2 Selösterkenntniß. die, an Herz und Seele angelegt, die den Einfluß d«r Luft, und das Ther^ Wenn Winckler sagt: „Es ist ein Zei auch sicher leitet. Es gehört thatsäch lich ein großes Maß von Tugenden, als da heißen: Nachsicht, Milde, Güte, Verstand, dazu, die Fehler der Men andergehen beobachtet haben; muß selbst in der Lage gewesen sein, durch Monde, durch Jahre, durch Jahr zehnte sich an Härten deS Gatten, der zu verstehen, wieviel Seelengröße und Gelassenheit dazu gehört, hier ein Zu sammensein festzuhalten,das nur ganz, ganz wenig in seiner Harmonie gestört innerlich hie und da sich bemerkbar macht, wie der Schmerz einer kleinen, unheilbaren Wunde, die immer wieder ausbricht, immer wieder pocht, brennt, blutet, und doch nicht beachtet sein darf. Man muß erfahren haben, wie bei wenig vollkommenen Menschen das „Nörgeln" bei jedem Morgen neu be ginnt, und der unbequeme Fehler des mal tausendmal gerügt, getadelt, in heftigen Worten vorgehalten wird. „Das wird und wird nicht anders," schließt jeder Seufzer ja, klänge nur das Echo in der eigenen Brust: und Du wirst auch nicht anders, sonst könntest Du wohl endlich Stille und Friede dort geben, wo doch jedes Wort unnütz ist! Es ist bedauerlich, aber wahr, daß «s „unverbesserliche" Menschen gibt. Ich denke hier an jene, die, von der N atur stiefmütterlich behandelt, beim sten Willen zu eigenem Denken und selbstständigem Handeln nicht befähigt sind; an solche, die wir gern „etwas blöde" nennen. Noch mehr dinle ich an jene, deren Fehler so tief gewurzelt sind, daß sie ihnen Gewohnheit wur den; ich habe dann immer das Em pfinden, als sähe ich einen Baum stamm, dessen Rinde häßliche Risse und Auswüchse zeigt, für die wohl das Verhängniß, das heißt hier Wind und Wetter, verantwortlich zu machen sind. schwachem Willen und an solche, die in kindischerEitelkeit auch ihre Fehler rei zend finden und gar nicht einmal den Borsatz sassen, sich zu bessern. 'I Diesen „Unverbesserlichen" gegen über soll nun die echte und edle Tugend der Vollkommenheit sich bewähren. Es gilt, mit immer gleich bleibender Ge müthsruhe die immer gleich bleibenden ordentlichen unausgesetzt seine Sachen nachzuräumen, dem Geizigen es nicht zu verargen, wenn er heute wie morgen «r verhungern müsse; es gilt, dem Leichtfertigen nicht täglich seine alten Streiche aufzuzählen und neue zu pro nein, freundlich und nachsichtig. In diese Nachsicht darf sich nicht einmal die Ueberlegenheit mischen, die den an dern „wie ein Kind" abtrumpft und ihn reizt; es sei das Schweigen der E» tenntniß, daß wir allzumal Sünder Es gibt Menschen,die mit aller Welt in Zcmk und Streit stehen, wieder an dere, die hier hadern und dort lieben, und solche, mit denen auch der Unver iräglichste gut auskommt. Ich sehe in ihnen drei Stufen zur Vollkommenheit bezeichnet: die letzte Stufe die höchste! " O diese Kritiker! Mut bedeutenden Musik-Kritiker): „Ich glaube, in unserem Fritzchen steckt ein großes musikalisches Talent. Wenn v «inmal eine Melodie gehört hat, ver gißt sie in seinem Leben nicht mehr." Musik-Kritiler: „Hm —da mag er allerdings 'mal ein bedeutenderOperet — Das Schwerste. A.: „. . . »Die Nüchternheit!" Siegesgewiß. „Liebe Mitgift erkundigt!" Modern. „Fräulein, ist Ihr Der