Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 06, 1897, Page 2, Image 2

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    2 Am Zarenhofe.
merkwürdiges Bild hat Professor A.
Brückner im ersten Bande seiner „Ge
schichte Rußlands bis zum Ende des
18. Jahrhunderts" von dem russischen
Hose im 16. und 17. Jahrhundert ent-
Gemahlinnen, Töchter und Schwestern.
Von Iwan IV. bis zur ersten Ehe
Peters Großen, diese mit einge
warben, hoben sie ausdrücklich hervor,
«inst Jemand im Palast der Mutter
Peter'S des Großen unvermuthet be
delnde Arzt sie nicht sehen; den Puls
genuß und an dm Geschäften berufen."
In der Verlegenheit.
„Als Sie neulich so spät nach Hause
die erhobene Stimme Ihrer Fraii und
„Ja, ja, meine Frau
hat mir noch 'n bißchen applaudirt!"
—Künstle r r a ch e. Nachdem
der berühmte Gedankenleser N. im
Städtchen Nestheim wegen schlechten
Besuches seine Vorstellungen einstellen
Platze. N. N. Gedankenleser."
te Kassenreviston.
Bon Friedrich Thieme.
An einem trüben, nebelschweren
Märzmorgen ging Albert Neumeister,
der Prokurist und Vorsteher der Fi
liale eines angesehenen Bankinstituts
in einer größeren Industriestadt, mit
schmerzendem Kopfe in den Straßen
der Stadt spazieren.
Der Bankvorstehe? Pflegte für ge
wöhnlich nicht so früh aufzustehen,
doch heute hatte ihn ein unerträgliches
Kopfweh vom Lager auf und in's Frei
getrieben. Die kalte, frische Morgen
luft wirkte wie lindernder Balsam auf
seinen brennenden Kopf; halb unbe
wußt schritt er weiter, als er ur
sprünglich beabsichtigte, und gelangte
in das Arbeiterviertel, wo trotz der
frühen Stunde es war noch nicht
acht Uhr die Läden und Berkaufs
locale bereits geöffnet waren. In ge
schäftiger Eile zogen die Bewohner des
Viertels an dem Spaziergänger vor
über, bestrebt, ihre verschiedenen Ar
beitsstätten zu erreichen.
Plötzlich blieb Neumeister erstaunt
stehen, eine Gestalt, die eben aus einem
der Läden trat, bannte unwillkürlich
seinen Blick.
„Welch' wunderbares Zusammen
treffen." murmelte Neumeister vor sich
hin. „Das ist ja mein Freund Vogt.
Geht der auch spazieren? Oder was in
aller Welt treibt er so früh in diesem
Theile der Stadt?"
Ernst Vogt war der Kassirer der
Bankfiliale, sein langjähriger Mitar
beiter und bester Freund. Beide hatten
am Abend zuvor am Stammtische der
„Wolfsschlucht" lange zusammengeses
sen. Neumeister wollte dem Freunde
nachrufen, der hastete jedoch so schnell
dahin, daß er bereits um die nächste
Ecke verschwunden war. So verzichtete
len, utid schritt neugierig' dem Laden
zu, den der Kassirer soeben verlassen
hatte. Was mochte dieser wohl hier in
diesem Viertel gekauft haben? Vielleicht
Cigarren, denn die rauchte er leiden
schaftlich.
Neumeister warf einen forschenden
auf das Schaufenster des Ge
schäftes und stand verdutzt still.
Die Waaren, welche dort ausgelegt
waren, bestanden aus Jagdgewehren,
Revolvern, Pistolen und Patronen.
Der Laden enthielt eine Waffenhand
lung. Was konnte der Kassirer in ei
nem solchen Geschäft zu thun gehabt
haben?
Einen Augenblick überlegte Neumei
ster. Dann tauchte eine sonderbare
Idee in ihm auf. Kurz entschlossen
trat er in den Laden.
Herrn?" fragte er endlich.
Gedanke, während er immer eiliger da
hinfchritt. Vogt's Vater, der am
Platze ein Eisenwaarengeschäft be-
Neumeister beschloß, sich unverzüg
lich Gewißheit zu verschaffen.
Das Geschäft von C. W. Vogt be
fand sich ganz in der Nähe. Der Bank
liorstrtzer eilte hin und öffnete, selbst
athemlos vor Hast und innerer Bewe
gung, die Thür des G:schäftslocals.
