2 Wetti. Eine herrliche Sommernacht. In die Dunkelheit spann das sterbende Licht noch immer seine goldenen Son nenfäden, das trauliche Dämmern sollte gar kein Ende nehmen und«» manchen Stellen warf ein Bogenlicht sein< weißleuchtende Strahlensluth auf die dunklen Wasser des Canals. Aul dem eleganten Restaurant, das öS« Ufer, mitten im Grünen aufgebaut ist, tönen lustige Stimmen und Glä serklirren zu mir herüber. Da taucht eine Gestalt aus der Finsterniß empor, schattenhaft, gei sterhaft. Das lichte Kleid, das ein schneeweißer Atlasgürtel umschließt, läßt die zarten Formen in scharfen Umrissen hervortreten, und wie das Mondeslicht sich auf den Gürtel wirft, scheint er sich, wie die Maschen und Bänder, die das Kleid zieren, in eitel Silber zu verwandeln. Jetzt wendet sie sich vorsichtig um. Sie scheint zu suchen. Ein großes glühendes Auge sucht mit angstvollem Blicke. Es ist ihr Auge. „Wetti! —" Sie hält inne und schaut sich um. Ich habe sie erkannt. Ja, es ist die „Wetterl,,, die schlanke ben Jahre nicht gesehen, das merk würdige Mädchen mit dem ewigen Lachen auf den Lippen und dem steten tllieinen im Herzen. Sie sieht nicht «llzu gut aus, bie arme Wetti, so schien es mir. Oder war's die abend liche Mondbeleuchtung, die ihr Antlitz fahler und blässer erscheinen ließ. Aber ihre Augen waren noch diesel sich wie Leuchtkäferchen und hoben sich in herzlich treuem, dunklen Braun »uS bläulichem Weiß hervor. > Sie kam mit noblen Damen in Be rührung. sie betrat elegante Woh nungen, und wenn sie dann desAbendS in die bescheidenen Wohnräume ihrer Eltern zurückkehrte, da wirkte der Kontrast verbitternd auf das Gemüth des schönen Kindes und eS fragte sich: „Warum sind die übrigen so glück lich, so reich, von Glanz und Pracht »mgeben? Warum nicht auch ich? Warum hat das Leben für mich nur Arbeit und keine Freude?" Und die Freude des Lebens kam euch für sie mit der ersten Liebe. Jetzt lachte sie des Reichthums, des Glückes, des Glanzes und der Pracht der Noblen, sie fühlte sich »riendlich glück lich durch die Liebe. nd es wieder die Armuth, die schwere Gist tropfen in diesen Freudenbecher träu selte. Er hatte Bedenken, er begann zu rechnen, was ein Haushalt braucht, und er kam zum Schlüsse, daß die Wetti arm sei und die Sache war zu Ende. Die Zeit heilte mit dem Balsam des Vergessens die schwere Herzens wunde Wetti's und in ihr braunes Auge legte sich wieder freudiger Glanz und jugendliches Feuer. Und so traf ich sie. „Was machst Du hier?" „Er ist da! Ich hab« ihn gesehen, in froher Gesellschaft habe ich ihn ge sehen, und seit Monaten erwarte ich ihn und stets ist es eine ander« Aus r«de, die er sür mich bereit hat. Lassen Sie mich! Da kommt er!" Lachend und schäkernd kam eine Gesellschaft daher. Das helle Kichern Stimmen der Männer heraus. „Der Elende! Sagen Sie mir, lieber Freund, darf denn ein armes Madchen nicht lieben? Soll ein armes Auge?" Was sollte ich ihr sagen? Ich dachte eben nach, da eilte sie schon davon. Ich begann mir mein« Antwort für in« Wetti zurechtzulegen, aber es wollte mir nichts Rechtes, Gefcheidtes ein sallen. Die Wirklichkeit macht der schönsten Philosophie oft ein Ende und That sachen werfen di« sorgfältigsten Berech nungen über d«n Haufen. Unter solchen Gedanken kam ich zur Brücke. Dort stand Wetti, an d« Brüstung gedrückt. Ihr Schleier schien v»n Perlen durchzogen zu sein, es wa rtn aber Thränen. Sie weint« Herz- Brechend, die klein« Modistin, und da tch ihre Hand faßte, schaute sie mich «m, als kenne sie mich nicht mehr. Dann legte sie ihr dichtes, kastanien braunes Haar auf mein« Schulter und schluchzte: „Da