2 Von Franz Dingclstcdt. Seh' ihn auf den Wolken ziehen, Stürmisch schnell und schwär? ge ballt. Hör' ihn seufzen in den Eichen. Raschelnd durch die Blätter schleichen, krausen durch den bangen Wald. Letzte Blume schmückt die Erde, Letzt« Sonne wärmt sie mild, An der dürren Rebenlaube Zittert die vergess'ne Traube, Und die Wellen strömen wild. Rasch das letzte Lied gesungen, Eh' das Leben ganz entwich; Winter Alles kalt verschlungen. Blumen, Lieder, Herbst und mich. Die oerhängiiißvoUe Dcprsche. Eines Tages, als ich meinen Pflich ten als Geschäftsführer der Pentecost kold Mining Co. in San Joaquin, Cal., eisrig nachkam, wurde mir eine erbrach ich den Umschlag, und las flüchtig den Inhalt. Derselbe war in deß so räthselhast, dcß ich ihn noch mals und abermals las. Die Bot „Schicke sofort Geld. Gläubiger Loreley." «n versetzte. Loreley? Wo hatt« ich waren angenehme Erinnerungen, die noch. Aber wo war's gewesen? Ich stützte den Kops in die Hand, um ruhig nachzudenken, kam jedoch zu keinem Resultat. Plötzlich indeß kam mir's wie ein Blitz, und zugleich drehte ich das aufgerissene Couvert herum und las mechanisch die Adresse. Einfach: Hermann Schmitt. Sonderbar, was konnte „Loreley" mit diesem griesgrä migen alten Geizhals zu thun haben? Doch gleichviel, hier war erst eine Pflicht zu erfüllen. So klebte ich dann mit einem Papierstreifen den Riß im kouvert wieder zu, machte auf der Außenseite den lakonischen Vermerk, daß ich aus Versehen die Depesche er öffnet hatte, und schickte dann einen Voten mit dem Telegramm zum alten Schmitt, demselben meine Entschuldi gung mitgebend. ganze „Camp" auszuzahlen. So hatte ich dann den kleinen Zwischenfall rasch vergessen, und dachte auch nicht »»heimlichen alten Chemikers vor kberschritt. Doch da hörte ich ihn in seinem Zimmer auf und nie- Schwanenlied einer armen, gepeinig ten Seele, die Ruhe, volle Ruhe sucht und findet. Wo hatt« dieser ver knöcherte alte Egoist nur so spielen ae >Har neugierig, und doch, welches Recht ha'tte ich, mich in die Privatangelegen heiten des alten Schmitt zu mischen? So gab ich die Absicht, die mich mo- und setzte meinen Weg fort. Den ganzen Abend dachte ich dar über nach, und Nachts wälzte ich mich Vor zwei Jahren, als ich meine Er nennung zum Geschäftsführer der Pentecost Gold Mining Co. erhielt, cs vialer Herr mit einer Neigung zum Dickbavch und zu vortrefflichen Diners, die Ehre, mich in seinem Haufe nicht Miene und den schönsten, ebenmäßigen Sie schien die gute Laune selbst zu sein, so sorglos und heiter lebte sie in auf Webster Hill, wo die Soupers stets tadellos und der Heidsieck Monopole gerade genug frappirt war, wo sie mit ihrer süßen Stimme die sentimental sten Lieder von Schubert. Kücken und Silcher sang, war's meinem Präsiden ten offenbar am wohlsten. Eigentlich hieß sie gar nicht Loreley, sondern Mrs. Hermann Schmitt, aber mit dem gefühlvollen Vortragt des deutschen SZ"l'sliedes, das die Sirenenkünste der Nheinnixe feierie, hatte sie mir's und Anderen angethan, und so war ihr Name wenigstens für die intimeren Freund« ihres gastlichen Hausei Lor«l«y geworden und geblieben. Mit wehmüthiger Freude erinnerte ich mich der prächtigen Abende, die ich bei Loreley in Gesellschaft meines Prä sidenten und dessen Gattin verlebt hat te, und in der Erinnerung glaubte ich ihren weichen, vollen Sopran wieder zu vernehmen, mit dem sie mein ju gendliches Herz bethört hatte. Wie reizend, wie liebenswerth war sie mir überhaupt erschienen! Und ich hatte sie, wie es wohl viele Andere in dem leichtlebigen San Francisco, wo man nicht nach der Vergangenheit der Men schen forscht, ergangen war, für eine reiche, lebenslustige junge Frau gehal ten, deren Mann wohl