Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 17, 1898, Page 3, Image 3

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    Nchs Wimn.
Ein fröhlicher Roman von Wilhelm
HcjMl.
(6. Fortjegung.)
Er blickte oe» Maler an, oer verächt
lich jeine Fingernagel polirte. und
a>» wenn ihm bei dejjen Aich« sein«
eigne -tvuroe wieoertaine, fugle er
hwzu:
„natürlich hat sie keine Millionen.
Der Hai uns Blech vorgeredet
„Na, Sie alter Fuchs, da haben Sie
uns was Nettes aufgebunden!"
Der Director war, sich in die Brust.
„Ja, wenn ichs bloß einmal geHort
Halle, dann wollte ich >agen, irren ist
menschlich... Aber hier mit meinen
Ohren habe ichs mindestens zehnmal
gehört. In diesem Augenblick sitzt 97
die Herren selbst überzeugen."
Er solle erzählen, hieß es, Beweise
antreten! Das that er denn auch. Uno
wirtlich, er wußte haarklein Bescheid.
Der Unglauben der Herren wich an
dern Gefühlen. Es war feierlich still.
Nur der Referendar schlug manchmal
glaubt?"
Dann aber wars Ren 6 Bäsch, dessen
flackerten, «in „Pst! Weiter!
das Bild d«s zierlichen Mädchens auf.
Sie war ihm immer sympathisch ge-
Nxsen, schon ihres Namens wegen.
Nun aber bekleidete ihre feine Gestalt
«in bezaubernder Schimmer wie Staat
von glänzender Seide.
Jean genoß seinen Triumph. Wäh
rend er sein« Fr«unde einzeln ansah,
meinte er:
„Das war doch wirklich 'ne Neuig
keit, 'n« fein« Nummer, was?"
„Großartig!!..." versetzte Schmitz.
(Ihn hatte diese Mittheilung vollends
berauscht.) „Wahrhaftig, Director,
Sie sind'n Columbus. Im Namen der
Freier, tiefgefühlten Dank!"
Damit reichte «r ihm seine Hand
über den Tisch hin.
Ein« Weil« schwiegen die vier, wäh
rend jed«r auf andere Weis« Qualm
wolken hervorstieß. Plötzlich ab«r fing
Schmitz wieder an:
„Ich hab 'ne Idee! Auf das hin
müssen wir Sect trinken. Die Millio
nen müssen begossen werden und die
Millioneus« dazu."
Dann brach «r in ein rauhes Geläch
ter aus.
„Herr Gott von Bentheim! Zwei
Millionen! Und heut' Morgen begeg
net das Mädel mir, da hat sie 'n«n
Hut auf, der kostet keinen Franc. Ist
das eine Verrücktheit!"
Als Jean von Sect gehört hatte,
„Welche Sorte befehlen der H:?r
Doctor?"
„Ruhig Blut, Anton!" sagte dieser.
„Lassen Sie mich nur ausreden. Ueber
die Sorte werden wir uns nicht strei
ten. Aber ... was ich sagen wollte...
A 150!... Ich bestelle den Sect, und
bezahlen thut ihn der, der die Mil
lioneuse erwischt... Das heißt man
gerechte Justiz."
Der Director wiegte leicht die
Schultern und meinte:
„Der Ordnung halber muß ich ihn
doch einem der Herren auf Rechnung
fetzen."
„Kreiden Sie ihn mir nur auf...
wenn noch Platz da ist!" sagte Schmitz
großmüthig.
Der Lieutenant hatte hinausgehen
wollen. Doch schien ihm gerade der Au
genblick jetzt schlecht gewählt. Um den
Referendar nicht zu beleidigen, und
weil er überhaupt kein Spielverderber
war, beschloßer ein Glas mitzutrinken.
No. 96!..." sagte Jean.
Schalen und trieb unzählige Bläschen
empor. Kalderhot sah wie so oft sonst
diesem hurtigen Treiben zu, und wie so
oft sonst kam ihm der fromme Wunsch,
Wenn's doch Goldstücke wären, diese
hurtigen Bläschen!
Aber zugleich schoß ihm der Gedanke
durch den Kopf: es könnten ja welche
sein! Wenn du dies Mädchen bekämst,
hättest Geld in Masse, viel
per, als «r merkte, wie der Leichtsinn
mit ihm durchging. Auf einen Zug
trank er das Glas leer. Nun waren
keine Bläschen mehr da. Aber in ihm
selbst perlte es um so mehr! Sein
Blut lief rascher. Ein waghalsige:
Muth machte ihn fröhlich. Die ganze
Gesellschaft erschien ihm riesig fidel...
