6 Winleraliend. Draußen Flockentanz, und lärmend Braust der Wintersturm durchs Land^ Knistert Heller Funkenbrand. Auf dem Herde braut ein Tränklein, Und der Kessel summt und surrt; Kätzchen auf dem Ofenbänklein Blinzelt in die Gluth und schnurrt. Ihre gleichbemessne Weise Tickt die große Wanduhr drein, Und zum Enkelkinde leise Spricht das alte Mütterlein. Lieblich von den Lippen quellen Bunte Märchen —und geschwind Fluthen sie mit goldnen Wellen Tief ins Herz dem Enkelkind. Schöne Märchen, halbverschollen, Wie das lockt und singt und rauscht— Und mit großen neugiervollen Augen stumm das Mädchen lauscht... „Es wohnte einmal ein Fischer An einem wilden Meer, Der Tochter des alten Fischers War es ums Herz so schwer. Sie wollte gern erlösen Den Königssohn—der war In einen Drachen verwandelt Schon manches, manches Jahr. Und wie sie mit keuschem Kusse Das Maul des Drachen berührt, Da war der Zauber gebrochen Und die EntWandlung vollführt. Nun zog mit dem Königssohne Als Gattin sie hinfort, Sie lebten auf marmornem Schlosse An einem Wunderort. In ihren Gärten blühten Gläserne Bäume viel. Die sangen und klangen so lieblich Im lustigen Windesspiel. Die schwirrenden Vögel sprachen Wie Menschenkinder so klug, Und wußten der schönsten Märchen Und tollsten Schwänke genug. Und wenn es Nacht geworden, So glänzten am Himmelsrand Die Sterne so farbenfunkelnd Wie Perlen und Demant. Sie Quellen aber sprangen Drin schwammen güldeneFifchlein; Die Wellen waren Wein. Und jeder ihrer Tage Sich all der Schönheit erfreut. Und wenn sie nicht gestorben, So leben die beiden noch heut..." Schöne Märchen, leicht wie Flocken Zieht ihr bunt und träumerisch hin, Klingt so süß wie Sllberglocken Und verwirret Herz und Sinn. Und des Mägdleins Augen blinken Schläfrig, die erst hell und groß, Und das Köpfchen läßt sie sinken Müde in der Alten Schoß.— Auf dem Herde knisterts traulich Und der Kessel summt und surrt; Märchen flüstert er erbaulich. Und das Kätzchen schläft und schnurrt. Di« Diamanten der Frau Robillard. Was können die Diamanten einer schönen Frau nicht Alles verschulden? Das ist eine Preisfrage für phantasie volle Geister, die sicherlich viele Bände damit volld-chten könnten, wie Thrä nen, Kämpfe, Verbrechen durch die glitzernden Kleinigkeiten hervorgeru fen werden und wie sich diese manch mal zu ebenso vielen Grabsteinen menschlicher Existenzen gestalten. Aber keiner der phantasiereichen Schriftstel ler wird darauf kommen, daß die Dia manten einer schönen Frau die Veran lassung zu wirthschaftlichen Reformen sein können, und doch haben sie that sächlich auch diese Rollen gespielt. Sie sind es nämlich, welche die Einführung des ersten Tabakmonopols in Europa herbeigeführt haben. Es war im Winter des Jahres 1810, als auf ei nem Balle in den Tuilerien eine Dame das größte Aufsehen erregte, nicht allein durch ihre Schönheit, sondern auch durch die Menge herrlicher Bril lanten, mit welchen sie bedeckt war. „Wer ist die Frau?" fragte Napoleon, als er die Reihen der Ballschönen durchschritt. „Es ist Madame Robil lard, die Frau eines Tabakhändlers," war die Antwort. Der gr,ße Korse wurde nachdenklich und hatte kaum ein Auge mehr für die Pariser Schönhei ten. Und am 2S. December desselben Jahres erschien ein kaiserliches Dekret, das die Verarbeitung und den Verkauf der Tabake, die bis dahin in Frank reich unter dem Namen „Kraut des Nicot" verbreitet waren, ausschließlich dem Staate vorbehielt. Dieses Dekret hat Frankreich, wie einmal einer sei ner Wirthschaftspolitiker berechnete, seit dem Jahre 1811 mindestens 10 Milliarden eingetragen. Dem Thema entspre chend. Müller (der mit seiner Frau bei