irgendwo im Gebirge auf dem Grunde einer ergie bigen Goldmine nach den glänzenden Goldadern forscht, die ihr das herr liche Leben gestatteten. Und nun diese Entdeckung! Dies also, der alte Schmitt, unser wegen feines filzigen Geizes berüchtigter As sayer, war der mir stets in räthselhaf ter Ferne vorschwebende Gatte der aus dem Vollen schöpfenden, in Saus und Braus lebenden reizenden Frau. Welch' ein Abgrund des menschlichen Herzens that sich mir da auf! Deß halb also war Hermann Schmitt, der beste analytische Chemiker, den die Ge sellschaft je besessen, in dieser Einöde zum Einsiedler geworden, deßhalb also sparte und geizte er; deßhalb versagte er sich jede Freude und jeden Genuß — mit Ausnahme seiner stets qualmenden Pfeife und seiner alten, mit Bindfa den zusammengehaltenen Flöte da ihr Schmetterlingsdasein in der großen Stadt führen konnte. Seltsam: Wie mußte dieser scheinbar jedem menschli chen Gefühl unzugängliche, vertrocknet« Mann dieses im Schmucke strahlender Reize prangende Weib lieben! schichten über sein einsames, freudloses Dasein erzählt, wie er die Arbeit seiner zwei Assistenten einst übernommen und sich mit einem halbwüchsigen Jungen begnügt hatte in seinem Laboratorium, um sein Salär, das an und für sich schon bedeutend genug war denn es belief sich auf zu erhöhen; wie er sich seine Mahlzeiten auf dem Ofen seines Laboratoriums selbst zu bereitet, nie spiele am Monte- oder Poker- oedr Farotisch, nie in die Con cert- oder Tanzhallen gehe, nie «inen Cent unnöthig ausgebe; wie er sogar bei allen Gelegenheiten, wo selbst der ärmste Miner einige Goldstücke zu ge ben nicht unterließ, bei Sammlungen für verunglückte Arbeiter, bei Unter stützung armer Wittwen oder Waisen, nie die geringste Münze beigesteuert habe. Und alles dies, die allgemeine Abneigung, die sich in Folge dessen an seine Fersen heftete, alles dies nur we gen dieses Weibes mit den lachenden, Noth des Lebens gekostet. Monat, wenn die Saläre bezahlt wur den, schickte der alte Schmitt das ganze Geld bis auf zehn Dollars an die Adresse derMrs. HermannSchmitt. Mit den zehn Dollars langte er den ganzen Monat. Doch, ich vergaß starb, so würde das schöne Weib in San Francisco die Mittel erhalten, um ihr glänzendes Leben fortzusetzen. Armer Hermann Schmitt! Armer blinder Ehemann! Wer hätte je ver muthet, daß sich dieser schwächliche, fast zur Mumie eingetrocknete Mann mit dem kahlen Schädel und den glanz losen Augen in jenes lachende Wesen in dem hübschen Hause auf Webster Darüber war ich eingeschlafen, und als ich des Morgens aus wüsten Träu men erwachte, da stand ein Bote vor Hermann Schmitt die ihm am Abend zuvor überbrachten ErzProben nicht geschmolzen habe und die Tagesarbeit in der Stampfmiihle deßhalb nicht vorwärts schreiten könne. Ich kleidete mich. Uebles ahnend, hastig an und folgte dem Boten nach der Blockhütte des alten Chemikers. Auf wiederhol tes Klopfen keine Antwort. Auch kein Laut war im Innern zu vernehmen. Die Läden an den Fmstern waren von innen verriegelt. Rasch entschlossen ließ ich mir einen Hammer bringen, und das Schloß der Einganqsihür war mit einigen kräftigen Schlägen schlug uns entgegen, wie von blühen den Pfirsichen. „Zurück, zur"ck! Wenn Euch das Leben lieb ist," schrie ich, denn ich hatte Duft ist tödtlich, wie ich wußte, und jetzt wußte ich auch, welcher Anblick unserer harrte, da drinnen in dem Ja, da lag er der gute Alte, mit verzerrten Zügen. Todt. Ein zer brochenes Fläschchen verdünnte Schwe felsäure hielt die starre Hand noch krampflaft umschlossen. Damit hatte er indem er die Flüssigkeit auf jenes noch auf dem Tesche verstreut war, grossen, das schrecklich- Gift e'.zcugl. wie es ihm, dem g«w!