2 Zersetzungen der Kinder. Unvorsichtigkeit und Muthwillen fügen den Kindern oft durch Fallen, Stoßen, Schneiden etc. äußerliche Ver- zu, und es bleibt bei gerin licher sind, als das Kind selbst ahnt licht, um einer gesürchteten Strafe zu entgehen. Durch diese Verheimlichung von äußerlichen sind gen, durch Fall oder Stoß erzeugt, be dürfen in der Regel keiner ärztlichen Hilfe, sondern es genügt, beim frischen taltes Wasser getaucht sind; dasselbe geschieht bei einer blutenden, gerisse nen oder mit Hautverlust verbundenen Wunde, bis dieVlutung aufgehört hat, wo sie dann gehörig abgetrocknet und mit Heftpflaster bedeckt wird, womit man die Wundränder zugleich in einer vereinigten Lage zu erhalten sucht; kleine Schnittwunden läßt man aus bluten und zieht sie dann ebenfalls mit Heftpflaster zusammen. Ist aber eine größere, klaffende Wunde entstanden, so wende man kalte Wasserumschläge, und, wenn dießlutung nicht bald auf hören will. Druck auf die Wunde an, vis der Arzt kommt und die Wunde regelrecht verbindet, nötigenfalls hef tet, oder deren anderweitigeVedeutung prüft. Kopfwunden durch Fall soll man nu so gering nehmen, wie an an achte aufmerksam, ob das Kind auch nicht schläfrig, oder im Gesicht blaß, oder ob es gar übel werde und Brech neigung zu erkennen gebe, das sind be hirnerschütterung «der Schädelverle tzung. Bei jeder stärkeren Kopfver» letzung mache man sofort kalte Um- Handlung in die Hand nimmt. Es ist sehr wichtig, das nach jedem erhebli cheren Falle des Kindes, mag es mit oder ohne Quetschung und Wunde ge schehen sein, namentlich auch bei dem nackt ausgezogen und an seinem Kör per untersucht werde; war es auf den Rücken gefallen, so muß die geringste Formveränderung, jedes Schmerzge fühl bei Druck oder Bewegung im Ge- Änochen, hinreichender Grund werden, das Kind vom Arzt untersuchen zu lassen. Wenn Eltern aber, wie so oft des Kindes daraus entwickelt. Ueber haupt mache man es sich zur Regel, bei einem Kinde nie eine schmerzhafte Gutes Mittel. unter die Veranda seines Hauses zum Kaffee. Dieses Momentbild schickt er seiner Gattin mit freundlichem Gruße zu. Am anderen Tage war sie schon zu Hause. Unverschämte Foppe rei. „Du, der Plauschhuberist ganz rntrllstet über Dich, daß Du ihn vorige Woche aus der Eisenbahn so barsch an geschnauzt hast!" „Was? Der Trops?! hab' und fragt mich, wo die Vergnü gungsreise hingeht!" Abgewunken. Herr: , Fiau lein, ich habe Ihr Herzchen gesunden und gebe es nur gegen einen entspre chenden Finderlohn." Dam:: ..Fin derlohn? Zu was? Bei Ihnen isi et ja gut ausgehoben." Herr: „O neint Fremdes Eigenthum muß zurückerstat tet werden." E i n e s e i x e N a y t: A.: „Ob wohl die olympischen Götter auch nä hen tonnten?" B.: „Gewiß! Wenn z. B. dem seligen Zeus ein Hemdenknops fehlte, nahm Frau Juno die Nadel der Kleopatra, dann den Ariadnefaden, machte einen gordischen Knoten und nähte drauf los." Das junge Deutsch land. „Die Schriftstellerin Federkiel schreibt ja jetzt auch realistisch." —„Bei «wer Dame doch erklärlich, die zu den „Jüngsten" gerechnet sein will." Begründet. „Aeh, lieber Punnwitz, warum Plötzlich Lauf schritt?" „Haus von Schwieger mutter Passion!" . Ein verfeyttes Leven. Es war drückend heiß. Die schwüle Luft regte sich nicht. Am Himmel glühte es in jenem kupferfarbenen Roth, wie es einem schweren Ungewit ter vorauszugehen Pflegt. Selbst die Vögel des Waldes und der Wiese schwiegen, als ob sie den nahenden se, unheimliche Stille, und nur ab und zu das ganz ferne Rollen des Donners war vernehmbar, wenn sich an der düsteren Wolkenwand im Süden das Wetterleuchten zeigte. Auf den Fel dern lag das Getreide im Garben am Boden, und das dustende Heu auf den Wiesen