2 Hoggenvurg. Als er geboren wurde weinte er, wäh rend alle Welt sich freute, daß wieoer eine junge, zarte Menschenblüthe der Freuden und Herrlichkeiten dieser Welt iheilhaftig geworden, weinte er in einer Verschrobenheit auch äußeren Stempel ausdrückte. Als er vier Wo chen alt war, warf ihn nämlich seine Schwester beim Schaukeln aus der Wiege und verbog ihm dabei die Nase. Das sah natürlich scheußlich aus, ja. Unwillkürlich lachte Jedermann, wenn er das Gesicht mit der schiefen Nase sah, und er dachte sich nun reden habe ich nicht Recht? Das soll Menschenliebe sein? Was hat die WassÄ"' vom reinsten der Schule zeigte sich immer klarer und deutlicher, weß Geistes Kind der junge heranstrebende Menschensohn war. Statt in die wunderbaren Geheimnisse der Nächstenliebe, der Liebe zur Wahr heit und zur opferbereiten Tugend im mer tiefer einzudringen, krittelte und die Leute für einen Zweck haben könn ten, ihm solche Geschichten zurecht zu reden. Besonders der Glaube daran, daß andere Menschen das thun, was solle, erschien ihm als der directe Weg zum Verbrechen. Sein Mißtrauen ge gen alles und gegen Alle herrschte auf der ganzen Linie, und er schien sein Heil einzig und allein in einer gewissen Fingerfertigkeit zu sehen, mit der er die Ziffern 1 bis 9 unter und neben einan der setzte und in immer neuen Gruppi rungen zu langenßeihen und Rechnun gen zusammenstellte. So kam es denn, wie es kommen mußte: er wurde Makler an der Ber liner Effectenbörse und besaß in einem Alter von dreißig, in dem also andere :orrecte Staatsbürger schon Frau und Kind haben, Steuer bezahlen und vor Glück nicht aus noch ein wissen nichts, nichts auf der ganzen Gottes welt als eine sichere jährliche Rente von dreißigtausend Mark. „Lujo, warum heirathest Du nicht?" sagten nun die Leute zu ihm. Er hieß nämlich, was ich vergessen habe, zu er wähnen, Lujo Lehmann. Selbst diese Namen empörten den krittlerischen nicht zu so einem prosaischen, nüchter nen Namen wie Lehmann. Nun sag» er, wenn die Leute ihn so fragten, ge wöhnlich gar nichts, im Inneren fragte er sich aber sehr häufig und sehr ein dringlich: Was geht das den Menschen an, warum ich nicht heirathe? Hat er ein« heirathsfähigeTochter oder Schwe ster? Oder plagt ihn der Neid, weil er eine schlimm» Schwiegermutter hat oder Nachts nicht schlafen kann, weil seine Kinder Zahnschmerzen Oder ist er gar ein Heirathsvermittler und will mich anpumpen? Auf dies« Weise vermehrte er seine Menschenkenntniß von Jahr zu Jahr, ja, man tonnte sagen von Tag zu Tag sehr beträchtlich und lernte schaff sehen im Leben. Er kritisirte immer und sah sich Menschen und Ding« nicht aus seiner, sondern aus ihrer Natur heraus an. Aber wie das nicht anders sein konnte, wurde er dadurch nur im mer griesgrämlicher, ärgerlicher und verstimmter, und immer häusiger er tappte er sich selbst auf dem sehnsüchti gen Stoßseufzer: Wenn ich nur erst mand sehen mögen, der nicht egoistisch , war. Aber er fand Keinen. Nicht ein mal er selbst gefiel sich, denn er nmr um ein gut Theil egoistischer als viele Andere. Er hätte mal Jemand Mann oder Frau finden mögen. In dem Parterre des Hauses war ein Fleischerladen. und das Haus selbst ge hörte dem Besiker dieses Ladens, d«m Fleischermeister Kowalski. Dieser Ko walski hatte eine Tochter, di« Lieschen übermüthig, herzensgut, mit einem jen Mundwerk, wie nur je «ine Belli« festen Arme, die sie leicht das Weltstadtgetrieb«. König Midas der Börse. Was er „Sie sind's, Lieschen?! Wie geht's „Was Sie nicht sagen! Kind«r?" sel seine Jungen nicht m«hr suchte. „Aber es geht Ihnen gut, Frau Stettebohm?" fragte er weiter. „Nee, es jeht schlecht." , Mund war nicht sein und frisch wie früh«r. D«r Unterschied zwischen einem Mädchen und einer Frau mochte sich geltend. Nur die Au gen waren noch dieselben sreundlich oöch hübsch. Nicht?" H „Selbstverständlich." „Na ja, sehen Se! Ich mache ja kee walski schlecht! Ick habe noch drei Brüder. Verstanden? Da handelt es sich um's Beispiel. Außerdem hat sich Es war merkwürdig, in welcher Weise dieses kurze und an sich höchst einfache Zusammentreffen seinen Geist Wankelmuth, dein Name