Schon schenkte Jean ihm von Neuem
«in, und «r zog das Glas nicht w«g.
„Das Mäd«l w«iß also nichts von
ihrem Geld?" fragt« d«r Maler.
„Welch« Chancen!" lallte Schmitz.
Als aus der Flasche die letzten Glä
ser eingeschenkt wurden und man wie
der anstieß, sagte Ren 6 Bäsch lauernd:
„Wir trinken wohl zum letzten Mal,
Herr Lieutenant?"
„Warum?"
der Referendar und wollte ihn umar
mt».
Dem Officier schoß da« Blut In den
«°«> f.
Eine merkwürdige Aufregung kam
nun über di« drei. Mit jedem Glas,
das sie tranken, schössen tollere Gedan
ken ihnen durch den Kopf. Die beiden
dachten im Stillen dasselbe, was
Schmitz in feiner Betrunkenheit offen
aussprach. Zwei Millionen flimmer
einem Schlag zu erreichen, mit «in«m
«inzig«» Wort!
Nur manchmal taumelt« durch ihr«
d«rwirrt«n Sinne der Gedankt, daß
vitllticht dieS all«S Wahnwitz sei.
Traum und Rausch, z«rstob«n üb«r
Nacht wi« d«r Schaum in d«n Gläsern.
Ab«r sie tranken darum nur desto
wild«r, als tränken si« mit d«in Wein
selbst Gold. Und d«r Wein erhöhte
Gefahr.
Nelly konnte nicht schlafen. In sü
ßem Sinnen durchkostete sie noch ein
mal den Tag, den sie mit Peter verlebt.
Merkwürdig waren diese Stunden
gewesen. 801 l Wollen und Sonnen
schein... Aber ein Wort wollte ihr
nicht aus dem Kopf. Dies Wort, das
Peter scheinbar so aus dem Grund sei-
Schicksal beschieden sei.
Es half nichts, daß Nelly sich sagte,
sie habe selbst so oft das gleiche gedacht.
Es half auch nichts, daß sie sich die
Wahrheit des Wortes bewies. Ihrem
minder weh denn sie verlor dadurch
ja ihn selbst.
Niemals empfand sie ihr« Armuth
Bett fast «in« Ecke des Fensters, so daß
ihr Auge den nächtlichen Umkreis weit
umfassen konnte.
löste sich «Ine leuchtende Sternschnuppe
und fuhr mit glänzendem Strahl aus
schwarzem Grunde hin.
men in plötzlichem freudigen Schreck
und aus ihrer Seele stieg im selben
Augenblick der heiße sehnsüchtige
Wunsch, der ihre Lippen beben machte:
„Ich möchte reich sein... reich...
reich!"
Dann sank ihr Kopf auf das Kissen
zurück.
und trieb Bläschen wie eiskiihler
Champagner. Wunsch auf Wunsch
stieg empor. Aber je müder sie wurde,
erfüllte ihr «in neckischer Traum wohl
an hundert Mal.
IX.
Als Nclly gestern Abend auf Ihr
Zimmer gegang«» war, hatt« kein
Mensch nach ihr geschaut. Nun sie heut
Morgen erwachte, besaß sie drei glü
nichts wußte, konnte sie sich auch nich?
Beim Frühstück versuchte sie die
Tante zu bewegen, mit ihr eine Reise
Ich hob's dachte Nclly
Strafpredigt an.
Sie putzte sich ihre rothen Lippen
blank, wickelte hurtig die Serviette zu-
Knicks und sagte:
„In die Kirche brauche ich nun nicht
mehr. Meine Predigt hab' ich ja weg."
den Garten.
Die alt« Jungfer schaute ihr kopf
schüttelnd nach. Ganz die Mutter!
alliance. Nachdem sie dann gefrüh
stückt, zog sie sich in ihr Zimmer zurück
und schrieb einen Brief an ihren
Freund, den Rector Strim, worin sie
«inen Neffen habe, der in Genf lebe
und Schriftsteller (besonders für die
reifere Jugend) sei.
betrachtend, womit sein Diener
die Reis« bedacht. Ein Dutzend Win
tersocken, ein Paar Reilerstiesel, eine
Unmenge Uniformkragen, ein Pistolen
kasten... Und die ganze Bescheerung
mußte er wieder in den Koffer zwän
gen. Schönes Sonntagsvergnügen!
