2 Aie kleine ?nssy. I Ein altes Weib hatte den Brief. den, und jetzt drehte und wendete ich den gelblichen Zettel rastlos und etwas bestürzt zwischen den Fingern. Von wem kam die Botschaft nur? Es waren „An den Detectiv im Hauptquartier Rudolph Wendt. In vier Monaten ist meine Zeit hier um. Ich habe Dich Darunter war, ebenfalls mit einem Stück rother Kreide oder Farbstoff, ein Todtenkops gezeichnet, in rohen Um rissen zwar, aber deutlich erkennbar. Und als Unterschrift war in die Ecke gekritzelt: „Jackson". Das war die Botschaft. Ich sann und sann, aber von den vielen Namen, mit denen ich während der letzten Jahre in meiner ausreiben den Thätigkeit zu thun gehabt hatte, war dieser Name, Jackson, gerade von so vielen getragen worden, entweder als Alias oder mit Recht, daß ich mich erst gar nicht auf denjenigen entsinnen „Welches Räthsel ist es denn, das Sie beschäftigt, Rudolph?" frug er. Aber Sinn: Roswell Jackson ist's. indem seine dunkien Augen grimmen, unversöhnlichen Haß sprühten: „Du entgehst meiner Rache nicht. So sicher wie ich jetzt machtlos bin, so sicher brei Jahre her, ich erinnerte mich deut lich. Er mußte mir den Warnbries ge schickt haben, gewissermaßen um sich als ehrlicher Feind zu erweisen und Aber was konnte ich thun? Wie konnte ich seine Pläne vereiteln? Ich grübelte nach, aber es wollte mir kein rettender war, mußte ich einige enge, schmutzige Gassen auf der Westseite passiren. Das Pflaster war schlüpfrig vom aufge „Wie heißt Du Kleine?" frug ich. „Pussy, Herr so hat mich Mama „Wer sind Deine Eltern?" „Ich habe keine mehr Mama liegt fort." DÄ?""""" Sie schüttelte den Kopf stumm vnd resignirt. Ich überlegte. „Willst Du mit mir kommen. Pussy?" frug ich dann. Sie stand sofort auf und faßte meine Hand ohne Scheu. Es war ein hübsches Kind, nur sehr bleich, und seine Kleidchen waren ganz algerissen und durchnäßt vom Regen. Ich nahm sie mit nach Hause. Meine Frau, die gute, liebe Seele, hatte nichts Eiligeres zu thun, nach dem ich ihr die Geschichte erzählt, als einer hübschen, jungen Frau wohl ihrer Mutter darin. Aber sonst nichts, was die Identität des Kindes verschnörkelt, das Wort „Pussy". Thür, mit einem blinkenden Messer in der Hand, stand Roswell Jackson der Blick, den er mir zuwars, war Ver den und stürzte. Wie der Blitz hatte seinen und hob das Messer hoch in der Lust, bereit zuzustoßen. Ich schloß die Augen und gab mich verloren. Plötzlich fühlte ich, wie ein Ruck durch seinen Körper ging, und mit ihn fragen: „Wo hast Du das Me daillon her?" „Und wo ist sie jetzt?" frug er. zu Hause." „Oh, so bitte ich, flehe ich, führe sie einen Moment zusammen. Jackson d."eb an der Schwelle stehen, sein Ge sicht war wie verwandelt. Alle Mord lust, aller Hab war daraus verschwun- den. Mit strahlenden Augen blickte er das eine Wort: „Pussy!" Da breitete ich, wie dieser Mann, der mir soeben noch das Leben hatte nehmen wollen, zärtlich sich über sein Kind beugte und wie ihm die hellen Thränen die Wan gen hinabliesen. Schon in mancher eigenthümlichen Situation hatte ich während meiner vieljährige» Thätigleit als Detectiv mich befunden, aber noch in keiner wie an jenem Abend, wo Roswell Jackson friedlich an meinem Tische saß und sich nicht satt hören konnte an Erzäh lungen, die meine Frau ihm über sein Kind mittheilte. Ich will mich kurz fassen. Jackson ,r>ar, wie ich seitdem erfahren, ur verdient, um feinem Töchterchen ein behagliches Heim zu verschaffen. Nie mand würde heute in ihm den ehema ligen Verbrecher vermuthen, und wenn wir uns in der Straße treffen, so