„Ist Herr Vogt zu sprechen?" redete
er den an seinem Pult sitzenden Lehr
ling an.
„Ich werde ihn sogleich rufen."
Kaum erblickte der rasch herbeige
holte Kaufmann, ein rüstiger Sechzi
ger mit halbgiauem, spärlichem Haar,
den ihm wohlbekannten Prokuristen,
als er verlegen wurde und seine Züge
einen unsicheren Ausdruck
Jedoch versuchte er, freundlich zu 'lä
cheln, und streckte dem Freunde des
Sohnes die Hand entgegen.
„Guten Morgen, guten Morgen!
So früh schon auf den Beinen? Wel
cher Ursache verdanke ich das Vergnü
gen Ihres Besuches?"
„Kann ich Sie einen Augenblick un
ter vier Augen sprechen?"
Der Kaufmann wechselte die Farbe.
„Bitte," sagte er mit mühsam erzwun
gener Fassung und öffnete die Thür
des neben dem Laden belegenen kleinen
Comptoirs.
Neumeister trat ein; seine unheil
volle Ahnung fand Bestätigung in dem
unsicheren Benehmen des alten Man
nes.
Vogt schloß die Thür witder sorg
fältig und wandte sich daivn mit ge
preßter Stimme an den Gast.
„Sie sind der Ueberbringer irgend
einer Unglücksnachricht, ich ich sehe
es Ihnen an. Handelt es sich etwa
gar um meinen Sohn?"
Der alte Mann schaute dem Besu
cher angstvoll in's Gesicht.
Dieser beeilte sich, ihn zu beruhigen.
„Nein, nein," erwiderte er freundlich.
„Aber vielleicht steht ein Unglück b»vor,
wenn nicht rechtzeitig Schritte gethan
werden, es zu verhindern. Vielleicht
irre ich micki auch und quäle mich un
nütz. Sie können mir Gewißheit ge
ben, Herr Vogt, Sie allein!"
„Was könnte ich —"
„Sie sint doch überzeugt, daß ich
Ernst's aufrichtiger Freund bin?"
„Sie haben es tausendmal bewie
sen."
„Gut, so hören Sie denn. Durch ei
nen Zufall habe ich vorhin Ihren
Sohn in dem Augenblicke überrascht,
als er sich in der Nordstraße einen Re
volver kaufte."
lch fürchte, er brütet über ei-
Urfache!" schrie der alte Mann auf.
„Ich dachte es mir," versetzte Neu-
„lch will Ihnen Alles offenbaren,
heit?"
„In entsetzlicher Notb. sagen Sie
ich nicht bis vergangenen Donnerstag
Mittag das Geld bezahlte, so wäre ein
paar Stunden später mein Local ge
pfändet worden. Ick hätte den
Schimpf nicht überlebt! Mein Zustand
grenzte an Wahnsinn! Dabei wußte ich
schwer gekämpft, endlich gab er nach in
der festen Zuversicht, das Geld vier
undzwanzig Stunden später wieder an
seinen Platz legen zu können. Ich
glaube, daß er seitdem nickt einen ruhi
gen Athemzug gethan, nicht eine sor
genfreie Minute verlebt hat."
zurück?"
„Ich konnte nicht. Durch einen
schrecklichen Zufall erkrankte mein Ge
währsmann während einer Reise, so
daß er nicht rechtzeitig zu Hause an
langte, um die Sendung an mich ab
gehen zu lassen."
„Konnte er nicht telegraphisch Auf
trag ertheilen?"
„Nein, er mußte die Summe erst
flüssig machen. O. Herr Neumeister.
Sie wissen nicht, was ich in den zwei
Tagen ausgestanden habe! Jeden Au
genblick hoffe ich auf das Geld —"
„Aber in zwei Stunden ist es zu
spät, um zehn Uhr ist Kafsenrsvision!"
„Ich weiß es ich weiß es! Was ist
zu thun, liebster, bester Herr? Rathen
Sie, helfen Sie!"
Der Bankvorsteher ließ sich erschüt
tert aus einen Stuhl nieder.
„Herr Vogt, Sie haben Ihren Sohn
in eine entsetzliche Lage gebracht. Die
Schande, welche Ihnen bevorstand, ist
bei Weitem geringer als die. welche
Ihres Sohnes im Falle der Entdeckung
wartet. Seine Ehre ist für immer ver
loren, ja, wie es scheint, sogar sein Le
ben. Er wird den Tod der Schmach
vorziehen!"