«glei» Chemiker, ja nicht schwer fiel. Ich erinnsrte mich, wie ich ihn einst einen jungen Assisten ten hatte warnen hören gegen vor witzige Experimente mit eben diksem weißen Pulver. Ringsumher lag Alles zur tägli chen Arbeit bereit die Retorten, die Schalen, die kleinen und großen Schmelztiegcl, gerav« wie gewöhnlich. Der Alte hatte seine Vorbereitungen sorgfältig gemacht, damit der Verdacht des Selbstmordes nicht über der That lasten und seine Wittwe wegen der Auszahlung der großen Prämien mit den Versicherungsgesellschaften nicht in langwierige Prozesse verwickeln sollte. Nach der Depesche, der verhängniß vollen, sah ich mich um. Sie war ver schwunden. Der Verstorbene mußte sie vernichtet haben. Die Coroners-Jury gab denn auch «inen einfach«» Spruch dahin lautend ab. daß Hermann Schmitt bei Aus übung seines Berufs verunglückt fei. Die Zeitungen in San Francisco wid meten ihm «inen kurzen Nachruf, wo rin viel von den Fähigkeiten des Ver storbenen, aber keine Silbe von seinen Tugenden gesagt war. Die Compag nie richtete ihrem bewährten alten Die ner ein einfaches, aber Begräbniß aus. Und dann war's Einige Wochen später erhielt ich ei nen Privatbrief von meinem jovialen alten Präsidenten, worin auch folgende Nachricht enthalten war: „Madame Loreley, Sie entsinnen sich ihrer wohl noch, ist jetzt eine inter essante Wittwe und sieht deshalb rei zend in ihrem Trauerkleide aus. Ich glaube, Sie könnten Ihre Chancen verbessern, wenn Sie der Dame jetzt etwas den Hof machten, denn sie soll von ihrem verstorbenen Mann« eine ganz nette Summe an Versicherungs geldern geerbt haben." So war's denn richtig die schön« Frau auf Webster Hill war die lachen de Erbin des den ihre Ver schwendungssucht in den Tod getrieben hatte. Ich bin nicht fein Nachfolger gewor den. Mein Gnkcl Varl. Mein Onkel Karl war Landwirth und Pächter eines umfangreichen Gu tes in der Provinz Sachsen. Schon als Kinder erfuhren wir aus den gele gentlichen Gesprächen unserer Eltern, daß Onk«l Karl ein „Temperenzler" war, und ehe wir wußten, daß dies weitir nichts bedeutet, als einen Mann, der sich strengster Mäßigkeit oder Ent haltsamkeit in Bezug auf geistige Ge tränke befleißigt, umgaben wir ihn in unserer Phantasie mit dem Nimbus des Außergewöhnlichen und Sonderbaren. Oft waren wir Kinder eingeladen wor den, die Sommerferien anstatt in un serer staubigen Stadt auf d«m grlln umwobenen Gute des Onkels zuzu bringen. Ab«r das war immer nicht zur Ausführung gekommen, anfangs >veg«n dieser und jener anderen Zwi schenfälle, später m«inerseits aus be wußter Abneigung gegen d»-, strengen Geist d«r Temperenz, der in jenem Haus« herrschte. Aber kein Mensch kann bekanntlich seinem Schicksal ent gehen, und so schlug auch mir die Stunde. Als ich vor einigen Jahren von der heimischen Universität nach Berlin übergesiedelt war, gab es zwi schen dem Elternhause und mir bald allerhand kleine Differenzen. Mein Vater, der selbst nicht ftudirt hatte, wollte absolut nicht einsehen, daß das Leben in einer Millionenstadt an das Portemonnaie andere Anforderungen stellt, als daheim in der Provinz. Je der ehemalige Student weiß, daß man unter solchen Umständen gern darauf verzichtet, die großen Ferien im El ternhause zu verbringen, und so kam mir denn eine erneute Einladung des Onkels Karl damals recht gelegen. Es war «in wunderschöner August tag, als mich da- Gespann des Onkels von der seinem Gute nächstgelegenen Eisenbahnstation abholte. Der Empfang in dem behaglich un ter hohen schattigen Bäumen daliegen den Gutshause war herzlich genug. Onkel Karl und sein Sohn Gustav, ein junger Mann etwa in meinem Alter, den ich bis dahin nur vom Hö rensagen kannte, entschuldigten sich, daß sie wegen der eiligen