2 Moderne Euren. , ' Von E. Vöhl. In dil,irres Nachsinnen versunken, saß Herv Mathias Junghans am Zen sier, während ihm sein« Frau beruhi gend mit ihrer weichen Hand überKopf und Wangen strich. Draußen blinkte der Frühlingssonnenschein und er wärmte di« köstliche Luft, die durch die geöffneten Fensterflügel strich. „Jetzt ist mir wieder ein bisse! bes ser," antwortet« Herr Junghans leise auf den ängstlich forschenden Blick sei ner Frau. „Aber früher. . . ich hab' rein geglaubt, ich muß «sticken von dem Druck. . . so ist's mir auf der Brust gelegen. Mein Gott, mein Gott, hab' ich mich dazu vom Geschäft z'rück gezogen, daß ich schon als Mann mit fünfzig Jahren sterben soll? Jetzt, wo wir so sorgenlos, rein nur zu un serem Vergnügen leben könnten? Ich sag' Dir, Tini, ich bin oft ganz ver zweif«lt." „Aber Matz'k, nimm' Dir doch nit jede Kleinigkeit so zu Herzen. Schau', Du bist halt in der letzten Zeit ein bist sel zu stark word'n und das macht die Beschw«rdcn. Dann weißt, im Früh jähr spürt fast jeder Mensch was. Wirst seh'n, wenn ich Dich noch ein paarmal mit Franzbranntwein ein reib', so vergeht Alles. Der Franz branntwein brennt jede Krankheit aus'n Körper 'naus. Ab«r Wenns D' kein Vertrauen mehr zum Franz branntwein hast, na so lass'n m'r halt unsern Doctor hol'»; ich hab' Dir's ja längst antrag'n." Der Patient schüttelte traurig den Kopf. „Ja," sagt« er, „wenn die Un tersuchung nicht wär'! Wer weiß, was ich da zu hören krieget! G'wiß hab' ich ein' Herzfehler oder so was. Nein, ich hab' di« Courage nicht, mich untersuchen z'lassen. Nein und tausend» mal nein!" „Aber, Patscherl, Du brauchst Dich ja net untersuchen zu lassen vom Dort tor. Sag' einfach, Du bist zu kitzlich dazu. Probir's übrigens einmal b«i dem Naturarzt, der gleich um's Eck wohnt, der soll schon recht schöne Euren gemacht haben ; der hilft Dir vielleicht auch, ohne Untersuchung. G«h', Matz'l, geh' thu' Lieb'!" Herr Mathias Junghans begab sich zu dem Naturarzte i»nd schildert« die sem seinen Zustand auf das Genaue ste. „Kenn' ich," sagte der Naturarzt, „brauch« Sie gar nicht weiter anzuse hen. Ihr ganzer Organismus ist ver. pestet mit Leichengift." Der Patient schnappte fast zusam men vor Schrecken. Seine Beklemmun gen traten stärker auf als je und mit Mühe brachte er die Worte heraus: „Um Himmelswillen, wie komm' ich zu Leichengift?" „Weil Si« täglich Kalbsleichen, Och senleichen, Fischleichen und dergleichen verzehren. Oder," fuhr der Naturarzt in strengem Tone fort, „woll«n Sie etwa leugnen, daß Si« unter dem Na men Schnitz«!, Rindfleisch, Schöpser nes und so weiter Tag sür Tag Be standteile eines Thiercadavers ver zehren? Ja, noch mehr, Sie nehmen in Form gesottener Milch gewisserma« Ben auch Milchleichen zu sich, durch ge kochtes Geinüs« und Obst Pslanzenlei chen und dergleichen naturwidriges Zeug mehr. Die einzig« natürliche Nahrungsweise aber ist die Rohkost, verstehen Sie mich, rohes Gemüse, ro hes Obst, rohe Milch..." ~O, Du m«in Gott!" seufzte der „Ja, da kann ich Ihnen nicht h«lfen, dieses Regime müssen Sie «inschlagen, sonst wird Sie der Teufel holen!" pol terte der Naturarzt. „Es scheint, daß zu den sonstigen Roheiten dieser Cur auch eine rohe Behandlung gehört," dachte HerrJung hans, hütete sich aber wohl, dies aus zusprechen. „Und das ist nicht Alles," vollendete der Naturarzt. „Was glauben Si« d«nn eigentlich von Ihrem Unt«rl«ib? Meinen Sie, daß sich der menschliche Unterleib auf die Dauer die Behand lung g«fall«n läßt, die ihm zu Theil wird? Wie lang« hat Ihr Unterleib die Sonne nicht gesehen?" „Die Sonne?" fragte Herr Jung hans