Der alte Mann zerraufte jammernd
sein Haar.
„Mein Gott, wer konnte solchen
Ausgang voraussehen! Ich mach: mir
ja die heftigsten Vorwürfe. Wenn er
nur wenigstens nicht Hand an sich legt
o. retten Sie ihn, retten Sie ihn!"
„Sie wissen, was meine Pflicht m>r
eigentlich
Neumeister drückte beruhigend des
alten Mannes Hand.
»Wie können Sie daran nur denken!
Er ist mein Freund, und wenn er es
auch nicht wäre, so würde es ein Ver
,,So ist Alles verloren?"
„Besitzen Sie keine Möglichkeit, sich
das Geld auch nur für einige Stunden
aushilfsweise zu verschaffen? Wenn
wir nur über die Revision wegkommen,
Achseln. „Mein Credit ist ruinirt!"
Ihnen das Geld zur Zahlung eines
Wechsels vorstrecke. Eilen Sie aber,
denn möglicherweise muß er das Geld
Katastrophe —"
„Ich hoffe nicht. Die Erfahrung
lehrt, daß solch' ein Vorhaben bis zum
Wirkens. Hofft Ihr Sohn noch auf
das Geld?"
„Ich weiß es nicht. Er war heute
früh um sechs Uhr hier, nachdem er die
ganze Nacht ruhelos umhergeirrt ist.
„So hofft er also; doch Gefahr ist
jedenfalls im Verzuge. Ich eile zu
ihm, um ihn bis zu Ihrer Rückkehr
den^ zu lassen.
von dem Vorfall Kenntniß besike."
„Ich danke Ihnen danke Ihnen
Damit stürmte der alte Mann hin
aus, indeß sich der Bankvorsteher in
fliegender Eile zu feinem Freunde aus
2.
Die Junggefellenwohnung des Kaf
sirers befand sich im zweiten Stock ei
nes kleinen Hauses, dessen Besitzerin,
eine ältere Dame, zugleich für die
häuslichen Bedürfnisse ihres Miethers
sorgte. Neumeister sprang mit ein
paar Sätzen die Treppe empor, klopfte
leise an die Thür und trat, ohne erst
das „Herein" abzuwarten, it» das Zim
mer.
Der Kassierer saß aus dem Sofa,
den Kopf in die Hand gestützt, allein
Anschein nach düster vor sich hinbrüt
tend. Bei dem Eintreten seines Freun
des fuhr er uschreckt empor und zeigte
demselben ein verstörtes, bleiches, über
nächtiges Gesicht. Er erhob sich rasch,
um den Freund zu begrüßen. Er schien
in hohem Grade bestürzt, weil er
wahrscheinlich seine That schon ent
deckt glaubte.
Der gutmüthige Neumeister beru
higte ihn sofort hierüber, indem er
harmlos lächelnd sagte: „Guten Mor
gen, Ernst, wie geht's nach der gestri
gen Kneiperei?"
Der Kassierer blickte seinen Kollegen
einen Augenblick prüfend an. Was
wollte der Prokurist schon so früh in
seiner Wohnung? Ein derartiger Be
such war zwar schon vorgekommen,
gleich einen etwas scheuen Bilck nach
der Thür warf: „Guten Morgen, Al
bert! Wie kommt es, daß Du —"
„So zeitig auf bist, willst Du sa
gen? Du mir ja Bei-
Dich, Albert."
sen Borschlag nicht offenkundig werden
lassen.
Vorsteher, der wohl ahnte, was in dem
Geist des Freundes vorging, ihn auf
merksam beobachtete.
Neumeister hatte den Blick aufgefan
gen, den der Bewohner des Raumes
vorhin auf die Thür fallen ließ. Er
folgte der Richtung mit den Augen und
stellte f-st, daß der AuSgeherock des
Beamten dort an einem Haken h'7.g.
„Aha," dachte der Bankvorsteher,
„in der Tasche dieses Kleidungsstückes
befindet sich zweifellos der Revolver."
„Ich muß mich davon überzeugen,"
fagte Neumeister zu sich selbst, worauf
er sich mit einem erkünstelten Seufzer
an Vogt wandte: „Höre, Ernst, Du
könntest mir einen großen Gefallen
„Was steht zu Diensten?"
„Eine Tasse starken, schwarzen Kaf
fees, hast Du noch eine übrig?"