schüttelt er mir jedesmal krä?.ig die Hand und ein glückliches Lächeln leuch tet ihm aus den Augen. Das kleine Medaillon habe ich aber bebalten. Es ist mein „Mascotte" wer weiß wozu es noch einmal gut ist. Hewitternacht. Von W. Stahl. Eine interessante alte Dame nann ten sie die Einen und die Anderen nannten sie wunderlich. Alt war sie, sehr alt, aber sie ging noch ungebeugt, sie verwaltete ihr Ver mögen selbst und obgleich sie in der Stadt wohnte, leitete sie von dort die Bewirthschaftung ihrer Güter und hielt alljährlich strenge Abrechnung mit ihren Beamten. Sie machte auch noch in jedem Jahr große Reisen und Iva» eine muthige Bergsteigerin. In einem der großen Berghotels in den Alpen lernte sie einmal ein junger Künstler kennen und er verliebte sich in die fast achtzigjährige Frau. Das heißt, er verliebte sich, wie sich ein Künstler in einen interessanten Stoff für seine Kunst verliebt. Der silberhaavige Charakterkopf der Greisin fesselte ihn mehr als die jun gen. schönen Frauen und Mädchen der internationalen Hotelgäste; er füllte heimlich ein ganzes Skizzenbuch mit Zeichnungen dieses Kopfes, dessen Ge heimniß er zu ergründen suchte heimniß. In einer Gewitternacht passirte ihm etwas Seltsames. schast der alten Dame zu machen, die sich im Fremdenbuch: Alma Schmiedeck nannte und doch eigentlich aussah wie Bald war er der Einzige, mit dem sie ausschließlich vertehrte, und sie zeigte ihm ein fast mütterliches Wohl wollen. Gewitter los, dessen Donner und Sturm in den Felsenthälern schauri gen Wiedevhall fand. Hilmar, der junge Künstler, wollte sich eben auf die Veranda des Hotels begeben, um das großartige Natur schauspiel zu genießen, als es laut an feine Thür pochte. Mit aschfahlem, verzerrtem Gesicht und zitternden die die Kerze ihren sonst so Ilaren, muthigen Augen war ein fast wildes Entsetzen zu le sen. Er blieb bei ihr, bis das Gewitter vorüber war. nacht, das ihm das Räthsel ihrcö We sens löste. handelt. Als er in die Welt ging, um sein Glück zu machen denn er war nichts und hatte nichts habe ich bitterlich geweint, aber es waren Kinderthränen Jugendfreund. In all dem Glanz und Festjubel vergaß ich die Ketten, die mich wund Wonneschauer machte mich erbeben. Gehörte mir nicht die Welt mit aller Herrlichkeit? Wald Schmiedeck ein reifer Mann in der vollsten Blüthe des Lebens, und er hatte noch dep sonnigen, herzens- Bergesscn war die Welt mit ihrer Eitelteit, unsere Kindheit blühte em- All der Glanz, das Licht, die süße, Wie ein Verbrecher, der vor den Richterstuhl geschleppt wird, lag ich in meiner Wagenecke und nicht ein Wort Bis in den äußersten Winlel des Hauses floh ich, er hätte seine Thür nicht zu verriegeln brauchen ich Ware nie freiwillig zu ihm zuruckge kam es daher, aber ich fürchtete kein Wetter, ich trat an das nächste Fenster und sah, wie die Blitze mit bläulichem Feuerschein. Wie rasend stürzte ich die Treppe hinunter. Ich muhte an seiner Thür vorbei. Qualm und Rauch drangen ter. hatte der Qualm meinen Gatten er Wahrscheinlich hätte ich ihn auch nicht retten tönnen. Die verriegelte Thür war sein Verhängniß. Der Blitz, der im Nebenzimmer eingeschla gen, mußte ihn halb betäubt haben, so Thüre nicht finden tonnte. Aber ich weiß, daß ich ihm nicht ge holfen haben würde, auch wenn ich Mein Gewissen beruhigte sich. Ich war nicht schuld an seinem Tode. Die wie einen Hund von seiner Schwelle zu weisen, hatte mir das Leben gerettet. Ich sah das Gericht Gottes in die- Jch war jung, schön und r:ich. Nun kam das Glück. Ich heirathete Oswald Schmiedeck o, ich