hören. „Was willst Du sehen?" fragte die Wahrsagerin auf's Neue. Er sann einen Augenblick nach; dann rief er: .Mein Mannesalter!" Der Nebel verschwand und er sah Teppichen, Geldschrank und schweren Vorhängen. Ein kleiner kugelrunder Herr mit weißer Weste, goldener Kette und nieder. An der Thüre stand in demüthiger Haltung ein ärmlich gekleideter Mann, Miethe nicht bis heute Nachmittag 6 die Straße gesetzt. Das steht fest!" „Ach Herr, Herr, —" bat der an der Thüre Stehende? .der Winter war so schwer für mich; meine Frau ist todt, ich bin vier Monate im Krankenhaus gelegen —" „Ja, das habe ich zur Genüge ge hört." „Seien Sie doch barmherzig, Herr!" „Gewäsch! Schlag Sechs ziehen Sie aus!" „Aber wo soll ich hin? Denken Sie doch, ich habe einen Sohn und eine Tochter..." „Daran brauchen Sie mich wirklich nicht erinnern. Ihre Tochter ist eine Dirne, .... das Wissels Sie ganz^gut! denn, daß ich so eine Familie im Haus behalten will?" Der Mann an der Thür senkte be „Darum nützt alles Betteln nichts," wiederholte der Wirth. „Ich weiß ganz gut, daß Sie selbst ein anständiger und strebsamer Mensch sind; aber von anständigen, strebsamenMenschen kann Schlag sechs sind Sie aus meinem Hause oder ich hole die Polizei. Ver stehen Sie?" Der Nebel füllte wieder den Raum und das Bild verschwand. Aber der Student war so erschüttert von dem ei genen Zukunftsbild, von dem Elend, das ihm bevorstand, daß er schon den Revolver aus der Tasche gezogen hat te, um auf der Stelle des Geschickes Fäden zu zerreißen und seinen Namen „Was willst du sehen?" spannte den Hahn. „Drei Fragen sollst Du thun! Eine ist Dir »och frei. Was willst Du se hen?" wiederholte sie. „Nun gut. Laß mich meine Jugend sehen." Aber er legte den Finger, zum Abdrücken bereit, an den Hahn. Zum dritten Mal hob sich der Nebel und er sah in einen entzückenden Gar ten, der süß nach Blumen duftete. Es war Abend. Im Gebüsch schlug die Nachtigall liebessehnsüchtig und durch die dichten Blätter streute der Mond silbernes Licht über die Wiese. Auf einer Bank unter schattenden Buchen kronen saß ein Liebespaar. Hand in Hand und Wange an Wange. Da flog ein Zittern durch den Körper des Studenten. Er erkannte sein eigenes blondes Haupt unter der weißen Mütze. Aber wer war das junge, sanft erra thende Mädchen mit dem blauschwar zen Haar? ... Nun hob sie das Haupt, nun bot sie ihm die blühenden Lippen. „Jngeborg!" schrie er auf, warf den Revolver zur Erde und stürzte fort hinaus ins Leben. Da erwachte er auf seinem Lager. Furchtbare Rache. Der Komiker Kastenzieher eine Hauptstütze der kleinen Schauspiel truppe machte sich ein Vergnügen daraus, in seinenßollen der Reihe nach die Väter der Stadt zu copiren. Den Bürgermeister hatte das bisher riesig belustigt bis Kastenzieher ihn plötz lich eines TageS selbst auf die Bühne chen Earicatur, daß er allgemeinen Beifall erntete. Jetzt war das Stadtoberhaupt wü thend, und am Adend fand beim „gol denen Krügl" im Nebenzimmer große Verschwörung aller Gekränkten statt. Pläne wurden geschmiedet und verwor fen; endlich fand man das Richtige. Das sollte den kecken Frevler in die Seele treffen! Am nächsten Sonntag war Kasten ziehers Benefiz angesagt und er hasste auf eint große Einnahme. An diesem Abend nun sollte keiner der Herrn im Theater erscheinen. Bor einem leeren Hause sollte der kecke Spötter spielen Beschluß herumgesagt die Strafe mußte eine fürchterliche werden. Der Bürgermeister lachte hämisch, als er sich am Sonntagmorgen das lange Gesicht vorstellte, das Kastenzie her heute Abend machen würde. Diese enttäuschten, gefolterten Mienen anzu sehen. wäre eigentlich der höchste, raf finirteste Genuß, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Gesagt gethan! Heimlich ließ sich der Bürgermeister ein Billet besor gen und betrat damit Abends voll bos hafter Erwartung den Theatersaal. Aber welch' Entsetzen! LautesStim mengewirr schlug an sein Obr, Kopf an Kopf war das Theater gefüllt. Al les war ausverkauft! Und in den vor dersten Reihen Mann für Mann mit verblüfften Gesichtern sämmt liche Verschworene! Nicht Einer fehl te! Jeder von ihnen hatte gedacht wie der Bürgermeister und sich, gleich ihm, seines Triumphes freuen wollen. Kastenzieher, der von dem Plan er fahren hatte, soll nie ausgelassener ge spielt haben wie an diesem Abend. Viele Freunde »«schwei gen uns unsere Schw Ahe«, um sie An deren mitzutheilen.