2 Die Wolken zieh'n wie Trauergäste Den Mond zu Grabe zu geleiten; Der Wind durchfegt di« starren Aeste Und sucht ein Blatt aus bess'ren Zei ten. D'e grünen Tannen schau'n so düster Auf eine junggeknickte Eiche, Als blickten trauernd« Geschwister Auf der geliebten Schwester Leiche. Schon flattern in der Luft die Raben, Des Winters unheilv"lle Boten; Bald wird er tief in Schnee begraben, Die Erde seinen großen Todten. Ein Bach läuft hastig mir zur Seite; Er ahnt des Winters Eisesketten Und stürzt sich fort und sucht das Weite, Als könnt' ihm Flucht das Leben ret ten. Da möcht' ich länger nicht inmitten So todesnaher Oede weilen; Es trieb mich fort mit hast'gen Schrit ten. Dem slücht'gen Bache »achzueilen. Höchste Vaterüede. Tin Erleb,ich in der Wüste von Utah -von W. v. Schierbrand. Wie eine dünne, schwarze Schlange wand sich der Ueberland-Zug, der auf dem Wege vom Osten und durch den Continent nach San Francisco dahin drauste, durch die unabsehbare Wüste Won Utah hin. Die Erde weiß, stau big, ausgetrocknet von der unbarmher zigen Gluth des Sommers; die heiße !Luft zitterte, und die Ebene, soweit das ermüdete Auge blicken konnte, zeigte jene Alkali-Sterilität, auf d«r nichts gedeiht außer rothbräunlichem Unkraut. Fern am Horizont nur ver wischten sich die Linien, Hunderte von Meilen fern, als ob dort Hügel in wel lenförmiger Bewegung seien aber es war eine Täuschung der Sinn«, denn auch dort nur streckte sich das flache Land. Weit und breit lein Tropfen Wasser, und der tiefblaue, leuchtend« Himmel spannte sich schier unermeßlich Kber das Ganze. Auf dem Riesen gebiete, durch das der Blitzzug jetzt dahinstöhnte und ächzte, nichts Leben des, außer den wenigen Menschen im Zuge selbst. Im Emigrantenwagen saß ein Ba ker mit seinem kleinen Kinde, das Kind heiter und lächelnd, der Vater düster und sorgenvoll. Er hatte Ursache dazu, denn jeden Augenblick erwartete er, daß der Betrug, den er durch seine längere Gegenwart an der Bahngesellschaft verübte, entdeckt werde. hatten erquicken können. Manche von ihnen lagen in gedrückter, unnatürli cher Stellung quer über die Bänke, um auf diese Weise etwas Ruhe zu finden und sich für den geraubten Schlum mer der Nacht zu entschädigen. An dere wieder unterhielten sich im Flu ten von der einfachen Kost, die sie mit genommen oder lasen in alten Zeitun gen oder Büchern. Immer noch brütete der Mann dumpf vor sich hin, während fein klei nes Töchterchen mit der Sorglosigkeit der Kindheit eingeschlafen war und das das zarte Oval des Gesichtchens sah im Schlafe noch reizender aus. Die Züge des Mannes waren nicht schön; im Gegentheil, sie waren entschieden häßlich und gemein, und der struppige Bart, der seit Wochen keine Pflege gehißt, der Ruß und Staub, der sich wie eine Kruste über die gebräunte Haut laaerte, gaben seinem Aussehen noch mehr Unschönes. Und doch war «ine Aehnlichkeit nicht zu verkennen zwischen Vater und Kind nur war das Weiche, Jugendliche des kleinen Mädchengesichts bei dem Manne starr und knochig und wie ausgehöhlt durch Elend und Kummer. Aber er liebte sein Kind das konnte man sofort sehen oh, wie liebte er es! Und mit seiner haarigen, breiten und schwe ren Hand strich er jetzt gerade sacht und lind über das goldige Seidenhaar seines KindeS. Der Mann hieß Albert Studt, und befand sich aus dem Wege nach Cali formen, wo er hosste, ein Ende seiner Noth zu erreichen. Es war eine trau rige Geschichte, wenn sie auch eigent lich nur alltäglich war. Vor einem Jahre war er aus seiner pfälzischen Heimath ausgewandert mit Weib und Kind. Er war Blechschmied lseines Zeichens, und da der Verdienst in seinem Vaterstädtchen an der Haardt so gering war, daß er kaum ge nügte um die nöthigsten Bedürfnisse des Lebens zu bestreiten, so war er nach Amerika gegangen. In New Dork glückte es ihm zu Anfang. Er erhielt lohnende Arbeit und war im Stande, nicht unbedeutende Erspar nisse zurückzulegen. Da kam die Er krankung der Frau. Das lange Siech thum fraß alles Ersparte auf, und schließlich, als sie gestorben, kam auch juoch das theure Begräbniß. eines Tages in feinem ödm, «nwirthlichen Stübchen in der Hest.r Street, hoch oben unterm Dache eine» von armen Hausirern und