war glücklich! Wir hatten einen Sohn es fehlte uns nichts. Ich hatte die Gewitternacht und den heiseren, gräßlichen Hilferuf vergessen. Aber mein Gatte und Sohn starben vor Millich stehe in diesem hohen Al die Gewitternächte ich fürchte sonst nichts keine Todesgefahr würde mich zittern machen ich fürchte nur die Stimme die heisere, wimmernde Stimme, die ich stets zwischen Blitz und Donner höre den Hilferuf, dem ich nicht folgte " Die Greisin schwieg. Hilmar hatte ihre Hand gefaßt, er hielt sie fest. Er gedachte wohl einer hundertjäh rigen Edeltanne, die er in den Bergen gesehen, vom Sturm gebrochen. An ihrem Stamm war eine alte, vernarbte Wunde sichtbar gewesen und an dieser Stelle hatte sie das Wetter gefaßt. Hin Zlrtlieit. Kiinstlerjlizze von I. Hayden. „Mademoiselle Rachel," meldete der Leibeigene des Fürsten Orlow, als sich an einem Herbstabende die hohe Peters burger Gesellschaft in den Salons die- Die lebhafte Unterhaltung stockte. Alle Blicke wandte» sich erwartungs voll der mit gelben Brocat-Portieren umhüllten Flllgelihüre zu, auf deren Schwelle nun die Künstlerin stand. Fürst Orlow eilte ihr entgegen und an seinem Arme trat sie in den glän zenden Kreis. Die Kunstreise der Rachel nachßuß land fi.el um den Anfang der Mer Jahre unseres Jahrhunderts. Vom Oriente her drohten damals schwarze Orlow mochte in dessen gemüthlichem Künstlerheim Zerstreuung. Ruhe und Anregung nach schweren Berufspflich ten suchen. Ja, es schien, als ob die geniale Künstlerin die Macht besäße, die Sorgen dieser Großen zu verfcheu sicht des Feldmarschalls Menschikow Jalire 1836, Mademoiselle," unter konnte mich nicht abschrecken." „Ein ungünstiges Urtheil über Ihr Talent?" frugen Alle auf's Höchste erstaunt. „Ein Urtheil, so vernichtend." er zählte Rachel, „daß, hätte ich mich ein schüchtern lassen, mir heute nicht die Ehre zu Theil geworden wäre, in Jh- Rathe jenes „Sachoerständigen" ge folgt, so wäre ich vielleicht heute eines jener armen Blumenmädchen, die auf den Pariser Boulevards eher Mitleid als Bewunderung erregen." die Muse küßte Ihre Stirne!" rief die die in Paris kleine Handelsgeschäfte ohne Erfolg betrieben. Bei Tagesan- Bruch lief ich In Holzpantoffeln an die Seine, um Wasser zu holen, das ich Muth und ging zu Provost, einem der bedeutendsten Mitglieder des „Theatre Francais", um vor ihm Probe zu spie- Blick. Meine schmächtige Gcstalt, mein für meine 17 Jahre finsterer Gesichts- Als ich geendet hatte, sagte Provost: „Du willst Schauspielerin werden? Kleine! Weder Deine Gestalt, noch Stolz bekämpfte sie. Ich eilte nach war im Jahre 1838. Sie begeister- Jhres Genies!" stert hatten: „Endlich, endlich!" sah ich an eine Coulisse gelehnt, Provost, jenen Rücksichtslosen, der mir Alles, Alles abgesprochen hatte. Seine überkam plötzlich, eingedenk seiner Worte von damals, ein Gefühl süßer Rache! Ich trat auf ihn zu, und in dem ich ihm eine Fülle herrlicher Blu men entgegenhielt, sagte ich schalkhaft: „Wünschen Sie Blumen? Ich würde mich freuen, Ihnen welche überreichen zu dürfen!" Und Provost, der mein Spiel den ganzen Abend mit Interesse verfolgt hatte, wünschte mir Glück und bereute sein voreiliges Urtheil ja, dieser Meister wurde in der Folge mein treuester Anhänger." Fürstin Demidow, die sich gleich den anderen Herrschaften erhob, rief freu dig bewegt: „In der That, Sie haben jenes Urtheil zu Schanden gemacht, meine liebe Rachel!" „Man muß eben ein wenig Talent, viel Fleiß - und Herz haben!" erwi derte bescheiden die Künstlerin. Fatal citirt. A.: „Was hab' ich gehövt, Sie wollen