Erntearbei ten nicht selbst mich hätten abholen können und die freundliche Tante ließ sogleich ein ausgiebiges Vesperbrot in der kühlen Eßstube Herrichten. Ich griff tüchtig zu, und auch das große Glas Mich die Tante hatte gefragt, ob ich Milch oder Himbeerlimonade vorzieh« - fand mein Durst sehr an die mehr als Zuschauer, denn als thä tige Theilnehmer mit mir am Tische gesessen hatte, nicht wenig zu erfreuen. Am vierten Tag« meines Aufenthal tes trat Regenwetter ein. Die Ernte wagen mußten in den R"nifen bleiben, Holzzerkleinern und anderen Arbeiten in Haus und Hof beschäftigt, und wir saßen auf der Veranda, deren ziemlich weit vorragende Bedachung uns vor dem Naßwerden schützte. Ziemlich ein silbig sahen wir in dm Regen hinaus, der jeden von uns in seinen Absichten oder Erwartungen störte. Etwas wie Unzufriedenheit mußte sich deswegen auch wohl auf meinem Gesichte spie geln, denn der Onkel fragte schon wäh rend der Morgenstunden wiederholt, ob mir etwas fehle, und als nach dem frühstück die Tante sich in Küche und Vorrathsräumen zu schaffen macht« «nd Vetter Gustav von einem Knechte in den Pferdestall abgerufen wurde, lud mich d«r Onkel nach «iner kleinen Zimmer zu treten. „Du gefällst mir heute gar nicht," begann er dort, indem er mich durch „Jch wüßte nicht," wollt« ich ganz unbefangen ein« Entgegnung begin nen, die jedoch der Onkel kurz abschnitt mit den Worten: „Aber ich weiß, wo es Dir fehlt hätte mir's auch gl«ich denken können! Du kannst unsere Le bensweise nicht vertragen, nein, wi dersprich mir nicht. Ich nehm« es Dir ja auch gar nicht übel. Und darum will ich Dich jetzt in's Vertrauen zie- Er macht« sich nun an einen größeren Schrank, öffnete mehrere Fächer und entnahm ihnen eine sehr vertrauener weckende Flasche und zwei Gläser. „Das hier ist alter Portwein," sagte er, indem er die Gläser füllt«. „Der Postv«rwalt«r besorgt mir davon gele gentlich mal eine Kiste, und wenn ich täglich nach dem Frühstück so ein Gläs chen trink« oder auch zwei, so übt das auf mein« Stimmung einen außeror dentlich wohlthätigen Einfluß. Na, prost!" Damit stieß er an mein GlaZ und that «inen herzhaften Zug. kam regelrecht nach und dann schauten wir uns beide übe; die Gläser hinweg ei nen Moment an mit jenem wohlgefäl ligen Kopfnicken, das dem „Stoff" das beste Zeugniß ausstellt. Er war wirk lich nicht zu verachten, dieser alte Port wein aus des Onkels Geheimschrank, und das war wohl die Ursach«, weswe gen mein Glas sich merkwürdig schnell leerte. Der Onkel blieb nicht hinter mir zurück, füllte dann die Gläser wie der und meinte behaglich: „Na, das schmeckt Dir doch, scheint's, noch besser als Milch!" „Gewiß," entgegnete ich, „aber ich kann mir noch gar nicht erklären —" „Wie «in solcher Tropfen sich uniter das Dach eims Temperenzlers verirrt hat?" unterbrach der Onkel meine Rede. „Das will ich Dir gleich sagen. Du mußt wissen, daß ich die Enthaltsam keit als Erbtheil aus meinem Eltern- Hause mit bekam und da ich das Leben nur von diesem Seite kannte, so fühlte ich mich wohl dabei. Der Verkehr mei n«r Famili« bewegte sich natürlich nur im Kreife Gleichgesinnter, dort lernte ich auch meine Frau kennen und bei Kaffee und Limonade wurden Verlo bung und Hochzeit gefeiert. Durch ei nen Zufall aber kam ich dahinter, daß ein Glas Portwein doch ein« schöne Sache ist, und seitdem na. Du bist heute der erst«, der von dem Geheimniß dieses Schrankes erfährt und Du wirst als Mann und Corpsbursch ja wohl reinen Mund halten. Uebrigens kannst Du mich von jetzt an jeden Morgen nach dem Frühstück hier aufsuchen und 'mal anniippen; ich will doch nicht, daß die ungewohnte Enthaltsamkeit Deiner Gesundheit schadet." Damit schenkt« der wacker« Mann