... Er wollte reisen. (Denn er hatt«
«s sich ja vorgenommen!) Aber ihm
fehlte die Lust dazu. Ueberhaupt was
war das für 'ne Wirthschaft? Drau-
Mädchen gefüllt. Und er sah
mal nicht, und w«nn man als flotter
Officier geboren ist, muß man auch die
Courage haben, «in«r zu sein.
Und lockend stieg ihm das Bild de<
n«tt«n Mädch«nZ auf. Ein verfluchter
Streich wär's doch, wenn er plötzlich
heimkäme mit einer Braut zwei Mil
lionen schwer. Di« Kameraden wür
den ihn höllisch anstaunen. Sie hatten
ihn ohnehin immer g«tröst«t, «r würd«
sich noch mal mit «in«r reichen Partie
aus aller Noth reißen.
Und zuletzi fiel ihm etwas ein, waS
ihm sozusagen moralischen Hinterhall
gewährte. Wenn «r das Mäd«l nicht
b«kam, so bekam sie einer von den bei
den, Ren 6 Bäsch oder d«r Res«r«ndac.
Und besser als dies« war «r immerhin.
Vergnügt steckt« «r sich ein« schwer«
Jmportcigarr« in d«n Mund und
schaute auf s«i»e halbgepackten Koffer.
Nachdem er verächtlich di« Spitz« d«r
Asche hatt« hineinfallen lassen, ging er
die Trepp« hinunt«r.
Ab«r auch jrtzt war er noch nicht
ganz mit sich einig und dachte, sein
Kopf fei doch ein rechter Taubenschlag,
worin die Gedanken ein- und ausgin
gen, wie's gerade kam.
Sollte er nun reisen oder nicht?...
Der Zufall mochte die Sache auskno
beln . Wenn ihm zuerst «ine alte
Dame begegnete, wollte er reisen, eine
junge aber sollte ihm gute Borbedeu
tung sein, sein Glück z» wagen.
Mit diesem Vorsatz ging er im Gar
ten auf und ab, vorsichtig um sich spä
hend, damit «r, w«nn ihm «in« allzube
jahrt« Dame in den Weg liefe, schleu
nigst Reißaus nehmen könnte.
Als er in «inen schmalen Kiespfad
einbog, sah er auf «in«r Bank Nclly.
Einen Augenblick starrten beide sich an
und Kalderhot sagte sich, wie auf
höheren Befehl: Also bleiben!...
Er zog den Hut und wünschte Gu
ten Morgen. Als sie förmlich wi« im
mer dankte, fuhr er fort, mit einem
kosend:
„Welch' ein Glück, gnädiges Fräu
lein, daß ich Sie hier treffe!"
„Warum?"
„Darum!" versetzte er lebhaft und
setzte sich an ihre Seite. „Ich war
nämlich unschlüssig, ob ich abreisen
sollte oder nicht. Das Leben ist hier
ein bissel theutr. Also ich wußte weder
ja noch nein und wollte es ausknobeln.
Die erste Dame, die du siehst, soll's
entscheiden, dachte ich mir. Ist sie all,
reist du. Wenn du aber 'ne hübsche
und junge siehst, kannst du noch ein
bissel bleiben... Na, Gott sei gelobt
und gepfiffen, daß ich Ihnen begegnet
bin."
Während er vergnügt lachte, war
Nelly verlegen erröthet. Aber dies
aufrichtige Compliment klang ihr wie
«ine süße Musik.
„So wäre ich also schuld, daß Sie
bleiben?"
„Jawohl, jawohl! Sie allein!...
Ich bin ja riesig froh. Zwei Wochen
geht mein Urlaub noch. Warum soll
ich da eher in den alten Commiß ge
hen? Wenn man jung ist, soll man
sich die Welt ans«hen. Hab' ich recht?"
Arena, bald einschmeichelnd und ver
steckte Huldigungen einfließen lassend.
Und so viel Absicht auch bei dieser Art
war, sie kam ihm doch ganz natürlich
heraus. Es fiel ihm nicht schwer, den
Liebenswürdigen zu spielen. Denn
seine Augen, geblendet von dem Glanz
der zwei Millionen, sahen nicht mehr
das von der Kirchhaseler Schneiderin
verunstaltete Mädchen. Er kleidete sie
sozusagen um. Für ihn rauschte sie
schon in Seide. Er prüfte ihre Ge
stalt und fand die Büste tadellos. Die
schlanke Taille hatte keinen Centimeter
zu viel. In eleganter Toilette würde
sie eine brillante Figur machen!