Lieölmg des Lagers. selbst hatten, eh« noch Onkel Sam auf Grund des Traktats mit den Jndia kees und Chockaws, im Jahre 1889 diese fruchtbaren Länd«reien, deren District, wo heute Acklogee steht, war anerkannte Liebling. Sie war ein rei zendes Kind; vom Vater hatte sie das goldene Haar und die tiefblauen Au gen, und von der Mutter die schlanke, anmuthige Gestalt und das herrliche Wesen. Ihr selbst aanz eigenthümlich indeß war das silberhelle Stimmchen und der Frohsinn, sodaß sie überall wohin sie kam, wie ein Sonnenstrahl wirkte, erheiternd und ermunternd. Wenn Martha nicht gewesen wäre, so würde wohl ihr Vater, den „Capt." Brandon zuerst auch nur als Eindrin gling mit scheelen Augen ansah, an dem rauhen Kentucky'er nicht einen so be reitwilligen, treuen Freund gefunden haben. Aber der „Captain" hatte die Kleine in's Herz geschlossen, seit dem ersten Tage, da sie ihm ihre Patsch händchen so zutraulich gegeben hatte bei der Begrüßung. So konnte es denn der Familie Spieker nicht fehlen. Der baumstarke Kentucky'er, dessen Einfluß aus zehn Meilen in der Rund« sich erstreckte, hielt gute Nachbarschaft mit ihnen, und bei Rath und That. Als der Winter kam, Familie Spieler. Ihr Land lag im das Wasser, das die Stutzen des Hau- hatt« sie sich, als dasselbe umgestülpt halb der Farm ihres Vaters stand. Mit sie denn gerettet. Einige Tage später, als das Wasser wieder abgelaufen war und man Ruhe zahlte, und wer bei der Ausloosung gewann, der sollte nicht allein das ganze Geld sondern auch den „Liebling des Lagers", wie die kleine Martha Spieler noch immer um wegen nur wenig gelitten hatte, auf Vaughan's Anwesen ein und machte den Plan zu Schande. „Was ist das hier?" schrie er, indem er schweren Schrittes und von seinem ältesten Sohne Dixie begleitet, in das Zimmer trat. „Ich bin der Erbe und Vertreter des Vaters dieses Kindes und Niemand wage es, mir dies strei tig zu machen. Ich habe sie lieb wie mein eigenes Kind, und meine Frau auch. Nicht wahr, Martha, Du kommst zu mir?" Und dabei bückte er sich und hob das rosige Gesichtchen der Kleinen in die Höhe. Martha schmiegte sich sofort zärtlich an ihn an. Nun, und so wurde es denn auch. Gegen Capt. Brandon's Wünsche wollte Niemand ankämpfen. Sie wurde von dem rauhen, aber sehr gutherzigen Kentucky'er einige Monate später ge setzlich adoptirt, und unter seiner und der Seinigen Fürsorge und Liebe wächst jetzt die kleine Martha heran. Zwei Hlrtljeile. Aus dem Ungarische» des Ludwin Bodrogi. Aller Phantasie bar, mit einfachem, grünem Tuch überzogen, steht langge streckt der Gerichtstisch da; vor dem Crucifix flackern kleine dicke Wachs kerzen mit ihrem gelben Schein; mit ihrer rauchigen Flamme beleuchten sie das gleichgiltige Gesicht des Staats anwalts und das Lächeln des zu lär mender Reclame sich anschickenden dür ren Vertheidigers. Zwischen zwei Justizsoldaten sitzt der Angeklagte. Sein Gegenüber ist der Gerichtspräsident. Ein hochragen der, stolzer Mann. „Bekennen Sie sich schuldig?" Der Angeklagte, ein Bauer im Lei nenkittel. mit ehrbarem Gesicht, steht manierlich auf, streicht sich mit seiner gewichtigen Hand das ergrauende Haar weißen Stinne und spricht: „Gnadiger Geri6,'shof! Alle zeug ten gegen mich, die dort waren, ich Tische