unten sitzt er in dem Restaurant und icb seh« hinein in das Fenster und höre dieKüsi«, die er giebt, die er bekommt. Der Elende! O, darf denn ein armes Mädchen nicht glücklich werden durch die Liebe?" Die arme Wetti brach zusammen und von drüben klang froher Becher- Ilang hin zur Brücke, auf der das ohnmächtige Kind lag. Ein schlauer Bankier. Blumenstein: Lieber Goldstein. Ihr Cafsirer kommt mir sehr verdächtig vor, ich seh' ihn immer im Kaffeehaus d«n Fahrplan nach Amerika studiren. Nehmen Sie sich in Acht, ich sage Ih nen das als guter Freund. Gold st«in: Seien Sie ruhig, lieber Freund, das thut er in meinem Austrag, da mit di« Leute glauben, daß Geld in d«r Casse ist. . » k- Ein guter CUrort. Kurgast: Sie, Eu« Doctor ist ja ganz blind! Bürgermeister: Dös macht nix. Kranke Hain mer kane, na und da verwtnd'n ma'i» nur als Todtenbe Kiu merkwürdiger Kran keuvcluch. Als Dr. Bergseld sich i.i dem Städ tchen Lumsdcn, das am Abhang eines Gebirgskammes der Blauen Berge in Virginien liegt, niederließ, da war das Staunen der Bewohner groß. Seit Menschengedenken war kein Deutscher dort ansässig gewesen, und Niemand hatte erwartet, als der alte Dr. Need hc>m gestorben war, daß sein Nachfol ger ein Ausländer fein würde. Indes sen war Dr. Bergseld einer von jenen Deutschen, die man sofort lieb ge winnt. Frisch und froh, von jener ge winnenden Herzlichkeit im Benehmen, wie sie alten Corpssludenten oft eigen thümlich ist. Und Corpsstudent war der junge Arzt mit Leib und Seele ge wesen, das verriethen schon die vielen „Schmisse", die sein offenes Antlitz bald die ganze Praxis des versto be nen Collegen und noch viele neue Pa tienten dazu, umfomehr als sein Ruf als tüchtiger Arzt bald felsenfest be gründet war und sein nächster College immerhin 16 Meilen weit weg quer über die Berge wohnte. Im Frühjahr, als der Doctor viel mit seinem wackeren Braunen über Land ritt, benutzte er mit Vorliebe den schönen, harten, gutgepflegten „Rock Road", der bei jeder Sorte von Wit terung leicht passirbar war. Und so be merkte er auch sofort, als er eines Ta ges im Mai an der alten Hamson Cot tage vorüberkam, daß dieses Anwesen neue Bewohner erhalten hatte. Leute aus dem Norden waren es, die zur Kräftigung ihrer Gesundheit das mild« und doch so erfrischende Klima dieses Theils des alten Südstaates aufgesucht Vorbeireiten häufige Bemerkungen an. Die junge Frau schlank, sehr zart und mädchenhaft in ihrer Erscheinung; der Mann hager, mit einer hekti schen Röthe auf den Wangen, noch jung, aber schon alle Anzeichen eines Schwindsüchtigen an sich. Mit Interes se bemerkte er, wie zärtlich besorgt das junge Weib um ihn war, ihn stützend, zu ihm plaudernd, ihn ermunternd,sein lieblicher Schutzengel. Wie ein Paar Turteltauben, so innig schien das Ver hältniß in dieser Ehe zu sein. Schade! seufzte der Arzt, denn seinem profes sionellen Scharfblick konnte es nicht verborgen bleiben, daß die Spanne Zeit, die dieser arme Kranke noch aus Erden zuzubringen habe, eine nur sehr kurze sei. Manchmal sah er die Beiden im Garten, wo hohe, schattige Bäume und viel dichtes Gesträuch den Aufent halt zu einem angenehmen machten, wie die junge Frau mit Gartengeräth fchaften hantirte »nd der Kranke dabei faß, auf seinen Stock gestützt. Dann wieder beobachtete er sie, wie sie auf der Veranda ihr Frühstück oder ihren Thee einnahmen, und verschiedene Male drang zu seinem Ohr das silberhelle Lachen der Frau, wenn der Kranke „seinen guten Tag" hatte und gesprä chig war. Indeß war nie Dr. Bergseld in das Haus gerufen worden, und die tödtliche Krankheit machte wohl nur langsame Fortschritte