Die beiden waren im besten Ge
spräch, da tauchte die kurze Gestalt de!
dicken Schmitz aus. Sein grauer
Sie, Fräulein von Wacht,
ich war heute Morgen in der Kirche...
Ihretwegen!"
„Ihretwegen!"
Er war näher gekommen, machte
dürfen.
„Auf mein Wort, Ihretwegen!
Gnädiges Fräulein rieihen mir doch
mal, ich sollte wieder in die Kirche ge
hen. Oder haben Sie das nicht ge
than?... Als getreuer Knecht bin ich
denn hingesticselt. Leider hatte ich
nicht das Glück, Sie dort zu treffen.
„Wie fanden Sie's denn in der
Kirche?"
gewöhnen."
Er schneuzt- sich und holte Athem.
So siegesbewußt er seine schöne Nach
barin auch anzuschauen bemüht war,
in seinem gelbgrauen Gesicht brummte
„Anfangs berührt die Geschichte
einen etwas sonderbar," sagte er heiser.
schlafen hat. Die Bänke waren sehr
hart. Dann saß ich zwischen lauter
alten Damen. Fräulein Taube bot
mir ihr Gesangbuch an und wollte ab
solut, ich sollt« mitsingen. Aber das
Schlimmste war die Predigt. Der alt«
Herr auf der Kanzel fing eine Bußpre
digt an... mir wurde ganz zerknirscht
zu Muth«."
Nelly.
„Ich dank« schön. Ich hab« gar
kein« Lust Büß« zu thun ... Nach mei
ner Meinung sollten die Pastör« ein
Programm ihrer Predigt an die Kir
tirt Km Theater weiß ich doch
auch, ob ich «in Lustspiel od«r 'n« Tra
gödie zu hören kriege."
Feuer» saß, war Renö Bäsch damit be
schäftigt, auf sein weißes Vorhemd
einen Schmetterling und Blumen zu
allgemeine Bewunderung.
Uebrigens war er vortrefflicher
Laune. Di« Sectparti« war ihm aus
gezeichnet bekommen. Er gehörte zu
den glücklichen Menschen, denen Sect
nur dann schlecht bekommt, w«nn si«
ihn s«lbst b«zahl«n müss«n. Munter
tuscht« «r s«in«m Schmetterling di«
buntesten Farben an und schmiedete
dabei weitgehende Pläne.
Plötzlich aber trieb ihn eine dunkle
Ahnung an's Fenster, dieser Instinkt,
die Beute wittern läßt. Er hörte Hel
les Gelächter und bemerkt« die Gruppe
auf der Bank.
(Das hieß soviel wie: Hol'S der
Teufel!)
Dann «ins, zw«i, drei, die Toilette
beendet und hinuntergestürzt. Aber
im Garten selbst schlenderte er träu
merisch den Weg hinunter: ganz Ca
valier und Künstler. Sein Malerauge
war in's Spiel der Sonnenfleckchen
vertiest, die mit grünlichem Schimmer
auf dem Boden tanzten. So bemerkte
er die drei erst, als er ganz nahe vor
ihnen stand. Da fuhr er auf und küßte
mit einer tiefen Verbeugung Nelly's
Hand.
Dann überflog er sie mit einemßliä.
„Ha, Sie haben einen neuen Hut
auf. Wirklich ausgezeichnet!... Pa
riser Modell, was?"
„I wo! Es ist ein ganz billiger
Hut. Ich habe ihn selbst aufgeputzt."
„Aber mit einem Geschmack ! Aus
gezeichnet ..."
Im Künstlereifer nahm er das ver
dutzte Mädchen ganz ungenirt beim
Arm und postirte es gegen einen Bus
„Bitte mal einen Augenblick stehen
zu bleiben!... Ein theueres Bild."
Er trat drei Schritte zurück, wäh
rend Nellys Gesicht aus dem Blattgrün
wie eine Nelke hervorglühte.