des Gesetzes liegt. Ich habe es Weib? Es wär? das Beste für sie gewe todt ich wollte, ich wünschte seinen Tod; ich hätte auch die Frau erschla gen denn ich liebte sie, ich Nebte sie schreiend zwischen der Menge ein feu rig blickendes, frech -.ussehendes Weib verbarg so würde ich sie jetzt auch noch mit jener Axt erschlagen und das wäre sehr recht und ich wüßte selbst dann sehr Wohl, daß ich mich nicht schuldig fühlen würde." Der Präsident ließ ihn reden. Nicht einmal bei der Drohung Ivmkte er ihm ab. Voll gieriger Hast sprach er ihm in seiner Seele nach: „Ich schlug ihren Geliebten todt ich wollte, ich wünschte seinen Tod, ich hätte auch die Frau erschlagen denn ich liebte sie, ich liebte sie, ich liebe sie auch jetzt noch sehr er in seiner Seele nachsprach, langte er n.it einer Art fieberhafter Begierde nach der vor ihm liegenden blutigen Axt, hob sie leicht auf, riß sie dann krampfhaft empor und rief mit schmetternder Stimme: „Mit dieser?" „Jawohl, mit der, gnädiger Herr Präsident!" lautete die dumpfe Ant wort. Und in der Spanne Zeit der kurzen Antwort durchblickte das Erinne rungsvermögen des hochwohlgebore nen Herrn Präsidenten mit wahnsinni ger Eile die ganze Idylle, die ganze Komödie. Sie war eine arme Ger berstochter. Ihre Bildung bestand in einer Bibliothek schlechter Romane, dann dem lästigen Stickrahmen und der Häkelnadel. Doch der Kleidung nach eine Lilie, der Stimme nach eine Rosen erweckende Nymphe, in ihrem sorglosen Liede ahnungsvoll sinster, und dennoch, ach! in ihrem leuchtenden Blicke die geheimnißvolle Psyche, wäh rend sie ihn ansah, den würdevollen, ernsten, stolzen Mann, als ob sie, Ge fahr bergend, fragen wollte: „Gefalle ich Dir? Da bin ich, ich blühe, ich strahle pflücke mich! Du feierlicher, besonnener, ernster, strenger Mann! Ah, nicht wahr, ich gefalle Dir? Nun, so pflücke mich, ich werde Dein sein, nimm mich hin! Du wirst mich neh men, muht mich nehmen, denn ich bin schön schön, sehr schön, und Du starker, mächtiger, hochwohlgeborener Herr bist schwach, bist dumm, bist ver liebt bist ein Narr! Und er heirathete sie Und er war glücklich mit ihr, wie glücklich! Glücklich in markverzehren der Liebe, glücklich ohne Eifersucht! Sie ist ja ein solches Kind, solch' eine Frau ohne Falsch! Sie wollte keine Vergnügungen, keine Unterhaltungen, keine Liebesabenteuer keinen Tanz, keine Musik, keine Ritter; nur ihn den fünfzehn Jahre älteren Mann zu sitzen, der laut der unerbittlichen Anklagt und nach der wissenschaftli chen Meinung unbestechlicher Aerzte gemordet hatte gemordet mit Bor- Morgen hatte er bei einem unerwarte ten Oessnen der Thür die Mutter sei nes Kindes, die hochgewachsene Juno müssen! Er legte die Axt wieder auf den Tisch und rief die Frau des Bauern auf. „Ist es wahr, daß er Dein Gelieb ter war?" fragte er sie strenge. Aus dem Blicke seines Auges spricht die El ses Weib." das Weibsbild. „Wenn er es nicht war, warum hätte es Dein Mann denn gethan?" spricht der Präsident. „Weil er ein Narr war, weil er mit seinem grauen Kopfe eifersüchtig zu werden anfing; weil er auch das sah, was nicht ist" polterte die Frau ant wortend. ' „Eva, bei Deinem Glauben, bei Dei ner Seligkeit, bei Deinem Gotte, ge stehe es ein, daß der Bursche Dein Ge