umher war schon zur Fahrt in Fernab, hinter einem manneshohen Gitter, lag das Herrenhaus von Ring heim, und im Grün des Partes, der das weitläufige, altmodische Gebäude umgab, sah man die hellen Kleider der Kinder und Frauen durchschimmern. Quer durch die flache Landschaft,durch die ein träges Fliißchen sich dahin schlängelte, führte ein Pfad, und auf diesem schritt ein Mann in den Vierzi gern müde und langsam dahin. Sein schwielig, aber er machte nicht den Eindruck eines Arbeiters, sondern den eines Herabgekommenen, der einst auf den Höhen des Lebens gestanden und dann herabgestiegen oder herabgefallen war. Sein Gang war schleppend und er stützte sich beim Gehen mühsam auf einen Knotenstock. Aber er war nicht nur körperlich erschöpft, sondern man sah ihm deutlich an, daß das ganze Dasein auf Erden keinen Reiz mehr für ihn habe. Er war ein tief Un glücklicher, ja mehr, ein Mensch, der die Hoffnung verloren. Er war auch fehr ärmlich gekleidet. Sein Rock war abgeschabt und bestäubt, und seine nie dergetretenen Schuhe klafften; um den mageren Hals schlang sich ein rothes Halstuch. Als der Wanderer auf dem Steg angelangt war, der das Fliißchen überspannte, hielt er inne, nahm sein blaues Bündel vom Rücken und setzte sich auf den Prellstein. Dann blickte er lange in die Ferne. Sein Auge schweifte hin nach dem Herrenhaus und als die schwere Abendluft ihm das fröhliche, silberne Lachen der spielenden Kinder und das muntere Kläffen ei nes Hündchens an's Ohr trug, da seufzte er tief auf. Ueber die durch furchten, grambewölkten die von erloschenen Leidenschaften förmlich durchwühlt schienen, bahnten sich die Thränen leise einen Weg durch den Staub, der auf der Haut lagerte. Er wischte sich die Zähren ab mit dem Rücken der Hand und starrte dann düster in das murmelnde Wasser zu seinen Füßen. So saß er einige Zeit, unbeweglich, träumerisch, und nur ein Seufzer schwellte ab und zu seine Brust. Ein ungeschlachter Knecht in Holzschuhen und mit einem Rechen ging an ihm vorüber, der den Fremden mißtrauisch, feindselig ansah und ihn nicht grüßte. Der stille Mann merkte es nicht. Seine Gedanken waren weit, weit. Die Dämmerung schlich allmä lig heran, und die Wolken thürmten sich in immer größeren Massen am Firmament auf, bleigrau, mit schwar zen Rändern. Und noch immer sann der Wanderer und sann. Seine Kindheit stieg herauf seine glückliche Kindheit, als er, ein fröhli cher, blondgelockter Knabe, dort in je nem schattigen Park spielte, sich hier auf diesen Wiesen und Feldern tum melte, im Fliißchen plätscherte und im großen, tiefen Dorfteich, der dort gleich hinter dem Part anfing und bis an die Mauern der grauen, moosbedeckten Kirche reichte, schwamm und tauchte nach Herzenslust. Ja, das waren glückliche Zeiten, damals lächelte ihm das Glück und die Sonne strahlte hell und heiter. Wie genau er sich erinnern tonnte auf Alles was wohl aus jenem langen, dür ren Candidaten wie hieß er nur noch gleich? Leberecht, ja richtig, Le berecht Fuchs aus Sachsen gewor den war, der ihm und seinen jüngeren Bruder, Felix, damals im Schweiße seines hagerenAngesichts di« Anfangs gründe das Latein und Griechischen Und die Stirn des Träumenden umwölkte sich wieder. Sein jüngerer Bruder Felix hieß er, der Glückliche. Ob er wohl glücklich geworden war? Welche Thorheit es eigentlich war, damals als er, der Aeltere, dem jlln verschmäht hatte! Welche Thorheit! Und doch, wer weiß! Manche Men schen haben nun einmal kein Talent zum Glücklichsein, und er selbst war wohl ein solcher Mensch einer mit dem Cainszeichen des zum Unglück Ge- und wenn er in Deutschland geblieben und Majoratsherr auf Ringheim ge worden wäre, so wäre sein Leben ge ßerlich