zum dritten Male ein, während ich ihm unverbrüchliches Schweigen zusicherte. „Na, dann ist ja die Sache in Rich kramte dann aus einem Büchschen ge brannte Kaffeebohnen hervor, von denen er mir einige reicht«. „Di« nimm in den Mund und knabbere fi« auf, damit man d«n Wein nicht an Dir merkt," sagt« er und knab berte mir mit gutem Beispiele voran. Ich war in gehobener Stimmung. Der Wein hatte mich mit angenehmer Wärme durchströmt und die Aussicht, jeden Morgen ein so nettes Nachspiel d«s Frühstücks zu erleben, erfüllt« mich mit Behagen. So kam das Mittagessen heran, das nach guter ländlicher Sitte bald nach 12 Uhr eingenommen wurde. Es gab u. A. ausgezeichneten rothen Kohl, mein Leibgericht, dem ich alle Ehre angedeihen ließ. Als ich dann bald nach Tisch so zufällig einmal vor de? offenen Thür der Vorrathskam mer vorbeifchlenderte. winkte mir die Tante und ich trat ein. „Hör' mal, Wilhelm," begann sie, „es klingt ja sonderbar, aber ich glaub«, Du hast heute von dem Kohl doch et was zu viel gegessen." Ich wurde roth bis über beide Oh ren. Die Tante aber, die meine Ver legenheit bemerkt«, fuhr rascher fort: „Ach. so ist das ja nicht gemeint ich sürchte nur, Dem Magen wird Dir Unbequemlichkeiten bereiten, wenn Du ihm nicht ein wenig entgegen kommst." Mein Gesicht muß wohl so ziemlich das Gegentheil von Schlauheit ausge drückt haben, denn ich konnte durch aus nicht einsehen, was die Tante denn eigentlich meint«. Diese aber drückte die Thür in's Schloß, wandte sich dann einem kleineren Nebenraume zu und kehrte von dort alsbald mit einer dun keln vierkantigen Flasche zurück. „Mein Hausmittel," erklärte sie, „davon nehm« ich hin und wieder ein Gläschen. Es braucht im Hause na türlich Niemand davon zu erfahren. Du weißt ja Bescheid. Aber wenn Dir mal nicht so ganz recht im Magen sein sollte, so komm nur zu mir, mein Junge. Nach Tisch findest Du mich immer hier, und dies Hausmittel ist wirklich gut." Da hatt« nun die Tante in der That recht. Es war echter Benedictiner! Das Gläschen, das wir in verwandt schaftlicher Eintracht abwechselnd leer ten, hatte freilich nur kleine Dimensio nen; aber dafür wurde es entsprechend okt gefüllt, und die Tante freute sich offenbar. in> mir einen Mitschuldigen und verständigen Kenner derartiger Genüsse zu finden. Ich erfuhr ganz genau die Bezugsquelle, auch wurde ich in die unauffällige Art eingeweiht, wie die alte treue Botenfrau die Conlre bande einschmuggelte, und als ich nach einem halben Stündchen des Geru- ches wegen mit einer Gewürznelke Im Munde den „geistvollen" Vorraths» räum verlieb, um die etwas schwer werdenden Augenlider durch ein kleines Mittagsschläfchen wieder wacher zu machen, da lächelte ich still vergnügt vor mich hin. Aus dem Mittagsschläfchen wurde ein regelrechter Schlaf. Ich «rwacht« erst, als Vetter Gustav in meinem Zimmer erschien, um sich wegen mein«s Nichterscheinens beim Vesperbrote nach mir umzusehen. rablen Wetter gar nichts Gescheidteres thun als schlafen, sieh nur, wie es in einem fort so sachte weiterregnet," meinte er. Ich bestätigte das gähnend, worauf der Vetter mit geheimnißvoller Miene fortfuhr: „Aber ich wüßte für uns be?de viel leicht «inen kleinen Trost," und dabei machte «r mit Kopf und Fingerspitzen die bezeichnende Bewegung des Trin kens. Hatte ich recht verstanden Also auch er! Den Zeigefinger quer auf die Lip pen drückend, nahm «r mich b«im Arm und führte mich in seine Stube. „Sieh Dir mal meine Büchersamm lung genauer an," begann er dort, sich augenscheinlich an der Verständnißlo siakeit weidend, mit der ich dieser Auf ,Das muß man anders machen," fuhr er dann lachend fort. „Erst das vollständig« Durchdringen der Wissen schaft führt zum wahren