liebter war nicht wahr, er war es?" Befremdet blickte der Staatsanwalt den leidenschaftlich redenden Präsiden rem Lächeln seine eigene Kreuzfrage sich entschlüpfen, die er sicherlich nicht in so unglaublich leidenschaftlichem Tone ausgesprochen hätte, wie der Präsident. Nun wird es nicht mehr sein Verdienst sein, wenn die Frau ge- Präsidenten sein, wenn sie gesteht, daß der Bursche ihr Geliebter war. Welch' mächtiger mildernder Umstand und nicht er hat ihn herausgepreßt! Mit diesem mildernden Umstand sind es „Das kümmert mich wenig!" Es fiel etwas hart auf. Der Wachtmeister beeilte sich, die blutige Axt aufzuheben, welche aus der fest zu- Dann flüsterte er dem Wachtmeister in's Ohr: „Sie gehen zu der gnädigen Frau; ihre Mutter ist schwer erkrankt. Sie soll sofort, ver stehen Sie, sofort zu ihr Hinreisen. Dies Geld aber bringen Sie ihr als Reisespesen!" Sprach's und lehnte sich in sei nen Sessel zurück und urtheilte nach dem Gesetze und nach seinem Ge — Zug des Herzens. „Du solltest nicht nur nach Gold heirathen, auch nach Neigung!" „Aber schau! für's Gold hab' ich ja immer 'ne aus gesprochene Neigung gehabt!" Boshaft. „Der Hilki hat ja Ausverkauf wegen Todesfall! Wer ist denn bei ihm gestorben?" »Sein ein« Z>as Staubtuch. Bei uns gab's Grohreinmachen. Minna war um j6, ich um Uhr aufgestanden, die Reinmachesrau war um H 8 Uhr angetreten. Eine halbe Stunde später erschien mein Mann, tisch nicht wieder umgegangen wird, als sei das Trödelkram... Und dann," fügte er in freundlicherem „Ach bewahre, Männchen," fiel ich ihm lebhaft in's Wort, weil ich sofort merkte, daß er einen plausiblen Grund Diese Wirthshaus-Attaque hatte ich Uschis gestellt. Plötzlich polterte es sah neugierig auf die Straße hinunter, ölch herrjeh da stand ein pickelhau bengeschmückter Schutzmann und rief mir, sobald er mich erblickt hatte, zu: „Sie, das gibt's hier nicht! Staub tücher dürfen nicht auf die Straße ge schüttelt werden. Warten Sie, ich werde gleich hinaufkommen ..." Ich war sprachlos. In den Nach barhäusern wurden die Fenster geöff net, Neugierige gafften auf den Schutz mann und auf mich, sie meinten sicher, meine Verhaftung solle erfolgen. Der Schutzmann verschwand in der Haus thüre, und wenige Minuten später klingelte es. Ich ging selbst, um zu öffnen so etwas war mir doch in „Sie haben ein Staubtuch aus dem Fenster geschüttelt, Fräulein," begann er. „Ich bin kein Fräulein," fiel ich ihm ärgerlich in's Wort, „ich bin die Frau entgegnete er gleichmüthig, „die That sache bleibt bestehen; Sie haben sich gegen das Straßcnpolizei-Neglement gehenden nicht den Staub auf die Köpfe schütten, ich werde Sie anzei gen, dann kriegen Sie ein Strafman . ' t t t 'ch " centnerschwere Steine in meinem Staubtuch? So lange ich in dem Dorfe Schöneberg wohne, werde ich immer mein Staubtuch zum Fenste» hinausschütteln." „Dann zeige ich Sie regelmäßig an, und Sie erhalten regelmäßig ein Strafmandat." ertönte gereizt die Entgegnung. „Ist mir ganz gleich," rief ich em pört, „schicken Sie mir gefälligst Dutzende von Strafmandaten!" damit warf ich die Thür in's Schloß. Die Reinmachesrau und das Dienst fel angelockt, im Corridor erschienen, auch mein Töchterchen war hereinge kommen. Es wurden sehr kräftige Worte