„Ein theueres 8i1d!... So möchte
ich Sie malen. Dieser zarte Fleisch
ton gegen das frische Laub. Dazu der
Hut und Ihr Gesicht! Dies Profil
unter dem röthlichen Haar, ah, dieses
noble Profil k 1a... k lu Ban Dyk,
wollte ich sagen. Ein sehr iheueres
8i1d... Mein verehrtes Fräulein,
Ihretwegen möchte ich wieder ein Por
trät malen. Obgleich ich es mir abge
schworen habe. Aber Ihretwegen!.."
Da sank Nelly von bodenlosem Er
staunen überwältigt auf die Bank.
Und mit ersterbender Stimme sagte sie:
.Was ist denn heut Morgen los?
... Erst sagt mir der Herr Lieute
nant, daß er meinetwegen noch bliebe.
Es herrschte eine kleine verlegene
Pause, die drei Freunde warfen sich
wüthende Blicke zu, wie drei Wölfe,
die merken, daß sie es auf dasselbe
Schaf abgesehen
doch nicht so zu mir!"
Da reckte Schmitz, so hoch es ging,
seinen kurzen Hals aus dem Kragen
und sagte:
auch auf ihre Tante, sogar aus Fräu-
Gleich bei der Table d'hoie sing
Rem? Bäsch mit Fräulein Felsche ein
den Ausdruck einer
Schwester zu geben. Das schwarze
Kleid umgab ein weißes HalSkräus
chen. Ein goldenes Kreuz, das schon
etwas bleich schimmerte die Tante
hatte es ihr zur Confirmation ge
schenkt hing auf ihrer Brust. Das
Haar war mit viel Pomade glatt ge
scheitelt. Ein Neues Testament sollte
Boden schlagen.
In dieser Haltung wurde Nelly von
Wacht dem Pinsel des Malers über
antwortet. Selbst das dürftig ent
wickelte Künstlergewissen
krampfte sich beim ersten Anblick zu
sammen.
Tante Ida überwachte die Sitzun
gen, indem sie die b«id«n mit l«iS
wackelndem Kopf wi« «in Uhu an
starrte. Di« sonst s« muntere Nelltz
aber macht« b«i all' dem «in Geficht zum
Gotterbarmen, deim das Stillsitzen
war ihr ein Greuel.
Inzwischen machte Schmitz sich an
Fräulein Taube. Eigentlich kamen die
beiden sich auf halbem Weg entgegen.
Seitdem sie nämlich den Referendar
mit so zerknirschtem Gesicht in der
Kirche beobachtet hatte, wandte sie ihm
ihre ganz« Teilnahm« zu.
Der jung« Mann vertraute ihr an,
daß er in Glaubenssachen etwas v«r
wild«rt s«i, und mit innerlichem Scha
uder vernahm die alte Jungfer, «r s«i in
fünf Jahr«n zw«iinal in einer Kirch«
gewesen... Er versprach jetzt jeden
Sonntag zu gehen. Clementin« gab
ihm ihre trocken« knöch«rne Hand, in
d«m sie sagte, sie wolle sein« mütterlich«
Freundin sein und Abends für ihn
beten.
Täglich führten sie erbaulicher« G«-
fpräch«, Ein«S Morgens ließ er mit
einem Seufzer einfließen, daß er nun
zwar auf dem rechten Wege sei, vor
der Zukunft aber doch noch ein bischen
bange. Er war ja «in gut«r Kerl.
Aber «s gab doch noch so viel Ver
suchungen! Das beste wäre, wenn er
«in« ordentliche Frau bekäme. Denn
sein Herz verlangte nach Liebe.
Da aber blickt« das alt« Fräulein
ihn mit thrän«nd«nAugen an und sagte
feierlich, indem sie unheimlich nahe
rückte:
„Zu jung, lieber guter Freund! Sie
sind zu jung. O, viel zu jung!"
Jeden Morgen wurde nun Lawn-
Tennis gespielt. Abends gingen oie
Herren nicht mehr wie früher gleich in
den Rauchsalon, sondern vergnügten
sich noch mit „kindlichen Spielen"...
Wenn die Table d'hote abgedeckt war,
ging's in wilder Jagd durch den
Speisesaal. Und die drei waren wie
verjüngt. Sie begeisterten sich für
„Plumpsack geht rum" und fanden ihr
Glück bei „Blindekuh".
Wenn man aber des Laufens müde
war, wurde ein kindliches Jeu arran
girt: eine Art von Vinxt vt na, wo
bei der Point «in Streichholz war.
Zehn Streichhölzer galten einen Sous.
Wenn's hoch kam, konnte mau am
Abend einen Fraktc verlieren.