ganz verblüfft. „Ja, die Sonne." „Nun, seit dem letzten Donaubade bei Holzer, also seit August vorig«n Jahres." „Und Si« Verblendeter glauben, daß diese andauernd« Lichtentziehung nicht endlich zur Entartung Ihres Unterlei bes sühr«n muß? Hat nicht jedes Ge schöpf auf Erden das Bedürfniß nach Licht? Könnt«n Si« leben, wenn Sie mit Ihrem Haupt« nicht im Lichte wandelten? Aber der arme Unterleib soll sich die ewige Finsterniß unter Ihren zwei Paar Hof«n, unter Hemd, Unterjacke, Gilet und Rock bieten las sen, ohne dagegen aufzumucken? Den ken Sie nach, Mensch, ob Sie gerecht waren bisher gegen Ihren Unterleib, den Sie s«it Ihrer frühesten Jug«nd schuldlos im Dunkel eines Kleiderge fängnisses gehalten haben!" „Aber Herr Doctor, ich kann doch nicht. . „Sie können nicht? Sie müssen. Sie werden Ihren Unterleib von jetzt an belichten, Herr, belichten durch Sonnenbäder b«i Tage, und bei Nacht durch starke Strahlen elektrischen Lich tes, die Sie unter die Decke Ihres Bet tes auf Ihren Berdauungsapparat lei ten. Das wird Sie oben im Schlafe durchaus nicht stören." „Wir beleuchten aber unsere Woh nung blos mit Petroleum." „Dann lassen Si« die Elektricität so bald als möglich einleiten." „Ein Nachtlicht mit einem Schein,' w«rfer thät'S nicht, Herr Doctor?" „Zum Henker, nein! Und essen Si« »oh« Kartoff«l, rohen Salat, rohe Kohlrüben und dergleichen leicht der» bauliche Gemüse. Etwas Anderes kann ich Ihnen nicht rathen. Aber das wird Ihnen helfen, weil es di« Rückkehr zur Natur ist. Ich empfehle mich!" Als Herr Junghans seinerFrau von diesen Rathschlägen Mittheilung mach te, nannte sie den Naturdoctor «inen entmenschten Vieharzt und drang da rauf, daß ihr Mann (nach einer Ein reibung mit Franzbranntwein, die sie ihm lliigedeihen ließ) allfogleich einen berühmten Kneipparzt aufsuche. » „Johann, bringen Si« den Vauch guß!" befahl der Kneiparzt, als er aufmerksam die Krankengeschichte un seres Patienten bis zu Ende verfolgt hatte. Der Diener erschien mit einer fla chen Wanne und einem Wasserkübel. Herr Junghans mußte sich entkleiden und der Kneipparzt sagte humoristisch: „Wohl, nun kann der Guß beginnen," indem einen kalten Wasserschwall über d«s Neulings Unterleib ausgoß. Mit einem jähen Aufschrei sprang der Patient aus der Wanne, rang n»ch Luft und stöhnte, auf einen Sessel nie derfallend: „Ah weh. . . ah weh. . . mich trifft der Schlag... aber so erschrecken, Herr Doctor, aber so kalt!" „Das ist nur das erste Mal," lachte der Kneipparzt; „wir haben einSprich wort: Das kalte Wasser, wenn man 's kennt, ist ganz wie warm's, weil 's g'rad so brennt. Sie werden sich schon daran gewöhnen. So, und jetzt blei ben Sie gleich so, ich werd' Jhn«n den Er wickelte ein großes Leintuch zu sammen, befeuchtete «s und drehte den Patienten hinein, daß diesem schier das Schnaufen verging. „Den Bauchwickel müssen Sie Tag und Nacht tragen. Und wenn Sie Gelegenheit haben, machen Sie gleich zeitig die Rusticalcur: Stall ausmisten, Holzhacken, Steineklopfen, Raufen u. f. w., wird Ihnen gut thun. Aber den Bauchguß nicht vergessen, der ist das wichtigste!" Mehr todt als lebendig kam Herr Junghans zu Hause an. Der Bauch wickel trieb ihm fast di« Augen aus dem Kopse heraus und steigerte seine Brustbeklemmungen derart, daß nichts übrig blieb, als ihn aus dem Leintuch eiligst herauszuschälen. Frau Jung hans rief durch Franzbranntwein mit Salz die Lebensgeister des verunglück ten Kn«ippnovizen wieder zurück, er klärte aber zugleich: „Jetzt gehst zu ein' Specialarzt, Matzl. ich kann das Elend nicht mehr anfchau'n!" » » » Der Specialcrrzt prüfte mit kriti schem