in dieser balsa mischen, reinen Lust. Dann kamen stürmische, rauhe Herbsttage. Der Regen schlug mit sei nem inelancholichen Geprassel gegen die Fensterscheiben in des DoctorsÖf sice, und es gab viel zu thun für ihn, denn Krankheiten aller Art nahmen überhand bei solchem Wetter. Dr. Bergseld hatte das Paar in der Ham son Cottage a»» den Augen verloren. Eines Abends war er müde und abgespannt von seinem Tagewerk heimgekehrt. Wenn nur nicht noch Je mand mich herausklopft, dachte er bei sich, als er die matten Glieder auf dem Sopha ausstreckt« und eine Pfeife an gesteckt hatte vor'm Zubettgehen. Da erscholl aber auch schon der Messing klopfer an der Thür, und einen Augen blick später stand ein alter Neger, athemlos von dem scharfen Ritte, vor ihm. „Doctah, Sie müssen sofort zuMis tah Brownlow kommen es steht schlecht um ihn die Missus schickt und kommen Sie schnell, hat sie ge sagt, es ist Gefahr!" schrie der Schwa rze in heiserem Ton«. Die Brownlow« waren die beiden Leutchen aus dem Norden, die in der Hamson Cottage wohnten. Dr. Berg feld wußte genug. Schnell kleidete 'er sich wieder an, ließ sein Gig anspan nen, nahm die Medicinkiste unter de» Arm und das B«steck mit Instrumen ten, wie es jeder Arzt auf dem Lande braucht, und fuhr hin durch die Nacht, so geschwind wi« ihn di« Hufe seines getreuen GauleS tragen wollten. Es war Mitternacht vorüber, als er vor der Thür der Hamson Cottage stand. Aus sein ungestümes Klingeln wurde ihm sofort aufgethan. Die jun ge Frau, todtbleich und mit einem ei genthümlichen Licht in dm dunklen, weitgeöffneten Augen, stand vor ihm. „Kommen Sie schnell, Doctor", flü sterte sie, als ob sie Jemand zu wecken fürchtete, und zog ihn in ein großes Zimmer hinein. In demselben stand ein breiter schwerer Mahagonitisch, und jenseits desselben, gerade dem Flur ge genüber, war ein Bett, in dem der Pa tient regungslos lag. Die eine Hand fiel zur Erde, das Haupt war der Wand zugekehrt. Der Doctor rückte sich einen Stuhl ans Bett und begann eine Untersuchung. Die Hand war kalt, eiskalt, und steif. Er griff nach dem Herzen. Kein Schlag war zu fühlen. Der Puls stand still. Er wandte das Haupt sich zu. Die Kinnlade war ge falltn und die Augen standen offen mit Zweifel --- tr hatt: eine Leiche vor sich. Der Mann mußte mindestens vor 4 6 Stunden gestorben sein. Erschüttert stand Dr. Bergseld auf und wandte sich der jungen Frau zu, die auf der anderen Seite des schweren Tisches stand, sich auf die Platte des selben mit ihren schlanken, weißen Fin gern stützend. „Mrs. Brownlow", sagte er mild und zögernd, „meine Hülse kommt zu spät. Ihr Mann ist todt." Di« junge Frau stieß einen einzigen, schrillen Schrei aus. Dann krampste sich ihre Hand über der Brust und sie sprach, während ein fürchterlicher Blitz aus ihren dunklen Augen zuckte: „Sie lügen, Doctor. mein Mann ist nicht todt. Wecken Sie ihn wieder zum Leben!" „Madame, ich schwöre es Ihnen," sprach flehenden Tones Dr. Bergseld, „alle Hülse ist vergebens. Vom Tode kann man Niemand zum Leben er wecken." Ohne ein Wort der Erwiderung sprang das junge Weib an einen Schrank, riß ein Schubfach auf und nahm einen schweren Gegenstand her aus. Es war ein großer sechsläusiger Colt - Revolver, und indem sie den Hahn spannte, daß das Knacken deut lich zu hören war, stützte sie ihren rech ten Arm mit dem linken und legte auf den Arzt an. Dr. Bergseld sah deut lich, wie die schwarze, runde Mündung der fürchterlichen Waffe ihn anstarrte. „Sie lügen, Doctor, Sie gehören auch zu unseren Feinden. Sie wollen meinen Mann lebendig begraben las sen. Aber ich lasse es nicht zu. Er lebt