Schulze zu Besuch ist, leise zu Schulze): Nu hör' blos, wie unsere Frauen schnattern, über was sprechen die eigentlich? Schulze: Sie sprechen darüber, wie die Gänse augenblicklich im Preis stehen. Magische KtMograpljte. Als im Beginn des Vorjahres die Aufsehen erregenden Entdeckungen der Engländer Ramsay und Lord Raleigh die gesammte wissenschaftliche Welt in Erstaunen versetzten, da schien es fast, als wenn unsere angelsächsischen Vet tern den deutschen Forschern wieder einmal den Rang abgelaufen hätten. Mit um so berechtigterem Stolze dür fen die Deutschen jetzt auf den Würz burger Professor Röntgen hinweisen, der die Welt mit einer wissenschaftli chen That beschenkt hat, die eine wei tere Verschiebung des Marksteines wissenschaftlicher Erkenntniß in die geheimnißumwobenen Gebiete der noch unerforschten Natur bedeutet. Prof. Röntgen hat die von ihm selbst „Z- Strahlen", auf Vorschlag des Geheim raths Köllicker aber „Röntgen-Strah len" benannten Lichtstrahlen entdeckt, welche starke chemische Lichtwirkungen hervorbringen, folglich auch das Pho das Auge unsichtbar sind, ermöglichen. Prof. Röntgen. Wenn man eine gewöhnliche Geiß ler'fche Röhre, d. h. eine mit einge schmolzenen Poldrähten versehene, möglichst luftleer gepumpte Glasröhre mit einer Ruhmkorff'schen Batterie verbindet und den Jnductionsfunken durch diese Röhre hindurchgehen läßt, so sieht man den negativen Pol (Ka thode) zunächst von einem schmalen hellen Saume, dann von einem relativ dunklen bläulichen Raume (Glimm licht) umgeben. Die Umgebung des positiven Pols (Anode) hingegen und der größte Theil des Zwischenraumes ist mitSchichten hellen rothgelben Lich tes erfüllt. Diese Erscheinung ändert sich wesentlich, wenn man die Verdün nung der Luft in der Geißler'schen Röhre beständig weiter treibt. Bei ei ner gewissen Höhe der Luftverdllnnung breitet sich das bläuliche Glimmlicht immer weiter aus. Unter Umständen erfüllt es das ganze Innere der Röhre. Dabei ruft das von der Kathode aus gehende Glimmlicht oder kurz die besonderer Eigenschaften haben. Die merkwürdigste davon ist, daß die Ka thodenstrahlen sich nur gradlinig aus breiten und nicht, wie sonst der Jn ductionsfunke zu thun pflegt, umEcken herumgehen und allen Krümmungen der Röhre folgen. Prof. Röntgen's Verdienst besteht darin, nachgewiesen zu haben,daß diese durch die Geißler'fche Röhre hindurch sich fortpflanzenden Strahlen eine Lichtart sind, welche außerhalb der Geißler'schen Röhre von dem mensch lichen Auge nicht wahrgenommen wird und doch wie die uns ebenfalls unsicht baren ultravioletten Strahlen der Sonne starke chemische Lichtwirkungen hervorzubringen vermag. Die Ent deckung fand in folgender Weise statt: Handskelett. Röhre schickte. Es zeigte sich, daß die Baryumplatincyanür - Platte noch bis zu einer Entfernung von zwei Metern Röhre in einen Pappkarton oder in eine Holzkassette änderte nichts an dem merkwürdigen Vorgang. Prof. Rönt gen kam jetzt auf die Idee, an die Stelle der Baryumplatincyanürplatte im finsteren Zimmer eine gewöhnliche photographische Platte zu exponiren, und die Platte reagirte ebenso, als wenn sie dem Tageslichte exponirt worden wäre. Noch mehr. Es ge nügte ein Stück photographisch em pfindlich gemachten Film oder eine Glasplatte lichtdicht in eine Holzschac htel einzuschließen und den zu photogri phirenden Gegenstand vor die Schach tel zu stellen, um seine Wiedergabe auf der in der bloßen Holzschachtel stecken den Platte zu bewirken. Es lag nahe, diese Ausströmungen für ultraviolette Lichtstrahlen zu halten, aber ein weite rer Versuch bewies das Gegentheil. Wäbrend die ultravioletten Strahlen den Brechungsgesetzen