Blicke die Leibesfülle seines Pa tienten, der in feister Stattlichkeit vor ihm stand. Dann sagte er, auf jedes Wort Nachdruck legend: „Mann, Sie sind ja halb verhun gert!" „Ich?" rief Herr Junghans mit bitterem Lachen aus, „ich verhun-' gert? Mit meinen neunzig Kilo? Sie machen sich einen Spaß aus mir, Herr Doctor." Ein kaltes Lächeln erschien auf dem Gesichte des Specialarztes. „Sie sind nicht der erste, der so naiv daherredet. Sie mögen ja nach Ihrer laienhaften Ueberzeugung genug essen, aber Sie essen nicht das Richtige, nicht zur rechten Zeit und nicht unter den richtigen Umständen. Sie werden Ihre Hauptmahlzeit um Mitternacht halten, weil Sie dann Zeit zum Berdauungs fchlafe haben. Nie darf Somatofe auf Ihrem Tische fehlen. Um Mitternacht essen Sie Fisch und dr«i Fleischspeisen und trinken saure Milch dazu, minde stens zwei Liter. Um zehn Uhr Vor mittags stehen Sie auf, essen fünf Salzgurken und ein« große Schachtel Sardinen. Dann schlafen Sie wieder bis fünf Uhr Nachmittags, um welche Zeit Ihnen eine Hammelskeul« oder «ine ähnliche Kleinigkeit vorgesetzt wird, die Sie mit zwei Gläsern Le berthran würzen. Verspüren Sie in der Pause bis Mitternacht Hunger, so essen Sie getrost einige Paar gefüllte Schwalbennester mit Rothkraut oder sechzig bis siebzig nackte Austern in Essig und Oel i»mi- l-c bonul! Nur auf dies« Weise werden Sie sich rationell ernähren und können Ihre Beschwerden verlieren. Ja, apro-> Pos, bald hätt« ich vergessen: Waschen dürfen Sie sich, während der ganzen „Auch das Gesicht nicht, Herr Doc tor?" „Auch nicht, gewiß nicht. Sie f«n nämlich eine sanfte Schmutzlruste bekommen, welche die Ausscheidung kostbarer Säste verhindert. Sie sind so ausgehungert, daß jede überflüssige Absonderung verhindert werden muß. Wasser ist das Schlechteste sür Ihren Zustand. Sie keinen Au- Mathias Junghans so betrübende An fälle, daß der Specialarzt sicherlich diagnostizirt haben würde, es sei bei gesund," versicherte der Hausarzt nach sorgfältiger Untersuchung. „Ziehen Sie sich ruhig wieder an, gehen Sie nach Hause und beruhig«» Sie Ihre Frau." Herr Junghans, Im Begriffe, ob die ser Botschaft eine strahlende Miene an zunehmen, ward während des Antlei dens plötzlich wieder düster. Er schöpsie tief Athem und entgegnete: „Da, im Moment hab' ich sie wieder, meine Bellemmungen. Sehen Si«, Herr Doctor, hier. . . hier drückt es mich so, ich kann nicht frei Athem ho len. Was das nur ist!" Er wies zag haft auf seine Brust. Der Hausarzt that einen Griff un ter die Weste des Patienten. Ein La chen verbeißend, nahm er sodann ein Instrument vom Tische und sagte zu dem bestürzten Patienten: „Kehren Sie sich einen Augenblick um: da kann nur das Messer hel fen!" Und ehe der geängstigte Mann noch wußte, wie ihm geschah, trennte das Messer des Arztes knarrend die Naht vom hinterenTheile der Weste, bis dies« weit auseinanderklaffte. „Nun, Herr Junghans, verspüren Sie jetzt noch Beklemmungen?" fragte der Arzt heiter. Tete der Patient, erleichtert den Brust korb dehnend. „Nun, sehen Sie, wie rasch die Ope ration gewirkt hat. Aber Sie müssen stn, die Ihnen zu eng geworden sind. Auf die Klinik brauchen Sie deshalb nicht zu gehen, Ihr Schneider wird's auch treffen, Sie unverbesserlicher Hypochonder, Sie!. . ." Maus. Der Spaß war zu Ende! Mit ge brochenem Fuße trugen sie ihn fort. Er stöhnte. strengt hätte! Er hatte Zeit, über sein war? Heute kamen ihm zum ersten Male Zweifel daran. Die braven Alten hatten es gut gemeint, und er hatte vorgehalten. Heute vermißte er sie. die kleine zärtliche Mutter, den stets hilfbereiten Vater. Er wäre