noch. Bringen Sie ihn wieder zum Be wußtsein. Lassen Sie ihn nur wieder sehen und sprechen. Zaubern Sie sein liebes Lächeln wieder auf seine Züge, und ich will vor Ihnen knieen und Ih nen danken wie meinem Herrgott. Miß achten Sie mein Gebot, und Sie sind ein Kind des Todes. Sie sollen meinen Mann nicht ermorden!" Dies sprach das junge Weib mit scharfer, durchdringender Stimme, in dem sie dabei den Arzt mit flammen dem Auge ansah. Wahnsinnig! Dielleicht durch den plötzlichen Schreck, vielleicht schon vor her. aber zweifelsohne wahnsinnig. Was thun? Dr. Bergfeld war ein muthiger Mann das hatte er schon bei alle möglichen Anlässen bewiesen, auch letzten Monat am Wahltage, als er in eine lebhafte Discussion übel Nationalpolitik verwickelt worden war. doch neu, und er sah, daß seine einzige Rettung in der List bestand. Sich auf die Wahnsinnige werfen und ihr den Revolver entreißen? Beim ersten Schritt würde er eine Kugel im Ge hirn sitzen haben, das sah er an dem irren Leuchten ihrer Augen. Flucht? Sie war ihm abgeschnitten. Ueberre wie diese. Plötzlich durchzuckte eine Idee seinen Schädel. „Ich will sehen, ob da noch etwas zu thun ist," sagte er und beug te sich wieder über den Todten. „Viel leicht ist es ein Fall von Katalepsie Recept." 2 Und Dr. Bergftld riß ein Blatt von feinemßeceptblock herunter und begann zu schreiben. Sein Recept sollte eine Botschaft um Hülfe sein. Aber wie sie abfassen, ohne daß die junge Frau es merkte? Das warmer schwierige Punkt. Halt! Lateinisch —der Apotheker wür de wohl soviel davon versteh«n und die Frau jedenfalls nicht. So schrieb er dann: Für Mr. Brownlow, Hamson Cot tag«, Rock Road. Dr. Bergfeld. Und di«fes Recept gab er, nachdem di« junge Frau durch «inen Schlag aus das Gong den alten Neger herbeigeru fen und das Papier selbst vergeblich zu entziffern versucht hatte, dem Neger, ihm zugleich ein Blick des Einverständ nisses zuwerfend. » « » Einen Moment später hörte «r «inen schnellen Hufschlag die Straße nach Lumsdcn zueilen. Es mußte der Bote sein. Ob rrchtziitig Hülfe brin. folgten! Draußen klatschte und plät schert« der kalte Regen. Und hier im Zimm«r hielt dies wahnsinnige junge ehern wie das Schicksal selbst, ihreAa> che. Ihr Arm schien nicht zu «rlahmen, und noch immer starrte die Mündung sammengesunten war, drohend an. Gräßliche Gedanken durchwühlten ihm das Gehirn. Nur ein Fingerdruck trennte ihm vom Tode, dachte er, und wie leicht war es möglich, daß ein Wulbansall dieses arm>, irrsinnigeGe schöpf packen könn«, und danii seine Phantasie malte sich's aus, wie er hier blutend, mit einer klaffenden Stirn wunde, neben dem Bette des Todten hinsinken werde. Schmachvoll! So der Gewalt eine? schwachen Weibes, das cr mit einerHand bemeistern könnte, wenn nur der schwere Tisch, der sein Näher kommen unmöglich machte, nicht im Bleiern verstrich die Zeit. Und jeden Augenblick war er gewärtig, den schar fen Knall der Pistole zu hören und die schwere Kugel in seinen Körper zu emps.Xgen. Wie viele Stunden müßten schon Estrichen sein, seitdem er so die Wiederkunft des Boten und die erbete ne Hülfe erwartete? Und würde sie überhaupt kommen? War vielleicht der Bote selbst das Opfer eines unglückli chen Zufalles auf dem Wege geworden? Oder hatte er seine Botschaft nicht ab geliefert? Kalte: Schweiß Hrach dem qualvoll Wartenden aus allen Poren bei diesen Zweifeln und düstern Gedanken. - Doch horch! Da klang scharfer, schneller Hufschlag. Es mußte eine Anzahl Pferde sein. Die Hülfe nahte. Endlich! Und unwillkürlich stieß Dr. Tische hatten ihn auch gehört,und miß trauisch blickte sie ihn an. Da drang