des Liftes ge horchen, thun es diese Strahlen nicht. Sie lassen sich weder durch Spiegel zu welcher sie, wie Röntgen fand, ausge ben, und durch den Mangel der Re flexion und Refraction von den an- deren Strahlungen, namentlich vom ultravioletten Licht, das eine starke Brechbarkeit besitzt. Es bedarf ein der artiger Apparat also nicht einmal ei ner Linse. Diese Strahlen nun, von deren sol cher gestaltigen Wirkung man bisher keine Ahnung hatte, und die für das Auge vollständig unsichtbar sind,durch dringen, im Gegensatz zu gewöhnlichen Lichtstrahlen, Holz, Kautschuk, Me- oder weniger alle sonst undurchsichti gen Körper. Man kann bei Hellem Tageslicht mit „geschlos^ener^Kassette" zwei bis drei Centimeter dicke Bretter aus Tannenholz die Wirkung nur sehr wenig, ebenso lassen mehrere Centime schon in dünnen Schichten eine merk liche Schwächung der Wirkung hervor rufen. Die eingeschalteten Gegen stände werfen infolge dessen je nach dunkle Schichten auf die photographi sche Platte. Prof. Röntgen photogra phirte z. B. die Gewichtstücke eines Ge wichtsatzes, ohne das Holzetui zu öff die Geißler'fche Röhre, hier die licht empfindliche Platte hinstellte, und er hielt ein deutliches Reliefbild von der der Platte zugewandten Thürfeite. Wie die gewöhnlichen Lichtstrahlen durch Glas gehen, so gehen diese Ka thodenstrahlen auch durch Weichtheile Kette und Münzen. Die beigefügten Abbildungen ver anschaulichen ein Handslelett eines le benden Menschen, eine in einer Scha tulle verschlossen gewesene Kette und Münzen, die sich in einem Portemon naie befanden; alle diese Gegenstände sind mittels der Röntgen'schen Strah len photographirt worden, ohne dem Auge sichtbar gewesen zu sein. An dem Ringfinger des Handsteletts ist deut lich ein Ring zu sehen. Pros. Rönt gen's Entdeckung hat bereits in der Chirurgie Verwendung gefunden, auch wird dieselbe voraussichtlich der In dustrie wichtige Dienste leisten. Der energische Verkäufer. Prinzipal: Ich denke, ich muß dem Kleinstüber sein Gehalt erhöhen. Der Mensch entwickelt eine Energie bei dem Anpreisen meiner Waare, als ob er ertlärung machen wollte. So 'was gefällt mir. Kleinstüber («otto voc>c>): Frl. Golding! Maudü Geliebte!!! Seitdem Dein Vater mir das Haus verboten, war es der einzige Wunsch meines schmerzgefolterten Herzens, nur ewmal noch zu Deinen Füßen zu liegen; und jetzt, Maud, in diesem prosaischsten aller Plätze, biete ich Dir ganzes Sein!" Unbillig. Advokatenfrau (zu ihrem Galten, der mit ihr wegen des verunglückten Mittagessens zankt): „Mußt Du mir denn immer Vor würfe machen... Du hast doch sonst für jeden Raubmörder eine Ent schuldigung!" Commerzienrath: Julius, wie zieht's mer im Rücken und auf dem Magen, übel und elend bin ich und werd' immer kränker. Herr Commerzienrath: Wie haißt, Sarah, da wollen mer doch dem jungen Dok tor. der um unsere Rebekka anhielt und den wir mit dem Jawort hinhiel ten, gleich zusagen. Dann behan delt er Dich, und's kostet nix. Mlühanerinnen der Gegenwart. Die Zahl der Bildhauerinnen ist ungemein gering. Sie erscheint ver schwindend, wenn man vergleicht, wie viele Frauen sich seit Jahrzehnten der Schwesterkunst der Malerei widmen. Das liegt wohl zum Theil daran, daß die plastische Kunst das Dilettiren fast ausschließt, vaß sie eine so systemati sche und energische Schulung verlangt, daß man sich ihr ganz und ohne Vor behalt widmen muß. Davor schrecken natürlich schwächere Naturen von vornherein zurück. Aber noch andre Dinge kommen in Betracht, die viel leicht noch stärker wirken. Die bildhau erische Arbeit erfordert einen großen materiellen Aufwand und bietet ge ringe Erwerbsaussichten. Selbst