Genusse!" Und damit räumt« er drei Bände Na turgeschichte bei Seite, öffnete eine da hinter verborgene Klappe und schwenkte gleich darauf triumphirend eine Fla sche mit goldigem Inhalt vor meinen Augen. „Was ist das?" Mir schien es Cognac zu sein, und eine nähere Prüfung ergab nicht nur, daß es der Etiquette nach „Hennessy mit fünf Sternen" war, sondern meine in Berliner theuer genug erwor bene Kennerschaft bestätigte auch beim Kosten die erfreulicheUcbereinstimmung zwischen äußerem Schein und innerem Werch. S.d t -h sich schuldigend vorbringen zu müssen. „Nur dürfen um des Himmels Willen die Eltern nichts davon «rfahr«n, denn Naf« ablesen, ob sie sich mit Port wein, Benedictiner oder Cognac die Enthaltsamkeit geistiger Getränke zu erleichtern suchen. »in Verächter »«rStatisttr. Nischen Beamten und bat um verschie dene statistische Angaben über die Be völkerungszahl der Stadt, in welcher er sich aufhielt. Die Antwort lautete folgendermaßen: „Mein erlauchter Freund, o Freude meines Lebens! Das, worum Du mich fragst, ist schwer Andere sein Schiff befrachtet, geht mich nichts an. Die frühere Geschichte der Stadt weiß Allah allein, nur der Him mel weiß, wie viel Schmutz und Ber gen vertrieb. Es hätte keinen Zweck, darnach zu forschen. O, meine Seele, o, mein Lamm, erkundige Dich doch Friede sei mit Dir!" Abgeblitzt. „Fräulein Ella, ich lieb« Sie! .. Ich liege zu Ihren Füßen ich bin Ihr Sklave!" „Nun denn, ich will Sie a!s meinen Sklaven betrachten ich schenke Ih nen die Freiheit!" Aus dem Kasernhof. »Donnerwetter, Müller, Sie stehen wieder da wie ein kritischer Tag erster gasusreiter! Dichten wohl für heute Abend «inen Trinkspruch?! Der kö nigliche Exerzierplatz ist aber kein Dichterwald! Verstanden?" Zu gewissenhaft. Bei der Berufszählung führte sich ein höchst gewissenhafter, aber auch zerstreuter Professor in seinem Zählbog«n unter —Ein kleiner Egoist. Mut ter: „Karl, gib doch Deinem Schwe sterchen auch ein Stück Wurst! Ge theilte Freude ist doppelte Freude!" Karl:„Das schon! Aber getheilt« Wurst ist nur halbe Wurst!" B«i «in«r Straße nab sp«rrung. Schutzmann: „Hier darf Niemand durch!" Journalist: „Ich hab« aber ein« Erlaubniß vom „Schriftlich?" Journalist: „Nein, «in« mündliche." Schutzmann: „Zei gen Sie sie vor!" Doch etwas. Herr: Kann man denn den Negern diese abscheu liche Menschenfresserei nicht abgewöh nen? Missionär: Das kann man noch nicht erreichen, aber daß sie sich nach jeder solchen Mahlzeit die Zähne bürsten, das haben wir doch schon er reicht. Achuldtos vcrurtyeilt. Erzählung auZ dem Leben. Wieder einmal erscholl wüstes Lär. men und Toben aus einer d«r zahl reichen Matrosenschenken, stromab wärts der großen Lonoon-Brück«. In der ausschließlich von italieni schen und spanischen Seeleuten besuch ten Schenke war Streit ausgebrochen. Ein Knäuel verschlungener, kämpfen der Bestien, das Gaslicht erlischt —> vielleicht vom Wirthe abgedreht, um «in End« zu machen. Ein lauter Schrei, und di« Menge wälzt sich durch die aufgerissene Thür in'» Freie. Auf dem Fußboden liegt rö chelnd ein junger Bursche, ein Messer in der Brust. Nun war die Polizei rasch zur Hand. Auch der Thäter war bald zur Stell« geschasst. Das Messer, mit dem das Verbrechen verübt würd«, gehört« dem Bollmatrosen Pietro Le» sari von der sicilianischen Barke „Santa Margherita". Noch am sel ben Abend war er dingfest gemacht. Vom Poliz«iricht«r vor daS Schwurgericht gewiesen, stand Pi«tro verwirrt und betäubt da. Er verstand kaum ein Wort Englisch; der Dol metscher an seiner tz-eite mochte wohl zur Noth ein akademisch richtiges Italienisch verstehen, doch konnte er den sicilianischen Dialect, den d«r An geklagte sprach, nicht beherrschen. Bei allem