wären die Ilmstände andere gewesen. Das war der ganze Unter schied. Aber ach, diese langen, trüben, bit teren Jahre da drüben in Amerika! Sie kamen ihm vor, da er jetzt darauf zurückblickte, wie eine ungeheure Sand wüste. mit kaum einigen winzigen Orsen in der ganzen Fläche. Niemand sollte von ihm hören, so wollte es sein eiserner Stolz, und Niemand hatte von ihm gehört in diesen langen Lo Jahren. Allein, ohne Hilfe, hatte er sein schweres, sein kummervolles Lo?s getragen, und kein Freund, lein lie- bendeS "Neib hatte ihni die Bürde er leichtert. Wie verfehlt sein ganzes Leben war! Nur Nieten hatte er gezogen. Und doch war auch er einst ein fröhlicher, lachender Knabe gewe sen, dem die Worte Sorge und Un glück unbekannte und ungeahnte Be griffe waren. Aber in Amerika, wo die Luft rau her weht und wo für grübelnde Sen timentalität kein Raum ist, da waren ihm die letztenJllusionen geschwunden. Er entsann sich deutlich des Gefühls völliger Vereinsamung und der Her abwürdigung, als er in den Kohlen minen des westlichen Pennsylvanien, nachdem er vergeblich in den großen Städten der atlantischen Küste seinen Unterhalt zu verdienen versucht hatte, gearbeitet hatte wie ein Negersklave, er, der Jüngling aus vprnehmemHau se. Arbeit schändet nicht, hatte man ihm gesagt in Amerika. Nein, gewiß nicht, das thut sie auch nicht, die Ar beit nicht. Aber die Gemeinschaft mit diesen rohen, harten, thierischen Gesel len aus allen Winkeln der Erde, Slo vaken, Walliser, Polen, Jrländern, nur wenigen Söhnen seines eigenen Heimathslandes das entwürdigt und bringt den Menschen herab auf ein Niveau, wo man die Gebote der Sittlichkeit und des Anstandes wohl oder übel schließlich vergißt. Und viel besser war es ihm auch später nicht ergangen, wiewohl er sich den Wind aus allen Theilen des uner meßlichen Landes hatte um die Nase wehen lassen in den Prairiestaaten des Nordens. Ueberall war's ihm nicht geglückt. Wie sollte es auch! Nützli ches, für Amerika Nützliches, hatte er nicht gelernt in der Jugend, und selbst seine Kenntnisse vom väterlichen Gute her fruchteten hier nichts Boden, Bewohner, Verhältnisse, Bearbeitung waren grundverschiedene. Tagelöhner, Bergmann, Farmknecht das war so der Kreis gewesen, in dem sich die W Jahre seines Aufenthalts in der mäch tigen Republik jenseits des Meeres be wegt hatten. Mühevolles Leben, kar ges Leben. Und dazu sein verhäng nißvoller Trotz, der ihm die Rückkehr nach der Heimath verbot! Wohl hörte er durch einen Dritten einmal zu fällig in San Francisco vom Tode seines Vaters und daß es jetzt nur von ihm selbst abhänge, zurückzukehren, den Bruder aus dem Hause zu drän gen und Besitz zu ergreifen von dem blühenden Erbe. Aber nein er wollte so nicht wiederkehren, mit dem schlagene zu sein. Da zog er's vor, als ein Verschollener im Gedächtniß derjenigen weiter zu leben, die ihn nur der Heimath ein Bettler, ein Lump. Schwer rang sich der Athem aus seiner Brust. „Wat deiht ju Heer?" Ohr des Wanderers. Vor ihm stand gend an. Der stämmige, hünenhafte Mann schwipste mit der Peitsche in der Luft, um die Antwort zu beschleuni gen. Das Plattdeutsch kam dem Wande rer etwas schwer an, aber er antwor tete doch in derselben Mundart wie der Fragende, und das besänftigte txn Letzteren. Ja, er ließ sich sogar her bei, etwas zu erzählen über die „ge strenge Herrschaft". Ja, sagte er, der gnädige Herr und die gnädige Frau führten eine sehr glückliche Ehe, und die sechs Kinder seien alle gesund, bildhübsch und wüchsen heran zur Freude ihrer Eltern. Das Gut ge deihe prächtig. Nächste Johann! soll ten noch 90 Morgen vom Gehöft des „ollen Snut", der sich im „Bramwin" zu Tode gesoffen, hinzukommen, und die Ernte