Nelly besaß ein ungeheures Porte
monnaie aus schwarzem Leder. Wenn
man das öffnete, sah's aus. als thäte
eine Kuh ihr Maul auf. Inwendig
aber war's wüst und leer. Einige
Nickelstücke wurden von grobenKupfer
sous ganz verdeckt.
Die Herren konnten kaum ein Lächeln
verkneifen,wenn sie dieses große Mark
tweiberportemonnaie hervorzog. Und
doch mit wieviel Angst holte sie das
Geld jedesmal heraus!
Als sie in einem verzweifelte» Spiel
Bankerott ansagen und eine Anleihe bei
ihrer Tante versuchen. Diese aber
schlug über die Leichtfertigkeit ihrer
Nichte die Hände zusammen und schickte
sie mit Schimpf und Schande in s
Bett.
Die Herren stellten täglich mit heiße
rem Bemühen der begehrenswerthen
Parthie nach. Aber das Schlimme
war: einer stand dem andern im Wege.
Wenn es dem einen gelang, einige Mi
kamen die beiden andern gewiß gleich
hinzugelaufen ... Sie entwickelten
dabei den Scharfsinn von Spürhunden
und waren bessere Tugendwächter als
«ine ganze Compagnie von alten
Jungfer».
Da eines Morgens traf Lieutenant
von Kalderhot Nelly ganz allein. Sie
saß am See und zeichnete das Schloß
Chillon.
Der Officier sprach sie ruhig an,
aber wirbelnd fast bis zur Unklarheit
schössen ihm Gedanken durch de» Kopf,
wie er sie fortführen könnte, um gauz
ungestört mit ihr zu sein.
Sie schien in Gedanken mit» gab
zerstreute Antworten.
Als er ihr über di« Schulter in's
Buch guckt«, klappte sie «S zu und sagt«
»«rdrießlich:
„'s wird doch nichts. Ich bin zu weit
«ntsernt. Wenn ich «in Boot nehmen
könnte und hinausfahren, ließe sich die
Geschichte schon machen."
.Ich fahre Sie auf den Se«. Kom
men Sie mit!"
Si« war gleich dab«i.
„Eine famose Idee! Aber wir müs
sen uns vorsichtig davon machen, damit
Vorsicht würde er's gewiß nicht fehlen
lassen.
Auf ein al^
Mit diesem Kätzchen Vertrieb « sich^die
Zeit, wenn kein Dampsschiss in Sicht
war und die Sonne schien, so daß die
Kalderhot wählte die „Fliege".
Rasch sprang er hinein und holt« Nelly
nach.
„Nachher!"
Zugleich warf «r mit d«n zi«rlich«n
Riemen die blauhellen Wassermassen
die zerschnittene
Hotels, deren lange Gärten an den
von Millesleurs grenzten, hinter sich
und waren dem Kursaal gegenüber.
Doch Nelly rief:
„Halt! Stopp! Hier habe ich den
best«n Blick."
Dann zog si« di« Kni« an und
stützt« ihr grau«» Skizzenbuch darauf.
„Jetzt schnaufen Sie mal Luft, Herr
Lieutenant... Haben Sie aber a«ru
dntl"
Jh« ktf der Schweiß ja Ström«»
Drunter. w»S that das?...
all«in in diesen «ng«n vier Brettern,
und ringsum Wasser, daß sie nicht ent
fliehen konnte.
Er sah nicht die wunderbaren Ufer
vor ihm, diestn Glanzpunkt des gan
zen See's: unten das sagenhafte Shil
lon mit seinen massigen Thürmen, die
»ralter Epheu umrankte, dahinter jen
seits der glatten Straße den grünen
Waldhügel, aus dem die reizenden An
lagen des sloot ttoari hervorragten.
Und noch höher, in grauer Unwirth
lichleit die riesigen Steinklüfte der
rockvr» <te die ihr« nackten
Arme zum un«ndlich«nßlau ausreckten.
Das alles sah er nicht. Er sah nur
ringsum die leere Wasserfläche und
das kleine Boot, die Wiege seines
saß.
Er hörte die starken Schläge seines
Herzens und fühlte die dunkeln Wal
lungen seines Blutes.
Er war kein Mensch, der mit lan
gem Ueberlegen dem kecken Willcn Zü
gel anlegte. Aber hier stockte er dcch
einen Augenblick. Wie im Struoel
schössen virßlutmrrssen durch sein Hirn
und trieben wirre Trümmer zerstückel
ter Gedanke» mit.