„Leider nein, aber ich kann vonFrau
Pohlig sofort Kaffee aufgießen las
sen." '
„Du würdest mir einen großen Ge
fallen erzeigen. Nur thut es mir
leid, die alte, asthmatische Dame her
aufzubemühen —"
„O. ich werde selbst hinuntergehen."
Ernst Vogt ergriff mit Freude die
Gelegenheit, seinen Freund auf kurze
Zeit zu verlassen.
Hastig schickte er sich an, den Wunsch
Neumeisters zu erfüllen. Sobald er
die Thür hinter sich geschlossen hatte,
sprang der letztere auf, erreichte mit
zwei Sprüngen den Platz, wo der Rock
des Kassierers hing, und fühlte sofort
in der rechten Seitentasche das gesähr-
Rasch zog er die Waffe heraus, ent
fernte geschickt die Patronen und schob
sie dann in ihr früheres Versteck zu
rück, worauf er seinen Stuhl wieder
beugt."
Nach einer Weile kehrte der Kassie
rer mit dem verlangten Getränk zu
rück, das der Besucher mit anscheinen
der Behaglichkeit schlürfte. In Wahr
heit fühlte er sich jedoch nichts weniger
als behaglich, denn erstens konnte der
Freund jeden Augenblick den ihm zu
gefügten Verlust entdecken, und zwei
tens peinigte ihn die Furcht, daß sich
der rechtzeitigen Beschaffung der ver
untreuten Summe irgend ein Hinder
niß in den Weg stellen möchte.
„Das wohl, wenn man noch
chen? Es ist gleich Neun."
Beide begaben sich darauf an die
Stätte ihrer täglichen Wirksamkeit,
der Bankvorsteher hocherfreut, wenig
selbst zu thun.
Mit liebenswürdigem Lächeln betra
ten die Revisoren das Geschäftslokal,
Kommerzienrath. „Wir haben Eile;
heute Nachmittag trifft ein hoher Be
amter aus Tokio, der im Austrage der
gehenden Betrachtung unterzieht, zum
Besuche unseres Institutes ein. wir
müssen daher unter allen Umständen
bleiches Gesicht dem Geldschrank zu
drehte.
„Wollen Sie die Güte haben, Herr
Kommerzienrath; hier ist das Kassa-
Vogt."
zählte.
Vogt hielt sich krampfhaft an der
Tafel fest plötzlich sagte » leise:
befindliche kleine Gemach, welches zu
vertraulichen Conferenzen mit den
Kunden der Bank diente.
Neumeister blickte ihm angstvoll nach.
sagte ihm genug: draußen stand der
Vater des unglücklichen Kassierers.
„Ist es noch Zeit?" fragte der alte
das Geld?"
sucht, die tödtlichen Geschossener Waf-
Kasse gebeugten Männer einen stren
gen, fast gebieterischen Blick zu.
„Meine Herren," nahm er dann ru
auf den Freund geheftet. Was ge
dachte dieser zu sprechen? Wußte er
etwas von der Defraudation?
„Eine Differenz, wieso?"
„An der Kasse fehlen dreitausend
Mark." ß ' H d
»Also doch? Ich glaubte, ich hätte
„Nein, ganz und gar nicht. Dil
2S. März, also gestern, einen Wechsel
einem Male die ganze Sachlage, den
Besuch des Freundes, den Verlust der
Patronen, nur wie der Vorsteher von
er sich nicht zu entrath-
Mit einem Ausdruck des Dankes
empfing er die Banknoten, welche Neu
meister anscheinend aus dem bezeichne-
Wie vorher vor Qual und Furcht, so
wußte er sich nun vor Freude kaum zu
fassen. Als die Revision vorüber war
und die Herren sich eiligst empfohlen
hatten. un> den nächsten Eisenbahnzug
nicht zu versäumen, stürzte Ernst Vogt
in das Konferenzzimmer, wo siH Neu
meister hinbegeben hatte, schloß die
Thür hinter sich, um nicht von den
Kassenboten belauscht zu werden, und
warf sich weinend und dankerfüllt an
des Freundes Brust.
.Wie Du es auch erfahren haben
magst, Du hast mir einen Dienst gelei
stet, den ich nie vergessen werde. Dir
verdanke ich Ehre und Leben!"
„Ich habe nur gethan, was jeder An
dere an meiner Stelle ebenfalls thun
seiner ganzen Zukunft büßt?"