Heuer falle ungewöhnlich günstig aus. Ob da nicht ein älterer Bruder da sei, der eigentlich das Gut hätte erben sollen? Verdutzt schaute der Mann den Wanderer an. Aller dings, meinte er, sei ein älterer Bruder der Zeitung gestanden, llebrigens, fügte der Mann hinzu, sei das besser so wie es sei, denn der jetzige Herr lebe sein Glück selbst thöricht mit Füßen Mann. Der Wanderer setzte sich nieder auf den Prellstein und blickte in's rau schende Fliißchen hinab, das Zusehens anschwoll bei dem Regenguß. Der Sturm heulte und pfiff und die Blitze zuckten am Himmel wie feurige „Nutzlos! Ein nutzloses Leben!" murmelte er vor sich hin. Da stieß ihn ein Fuß, und aufbli ckend sah er einen schlanken, hohen Kerzengrade erhob sich da der Wan derer und blickte dem Andern in'» Au ge. Er sah ein Antlitz vor sich, in dem Güte, Pflichttreue, Energie in schöner Harmonie sich ausprägte. Es war Aber nur der Eine erkannte den An deren. Die Züge des Aeltesten waren von Noth, Wetter, Gram und bitterer Reue so von ihrem Original abgeiui sich. Dann sagte der Aeltere mit dumpfer, wankender Stimme: „Ich habe Nach richt von Ihrem Bruder!" „Von meinem Bruder?" Und die Züge verfärbten sich. „Ich glaubte, er Amerika. War ich falsch berichtet?" „Nein, Ihr Bruder i st todt", sagte der Wanderer. „Er starb wie er ge lebt unglücklich." „Armer Bruder! Armer Detlev!" war sein Berhängniß." „Er trug mir auf, Sie aufzusuchen und seine letzten Grüße zu überbrin gen." Der Jüngere drückte dem Boten be wegt die Hand. Dann frug er: „Und kann ichJhnen selbst irgendwie nützen? Sie waren ein Freund meine.s armen Bruders, nicht wahr? Bedürfen Sie Beistand, er soll Ihnen gern und reich lich gewährt sein." Dem Aelteren durchlief ein Schüt teln den Körper, aber er sagte dumpf: „Nein, danke, ich bedarf nichts mehr." Und er wandte sich und ging schnell über den Steg, mitten durch die breite Wiese, nach der Kirche zu, wie Je mand, der genau den Weg kennt. Der Regen rauschte. Die Gewit terwolken lagen schwer über dem gan zen Horizont und derßlitz fuhr hernie der,von polterndem.schweren Donner be gleitet. Die Dorsstraße war leer. Der Fremde bog um die Kirche uyd lief auf den Teich zu. Am nächsten Morgen fand man da rin seine Leiche. Er hatte endlich Ruhe und Vergessen gefunden. Die Aekrame Schwieger mutter. Der junge Arzt Dr. Parlow ge hörte nicht zu denjenigen Menschen, die von der Natur die beneidenswer the Fähigkeit erhalten haben, sich zur Geltung zu bringen. Fast ein halbes Jahr schon saß er in der Kreisstadt Holstendorf in der Mark und noch im mer war seine ärztliche Praxis gleich Null. Zu stolz, um die Gunst des Publikums zu werben, übte er in al len Dingen eine vornehme Zurückhal tung, die aber von der Holstendorfer Gesellschaft als Bescheidenheit, wenn nicht gar als Schüchternheit aufgefaßt wurde, und beide Eigenschaften sind schlecht- Empfehlungen für einen jun gen Anfänger. Da er außerdem die Unvorsichtigkeit begangen hatte, sich zu verheirathen, «he er das Pflaster von Holstendorf betrat, so wurde ihm naturgemäß auch das Interesse ver sagt, das fürsorgliche Mütter an jun gen Leuten zu nehmen Pflegen. Er hatte so gar nichts Jmponirendes in seinem Wesen. Sein bescheidenes Aul treten, sein blutjunges, bescheidenes Frauchen, sein bescheidener Haushalt, ja selbst sein bescheidener Name, das alles wurde nach und nach Gegenstand eines gewissen Mitleids. In Holsten dorf waren die Pumpschulzens und die Schottinüllers die tonangebenden Fa milien und bei diesen war es ausge macht, daß Dr. Parlow „ein herzlich unbedeutender Mensch" und seineFrau ein „ganzes großes Gänschen" sei, wenn man sie schließlich auch als ein „recht niedlichesPaar" gelten ließ. Dr. Parlow