gewechselt, die Reinmachesrau so daß ich alle Mühe hatte, die Aufge> regten zu beruhigen. In diesen paar Minuten ist sicher gegen ein halbes Dutzend Paragraphen des Reichs glücklicherweise war kein Denunziant W der Nähe, sonst wäre uns allen Dreien Plötzensee sicher gewesen. Mein Töchterchen hatte sich ängstlich in eine zum Herzbrechen. Der Junge sah sie stöhlen? Hatte sie betrogen? Der hier, der wollte Mama holen." „Seht ihr," lachte mein Mann. „Mama hat wahrscheinlich heute die Strafmandat über 1 Mark, 3 Mark, 6 Mark oder so was. Muß ich das bezahlen, oder gibt es eine höhere In stanz?" „Natürlich," erklärte mir mein Mann, „Du mußt Widerspruch erhe ben, dann kommt die Sache vor das ob Du freizusprechen bist." „Aber denke Dir doch mal, Mann," betheuerte ich, „aus einem Fenster der tuch auf die Straße, mit dem ich eben die Ränder Deines Schreibtisches ab gewischt hatte, das Tuch war noch so rein..." „Das schadet Nichts," erwiderte er, „der Schutzmann wird schon Recht ha- Bestimmung existiren, nach der in dem Dorfe Schöneberg bei Berlin, weder Staub- noch andere Tücher aus den nach den Gassenfronten gelegenen Fenstern geschüttelt werden dürfen. Ich halte solche Polizeivervrdnung im Interesse der Sicherheit der Passanten sür durchaus geboten," fuhr er fort, und er lächelte mich spöttisch an, „denn sieh mal. Du kannst leicht unabsehba res Unheil anrichten. Du erwisch'sl zum Beispiel mit Deinem Tuch die ab geschnittene Spitze einer meiner schwe ren Cigarren. Die schüttelst Du zwei Stockwerk hinunter. Die Schwere der Cigarren und die Höhe darfst Du nicht unterschätzen. Wenn die Spitze einem ahnungslosen Spaziergänger auf den Kopf fällt, dann zertrümmert sie unweigerlich die Schädeldicke. Oder weiter: Du in Deiner Reinmache wuth packst mit einem kühnen Griff den ganzen Schreibtisch in das Staub tuch und schüttelst das sammt Inhalt steifen Armes zum Fenster hinaus, die 17 Bände des Coirversations-Leri kons, die Du mit hinunter wirfst, kön nen allein je einen Menschen tödten... „Du kannst Deine schlechten Witze nun einmal nicht lassen," sagte ich är gerlich, „selbst die ernsteste Sache ist Dir nicht heilig." „Das die Sache ernst, sehr ernst ist,"lächelte er, „verhehle ich mir keinen Augenblick. Man redet zwar immer davon, daß die kostbare Zeit der Ge-. richte sehr oft von den ailergrößten Lappalien in Anspruch genommen würde, aber in diesem, die ganzeHaus frauenwelt interes'renden Fall, in diesem echten und rechten tin ,ti> »!»->'!,--Fall würde i? doch " „Aus der Seele hast Du mir ge sprochen, Männchen," frohlockte ich, „es freut Dich also, wenn ich für die Rechte der unterdrückten MenschheU AusschUttelungs - Freiheit erkämpfen, koste es was es wolle!" Inzwischen hatte Klein-Licschen das vielbesprochene Staubtuch aus der Küche geholt und brachte es an den Tisch. Die Kleine mußte sich Wohl bei der Reinmacherei einen tüKtigen Schnupfen geholt haben, denn noch hatte sie mich nicht erreicht, da hatzi, hatzi! und sie drückte das Tuch unwillkürlich vor den Mund und wollte die Nase... hast doch ein Taschentuch. Das Staub tuch gieb mir sofort her, das brauch ich vor Gericht, als quod vrut >- aussehen, wie im Moment de: fürch terlichen That. Ob es aber genügen würde, das Tuch vor