auch schon neues Geräusch an ihr lau schendes Ohr. Feste, eilende Tritte Vorzimmer, in unmittelbarer Nähe. „Verräther! Mörder meines Man nes!" kreischte sie auf: „Nicht Medicin, Hülfe, um Dxn erbärmliches Leben HU retten, wolltest Du haben. Aber mein Mann, mein geliebtes Herz soll nicht allein in's Grab Du mußt ihm da hin nachfolgen!" Und der Schuß krachte. Dr. Berg feld fühlte einen stechendenSchmerz in der Seite und dann wurde es ihm schwarz vor den Augen. Als er wieder zum Bewußtsein kam, da blickte er verstört um sich. Er lag in einem Bette. Sein schwar zer Diener lächelte ihn an. „Massah! Mistah Doctah! Alles in Ordnung!" Aber Dr. Bergfeld hat niemals sein Abenteuer jener Nacht vergessen, ob wohl die Wunde in der Hüfte schon längst vernarbt ist. Wachsame Schuld. Der Staatsanwalt Dr. Dürbrink warf die den Fall Böching behandeln thig den Sessel zurück und schritt in nervöser Unruhe im Zimmer auf und nieder. Dieser Fall Böching war von allen der complicirteste und zugleich hoff nungsloseste, denn auch nicht die leiseste Spur des Verbrechers war bisher ge funden worden, wenn dieser Gustav Adolf Heinrich Böching, den man als der That verdächtig in Haft genommen hatte, seinen Versicherungen gemäß wirklich unschuldig war. Und der Fall war von allen der fatalste, weil er un mittelbar auf zwei noch ungesühnte Capitalverbrechen gefolgt war und der dem Staatsanwalt vorgesetzten Behör de zu der durchsichtigen Mahnung Ver anlassung gegeben hatte, die Untersu chung „dieses Mal" mit „besonderer" Umsicht zu führen. den des Mordes Verdächtigen zu über führen, erfolglos blieb, so stand die A nklage auf so schwachen Füßen, daß sie fast völlig haltlos geworden war. Ja, es würde dann das Beste sein, denVer hasteten unverzüglich der Freiheit zu rückzugeben, die falsche Fährte zuge stehen und nach einer neuen sich ernst lich umzusehen. Der Staatsanwalt zog die Uhr. Gottlob, nur wenige Minuten noch und der mit der Ausforschung des Mörders betraute Criminalinspector mußte neu erlich Bericht erstatten. Sechs Wochen waren vergangen, seit die Wittwe Ellen Böching geborene Kriegs erdrosselt und ihres gesammten großen Baarvermögens beraubt auf qefunden worden war. Man hatte so fort alles inßewegung gesetzt, desMör ders habhaft zu werden, und mit ra schem Griff sich des Schwagers der Er mordeten versichert, als dieser, der we gen Wechselfälschung vor langen Jah ren von dem Bruder nach Amerika ge schickt worden war, wenige Tage nach dem Tode der Verwandten plötzlich in Hamburg auftauchte und sich durch ein verschwenderisches Leben bemerkbar machte. Aber der Volksmund, der den ungerathenen Sprossen einer angese henen Familie bestimmt als den Ver brecher bezeichnet hatte, schien sich dies mal doch geirrt zu haben. Der Verhaf tete erklärte mit aller Ruhe, er habe von dem Morde erst in Hamburg er fahren, j>ur Zeit derThat sich aber nicht einmal in Deutschland, sondern in der schönen Wienerstadt aufgehalten. Die Untersuchung ergab die volle Bestäti gung dieser seiner Angaben: Der Mord war am 15. Mai begangen worden, der des Mordes Verdächtigte aber hat te sich am 4. Mai in Wien an- und am 16. Mai von dort nach Hamburg ab gemeldet und gerade am Abend des 18., wie durch eine glänzende Reihe einwandsfreier Zeugen bestätigt wur de, an einer Ballfestlichkeit bis zum frühen Morgen betheiligt. Sein Ailibi war damit glänzend Dr. Dürbrink fuhr sich mit ge spreizten Fingern in die Haare. „Und doch traue ich i>em Kerl nicht." mur melte er vor sich hin. Der Gerichtsdiener trat geräuschlos Elshardt. Der Staatsanwalt blieb in der Nä he der Thür stehen und sah gespannt .Nun?" Elshardt zuckte di« Achfeln. „Nichts, Herr Staatsanwalt." begann seine Wanderung von Neuem. „Berichten Sie, Herr Inspektor. Da wird uns wohl nichts Anderes übrig bleiben, als den Herrn zu entlas sen. Der Befehl ist bereits vorberei tet." anwalt, den Gefangenen hereinführen zu lassen, damit ich den Bericht in sei ner Gegenwart erstatte —" „Sind Sie des Kuckucks? Ins Ge acht Tage zu ihm in die Zelle haben sperren lassen, als Vagabund, um ihn auszuhorchen? Sie sind nicht gescheidt!" „Gleichviel, Herr Staatsanwalt. Was die List mitunter nicht zu Wege bringt, das schafft oft die Ueberra fchung. Die Schuld ist eben wachsam; sie drängt ans Licht, durch die That und durch den Thäter. In der Zelle war ihm auf keine Weife beizukommen. Zweck meiner Anwesenheit durchschau te, den Spion in mir witterte. Nur die eine Ueberzeugung habe ich gewinnen Seinesgleichen " „Das heißt für einen gleichfalls von der Nemesis Verfolgten bezw. Ereil ten?" „Unbedingt, Herr Staatsanwalt." Der Staatsanwalt klingelte und be fahl, den Gefangenen vorzuführen. Elshardt setzte sich dem Staatsanwalt te darin. Böching betrat unter doppelter Be deckung das Zimmer, stellte sich ruhig auf und sah erwartungsvoll auf den Zellengenosse." „Ah? Sie haben ihn ja noch nicht einmal angesehen!" Elshardt eine kleine spöttische Verbeu gung. „Die acht Tage in Ihrer Gesell schaft waren die angenehmsten meiner Hast, Herr Inspektor." Beide Beamte waren überrascht. „Sie haben," fragte der Staatsan waltschaft, „die Beamteneigenschaft des Herrn gleich geahnt?" „Die hätte ja ein Mondkalb erken nen müssen," war die grobe Antwort. „Ueberhaupt, Herr Staatsanwalt: Sie halten mich für einen abgefeimtenßer brecher und kommen mir mit solchen verbrauchten Mitteln wo bleibt da das grobmaschige Netz seiner verfäng lichen Vertraulichkeiten nach Fragen. Ueber diefeGrobmafchigkeit nachzud«n l.n hatte ich schon vorh«r reichlich Zeit. Auch das Netz von scheinbaren Ver dachtsgründen, das Sie über mich ge worfen haben, leidet daran. Bedenken Sie doch selbst, was sind das für An klagegrundlagen: die alte Dame wird zu ungefähr der gleichen Z«it ermor det, in der ich von Amerika heimkehrte darum soll ich der Mörder sein; die Dame ist zufällig meine Frau Schwä gerin, darum soll ich mit ihren Verhäl tnissen vertraut gewesen sein und sogar um den schrulligen Geiz gewußt haben, der sie dazu trieb, ein Vermögen in morschen Kisten und Kasten um sich zusammenzuscharren. Und wenn noch die Summe stimmte! Aber nicht einmal das! Sie geben den Betrag der geraub ten Banknoten und Goldbestände auf über hunderttausend Mark an; nicht einmal die Hälfte davon nenne ich mein eigen: wo sollte denn das andere ge blieben sein? Nein, Herr Staatsan walt. mein bescheidenes Vermögen habe ich mir in redlicher Arbeit erworben und ich hoffe ernstlich, daß ich endlich von Ihnen das Wort hören werde, das mich aus meiner schmählichen Lage be freit. Ich habe Sie höflichst ersucht, die Meldescheine aus Wien kommen zu lassen, die Ihnen zu allen Zeugenaus sagen meinen dortigen Aufenthalt schwarz auf weiß bestätigen werden. Ich hoffe, Sie haben meinem Wunsche entsprochen und meiner Entlassung steht nichts mehr im Wege." Der Staatsanwalt hatte ihn ruhig reden lassen. Jetzt streckte er die Hand nach den Acten aus. „Sie erhuben, Herr Jnspector." Und zu dem Ange klagten: „Die Scheine sind da." Er blätterte suchend. „Hier, hm." Er er hob sich. „Haben Si« die Ausfüllung d«r Formulare eigenhändig besorgt?" Böching prüfte sorgsam die großen steilen, etwas schulmäßig steifen Buch staben und nickte befriedigt. „Jawohl." „Hier, eine hiesige