eine wohlhabende Familie wird sich schwer entschließen, für eine nicht durchaus sichere Begabung so große Opfer zu bringen. Und wie soll sich eine solche wickeln kann." An der Spitze der heutigen Bild hauerinnen steht die Französin Char lotte Besnard, die Frau des berühm ten Pariser Malers. Sie ist die ein ziae bisher, die sich ebenbürtig neben die ersten Meister ihres Faches gestellt bat. Sie arbeitet in Steingut, das sie in ähnlicher Weise wie die Familie der Robbia ihre Terrakotten mit einer far bigen Glasur überziert. Mit dieser Glasur weiß sie so raffiniert umzuge hen, daß sie dem Stein wahres Leben verleiht, die Weichheit des Fleisches. Unzweifelhaft hat sie starke Anregun ter auch die Modelle theilt. Fast jedes Volk hat einige Bildhau erinnen hervorgebracht. Die Englän derin Mary Thornycroft, die Hollän derinnen Minca Bosch-Reitz, eine voll giltige Künstlerin, und Georgine Schwartze, die Schwester der großen Malerin, die Däninnen I. A. Betzo nich und Nielsing Petersen sind fast ständige Gäste auf allen Ausstellun gen in Europa. Eine eigenthümliche Stellung nimmt die Belgierin Helene Corneti ein, die mit den männlichen huldigt. Unter den amerikanischen Bildhauerinnen ist Edmonia Lewis interessant, die Tochter eines India ners und einer Negerin, die ihre Ju gend auf den Prairien verlebte und Auch Elisabeth Ney lebt jetzt in Ame rika. Aber sie ist eine Deutsche vonGe burt, und ihre künstlerische Thätigkeit hat sich besonders in München abge spielt. Auch in Deutschland giebt es eine Anzahl von Künstlerinnen, die allen Schwierigkeiten zum Trotz ihr Ziel er reicht haben. Sie haben mit Ausnahme von Henry Geiger, die sich auch an Aufgaben höheren Stils versucht hat, alle sich dem leichteren zuge wandt. Auch hier wirken die wirth schaftlichen Verhältnisse mit, aber noch mehr der echt weibliche Zug zum Zier lichen und Anmuthigen. Das echt Weibliche in der Kunst zur Geltung zu bringen, ist ober natürlich ein ebenso berechtigtes Ziel, wie dem Starken und Machtvollen nachzugehen. Wir stellen unsern Lesern die be> kanntesten deutschen Bildhauerinnen im Bilde vor und fügen einige Noti begann früh aus dem Thon der vä terlichen Ziegelei Porträts und Thiere zu kneten. Ein Aufenthalt i» Berlin führte sie in das Atelier Schapers, der einen Kranz mit Glühlichtrosen trägt, ist weit verbreitet. Die Künstlerin hat viele Arbeiten selbst in Stein übertra a-n- -in das Atelier eines Bildhauers, nach dem sie vorher nur heimlich in Wachs modelliert hatte. Im nächsten Jahre schon konnte sie öffentlich ausstellen. Sie hat eigentlich sich selbst unterrich tet. nur zeitweise haben Nikolaus Än- »er, ihr jetziger Gatte, Mar Klein und der Franzose Legros ihre Studien ge leitet. Eine Figur „Gestrandet", Bild nisse Berliner Künstler und Kinderbü sten sind ihre hauptsächlichen Arbeiten, die letzte eine liebliche „Maria mit der Lilie." Marie Schlafhorst ist Rheinlände rin. Sie kam verhältnismäßig spät zur Kunst, in der sie Trost suchte und fand für den Verlust, den sie durch den jä der Kunst, als sie 1888 aus ihrer Ge burtsstadt Altena nach Berlin übersie delte. Sie besuchte die Kunstschule, später die Fachklassen am Kunstgewer bemuseum. Seit drei Jahren arbeitet sie selbststiindig, besonders Bildnisse und Reliefs. Lillie Finzelberg ist die jüngste un ter ihren Genossinnen. Sie ist im No vember 1872 in Andernach am Rhein geboren. Schon als Kind zeichnete und knetete sie mit Vorliebe Scenen aus dem Kinderleben. Im „Verein Berli ner Künstlerinnen" wurde sie imZeich stische Arbeiten. Schon 1890, achtzehn jährig, stellte sie zum ersten Mal aus. Ihre sehr anmuthigen, naiven Genre statuetten