sah ein, daß seine Existenz in Holstendorf in Frage stand, denn nichts ist für einen jungen Anfänger verhängnißvoller, als über den Ansang nicht hinauszukommen und ewig ein junger Anfänger zu bleiben. „So geht es nicht länger," sagte er eines Tages nachdenklich zu seiner Frau. „Entweder muß ich mich mit verlassen." „Möchtest Du nicht noch einmal dem Fabrikanten Schottmüller einen Besuch machen?" fragte Elisabeth be sorgt. Der genannt« Schottmüller war ein reicher Wittwer, der es nach glücklicher Versorgung seiner Töchter liebte, alten und jungen Damen ge- Wilhelm schüttelte entschieden den Kopf. „Mit Eomplimenten erreicht „Ich wünschte ihm eine schwere Krankheit, die kein Arzt heilen kann," rief Elisabeth. „Aber Kind!" „Und die Du dann natürlich heilen müßtest. Dann wärst Du auf einmal durch." Wilhelm lächelte trübe. „Das hast lesen. In der Wirklichkeit geht es an ders zu. Ich sage Dir, Schottmüller würde eher sterben, als daß ihm der Gedanke käme, mich an sein Kranken bett rufen zu lassen." Elisabeth versank in düsteres Schweigen. weig reinen Ruch,' fagte sie endlich. „Aber ich möchte an Mama schreiben. Bis jetzt haben wir ihr unsern traurigen Zustand ver schwiegen. Aber was Hilft'S! Ein mal muß sie es ja doch erfahren." „Sie ist eine kluge Frc.u," bestätigte Wilhelm. d Elisabeth schrieb und die umgehend eintreffende Antwort lautete: „Ich komme!" Uns Frau Bornemann kam. Sie war eine schöne, imposante Erschei nung. Zur Höhe ihrer Gestalt stand die Fülle ihrer Glieder in schönemVer hältmß. Die großen Augen hatten ei nen eigenthümlichen Glanz und dos leicht ergraute Haar hatte trotz der fünfzig Jahre an Fülle nichts verlo ren. Vornehmheit und Güte schienen von ihr auszustrahlen. Ihr lebhaftes Mienenspiel zeigte bald den Ausdruck liebenswürdiger Verbindlichkeit, bald jenen beherrschenden Blick, den nur geistige Ueberlegenheit zu geben ver „ Donnerwetter!" sagten die Nach barn, die sie zufällig gesehen hatten, „eine solche Schwiegermutter hätten wir dem Doktor garnicht zugetraut." Bei ihrem Anblick schöpften die jun gen Leute neuen Muth. Man brauch te sie nur zu sehen und ihre Stimme zu hören und unter dem Blick ihrer Augen zu stehen, um die Gewißheit einer sröhlichenZukunst zu empfangen. Sie ließ sich von ihren Kindern eine eingehende Schilderung der städtischen Verhältnisse geben und hatte sodann bald ihren Feldzugsplan gemacht. Schottmüller wohnte in einer rei zenden, reich ausgestatteten Villa, die sich außerhalb der Stadt unmittelbar neben der Fabrik in einem kleinen ent zückenden Garten befand. Er war ge rade dabei, den Springbrunmn in Thätigkeit zu setzen, als ein Wagen vorfuhr, dem der Doktor nebst Frau und Schwiegermutter entstieg. Schnell löste Schottmüller den Hahn aus, daß der Brunnen hoch emporsprudelte und den marmormen Engel in der Mitte in ein zartes Netz von Wasserstrahlen hüllte; dann ging er artig dem Besuch entgegen. Die Vorstellung erfolgte. Mit Ken nerblick ließ Schottmüller sein Auge über Frau Bornemann gleiten, die in dem kostbaren Seidenkleide mit der Diamantbrosche am vollen und doch zierlichen Halse vornehm wie eine Für stin aussah. Dann reichte er ihr mit einer tiefen Verbeugung den Arm und führte sie in den Salon der Villa. Zu ihnen gesellte sich Fräulein Plump schulze, eine ältere Verwandte Schott miillers, die seit dem Tode der Haus frau dem Hauswesen vorstand und in steter Eifersucht die Schritte des Haus herrn bewachte. In ihrer unscheinba ren Nähe erschien Frau Bornemann doppelt bedeutend. „Sie wollen gewiß sehen, FrauVor nemann, wie es dem jungen Paare geht," so begann Herr Schottmüller die Un^rhaltung. „Dieses weniger, Herr Schottmül ler," entgegnete Frau Bornemann mit