Unterschrift. Hm. In dem G. liegt eine kleine Abwei chung, da, gleich zu Anfang. Sie ist Böching verglich ruhig. „Nicht im Mindesten. Der Grund character ist derselbe. Darauf kommt es doch allein an. Einzelne Abweichun gen begegnen Jed«ni. Wenn ich zum Beispiel stehend schreiben muß, fallen die Züge anders aus als bei bequeimm andern. Er hatte sich unwillkürlich in teressjrt vorgebeugt, richtete sich aber scheinbar gleichgiltig wieder auf unti stellte die directe Frage: „Wann werde ich entlassen?" Elshardt hatte nicht ein einziges Mal gesprochen, den Angeklagten aber fort dauernd scharf beobachtet. So entging ihm dessen hastige Bewegung ebensowe nig wie die offenbare Beunruhigung, die sich seiner bemächtigt hatte. Die fahlen Züge des Gesichtes waren um einen Schatten bleicher geworden, die Augen des Angeklagten hatten den In» fpector blitzschnell verstohlen gestreift. „Mit Verlaub!" Elshardt trat mit den Acten dicht ans Fenster und prüfte; dann kam ein Laut Heller Ueberrafchung über feine Lippen und er wandte sich triumphi rend an den Angeklagten: „Ah! Also man hat Sie! Man hat Es ist etwas Wunderbares! Was steht hier bei der An- und da bei Ab meldung, ganz zweifellos und ganz übereinstimmend? Ah, Sie zittern?" Ein Schauer rüttelte plötzlich den Angeklagten und seine wässerigen Au gen schössen Blitze tödtlichen Hasses. Erregung über ihn, daß er nicht ein mal oersuchte, sie zu verbergen. Seine geballte Faust schlug hart auf denTifch und über seine Lippen kam ein derber Fluch und dann, ehe der Staatsanwalt noch wußte, um was es sich handelte, die abgerissene Vertheidigung: „Ein elender Schreibfehler! Ein ganz elen der, boshafter Zufall! Aber das sagt lich zu enthaften." In höchstem Erstaunen hatte der Staatsanwalt aufgehorcht. „Was ist jetzt das?" fragte er. „Bitte, lesen Sie, Herr Staatsan walt. Hier die Anmeldung, den Na men!" „Gustav Adolf Hinrich Böching selbstverständlich." „Nein, durchaus nicht selbstverständ lich: Gustav Adolf Heinrich und hier, auf der Abmeldung: Gustav Adolf Heinrich da aber in den Acten: Gustav Adolf Hinrich Ah, man hat sich selbst verrathen. Sie, Herr, das hier, von Wien, hat ein An derer geschrieben, nicht Sie! Ein Com plice von Ihnen ah freilich, das stimmt ja ebenfalls hunderttausend geraubt fünfzig ihm, fünfzig Ih nen! Eines Räthsels Lösung Ihr Alibi in Wien: Der Complice mit Jh nicht zu genau." Böchings Gesicht war leichenblaß, seine Lirpen zitterten, sein schlaffer „Selbst verrathen! ah, Donner" sagte der Staatsanwalt mit tiefer Be friedigung und athmete wie von einer Last befreit auf. Lende Barriere und ergriff blitzschnell das auf dem Tische vor dem Staats anwalt stehende schwere Tintenfaß. Gefäß dicht am Kopse des Jnfpectors Lärm herbeigerufenen Gerichtsdienern Eintritt gewährte, die den Wüthenden alsbald überwanden und fesselten. Wachsame Schuld es ist richtig damit. Ein winziger Buchstabe das Auge der strafenden Gerechtigkeit hatte ihn nicht entdeckt, aber die Schuld hat te zitternd darauf hingewiesen Z>'r „Schtadtöauratt)." R.H? ' Mei theierschter Leser! Weeßte, de Glicksgettin is ooch manchmal tutt'ch. Schmeißt se da neilich den eefält'ch'ten Dinglich, mein'n Leibdienstmann Sießmilch, än Lotteriegewinn in sein« blaue Schärze, daß'r bei sein'n An schbrichen an's Lewen beinahe Rent'j« schbiel'n kennte. Na ja, ich geen's'n ja von ganzen Herzen, denn daS arme Lu der hat'ch ooch beese dorch sei bissel Le bletzlich gar keene Sorge mehr hat, denn, verschsteh'ste, mei Fremd, ich er leb's ja östersch genug an mir selwer, kee Esel is ze alt, als daß'r nich ämal ooch usf dumme Gedanken