Daß hier «in Augenblick war. wie
nie sonst, der entscheidende seines Le
bens, begriff er in dunkler Ahnung.
... dann reise ich in acht Tagen ab,,
mit einer doppelten Millionär!» ver
lobt. Wie die Kameraden staunen, wie
ich beim Oberst lieb Kind sein werde l
Zwei Millionen, fünfzigtaufend Wart
im Jahr, das sind Pferde und Wagen
und Diners, bei denen die Tafel in
Sect schwimmt. Wenn ich sie habe,,
laß ich mich zur Cavallerie versetzen,,
werd« Adjutant, mach« Carriere
Isthas «in toll«s, lch
einer «ifrigen «rglischen Miß in ihr«
Arbeit vertieft. Wie närrisch war- diese
Ahnungslosigkeit! Da saßen sie sich'
gegenüber, Fuß an Fuß und Hun
gen. Wir werden aneinander liegen.
Arm in Arm, Wange an Wange,
Mund an Mund...
Plötzlich gab er die Zügel frei, und
seine Gedanken schössen hin wie Pferde
durch «ine Rennbahn.
Fräulein... Haben
„Pst!!" machte sie. „Jetzt nicht! .."
Strich!
Bor diesem kleinen Wörtchen: „Pst
Er wollte die Riemen in's Wasser
nicht mehr sicher. Und der andere
wühlte das Wasser auf, als gälte, es
das Leben, vorwärts zu kommen.
sich im Kreist drehte.
„Ho, sieh da! Ich bitte tausendmal
um Entschuldigung!" rief der Referen-
Damit drehte der Officker den Kahn
„Was wollten Sie vorhin sagen?"
fragte Nelly.
„Ich hab'» vergessen.-
„So sagen Sie was Aehnkiches!"
Der Referendar grinste mit puter
rothem Gesicht. Kalderhots Miene ver
finsterte sich. Nelly aber schaut« dtr
ganz «gal. Ein Mensch, der Morgens
zwei Millionen verspielt hat, macht
sich wenig daraus, ob er Abends noch
(Fortsetzung folgt.)
Kindlicher Scharfblick.
Die kleine Elly: „Heinzi, geh' nicht
hinein zur Tante, sie ist wüthend..."
Heinzi: „Warum denn?" Elly:
„Sie kann sich heut« wieder 'mal nicht
hübsch bekommen!"
Kür dke Küche.
Eirzllsche Stee»t-Sup
pe. Eiln Ochsen- unv «in Hammel
schwanz werden gut gewichen, im Ge
lenk eingekerbt oder zerschnitten, mit
kaltem Wasser angesetzt, bis fast zum
Kochen gebracht und in kalte« Wasser
abgefrifcht; dann thut ma» sie in «in
großes Casserol nebst einer Nindsniere
und einem Pfund Rindfleisch, über
gießt sie mit 6 Quart sjchäumt
während des Kochens gut ab med thut
einen Eßlöffel Salz hinzu. Hierauf
macht man in einem anderen Casserol
ein Viertel Pfund Butter gelb, schwitzt
«in Pfund würflig geschnittenes, mage
res Rindfleisch eine Stunde darin, bis
«S auf allen Seiten gelb ist, streut
dann kleingeschnittenes Wurzelwerk
und Zwiebel» zwischen das Fleisch und
dünstet a»ch dieses unter beständigem
Umrühre» gelblich, worauf man es mit
einem Pmt Fleischbrühe verkocht und
mit zu dn S-Ppe thut, die noch 2j
muß. M«r f«cht nun die Brühe durch,
nimmt das Fett davon ab, läßt sie
nochmals aufkoche», legirt sie mit ei
nem Löfßel. Vlrrowroot, der in einem
GlasePortwei». glatt gerührt ist, würzt
die Suppe mit «in«.- Prise Macis und
etwas weißem Pfeffer und richtet sie
mit Farceltößcheii au.
Borsch Hecht mit
Meerrettich. Dir Barsche werden
Die kleineren läßt man ganz, die gro
ßen schneidet ma» I—2 Mal durch.
Hat mau Hechte, die nicht ganz klein
sind, so reißt (spaltet) man sie und
schneidet jede Hälfte in Portionsstücke.