Bestreoen nach unparteiischer Gerechtigkeit, das sie bese«lt, sind eng lische Richter und Geschworene nicht ge neigt, ihre Zeit bei aussichtslosem Wortg«plänkel zu v«rtröd«ln. D«r ob jective Thatbestand lag klar zu Tag«. Die Zeugenaussagen lauteten bestimmt. Der Erstochen«, sowie der Angeklagte Kreits die liefst« Dunkelheit, allem die Mordwaffe gehörte unzweifelhaft dem Pietro Lesart, und als er gleich darnach verhaftet wurde, trug er kein Messer, während italienisch« Matrosen sonst nie ohn« «in solches zu finden sind. Die Geschworenen steckten nun di« Köpf« zusammen und gaben, ohne den V«rhandlungsfaal zu verlassen, ihr ein stimmiges Urtheil ab: schuldig! Der Richter, W. Langton, verur theilte dem Gesetz gemäß den Ange klagten dazu, „am Halse aufgehängt zu werden, bis daß er sterbe." Pietro hatte den ganzen Vorgang nicht begriffen. Hilflos sah er sich um. Daß er zum Galgen verurtheilt fein sollte, konnte «r nicht fassen. In d«m hastenden Treiben des Lon doner Lebens kann es auch für ernst« G«fchäftsleute Viertelstunden geb«n, in denen sie vielleicht nur zwischen zwei geschäftlichen Unterredungen ihre Zeit nicht recht zu verwenden wissen. D«r Großkaufmann I. 8., «in Italien«! von Geburt, hatte an dem betreffenden Verhandlungstage einen solchen freien Mom«nt und war, ohne and«re Absicht als diesen zu verbringen, in den Ge richtssaal getreten. Dieser Zufall entschied über di« Ehr« und das Leben Pietro Lesari's. Ein unbestimmtes Etwas in der Physiognomie des Angeklagten hatt« den Kaufherrn sympathisch berührt. Es war sein Landsmann. Er trat auf ihn zu. sprach ihn an und frug nach den Vorgängen, di« Pietro aus die Anklagebank geführt. In Ac cent«n, deren Wahrheit ihn erschüt terte, betheuerte Pietro seine Unschuld. Nicht er sei d«r Mörd«r, sondern ein Matrose «in«s andern italienischen Kausfahrers, Carlo Dalgeri, dem er am selben Tage sein Messer verkauft habe. Herr I. 8., auf das Tiefste ergrif fen und überzeugt, daß «in Unschuldi ger verurtheilt worden sei, versäumt« kein« Zeit. Eine Eingabe an den Lord kanzler sicherte den Aufschub d«r B«» stätigung des Tod«surth«iles. I. B. selbst machte sich an d:e Aufgabe, den wahren Schuldigen aufzusuchen. Dalgeri war an Bord d«s „Rada mant«" nach Liverpool abges«gelt. Er folgt« ihm dahin und es gelang ihm,, nach Ueberwindung großer Schwierig, keiten, den Matrosen aufzufinden. Und «» gelang ihm m«hr. Dalg«ri das Messer Pietros in seinen Besitz Stelle. An der Hand dieser Beweise zögerte der Lordkanzl«r nicht lang«. Ein« Wied«raufnahm« des Verfahrens kennt di« englisch« Gesetzgebung nicht. Ein rechtskräftig Verurtheilter bleibt der Schuldige, er kann gesetzlich nicht rehabilitirt werden. Man begnadigt ihn. So geschah es mit Pietro Le sari, der sein« Befreiung nur dem Minuten durch das Anhören einer Gerichtsverhandlung ausfüllen wollte und daß dieser Zuhörer «in Mann von H«rz und En«rgi« gewesen, der es un ternahm, nichts unversucht zu lassen, retten. Umschrieben. H«rr:Wann hat d«nn ?lhr Vater, der Herr Sani tätsrath,Sprechstund«, gnädig«s Fräu lein? Fräulein: Papa von 4 —6 Uhr Nachmittags, Mama aber jeder zeit. j Höchster Küchenstolz. Dienstmädchen: „Gnä' Herr, dös sag' i' Eahner gleich, d' Frau hat mi' be leidigte Entnzeder sie geht aus dem Haus' oder i'l" Geflügelt« Worte au» der Vogel» »»«lt. Bon Julius Stettcnhcim. „Merkwürdig", flötet die Nachtigall, mich Sängerin!" „Ich kann krähen," sagt st»lz der Hahn zur Kräh«, „aber du kannst nicht kikerikien." „Diebisch währt am längsten", be lehrt ein Rabe seine Jui»g«n. „Immer nobtl!" ruft d«r Kuckuck, wenn «r sein« Eier in ein fremdes Nest l«gt. „Durch mich", prahlt die Eule, „ist Minerva das Sinnbild der Weis heit." „Was wäre