einem scherzhaften Anfluge. „Ich wollte mir den Ausreißer nur zurück holen. Ja, denken Sie! Er hat es ja gar nicht nöthig, zu practiziren. Er sollte die Universitätscarriere einschla gen. Kein Opfer wäre mir für dieses Ziel zu groß und Professor v. Schlei derer, der berühmte Physiologe, dessen Assistenzarzt er lange Zeit war, hat ihm das günstigste Prognostikon ge stellt. Er aber besteht darauf, erst als praktischer Arzt seine Tüchtigkeit zu erproben." Herr Schottmüller betrachtete den jungen Arzt mit verwunderten Bli cken. „Wie, Herr Doktor? Sie haben eine solche Vergangenheit und dies er fährt man jetzt erst?" „Er legt auf solche Nebensächlich keiten keinenWerih," entgegnete schnell die Mutter. „Ja, sehen Sie, es hat eine kleine Verstimmung zwischen uns gegeben. So oft ich ihn auch zurück rief, er wollte Holstendorf nicht ver lassen. Freilich gestehe ich offen, nach dem ich diese reizende Stadt kennen gelernt habe, kann ich seine Hartköp figkeit verstehen, wenn auch noch nicht verzeihen." Ihr verbindlichstes Lächeln beglei tete diese Worte. Schottmüller fühlte sich in seinem Lokalpatriotismus tief geschmeichelt. „Bleiben Sie längere Zeit bei uns, verehrte Frau, und Sie Irerden es ihm hoffentlich auch noch verzeihen." Frau Bornemann verneigte sich dankend. „Die Liebenswürdigkeit der Bewohner ist gewiß nicht daran schuld, wenn ich einer so freundlichen Einladung nicht nachkommen kann. Ich bin sozusagen auf der Durchreise. Schon in der nächsten Woche muß ich in Hohenwaldau sein." „Ach das reizende Hohenwaldau!" rief Schottmüller entzückt. „Und Sie „Derßittergutsbesitzer ist mein Vet ter." nicht irre?" „Derselbe. Es ist aber nicht blos die äußere Verwandtschaft, noch viel mehr ist es die innere Harmonie der Seelen, was uns zueinander zieht. Und dann liebt es mein Vetter, auch in wirthschaftlichen Dingen den Rath so einer alten Gutsbesitzersfrau, wie ich bin, zu hören. Sie sehen, Herr Schottmüller, ich bin unersetzlich," lieber Gast sein würden?" stehenden Reisedispositionen nicht än dern. Noch längere Zeit wurde die Unterhaltung in der angeregtesten Weise fortgeführt, und als sich dann der Besuch verabschiedete, ließ es sich Herr Schottmüller nicht nehmen, die Dame zum Wagen zu geleiten. „Auf Wiedersehen, meine gnädigste Frau," sagte er, indem er verbindlich ihre Hand an seine Lippen führte. Erha ben und gütig wie eine Göttin grüßte sie noch einmal zum Wagenfenster hin aus und mit einer Auffrischung im Herzen, wie er sie selten empfunden hatte, ging er in seine Villa zurück. Das gab ein Aufsehen in Holsten dorf! Fast mit der Schnelligkeit eines elektrischen Funkens machte das, was Schottmüller erfahren hatte, die Run de durch die ganze Stadt. Dr. Par low, Assistenzarzt des berühmten Phy siologen Professor v. Schleiderer, Universitätscarriere, kein Opfer wäre ihr zu groß gewesen, das Geld dazu mußte also da sein, Vetter Rittergutsbesitzer Baron Senden, alte Gutsbesitzersfrau! So hatten sich also die Plumpschulzens und die Schottmiillers schwer geirrt. Dr. Par low war gar lein so unbedeutender Mensch. Jetzt entsann man sich auch, daß sein Name mit demjenigen des be rühmten Physiologen gelegentlich der Operation beim Fürsten Rodanski in den Zeitungen genannt war. Der Schwede! Sich so zu verstellen. Und seine Vorliebe für Holstendorf war doch eigentlich rührend, wie seine Be harrlichkeit selbst einer solchen Schwie germutter gegenüber auf edle Männ lichkeit deutete. Wer noch etwa zwei felte. und Zweifler gab es ja über all, besonders bei den Damen der wurde vollständig überzeugt, als Frau Bornemann in den nächsten Ta gen noch weitere Besuche machte und mit ihrer Liebenswürdigkeit und gei stigen Ueberlegenheit