„Also das weißt Du auch —"
„Alles, und ich hätte nur gewünscht,
„Doch jetzt lag mich hinaus, Deinen
Vater aus seiner Angst zu reißen."
„Da ist er schon."
Richtig, da war er sch»n. Er hatte
die Herren das Haus verlassen sehen
zähmt. Auch er vergoß Thränen der
Rührung und Dankbarkeit, zugleich
klagte er sich selbst auf das heftigste
tzen den Hergang berichieten.
„Es versteht sich, daß das Geheim
niß dieses Tages allezeit unter uns
bleiben muß," schloß der Bankvorsteher
ergriffen. „Niemand darf darum
wissen, nicht einmal Deine nächstenAn»
gehörigen. Ernst."
„O, meine arme Braut!" rief dieser
bewegt. „Wenn sie es geahnt hätte, sie
wäre vor Qual gestorben."
„Laß es gut sein, Ernst," beschwich
tigte ihn Neumeister. „Du hast schwer
genug gebüßt."
„Das weih der Himmel," schluchzte
der Kassierer. „Ich werde des heutigen
Tages nicht vergessen, sollt' ich. auch
hundert Jahre alt werden. Trotz
dem —"
„Sprich nicht so, lieber Ernst, Dein»
Worte treffen mich bitter. Bin ich
nicht der Hauptschuldige?" fiel ihm
beschämt der alte Kaufmann in die
Rede. „Ohne die Hilfe Deines Freun
des und eines wunderbaren Zufalles
hätte ich das Berderben über Dich her
aufbeschworen. Ich Thor glaubte die
eingebildete Schmach nicht ertragen zu
können und hätte bald große, untilg
bare Schande auf Dein Haupt gela
den. Niemals wieder will ich Dich mit
meinen Sorgen behelligen, das habe ich
mir in diesen entsetzlichen Stunden ge
lobt. Lieber den Bankerott, als noch
mals diese Todesangst!"
„Sie haben recht, Herr Bogt. Ein
unglücklicher Ausgang hätte Sie auf
ewig belastet. Lieber einen ehrenhaften
Konkurs, als eine so theuer erkaufte
Scheinexistenz. Sie haben redlich ge
arbeitet; Niemand kann einen Vorwurf
gegen Sie erheben. Wer kann für Un
glück?"
Noch am selben Tage traf das er
wartete Geld von dem Geschäftsfreun
de des Kaufmanns ein, um auf der
Stelle in die Hände Neumeisters zu
wandern. Der alte Vogt beherzigte
des letzteren Rathschläge; er gab es
auf, eigene und fremde Mittel an die
vergebliche Rettung eines Geschäfts zu
verschwenden, das nicht mehr zu retten
war. Dank der Bemühungen seines
Sohnes und einiger Freunde braucht«
er den Konkurs nicht anzumelden,
sondern brachte einen anständigen Ak
kord zustande, worauf er eine Stellung
als Geschäftsführer annahm, in deren
Besitz er sich feit langen Jahren zum
erstenmal wieder sorgenlos und glück
lich fühlte.
Auch in der Brust deS Kassierer?
hielt die Heiterkeit allmählich wieder
ihren Einzug, die dunkle Stunde lag
hinter ihm wie ein schrecklicher Traum,
und nie wurde ihrer, laut stillschwei
genden Uebereinkommens, mit einer
Silbe von den drei Männern gedacht.
Ernst Vogt machte bald darauf
Hochzeit. Als er in den Wagen stieg,
um an der Seite der Geliebten in sein
Heim zu fahren, konnte er sich jedoch
nicht enthalten, den bewährten Freund,
der ihm als Brautführer gedient hatte,
zu umarmen und ihm die Worte zuzu
flüstern: »Das danke ich Dir, Albert;
und nie werde ich diese Kassenrevisiion
vergessen!"
NahnmgSsorgen.
Die Frau des Hauses am Schreibtisch
sttzt.
DaS Haupt gestützt in die Hände,
Sie betet, daß Gott einen Lichtstrahl
ihr
In das Dunkel des Geistes sende.
Wie schwer das Menu sich zusammen
stellt
Für das große Festessen morgen
Es giebt doch nichts Schrecklicheres auf
der Welt
Als zu kämpfen mit Nahrungssorgen.
frei halten!" Schulze: „Ich bin's
nicht, der Einjährige Müller thut's!"
„Wenn Sie sie zurücknehmen, zahl« ich
Ihnen das Doppelte!"