Gericht als Ent auf die Straße schütteln dürsten Die Namen aller berühmten Verthei diger schwirrten mir durch den Kopf; nur gelesen, wenn es sich um große politische Prozesse gehandelt hatte. Aber trotzdem hatte ich nicht auch eine große Sache zu vertheidigen? Jawohl, es war eine große Sache, diese Staubtuchausschüttelei Aus der Einsamkeit Schönebergs wollte ich keit Moabits. schon seine Bekanntschaft gemacht. Gedacht, gethan. In halbstündiger Rede irug ich ihm die entsetzliche Ge „Nun ja, gnädige Frau," sagte er sehr höflich, „wenn Sie mir Ihre Vertretung übertragen, dann werde Ich schüttelte energisch meinen neuen Sommerhut. „Es steht da eine Prin zipienfrage vor Gericht," meinte ich, „die will ich allfällig durchkämpfen." „Wenn Sie durchaus wollen," ant wortete der Anwalt, „dann unter schreiben Sse mir, bitte, draußen bei Als ich dein Rechtsanwalt das For „Ach, Sie wohnen in Schöncberg. Ja, das wußte ich nicht, das hätten Sie mir gleich sagen sollen. Schöneberg ist Vorort, und die Vororte gehören zum Landgericht 11. Ich bin aber nur beim Landgericht I zuständig. Da sen bitte, hier ist seine Adresse." bisher waren mir Landgericht I und Landgericht II böhmische Dörfer ge wesen. .Rechtsanwalt Dr. Bauer, Landsberger Allee," las ich auf dem Zettel. Ich nahm eine Droschke und fuhr hinaus nach dieser mir nur dem Reihe. Ich betete mit Ernst und Eifer bem Ohre zu, er blätterte bald in die sen, bald in jenen Acten, unterschrieb Schriftstücke, las in allerhand Bü chern ... „Ach," sacste er schließlich, als ich zählt hatte, „das Beste ist, Sie bezah len die paar Mark, die in dem Straf mandat verzeichnet si.nd. Die ganze Sache ist doch nichts Welterschüttern des ..." „Bitte sehr," antwortete ich, „das dürfen Sie nicht auf die leichte Achsel nehmen. Davon hängt das Wohl und Wehe der Hausfrauen Schönebergs ab." „Gut, wie Sie wünschen," meinte der Anwalt, „das Weitere besorgt mein Bureauvorsteher." Bei dem mußte ich wieder eine Voll macht unterschreiben, zugleich wurde mir eine Quittung über 40 Mark Vorschuß vorgelegt. „Wir kennen der Bureauvorsteher. Ich zahlte seuf zend die 40 Mark, unterschrieb und gab Vollmacht und Quittung dem An walt. „Alles in Ordnung!" meinte der, „nun geben Sie mir auch das Stras „Strafmandat?" stotterte ich er röthend, „Strafmandat? Ich habe ja noch gar keins ich denle, ich werde erst eins kriegen!" „Herr Bureauvorsteher," rief da der Rechtsanwalt und schleuderte mir ei nen vernichtenden Blick zu, „geben Sie der Dame den Vorschuß zurück und zerreißen Sie die Vollmacht.... Un glaublich, was diese für noch raisonniren, als ich, geknickt wie zwei Lilien, die Bureauthür von außen zumachte. - Es sind nun sechs Monate vergan gen. Ein Strafmandat ist nicht ge kommen. Für morgen habe ich die Reinemachefrau bestellt, die Wohnung ist wieder reif für eine gründliche Säuberung. Ich werde wahrscheinlich wieder in dem Arbeitszimmer meines Mannes beschäftigt sein, ich werde mit demselben Staubtuch die Ränder des Schreibtisches abwischen. Das. Fenster wird wieder offen stehen. Nun frage ich, nichl nur die Hausfrauen umliegenden Städtchen und die des ganzen Reiches: „Soll ich es wieder riskiren, das Staubtuch zum Fenster hinauszuschütteln?" Aus einem modernen gerettet!"