schmutzigen Kindern wimmelnden Tenementhau ses, die kahlen Wände anstarrte und nicht wußte, wo das nächste Stück Brot herkommen sollte. Denn auch er hatte durch Krankheit und Aitver säumniß seinen „Job" verloren, und noch jetzt war er fast zu elend zur Ar beit. Aber was thun? Er hatte sich einen Monat vorher um Beistand an einen Vetter gewandt, der in San Francisco als geschickter Handwerker lohnenden Verdienst hatte und es sogar zu einem gewissen Wohl stande schon gebracht hatte. Bon die sem erhielt er gerade jetzt «inen herz lichen Brief, worin eine kleine Summe Geldes und die Einladung enthalten war, auch nach Kalifornien zu kom men, wo ihm der Vetter schon weiter Helsen werde. Wer war glücklicher als Albert Studt! Indessen war seine Freude nicht von langer Dauer. Denn als er sich auf dem Bureau der Eisen bahn erkundigte, da hörte er, daß das Fahrgeld nach San Francisco nahezu doppelt so viel betrug, wie die ihm ge schickte Summe. Und obwohl er die wenigen Habseligkeiten, die er hatte, versilberte und den Erlös zu dem übri sür sich und sein Töchterchen heraus zuschlagen. Die Noth war groß, und da that er, was er unt«r den Umstän den noch für das Beste hielt: Er kaufte zwei Fahrkarten bis nach der kleinen Station in Utah, die der Zug nun schon seit mehreren Stunden hinter sich hatte, indem er hoffte, auf der Reift die Gelegenheit zu finden, die Mild thätigkeit irgend eines reichen Passa giers in Anspruch zu nehmen und so einmal eine ähnliche Fahrt umsonst mitgemacht hatte, bestärkt wurde. Der arme Albert Studt hatte nicht gewußt, daß er auf der ganzen Fahrt mit den boten, und unwissend über das dro hende Schicksal des Armen speisten die reichen Passagiere des Zuges, nur durch ein oder zwei Wagen getrennt, Stunde kommen würde, wo man ihn und sein liebes Kind vom Zuge weisen und in di« Einöde stoßen werde. kleine, erbärmliche Flecken passirt, bis zu welchem ihns seine Fahrkarte mit Fug getragen hotte, und jeden Augen blick erwartete das Nahen des Con ducteurs und die damit verbundene Katastrophe. tokrat des Zuges, der in seiner mit Goldborte und schweren Goldlitzen be setzten Uniform, seinen mit Diamant ringen besetzten Fingern und der hoch müthigen Miene, die durch die lang jährige Gewohnheit der Autorität kommt, auch wirklich so aussah wie das, was er thatsächlich war der unumschränkte Herrscher und Befehls haber auf dem Zuge. Langsam mu wagen führte. Als er an die Bank kam, auf der der arme Deutsche ban gend saß, hielt er mit einem Ausruf „Hello! Wo geht Ihr denn hin, Mann?" gütig sein wollen, mir und meinem Kind« den Verbleib auf dem Zuge zu erlauben," sagte Jener. „Xot muek geht nicht. Ist gegen die Instruktion. Habt Ihr kein Geld bei Euch, um die Fahrt weiter zu bezahlen?" „Leider nein aber wenn Sie mir nur einen Gang durch den Zug ma chen lasten wollten, so würde ich wohl bei den reichen, mildthätigen Passagie ren soviel Geld auftreiben können." Das kleine Mädchen war durch das Geräusch der Worte aufgeweckt wor den. Mit großen, verwunderten, blauen Augen sah sie den großen Mann in den wunderschönen Kleidern an, halb bittend. Der aber wiederholte nur „Geht nicht müßt aussteigen an der nächsten Station unbedingt macht Euch fertig dazu." Und damit ging er. An der nächsten Station, eine halbe Stunde weiter, zog der Conducteur die Klingel, und der Zug hielt. Vater und Kind stiegen aus. Ein mitleidi ger Passagier auf dem letzten Wagen des Zuges rief noch Albert Studt zu, als sich der Zug wieder langsam in Be wegung setzte: „Hier ist nur eine Flaggenstation. Ihr könnt hier nichts thun die nächste Station ist 6l) Meilen weiter westlich. Aber wartet auf den östlich fahrenden Zug, der in einigen Stun den kommt, der nimmt Euch vielleicht mit, denn der Conducteur ist ein gut herziger Bursche, nicht wie dieser hier. Eine verd Schande iiberhaupt.Euch mit dem Wurme hier abzusetzen, wo Ihr verhungern und verdursten könnt." Und damit rollte auch dieser letzte Wagen an den Beiden vorbei, und nur sichtbar. Die Station war wirklich nur eine, wo auf Signal gehalten wurde, denn eS war kein HauZ und keine lebende Seele weit und breit zu sehen. Nur ein baufälliges Häuschen, wo früher das „Depot" gewesen war, sonst