nicht so gleichgiltig. Er hatte studirt, wie das so der Brauch ist, nicht allzuviel, nur um der ihn wirtlich liebte! Alle Men ne» ertragen und wie sie vor Glückse ligkeit gestrahlt hatt«, wenn er sn seiner Lieb« versicherte! Sie war eine kleine Schauspielerin spie te sie mit großer Ee und sah allerliebst aus. Das fanden Wohl' getröstet haben. . . Merwiirdig! Jetzt, da er so ver lassen lag, mußte er an sie denken, Es klopfte. Der Wärter trat ein. er konnte. „Eine Dame? Hat sie ihren Name» nicht genannt?" „Doch, si« sagte Maus!" Der Wärter schmunzelte über den drolligen Nainui. „Maus?! Wär's möglich, wäre sie es? So hatte er sie stets genannt, wenn letzten Worte noch?" gehe doch nicht! Ich habe Urlaub und daher Zeit. Ich will Dich Pflegen. Wenn Du gesund bist, gehe ich wieder meiner Wege." Sie sagt« „Maus," begann er und seine ! Stimme klang zärtlich wie noch nie. „Maus, ich lasse Dich nicht niebr. sei mir" in Wahrheit das. was ich D cb gel ! Ileine Frau." I „Harry!" Wie Jubel klang's. Dann ! legte sie ihr Gesicht in die und Den, Schmerz konnte sie widerstehen, das Glück fand sie fassungslos. Er streichelte ihr das lockige Köpf Dann sagte sie mühsam mit ver schleierter Stimme: , danke Dir." Kräfte. Draußen sank sie an der Thür nieder und küßte dasHolz der Schwelle, die er morgen, ein Gesunder, über las das ernste Haus. Am nächsten Tage, als ihn wieder der Luxus seines Heims umgab, erhielt „Mein lieber Harry! Wir seh«n uns nie mehr wieder, forsche nicht nach mir, denn Du wur dest mich doch nicht finden. Ich danke Dir für Deinen großmüthigen Antrag, nie würde ich ihn annehmen, denn >ch liebe Dich zu sehr, um Dich »ngliick,.ch zu machen. Wir passen nicht zu ein ander. Sollte Dir dieser Brief Leid verursachen, so verzeihe mir, die Zu kunft wird mir Recht geben. Leb' wohl, Du wirst bald vergessen Deine Maus." Der Brief sank ihm aus den Hän den, er starrte vor sich hin, nach !.m- McrkwürKigc Gcwolmlicitc». Die Gewohnheit ist eine grausame Tyrannin diese Erfahrung haben rer. Die Gesellschaft dieser Vierfüßler soll auch ChärlesDickens gearbeitet ha ben. Auf seinem Schreibtisch befand sich eine große Anzahl von zierlich aus geführten, winzig kleinen Bronzefigür chen; waren diese alle an ihrem Platze, so schien sein Geist Zauberslügel anzu legen und er konnte stundenlang unun terbrochen arbeiten. Außer diesen sei nen Fetichen mußte auch stets blaue Tinte vorhanden sein, da Dickens mit schwarzer nicht schreiben zu können sich einbildete. Jules Michelet. der be rühmte französische Geschichtsschreiber, der während f«ines langen Lebens ein überaus fleißiger Arbeiter gewesen ist, besaß eine sonderbare Vorliebe sür große Kisten und Kästen, in denen er seine Papiere aufzubewahren pflegte. Sie standen 40 Jahre in seinem Stu dirzimmer, ohne daß er jemals daran dacht«, sie durch neue zu ersetzen, was thatsächlich inzwischen nothwendig ge worden war. Ein Blick auf diese treuen Gefährten seiner Arbeit das Be wußtsein ihrer Gegenwart allein schien seinen Gedankenflug zu beschleunigen. Vornehme Damen machten sich einVer gnügen daraus, ihn in dieser Eigen thümlichkeit insofern zu bestärken, als sie ihm zierliche, kunstvoll gearbeitet« und bisweilen sehr werthvolle Kästchen als Geschenk übersandten, die Michelet jedoch ohn« Weiteres zurückschickte oder unbenutzt umherstehen ließ. In gleicher Weise blieb er der mit Löchern und unzähligen Tintenklecksen versehenen Decke auf seinem Arbeitstisch treu. Joseph Haydus Talisman soll ein ein facher Ring gewesen sein, den er stets am Finger trug. Hatte er ihn einmal len nichts schaffen. Er selbst