die Plumpschul zens und Schottmiillers umstrickte. Der erste Eindruck, den Frau Borne mann gemacht hatte, vertiefte sich mehr und mehr, und bald stand es wie ein Axiom fest, daß die Gesellschaft von Holstendorf dem Dr. Parlow und sei ner Frau nicht länger die ihnen zu kommende Berücksichtigung versagen Eines Tages fuhr Schottmiillers Equipage bei Parlows vor. Der Fa brikant, zwei reizende Rosenbouquets in der Hand, stieg die Treppe hinauf und wurde oben aufs Liebenswürdig ste empfangen. Es dauerte etwas lange, ehe er wieder herabkam; er hat te in dem geistreichen Gespräch mit Frau Bornemann die gesellschaftsmä ßige Besuchszeit ganz vergessen, aber er erschien nun auch mit der hocher freulichen Zusage, daß die Dame der Ressource zu Liebe ihren Besuch beim Baron Senden aufschieben und an dem großen Herbstfest theilnehmen wolle. Dieses Fest bildete einen hervorra genden Marlstein in der Loealgeschich te Holstendorfs. Der wundervolle HerbstMchmittag hatte die Gesellschaft zunächst in dem prächtigen Garten des Parkhotels vereinigt. Damen und Herren sahen mit Spannung dem Er scheinen der Familie Parlow entgegen, die nach Art großer Herrschaften et was auf sich warten ließ. Als sie am Eingange sichtbar wurden, ging ihnen Schottmüller schnell entgegen und führte sie zum Vorstandstisch, wäh rend sich die Augen im weiten Umkreis mit Gläsern bewaffneten. Man hatte sich nach dem Rufe Frau Bornemanns viel von ihr versprochn, aber alle Er wartungen wurden übertrofsen. Sie erschien in einem dunkelblauen Sam metkleide mit Schleppe, das ihrer im posanten Gestalt vorzüglich stand. Je den Schmuck hatte sie vermieden, aber die Knöpfe an dem einfachen und so schönen Kleide waren Diamanten. Einige Zeit stutzte die Gesellschaft; dann aber, als sie an der Echtheit der blitzenden Steine nicht mehr zweifeln tonnte, ging ein Rauschen der Ver wunderung durch den Garten. Die verstand es! Die hatte Geschmack und ihr Vermögen mußte unermeßlich sein. Wie reich und doch wie einfach! Alle die schönen, mühsamen Damentoilet ten umher wurden durch dasSammet kleid mit den Diamanttnöpfen in den Schatten gestellt. Bei Anbruch der Dunkelheit ging es hinauf in den hellerleuchteten Saal. Schottmüller führte mit Frau Boine mann die Polonaise a». Es war ein stattliches Paar, beide groß und schön, beide voll Grazie in den Bewegungen, de Kinder des Reichthums und des Glücks. Freilich, mit Frau Borne mann konnte es auch Herr Schottmül „Der Ausreißer!" Dieses Wort die seine Mittheilungen erregten, oft in Helles Gelächter auslöste. Als die Ehampagncrpfropfen knallten, kam mutter!" Justizrath Reichelt aber, Holstendorf voll wär von den Ereig nissen des Herbstfestes, fuhr wieder die Equipage Schottl»üllers am Hause des Doktors vor und wieder stieg Schottmüller mit zweißosenbouquettS die Treppe hinauf. Die Aufregung in der Einwohnerschaft war groß noch größer die Bestürzung bei den Plumpschulzens und den Schottmiil lers. Und als der Präsident der Res source gar am Nachmittag Frau Bor nemann und das junge Paar zu zjner Spazierfahrt abholte, da wurde die Verlobung zur Gewißheit. Die Fa milien Plumpschulzt und Schottmül ler kamen schnell zu einem Familien rath zusammen und am nächstenMor« gen schon erschien Fräulem Plump schulze, die Wirthschaften» der Fabri« lanten, als Deputirte der genannten Familien bei Frau Bornemann, um die Dame zu warnen und sie auf dil zahlreichen Mängel des reichen Witt wers aufmerksam zu machen. Nach einer halben Stunde verließ sie das Haus des Doktors mit sehr zufriede nem Gesicht, und kaum war sie ver schwunden, als auch schon der Wagen Schottmiillers vorfuhr. Frau Bornemann ging ihm mit strahlendem Gesicht entgegen. „Den ken