haben großen Erfolg ge- Jahren das „Gänfeliesl". Die Führer der Boer». Außer dem Präsidenten Paul Krue ger hat sich bei den jüngsten Ereignissen Ober - Commandant General Jou bert, der „Moltke von Transvaal", in General Joubert. besonders hervorragender Weise her vorgethan. General Joubert, der frü her ein simpler Wagnermeister war, hat die Engländer bereits im Jahre 1881 geschlagen und General Joubert haben es die Boers zumeist zu verdan ken, daß der Freibeuter Dr. Jameson trotz seiner bedeutenden Uebermacht eine vernichtende Niederlage erlitt. Dr. LeydZ. Der Diplomat der Südafrikanischen Republik ist der Staatssecretär Dr. Levds. welcher von dem Präsidenten Krüger nach Berlin gesandt, die Jn hat. Hübscher Ersatz. „Können Sie vierhändig spielen, Herr Lieutenant?" diges Fräulein, daß ich Pedal trete!?" Schwacher Trost. Erste alte Jungfer: „Es scheint, wir müssen wmigstens emmal «neu Tag —S chlimmeAusrede. Mann (der von seiner Frau unversehens von Auch ein Beispiel. Bä ckermeister (entrüstet): Wenn das Mehl halbwegs im Preise sinkt, heißt's gleich: Die Semmeln könnten nun auch 'was größer sein; hingegen kann das Leder noch so billig sein und ich hab« nie bemerkt, daß die Schuster deswegen die Stiesel größer machen thäten. Chinelische Rechtspflege. Die Zopsträger deß „Reiches der Mitte" suchen nur in seltenen Fällen Schutz und Recht bei ihren Mandari nen. Nicht daß die mit geringen Ver änderungen seit vielen Jahrhunderten bestehenden Gesetze etwa ungerecht oder unklar wären; im Gegentheile, Es ist nur die Handhabung der Gesetze seitens der Mandarinen,»die Bestech lichkeit und Nachlässigkeit derßeamten, die Grausamkeit der Foltern und Strafen, welche den Chinesen bewe gen, nur in Fällen der äußersten Noth wendigkeit zu den Gerichten seine Zu flucht zu nehmen. Thatsächlich wer den im ganzen Reiche kleinere Streit fälle immer zuerst den Häuptern der Familie vorgelegt, welche ihr Urtheil nach uralten Traditionen und Gebräu chen fällen. Ist doch das Familien leben wie das ganze Staatswesen Chi nas nach patriarchalischen Grundsätzen Gerichtssitzung, geregelt, der Ortsvorsteher ist der Va ter aller Einwohner, derProvinz-Gou aller Chinesen. Derselbe Geist erfüllt auch die Rechtspflege. Das chinesische Gericht kennt keine Rechtsgelehrten, keine Advokaten und Staatsanwälte. Der Mandarin des Ortes, des Di> striktes oder der Provinz ist der allei nige Richter, nur das Recht über Leben und Tod liegt in den Händen des Kai sers. Bei den vielen Obliegenheiten des Mandarins gebricht es ihm selbstver ständlich an Zeit, den verschiedenen Streitfällen besondere Aufmerksam keit zuzuwenden. Das Verfahren ist summarisch. Der Fall wird vorge tragen, und ist die Zeugenvernehmung vorüber, so erfolgen Urtheilsspruch und Strafe auf der Stelle. Dann kommt der nächste Fall an die Reihe, und so geht es fort, bis der Mandarin die Sitzung abbricht. Dabei ist das ganze Rechtsverfahren öffentlich. Es spielt sich sozusagen auf der Straße ab, und der Besucher chinesischer Städte hat auf seinen Wanderungen fast täglich Gelegenheit, Strafe für Kupplerinnen, etwas davon zu sehen, seien es Ge fängnisse oder Bestrafungen, Gerichts sitzungen oder Foltern. Je größer die Stadt, desto häufiger sind diese, kei neswegs immer vollkommenen, Gele genheiten. Die Prügelstrafe spielt in der chinesischen Rechtspflege eine große Rolle, will aber der Schuldige dieser entehrendenStrafe entgehen, und kann er Richter und Schergen nicht bestechen, gelknaben anwerben, der für ihn die Strafe empfängt. Aber nicht nur die sen Bastonnaden, auch Gefängnißstra fen, ja sogar der Erdrosselung oder Enthauptung kann der Berurtheilte