hat oft erklärt, daß er sich ohne den Ring ei gentlich dumm vorgekommen wäre; und «r sah das Kleinod nicht an seiner Hand, so hatte er die Empfindung, als sei jede schöpferische Kraft in ihm total lahmgelegt. Im Scherz äußerte er einst zu einem seiner Freund«, daß alle seine Kindermund. Fritz (der gelochte Krebse sieht, zur Mama): „Du, Mama, sind die auch ge schminkt?" Bas Erröthen. Anblick, als das schamhafte Erröthen des Antlitzes eines jungen Menschen kindes: es zeugt von der Unerfahren der Empfindungen. verschönt und geistig! selbst gewöhnliche Züge. Es ist wie der goldige Sonnenstrahl, der, die sich'ein ' empfindliches Seelenleben Mit dem Alter verliert sich diese Wallung des Blutes nach den Haupt gesäßen, besonders nach denen des Ge sichtes. Es wird dabei die Thätigkeit gewisser zarter Nervensäserchen. die in d«n feinen Blutgefäßen unter der Haut seelischer Vorgang ist. Indessen ist das Erröthen nicht das ausschließliche Erbtheil der Damen; auch bei Jünglingen und Männern findet es sich und bildet oft eine Ur gung. Das Erröthen gilt nun ein mal als unmännlich. Deshalb fühlen sich die Männer, die ihm unterworfen sind, unglücklich, und weil sie sich be wußt sind, daß sie «rröthen. verlieren sie ihre Sicherheit und erröthen von neuem. Sie begnügen sich nicht mit der Erklärung, daß das Erröthen eine Thätigkeit des Nervensystems ist, son dern erblicken darin ein« Unzuläng lichkeit, ein Zeichen mangelnder Män nlichkeit, und werden menschenscheu. Sie denken fortwährend daran, und schon die Erinnerung, daß sie in der Gegenwart anderer erröthet sind, treibt ihnen auch in der Einsamkeit, die Schamröthe in's Gesicht. Diese Unglücklichen sind von der Furcht vor der Schamröthe besessen, die zu einer wirklichen Krankheit aus arten kann, und der Eindruck, den sie machen, ist ganz verschieden von dem, den «rröthende junge Mädchen hervor bringen. In ihrer Hilflosigkeit sind sie bedauernSwerth, und ihr Unglück wird dadurch noch vergrößert, daß sie das Uebel herannahen fühlen. Die Furcht vor dem Erröthen ist eine eben so wirtliche und unangenehme Krank heit. wie die Platzfurcht. Nach der Schilderung der Erröthcnden suhlen sie es vom Inneren des Körpers wie eine Schwäche bis zu den Schläfen aufsteigen, das Blut gerälh in Wal lung, und sie suhlen ein leichtes Prickeln, als ob es durch leise Nadel stiche hervorgebracht würde. Die Furcht vor dem Erröthen findet man häufig auch bei Frau«n; sie fällt jedoch beim zarteren Geschlecht nicht so aus und nimmt auch leinen so hefti gen Charakter an. wie beim Manne. Bei den Frauen ist es mit dem Aerger abgethan. Die Witterung ist von großem Einfluß auf sie. Trockenes Wetter kräftigt sie. bei Regenwetter dagegen sind sie ihrem Uebel sehr stark unterworfen, und sie hüten das Zim mer. Sie fürchten sich, eine belebte Straße zu überschreiten aus Furcht, die Leute könnten ihnen in's Gesicht sehen, worüber sie erröthen müßten, so daß sie in Verwirrung gerathen wür den. Ein Wort, die Begegnung mit ein«m Unbekannten, selbst das Ge räusch eines heranrollenden Wagens setzt sie in Verwirrung und treibt ihnen die Schamröthe in's Gesicht über ihre Schwäche, wegen der Gering sügigkeit erröthet zu sein. Interessant sind die Mittel und Auswege, welche di« Erröthenden an wenden, um ihre Schwäche zu verber gen. Auch bei jungen Mädchen kann man schlaue Manöver zur Verdeckung ihres Gesichtes beobachten. Bei den Männern dagegen sind diese Mittel einfach pofsirlich. Der eine drückt sich den Hut tief in die Stirne und giebt sich das Aussehen eines übermüdeten Menschen, der andere öffnet seinen Re genschirm, auch