ist Mensch! Schlechtigkeit von Welt und Menschen, über das Trügerische der gesellschaftli chen Zustände und sonst noch was. Lieschen, sagte er sich, dieses süße, un schuldig«, sleckenreine Geschöpf, dieser Engel, diese himmlische Lichtgestalt er idealisirte natürlich in der Erinne rung —, was hatten Welt und Men schen aus ihr gemacht? Ueber seine ei- Damals hatte er sich geärgert, weil Lieschen ganz und gar nicht egoistisch gewesen und seine vortheilhafte Posi tion nicht in Betracht gezogen! Heule ärgerte er sich darüber, daß sie egoi stisch geworden und ihm zulächelte, weil sie von ihm Hllfe erwarten durfte. Diese Stimmung hielt bis zum Frühstück an, mußte aber einer excel lenten Hummermahonaise und einigen Glase fragte er sich ganz erstaunt, ob er soeben eine hochwichtige Entdeckung gemacht habe, warum er denn eigent lich Lieschen nicht besuchen solle. Kein Schatten von einem Grund war vor- ! Handen. War ihr Mann da, gui, so würde er ihn gehörig anprotzen, ihm vielleicht einige Arbeiten, über die er zu verfügen hatte, übertragen und gute Rathschläge ertheilen, wie tr sich helfen solle. War er nicht da nun, so war er eben nicht da. Einige Häuser von Lieschen's Woh nung entfernt, stieg er aus der Drosch ke, die ihn dorthin gebracht, aus, um zu Fuß näher zu gehen. Er wollte sich das „Milieu", in dem Lieschen lebte, näher besehen. Du lieber Gott, es war trau'ig. Leere Baustellen mit Plaka te?'. ' alles zu verkaufen sei, halbfer tige ungepflasterte Fuß steige, aus denen da und dort Gras wuchs, Kehrichthaufen, besudelte Häu ser, unordentlich und liiderlich gehal tene Wohnungen kurz, das Milieu der Trockenwohner. Plötzlich blieb er erstaunt stehen. Unter einem Thorbogen stand ein klei nes, etwa dreijähriges Mädchen, oaS er auf der Stelle als das Kind Lies chens erkannte; «s war sozusagen eine neue Auflage von ihr. Dieselben lustig flimmernden Fünkchen in den Augen, dieselben frischrothen, fein und zierlich geschnittenen Lippen, dasselbe munter-, schalkhasteGesicht, dieselbe zarte Weiße der Haut nur alles frischer, jugend licher. zarler und rührender, man könnte fast sagen frommer als beiLies ch«n. Besonders d«r Ausdruck der Augen, dieser räthselhaften, großen, ruhigen Kinderaugen packte ihn. Bor diesen wunderbar freien, sorglos ruhi gen, vertrauensseligen Kinderaugen würd« ihm plötzlich ganz anders zu Muth. Der alt« Junggeselle bekam plötzlich Respekt vor der Familie wie vor etwas Ehrwürdigem, etwas Unan tastbarem und Heiligem. Nur eine schäbige Gesinnung konnte sich, aus der Nothlage der Eltern, aus den Verwir rungen des menschlichen Geistes Nutzen ziehend, über solche Kinderaugen hin wegsetzen. Wenn auch der lange Leh mann ein vergrämter, skeptischer, gc müthskranker Hagestolz geworden war, schäbige Gesinnung hatte er txs halb doch nicht. „Wie geht's, Lieschen?" fragte er. großen Augen erstaunt an. „Ick heeße jar nicht Lieschen, ick heeße es labend. Di« Jahre kamen und gingen. Der lange Lehmann^ sing sogar auf feine oder New Uork, sogar nach Transvaal schen, scharfen, fast bissigen Art, die wiederkam, fragte er: «Nun, wie geht's?" So wurde der lange Lehmann durch sie zum neuen Toggenburg. Wenn sein Wagen er hatte längst seinen eige junger Frauenkopf, und wenn er vor überging, jo sagten die Leute: Wer ist denn das? Und Andere antworteten oder der Toggenburger. Als er seinen sechzigsten Geburtstag feierte, bezog er feine neue Villa zu Charlottenburg. E: war damals schon nicht mehr so recht taktfest. Ein bis chen Podagra, ein bischen Schwindel allmälig zum Commerzienrath geeig net, w«lch«n Titel «r d?nn auch zu sei nem sechzigsten Geburtstag« erhielt. Man munkelte sogar von einem Orden dritter oder vierter Güte. An eöen diesem Geburtstag kam Liesch«n in seine neue Villa in Char loltenburg, um ihn zu besuchen. Er „Herr Commerzienrath werden ver zeihen, ich wollte mir ergebenst erlau ben ..." begann Lieschen hochdeutsch sie. Lieschen sah ihn verblüfft an, dann sing sie plötzlich an, zu weinen und schluchzte: »I«, je, Herr Lehmann, Stettebohm ist todt!" „Todt, Lieschen? Je nun, wir ster- Sie sagte nichts. Sie nickte nur. stand. Stettebohm