sich dadurch entziehen, daß er Stell ist, sich für andere prügeln und ein sperren zu lassen. Mit der Zeit wer den die in Mitleidenschaft gezogenen mit dem Lösegeld?, das sie mit ihrem Verbrecher im Kang. setzlich erlaubt. So werden beispiels weise Frauen selten wirklich bestraft, denn ihre Männer und Kinder geben sich zur Erduldung der Strafe her. Häufiger noch als die Bastonnade kommt in China die Strafe des Kang- Tragens zur Anwendung. Der Kang besteht aus zwei Brettern, welche an den Innenseiten mit Ausschnitten für den Hals versehen, dem Verurtheilten als eine Art Halskrause angelegt und durch Ketten oder Riegel mit einander verbunden werden. Diese 'Halsbret ter, etwa 24' bis M Zoll im Geviert während der ganzen Strafdauer von ein bis drei Monaten, Tag und Nacht auf dem Nacken des Unglücklichen, der sich also niemals niederlegen kann, sondern stehend oder sitzend schlafen muß. Ebensowenig kann er seine Hände zuck Kopfe Nah rung zu sich nehmen, und muß also durch mitleidige Passanten oder Freunde gefüttert werden. Papier streifen, auf die Bretter aufgeklebt, enthalten seinen Namen, das Verbre chen und die Dauer der Strafe. Diese Strafe haben auch Frauen zu erdul den. Die chinesischen Gefängnisse sind Ben in der Umgebung der Gefängnisse scharf bewacht. Am entsetzlichsten sind die Gefängnisse der zum Tode Verur theilten. „Niemals werde ich," schreibt ein Reisender, welcher ein solches Ge fängniß besucht hat, „den entsetzlichen men nach: Hyänen in Menschengestalt, ihre schmutzstarrenden, mit Aussatz be deckten Körper nothdürstig in faulende Hinrichtung. Kleiderfetzen gehüllt; mit entsetzlichem Geheul erhoben sich diese Elenden bei unserem Eintritt von dem feuchten, unflätigen Boden und stürzten mit wirrem Haar und stierem Blick auf uns zu, um ein paar Kupfermünzen zu erhaschen! Erleichtert athmeten wir auf, als wieder die geschlossene Thüre uns von ihnen trennte." Mo natelang müssen die Verurtheilten hier desurtheils von Peking herabkommt, denn nur bei Aufständen, im Kriegs falle oder bei außergewöhnlichen Ver brechen hat der Provinz-Gouverneur das Recht über Leben und Tod. Sonst gelangen alle Todesurtheile, und es sind deren Tausende in jedem Jahre, vor den Kaiser, der sie gewöhnlich im Herbst zu prüfen Pflegt. Um die Na men derjenigen, denen er jdas Leben schenkt, zieht er mit seinem rothen Bleistift einen Kreis; die anderen ver fallen dem Henker. Sind die Doku mente von Peking eingetroffen, so Wied mit der Vollstreckung des Urtheils nicht länger gezögert. Der Weg der Unglücklichen zum Richtplatz ist nicht lang. Sie werden in neue Kleider ge- Enthauptung von Seeräu bern. steckt und ohne Weiteres geköpft oder erdrosselt. Für Elternmörder besteht die gesetzliche Todesart darin, daß der Berurtheilte,.wie die Vorschrift lautet, angewendet. Erst wenn er sein Ge ständniß selbst unterschrieben hat, und häufig genug unterschreibt auch der Unschuldige ein solches, um der Tor tur zu entgehen, wird ihm die Strafe zugemessen. Die gebräuchlichsten Fol tern sind eine Art von Hand- und Fußschrauben, Knien auf Ketten, auf Glassplittern gemischt mit Salz u. s. w. Das Entsetzliche der Sache liegt Aus dem Gerichtssaal. Rich ter: „Aus den Akten ist ersichtlich, daß Sie bereits zweimal wegen Diebstahls bestraft wurden." Angeklagter: „Aber Herr Richter, wo bleibt denn da daS Amtsgeheimniß?" Vorausschauend. Ei»» Dame erzählt während ihres Besuchet bei Frau Müller von einem Damen schneider. welcher in Brautkleidern ganz Ausgezeichnetes leiste. Nach Fortgang des GasteS wendet sich die fünfjährige Paula leuchtenden Auge» an die Mutter: .Mami Hätz Di» Dir seine HdressegemerM'^.,^