ja Schau spieler werden?" B. (mit Pathos): „Gewiß, ich werde eines von „den Brettern, die die Welt bedeuten." Der fragt nicht mie de Aber, mein lieber Freund, sa kiirze Nase haben? Damit ich sie nicht in aller andern Leute Angelegenheiten stecken kann! Schlecht herausgezo gen. Wie? Der Herr Rath nicht zu Hause?! Ich sehe ihn ja doch durch diese Thüre! Nein, was mein Herr lügen kann! Zu mir sagte er, er sei ausgegangen! Günstiger Fall. Sepp: I hab seit a paar Tagen a miserables Zahnweh; ! muß zum Bader un mir den ausziage lassen. Ambras: Da that i doch die paar Tage no warten; Sunntag is Kirmeß, wird doch e bis se! g'raust, vielleicht schlagen's Dir'n Kindlicher Stolz. El sa: Du weißt doch, seitdem sich Papa zur Ruhe gesetzt, wohnen wir in un serer Villa. Und jetzt haben wir auch ewen Portier bekommen. Rcbetchen^ Avthur: Ich habe dte Wahl zwischen rathm, Fritz? Fritz: Di/Liebe ist Zwang und Drang. Eine unendliche Fülle des DrangeZ zum Guten, Hohen. Schönen stirbt unter dem Zwange der Verhältnisse. Könnte sich jede edle Regung ossenba ren, jede Herzensneigung entfalten, jeder liebe Wunsch die Erfüllung sehen, dann würde nicht nur sehr viel Güte zur That, die jetzt als sehnender Ge danke dahinstirbt wie ein vertrocknen der Keim, sondern die Menschenkinder wären alle glücklicher, weil sie nicht um das zu trauern brauchten, was in ihrer Seele verkümmert. Wie oft bricht sich der Seufzer Bahn: „Ja, wenn ich könnte, wie ich wollte!" und fast im mer ist's ein edler Drang, der dem Zwange unterliegt, fast immer ein gu tes Sehnen, das ungestillt zurücktreten muh. Man preist die Willenskraft. Maa feuert de» Willen an, daß er schier Un mögliches erreicht, und ist er erst mit ganzer Energie auf ein Ziel gerichtet, dann erfüllt sich meistens die poetische Hyverbel: die Sterne reißt's vom Himmel, das eine Wort: ich will! Aber wenige Menschen sind solche Willenshelden; wenigen ist die starke Fähigkeit gegeben, sich in genialer Wunsch, das Sehnen, aber selten ist unsere Kraft so groß, daß sie dm Zwang überwindet. Wer hat nicht schon in sich selbst die behaupten, daß diese Untugend in ihrem Charakter liegt? Ist es nicht richtiger, anzunehmen, daß sie unter dem Zwange verheimlichter Verhält nisse steht? Oder sie erscheint herzlos. Auch das ist vielleicht nur die Maske, unter der die Stolze das Leid über ihre gebundenen Hände verbirgt. „So wenig aufmerksam," lautet das Ur theil, wenn die erwarteten Blumen an einem Geburtstage, das erhoffte Ge schenk an einem Hochzeitstage ausblei ben. Könnten wir der also Beurtheil- Achtung, Verehrung sind gar starke Fesseln, gegen die der Drang des eige nen Herzens matt zusammenbricht. Jener Sohn möchte Techniker werden, die Mutterliebe hält ihn fest am hei mischen Herde. Die Tochter möchte sich in thätiger Menschenliebe ihr wei gen Berufe walten, oder als Arzt wir ken; jeder Nerv ihres Wesens drängt zu solch kräftigem, menschenfreundli chem Schaffen. Aber die Familie hält sie fest in ihrem Bann, das Vorurtheil des Standes tritt knechtend dazu, und Kindesliebe lehrt: sich fügen! Es ge hen aus solchem Zwange nicht immer verfehlte Existenzen hervor; die meisten Herzen finden ja überall dort Befriedi gung, wo sie erfüllter Pflicht leben. Aber wenn ich Menschen begegne, die, trotz aller Pflichterfüllung und Be scheidenheit in ihren Ansprüchen, dann und wann in Ungeduld auslodern oder in Bitterkeit schweigen, dann sag' ich mir entschuldigend: das sind Herzen, denen durch das ganze Leben nicht der eigene Drang, sondern fremder Zwang den Weg wies. Richte milde!