hatte sich schon seit Zusammenbruch gewehrt, wer weiß, als alter Mann vom Leben? Was war das Resultat, der Gewinn seines ten. ' che ch d« i auf und faßte in der ersten Regung ihres Dankgefühls nach seiner Hand. „Lassen Sie die Faxen, Lieschen!" brummt« «r v«rblsstn, „es ist zu spät .... Es ist .... vorbei!' Als «r den siebenzigsten Geburtstag Acr Oenius. Auf der Straße zu der großen glän zenden Stadt wandelte der Genius, «ine lichte, hehre Frauengestalt dahin. Er betrat jetzt das Villenviertel. Vor einem stolzen Hause mit prächtigem Vorgarten hielt die Himmlische still. In dem Hause wohnte ein Tondichter mit stolzem Namen, und vor d«n trat sie. „Ich bin der Genius," sagte die Ge stalt, „nimm' mich bei dir auf!" „Wenn ich dich bei mir aufnehme," «ntgegnete der Tonkiinstler, „was willst du mir dafür geben?" d«ine Melodieen!" Der Genius griff zur Harfe und spielte; der Tondichter legte sich be quem in seinen weichen Sessel zurück und lauschte. „Das war sehr schön," sagte er, als di« Frauengestalt geendet hatte, „aber so heute nicht Kannst Ringen mit ein«r widerstrebenden Welt; von dem steilen, steilen Weg zur Höhe, zu einer Höhe, auf der der auf ihr Angelangte wie «ine Leuchtsäule durch die Zeiten und Völker strahlen würde; aber der Coinponist schüttelte und g!ng""^^" „Wunderbares Mädchen, deine Wis geh!" k St.dt des Stadttheils. Einen Feuerbrand wollen wir schleu dern in die Welt, ich will dich führen zu stolzer, einsamer Höhe, und wenn du dort stehst, dann sollst du vergessen Mühsale und Entbehrungen, Kummer Ben Tod." „Verrückt!" dachte der junge Dra matiker bei sich, und dann erhob er „Die Idee ist zweifellos groß und gewaltig; aber ich bin in einiger Ver legenheit, wie ich sie jetzt zur Ausfüh rung bringen soll. Ich habe andere Arbeiten da; Arbeiten, die nothwen dig sind, weil sie vor allen Dingen mir eine Position im Leben schassen sollen. Wenn ich die erst habe, nun, dann wollen wir auch einmal über die Sache sprechen. Ich bin sonst durch aus nicht abgeneigt; aber jetzt ist's unmöglich, ganz unmöglich." Der Genius stand und sah den jun gen Mann mit einem Blicke an, vor schlug; dann aber wandt« sich die Ge stalt und ging. Nun möcht« sie zu Niemand mehr gehen, und sie irrte planlos in der Stadt umher. Es wurde Abend, der Mond zog herauf, als sie sich müde auf einer Ban! in einer Anlag« niederließ. Da kam ein großer, bleicher Mensch des aber wunderbar glänzenden Augen. Als er den Genius sah, stutzte er; dann trat er auf die Gestalt zu und fragte: „Wer bist du, holde Frau? Sah ich dich doch oft in meinen Träumen nein Kummer und mich anspornte zu men wollte. Sprich! Wer bist du?" Die Gestalt erhob sich. „Ich bin der beste Platz dir gehören." dem blassen Poeten in dessen Hütte. stolzes Wert entstand .... Und siehe, als der Blasse gestorben veis«n, so plant man, in dieser Weise einen regelmäßigen Wrntersahrdienst einzurichten. Ein linzusrirdcner Riese. Ein »»zufriedener Mensch scheint William Patterson, ein biederer Schin delschneider des O«rtchens Niniveh, Pa., zu s«in. Wegen seiner Größe er mißt nicht weniger als 7 Fuß 4 Zoll heißt er allgemein im Volks munde „Pat Vane der Kavallerieriese." Er diente während des Bürgerkrieges als Freiwilliger im 22. Pennsylvani schen Kavallerie - Regiment und zog sich, da ihn der Quartiermeister nicht mit genügend großen Uniforinstücken zu versehen vermochte, Rheumatismus zu. Als Schinerzenspslaster bewilligte ihm Onkel Sam später eine monatlich« „Patßan «.' Pension von 12 Dollars. Obwohl Pat äußerlich ein Bild blühender Ge- bietetest er jetzt zur Ansicht sucht. „Pat" sieht d«r Entscheidung will. Diplomatisch. Mann: „Ins Bad kann ich Dich nicht schicken, das schlage Dir nur aus dem Kopf!" Frau (mürrisch): „Meinetwegen, aber der Arzt hat gesagt, ich muß mich zer koinmen!" Darum. Chef: „Schauen Sie nur unfern neuen Schreiber, der krachter Klaviervirtüose!" Schnelle Wandlung. Ein Bau«r führte Getreide zum Ver kauf in die Stadt und bringt einen co lossalen Rausch mit nach Hause. Bäue rin: „Aber Jörg, wo in aller Welt hast Du denn diesen fürchterlichen Rausch her?" Bauer (lallend): „Getreide