Sind dir Fische völlig gereinigt und
gewaschen, so bringt, ma» sie mit kal
tem Wasser, Salz, englisch Gewürz
und Lorbeerblatt aufs Feuer und läßt
ste unter gehörigem Abschäumen, gar
kochen. Alsdann gießt man fast alle
Brühe ab,, rührt M«hl, recht viel gute
süße Sahne, sehr wenig geriebenen
Meerrettich und einen Theelöffel voll
feinen Zucker klar, gießt so viel von der
Fischbrühe, dazu, als di« Sauce Salz
vertragen kann, ersetzt die noch fehlend«
Flüssigkeit durch heißes Wasser, gibt
gebliebenen Fische, ein gutes Stück fri
sche Butter dazu, und läßt unter sleißi
dem Schütteln, um das Anbrennen zu
verhüten, das Gericht durchkochen. Vor
dem Anrichten hat man natürlich ab
zuschmecken, ob noch etwas fehlt und
zuzufügen ist. Dieses Fischgericht ist
sehr, schön. Man gibt Kartoffel» dazu.
Bratenhering. Zwei gehackte
Zwiebeln dämpfe in Butter weich, ver
mische sie mit gleichen Theilen Braten
resten und Hering, beides feingehackt,
und füge einen Löffel voll Kapern und
geriebene Semmel dazu. Dann ver
rühre zwei Löffel voll Butter mit zwei
Eidottern, dem Saft und etwas Schale
von einer Citrone, einer Tasse Fleisch
brühe und einer Tasse saurem Rahm,
gieb daS Fleisch- und Hering-Gemisch
hinzu, auch Salz und Pfeffer nach Ge
schmack und lasse sie in Butter heiß
züglich.
Gebeizte Kalbskeule mit
tt i v ie.n - Salat. Ein« gut ge
klpft« und gehäutete Keule wird dicht
mit feinen Speckstreifen gespickt, mit
Nelken, einige Pfef
nade, brät sie dann am Spieß oder legt
sie iw ein Casserol aus Speckscheiben,
gießt die Marinade nebst etwas Kalb
häufigem Begießen langsam darin
weich, seiht den Fond durch, kocht ihn
ein», entfettet ihn und giebt ihn als
Sauc«! während man Kartoffel - Bäll
chen und>Sellerie- Salat noch nebenbei
servirt.
Rwwst-Vi est Eiw sichönes Nieren
stück (Rindfleisch) wird von den Kno
chen befreit, gesalzen, gepfeffert, zu
stanmengeiollt und mit Bindfaden fest
gebunden. In di« Brutpfanne kommt
Butter, darauf der Braten, der oben
wieder mit Salz und Pfeffer bestreut
und mit einer Zwiebel schön braun ge
braten (je langsam«!, desto besser)
wird. Ist der Brate» gar, nimmt man
einen kleinen Kaffeelöffel voll Mehl
und zwei bis drei Löffel voll sauren
Rahm und läßt das in derPfann« auf
kochen. Rollbraten wird gerade so be
reitet, nur muß daS Nierenstück Kalb
fleisch fem.
Kalbfleisch in Gelee. Ein
Stück gutes Kalbfleisch nebst etwas
Bein wird mit Salz und wenig Salpe
ter eingerieben und mehrere Tage unter
beln, Nelken, Pfeffer, Lorbeerblatt und
je einer Prise Thymian und Petersilie
in abgekochten Essig gelegt. Hiernach
kocht man das Ganze in einer bedeckten
Kasserole völlig durch, füllt aber zuvor
nötigenfalls soviel Fleischbrühe auf,,
daß das Fleisch 3 4 Finger h»ch da
mit bedeckt ist. Sodann nimmt man
Bein und Fleisch heraus, schneidet letz-j
tereS in Scheiben, arrangirt diese mit
Kapern und Sardellen auf Schüsseln
und gießt schließlich noch warm das zu-,
vor durchgeseihte, und wenn erforder,!
lich noch mit weißer oder roth«r Geka,j
tlne g«st«ift« Gelee darüber. Der AuS
putz geschieht mit Kapern, geschnitte
n«n Gurken und Petersilie.
Käs«musch«ln. Man reibt
«in Viertel Pfund SchweizerkSse und
ebensoviel Parmesankäse. Nun rührt,
man ein Viertel Pfund Butter leicht.l
fügt drei Eidotter und den geriebenen t
Käs« bei und »letzt den Schnei der'
Sier. Diese Masse füllt man in Mu
scheln und bäckt dieselbe Im Ofen 15
bis 20 Minuten. 3