kommt. tags in „Civil" bummeln ging. Zwärnhandschuhe fchteckt'r d'rbei uff. Ne, das Vergniegen hat'r sich ooch sauer genug verkoofen miss'n, denn er is balde än ganzen Tag rumrasaunt, von een'n Schtrumbladen zum andern, Talben uffgcgawelt hatte. Se schtand'n zwar wie än Schweine ä Kummt, awer er drickte dorch und das war de Hauptsache. For gewehnlich war sei Leibgetränke Nordheiser, den sosf'r in fein'r Schtammdestille nur aus'n Bull'chen, war'r awer in Civil, ging'r naus nach Bieschen in den „Durscht'gen Frosch" und genehmige ä Glas „mäsong dünohr". Na ja, 's fe's blos nich ungiet'g. awer ich muß ä baar vernimst'ge Schteeße mit Sie reden." „Nu, was Hain's« uff'n Herz'n?" sagt'ch zu'n. „Hiirn'se, Herr Schbindler, ich zloowe, das l«ft' m'r an'sßeen," fing'r nu an, und kratzte sich hmier de Les se!. „Sehn'sc, allewrile werd da uff de Schtraßen iwerall gebuddelt, daß's „Ja, das merkt ä Bferd," schtimnit' ich'n zu. „Sehn'se, wo sich's nor är gend was anbring'n läßt, werd gepfla stert, geasphaltirt, Gas rebarirt, in der Wasserleitung rumgefummelt, leichtung gelegt." Na, da hat'r ja nich Unrecht; än sol chen Zustand, wie'r bei uns alleweil« um'n ooch richt'g wärd'gen ze kenn'n, das is grade, als ob das ganze Nest ge wend't wer'n sollte, wie ä alter Rock. „Mäsong dünohr?" srug'ch. „Na, naiierlicherweise selbstverständ lich," meent'r druff. „Mäsong dü wärd, is ooch Arweit, und da komm's« herzu, von de Derfer, aus d'r wennd fchen Därkei, Bruder bemmifches und Gott wer weeß was for Volt, ich sage Sie, Herr Schbindler, wenn m'r an so Elbberg vorbei und da schtehn Sie zwee Kerle mit än Gesichte, so tabb'g und eesält'g " uff de Welt geschickt worden." „Was, Dunnerwetter'noch ämal, än Schbazierschtock ham'se ooch?" meent'ch verwundert. „Nu, was denn," sagte das alte tabbche Dienstmannsgeschtelle, „ich hab' m'r'n vor fimf'nvärz'g Bfenn'g« gekooft; also, da kommt Eener von die beeden Gottliewe angeschtorcht und fragt, ob'fe hier nich ä Bischen arw«it«n könnten. Gott, wer weeß, fär was for L großes Thier die mich angefeh'n hat ten. Ich hab' nifcht d'rzwisch«n, sagt'ch, Wenn's Eich Schbaß macht, da schacht ämal qu«ri«wer de Schtraße än Grawen aus sechsMeter lang und zwee Meter breet und fuffz'g Centemeter tief. Nu macht'ch mich natierlich dinne, denn ich dachte, wenn die merken, daß 'te se verast't hast, kannste vertowakt wer'n, daß's nor so roocht. Ich denke nu doch nich " „Na, was denne?" warfch dazwi schen. dß d' b««d d > L dersch da druff Hubben wer'n und nifcht Eiligtr'fch ze thun ham, als ä Loch in'n Erdboden ze reißen. N' ganzen Nach mittag ham'se gewärgt, daß d« kee Mensch vorbei konnte und kee Mensch hat se in ihrer Arweit geschteert. Awer nu, mei liewer Herr Schbindler, nu Heiliges Bech noch ämal, ich denke doch qlei, Ostern und Bfingsten fällt ze sanim'n uff een'n Tag. Awer helle, wie'ch bin, schtell'ch mich dumm und thu, als ob'ch die beed'n Brieder in mein'nLewen noch nich ze seh'n gekriegt hatte. Herr Jeses noch ämol, werden die Brieder awer schlecht; na, natierlich Wörde ä Usslauf, an den'ch ooch meine Collegen lebhaft beteiligten, de Bole zei kam und ich mußt« mit. Das kann änne scheene theire Schmi«re wer'n, und was nu's Allerschlimmstt iS, wo'ch mich blicken lasse, nenn'f« mich'n Schtadtbaurath." Recht appetitlich. Herr (zur Köchin, die ihm zum Geburtstag eine prachtvolle Torte bringt): „Schau, schau, die schöne Torte! Haben Sie si« selbst gebacken, Nanni?" Nanni: „Freili', gnä' Herr! Dees war aber a' Arbeit! Da hängt manch» Schweiß tropfen d'ran!" Vom musikalischen Standpunkt. Frau: „O, Franz, bc- Partitur!" Pumperig: Ha. 510,