wenn es nicht regnet; ein dritter spielt den Verschnupften und sührt fortwährend das Taschen tuch zum Gesicht, oder er trinkt, damit die Weinröthe die Schamröthe bedecke, oder aber er greift zur Puderquaste. Diese nervöse Krankheit ist neuer dings von d«n Aerzten öfter beobachtet und studirt worden, doch sind sie, wie es scheint, über die Heilung noch nicht einig. Die einen schlagen die Be handlung durch Hypnose vor. Daß nervös« Erkrankungen durch diese Hypnose kurirt werden können, ist längst festgestellt, und da es sich beim Erröthen immer um Nervöse handelt, scheint der Erfolg nicht ausgeschlossen zu sein. Doch ist der natürlicher« Weg der Stärkung des gesammten Nervensystems und der körperlichen Abhärtung wohl d«r sicherere, wenn auch der längere. - De rAla r m ru f. Feldwebel: Fester (vl aube. Lehrer: „Töffel, welche Gestalt hat die Erde?" Töffel: „Eine runde!" Lehrer: „Und Zwel fatale Möglich keiten. Junger Arzt (der «ndlich «inen Patienten bekommen): „Wenn er Ku sollst tyr Herr fem! (Münchener Gerichisl-ine.» Gegen einen Strafbefehl hatte der Kaufmann Julius U. Einspruch erho ben. Herr 1., ein großer starker Mann, Mitte der dreißiger Jahre, läßt seinem Aeußeren nach durchaus nicht vermuthen, daß er zu jenen Vie len gehört, die unterm sonst als süß bezeichneten Ehejoch seufzen müssen, weil es ihren usurpatorischen Gattin nen ohne viel Mühe gelungen ist. die Vorherrschaft im Haushatte zu errin gen. Trüben Sinnes sitzt der Be» dauernswerthe auf der Bant, hinter ihm die bevorrechtete Gattin, ein grob knochiges starkes Weib mit harten mit leidlosen Zügen und einem finsteren Ausdruck, als wenn sie bereits den Prozeß verloren hätte. Richter: Sie haben wegen nächUi handlung noch bestehen? Es wäre besser, wenn Sie den Einspruch Hurück zieben würden. nichts zu sagen. Wollen Sie auf dem Einspruch bestehen? Der Angeklagte drehte sich schüch- Angekl.: 's war zum ersten Mal, zwar weil 's d' Neujahrsnacht gewes'n ist und weil Jeder sagt, dös wär' a den spotten deswegen über mi und i laß mir dös g'sallen, weil i weiß, daß d' Nachgiebigkeit a ganz vorzügliche Tugend is, aber am Sylvesterabend da wird ausgegangen, da hat mei Haus haltungsvorstand nix z'sagen. Ich geh' also zu meine Freund ins DingS bräustüb«rl, und die empfangen mi geradezu großartig. Der Wirth schreit: Uijegerle a seltener Gast. I thät an Ofen z'fammafchlagen, wenn mer «ahm jetzt net so nothwendig brau- Ut-n ryal. Äle Ge,eUichaft stimmt meinerwegen a schneidige Wehr an, der breite Verwalter hält an Vortrag über Mannesmuth und den Werth der Frauen, all's wär wunderschön gegan gen, da bemerkt der spitzfindige Sekre tär: „Das dicke End kommt nach, wenn er heimkommt. Mindesten^ arten und werd' damit ausg'lacht. Nun proponirt der Melb«r, der mir gegenüber wohnt, «ine Wett zu zehn Flaschen Schampcs gegen vier Paar Kreuzerwürstl, wenn i mir heimz'geh'n trauet und in die Hausschuh' wieder kommen wollt'. Diese Auszwickereien wurden mir z'dumm, und obwohl die g'schaugt wie die Schwalbeln. Der Melder behaupt', daß i entweder von meiner Frau oder daß mei' sei, und verweigert d' Bezahlung der Wett'. I will g'rad wild werden, da geht d' Thür auf und mei' Frau war leibhaft!' da. Der Melber ruft: alle gis- statt d' Silvesternacht sei. I Mensch! Miserabler Kerl! Die Än lich heimbringen, sonst gäbet's a gräß lich's Unglück.... Richter: Und weil der Vernünftige heimkommst' Der Beklagte, von schlimmsten Ahnungen erfüllt, brachte kein Wort weiter heraus, seine Frau wurde we^ Sache verjährt wär«. Ungeachtet die ses einen Trostes war der Weggang des Angettigten nicht freudig.