Sie, lieber Freund," sagte sie voll Laune und Schalkhaftigkeit, „welche Absicht die böse Welt uns beiden nach sagt! Wir wollen uns verloben. Sie kann sich ein rein freundschaftliches Verhältniß nicht denlen und ignorirt dabei ganz, daß sich eine verheirathete Frau doch nicht mehr verloben darf." „Verheirathete Frau?" rief Schott müller erschrocken. „Man hat Sie allgemein für eine Wittwe gehalten." Frau Bornemann lachte und dieses Lachen klang so silberhell und ein schmeichelnd, daß dem Fabrikanten wieder warm ums Herz wurde und sein Gesicht den Ausdruck ruhiger Hei terkeit annahm. Zuletzt stimmte er in das heitereGelächter ein und in diesem Lachduett wurde ein Freundschasts bund besiegelt, der fürs Leben dauerte und in der Folge auch dem jungen Doktor zu Gute kam. Die Reisekoffer standen bereit; der Wagen, welcher Frau Bornemann nach dem Bahnhof bringen sollte, hielt auf der Straße. Da erschien ein eiliger Bote. Der Herr Doktor möchte so gut sein und schnell zum Herrn Büigermeister kommen; das Kind sei bedenklich erkrankt. „Hurrah, der erst« Patient!" rief Wilhelm. Er umarmte seine Schwie germutter und eilte hinweg. Frau Bornemann saß bereits im Wagen zweiter Klasse, als Hr. Schott müller in seiner Equipage heranjagte. Mit einem Bouquet, schöner als die früheren, eilte er zum Wagen und überreichte es dem „theuren Gast" mit einer graziösen Verbeugung. Sie reichte ihm die Hand, die er galant an seine Lippen drückte. Das zahlreich versammelte Publikum sah dem Schauspiele mit Behagen zu und als Fran Bornemann aus dem abgehen den Zuge ihr Taschentuch wehen ließ, da wurden auf dem Bahnsteige alle Taschentücher flott, die sich noch halb wegs sehen lassen konnten, und das Winten und Grüßen wollte kein Ende nehmen. Die Einwohnerschaft Holstendorss denkt gern an jenes Herbstfest in der Ressource zurück und mit Stolz weist sie bei Gelegenheit darauf hin, daß der berühmte Professor Dr.Parlow in der Hauptstadt, der Nachfolger Schleide rns, feine Laujbahn in Holstendorf begonnen und zu den gesuchtestenAerz ten der Stadt gehört habe. Splitter. Wem die Natur als Tugend gab Bescheidenheit, der leg' sie ab, Weil sie die unbescheid'ne Welt Für weiter nichts als Dummheit hält. AucheinGrund. „Lieber Freund, ich muß Dir sagen, Deine Co usine ist ein entzuckendes Mädchen! Die möchte ich zur Frau haben!" „„Um Gottes willen nicht!"" „Warum denn nicht?" „„Sie kann nichtCla vier spielen."" „Nun, ist das denn ein Unglück?" „„Erlaube, lieber Freund, sie kann nicht Clavier spielen» spielt aber doch."" Ein Dickschädel. „Wo rennst denn hin, Michel?" „„Zum Thierarzt der Schimmel hat ausg'- haut und hat den Großknecht an den Kops getroffen!"" „Und da gehst Du zum Thierarzt?" „„Freilich— denn der Schimmel ist lahm!" Hartgesotten. Richter: Sie geben also zu, Ihren Wohlthäter bestohlen zu haben. Schämen Sie sich nicht, einen Mann, der sich so warm Ihrer angenommen, der Angeklag ter: I bitt', Herr Richter, Werden's net sentimentalifch! Mißverstanden. Herr (auf einer Soiree zu einer Dame): „Mein Freund Müller ist erst vor Kurzem von einer dreijährigen Forschungsreise aus dem dunklen Erdtheile zurückgekehrt." Dame: „Wie bedauere ich doch Ih ren Freund, daß er hat müssen entbeh ren so lange das Licht der Sonne." Moderne Liebesqua len. „Also Dich foltert schrecklich unglücklich liebst?" „Allerdings . .. Gift zu erfahren!" —Dasfurchib a r e E ch o. „Warum fiel denn vorhin der Äeaeta der Echowand „Hansmursr" oeriifen und da tönte es „Wurst" zurück!" Hartnäckig. Advocat: „Es thut mir leid, das, Sie auch diesen Pr o— Obo! Erste Köchin: „Warum geschafft und jetzt einen Dragoner?"— Zweite Köchin: „Ach, weißt D», dessen Leibgerich! gelang mir «»»!'