di« Press« ohn« uns!" rufen selbstbewußt die Enten. „Wie würden die Menschen lachen," sagt ärgerlich das Huhn, „wenn ich richten Vierten m den Tops wünsch tet." schnattern vorwurfsvoll die Gänse, wenn sie auf den Markt getrieben wer den. „Ein Rad schlagen wie ich kann je der," meint der Pfau, „aber nicht so singen." „Uns verdankt der Sänger Jbykus sein« Unsterblichkeit", behaupten die Kraniche. „Ein freies Leben führen wir", flö ten die Dompfaffen im Bauer. „Es wäre doch r«cht bequem, wenn uns die Menschen die Jungen bräch ten", sagt der brütende Storch. „Kein Bogelist so sanft wie ich", versichert die Taube, wenn sie «in In sekt verschlingt. „Man muß auch was für die Fem« dem sie Dreck produzirt. „Jeder Zoll ein Lear!" ruft bevew tend der Zaunkönig. „In ihrem höchsten Liebesglück spra chen Romeo und Julie von mir!" tril lert selbstbewußt die Lerche. „Als Schiller schrieb: „Das Spi«l d«s Lebens sieht sich heiter zen trägt", da hat «r an mich gedacht," versichert der Kiebitz. „So klein« Füße wie ich hat kein Adler", lispelt kokett der Kolibri. „Es ist nicht wahr, daß ich mir die Brust aufschlitze, um mit dem Blute meine Kleinen zu nähren," versichert der Pelikan. „Aber es wird ja allge mein gesagt,also muß doch etwas Wah res daran sein." „Wie kommt mir solcher Glanz in meine Hütte?" citirt die Elster, wenn sie em«n silbernen Löffel in ihr Nest getragen hat. „Ich bin die Wahrheit, denn ich habe lang« Beine", sagt stolz der Fla mingo. „So klug, wie man aussi«ht, kam» man überhaupt nicht sein," meint der Gimpel. „Jed«m das Seine!" poliert der was wegschnappt. „Die Katze ist ganz verliebt in mei nen Gesang," schmeichelt sich der Kana rienvogel. „Was mich ärgert, ist, daß man bei aller Zurückhaltung dem Aas nicht ausweichen kann," heuchelt der Kon dor. „Und wrnn die Menschen noch so gut schmeckten," schwört das Rebhuhn, „ich würde dennoch keinen tödten und aufessen." Die Sage vom Hl. Sarki«. Bei den Armeniern gilt der heilige Sarkis als der Schutzpatron der Jungfrauen. Eine Woche vor seinem Geburtstage beginnen die schönen Ar menierinnen zu fasten. Sie essen täg lich nur einmal und auch da nur Früchte. Am letzten Tag« essen sie nichts weiter, als vor dem Schlafenge hen ein Stückchen gesalzenes Brod. Ii» der Nacht erblicken sie dann ihren Zu künftigen im Traume. Wie der heilig« Sarkis zu dem Amte des Liebespa trons kam, erzählt ein« Sage. Da nach erschien ihm «inmal Gott im Traume und sprach: „Du bist immer ein frommer Mann gewesen, darum will ich Dich schon auf Erden belohnen. Ich will Dir eine Macht verleihen, die noch kein Mensch besessen hat; wenn Du «ine reine, schuldlose Jungfrau siehst, die gern heirathen möchte, 112» flehe in ihrem Namen zu mir, und ich werde ihr einen Gatten bescheeren." AIS der h«ilige SarkiS erwachte, wollte er feine neue Macht gleich probiien. bat er in ihrem Namen zu Gott um einen Gatten, und noch am selbigen Tage kam ein stattlicher Mann durch den Ort geritten und heirathete die schöne Jungfrau. Von da an zog der heilige Sarkis durch die ganze Welt, und überall in Stadt und Land, wo «ine rein« Jungfrau «inen Gatten wünschte, «rhielt sie denselben durch sein Gebet. Einmal kam der Heilige aber in eine Wüste und traf dort eine Büßerin, die viele Freier betrogen hatte und durch di« harte Buße noch gern «inen Gatten erringen wollt«. Ihre aufrichtige Reue erbarmte den heiligen Sarkis und er flehte auch für sie zu Gott um einen Gemahl. Sein Gebet wurde zwar erhört, denn ein schöner Mann kam noch am selben Tage durch die Wüste und heirathete die Sünde rin; der Heilige aber mußte nachmals seinen Ungehorsam schwer büßen und fünfzig Jahre länger, als ihm ur sprünglich beschieden war, auf der Erde verbleiben.