nichts kein Wasser, kein Baum, kein Feld. Bater und Kind legten sich imSchat ten des kleinen Häuschens nieder, um dem glühenden Sonnenbrand zu ent gehen. Das Kind weint« «rst längere Zeit, denn es durstete bald bei der Hitze, dann schlief es wieder ein an der Brust des Vaters. Dieser aber ver sank auf's Neue in sein düsteres Brü ten. Endlich hatte er scheinbar seinen Entschluß gefaßt. Er riß den Papp deckel von einem kleinen Gesangbuche, das er mit sich führte, herab und da rauf malte er mit großen, ungeschick ten Schriftzügen, sodaß es leicht zu lesen war, eine Bitte an das Publi kum, dem Kinde zu helfen, denn es sei eine Waise. Dieses Plakat heftete er der Kleinen vorn auf das Kleidchen, und dann wartete er ab, bis der Zug nach dem Osten vorbeikam. Als er Geleise vernahm und ein dünner Rauchstreifen in der Ferne das Nahen des Ungethiims verkündete, da erhob sich Albert Studt, nahm sein Kind bei der Hand, führte es nach dem Geleise hin, steckte die Signalflagge, di« er neben der Bahn gefunden hatte, in den «istrnen Sockel, warnte das Kind,nicht zu verrathen, wo er sei, und dann ver steckte er sich in dem Häuschen. Als der Zug. gehorsam dem Signal, hielt, da war ein großes Halloh unter den Passagieren, die alle neugierig herauskamen, um sich von der Ursache des Aufenthalts zu überzeugen. Unter den Passagieren war auch eine junge, reichgekleidete Dame in Trauer, die die kleine Marie aufhob und küßte, und dann auszufragen begann. Als das Examen endlich vorüber war, küßte die Dame nochmals das Kind, und begab sich dann mit demselben wieder in den Palastwagin, dem sie entstiegen war. Augenscheinlich hatte sie beschlossen, Mutterstelle zu vertreten an demselben, wohl als Ersatz für ihr eigenes, ver storbenes Kind. Der arme Albert Studt, der das Alles von seinem Versteck aus mit stockendem Athem und klopfendem Herzen vernommen, aber brach in Thränen aus, als der Zug mit schril lem Pfiff davon jagte, um die ver säumten Minuten wieder einzuholen. Er hatte für sein Kind das höchste Opfer gebracht. « » >» Am dritten Tage darauf wurde von einem Frachtwagen ein Unbekannter, ärmlich gekleidet und ohne Gepäck, überfahren und gctödtet, nur noch we nige Meilen von der nächsten Station, 6(1 Meilen von jener Signalstation. Dann hielt der Zug und die zerstückelte es die Eisenbahnbeamten ja immer großmüthiger Weise thun, nachdem sie einen Menschen um's Leben gebracht. An d«r Leiche wurde kein Cent Geld Brotrinde. Ob Albert Studt während die wasserlose, heiße Wüste dm stand verloren, ob er vielleicht im Fie ber oder Delirium war, oder ob er völ «ine moderne Fabel. Ein Frosch und ein Esel trafen sich auf einer Wiest. Da sagte der Frosch zum Esel: „Ach, wenn ich doch so lange Ohren hätte wie du da könnte ich alles hören, was in der Welt vorgeht!" Der Esel aber sprach: „Ich wollt', ich hätte deine schöne Stimme da würde ich den ganzen Tag singen, daß es eine Freude wär«!" Dies hörte die Fee Viribuka und sprach: „Es sei!" Da wuchsen d«m Frosch lange Ohren; der Esel aber konnte wunder schön quaken. Nun waren beiden zu frieden und dankten der gütigen Fee. Inzwischen war der Kärrner, wel chem der Esel gehörte, erwacht, und als er den Esel quaken hört«, hielt er ihn für einen Frosch, schnitt ihm die Hinterbeine ab und aß sie zum Mit tagmahl, den Frosch aber hielt er sei ner langen Ohren für seinen Esel, spannte ihn vor den Karren und prügelte ihn jämmerlich. Als den Thieren solches geschah, waren si« sehr traurig und jammerten: „Ach, wie thö richt war unser Wunsch! Wie gut wäre «s doch, wenn Alles wieder beim Allen wäre!" Dies hörte die Fee Viribuka und sprach: „Es sei!" Und siehe da, dem Frosche fielen die Eselsohren ab; der Esel aber bekam wieder sein« natürlich« Stimme. Als der Kärrner solches sah, schnitt er dem wahren Frosche die Hinlerschenkel ab und verzehrte sie zu Hause; den Esel aber spannte er vor den Karren und haute ihn jämmerlich. Weil nun der Esel keine Hinterbeine hatte, konnte er nicht ziehen. D'rum svrach der Kärrner zur Fee: „Du dumme Gans, gib dem Esel seine Schenkel wieder!" Die Fee aber sprach: „Haltest du sie nicht geaessen!" Da wurde der Kärrner zornig, spannte die Fee vor den Karr«n und fuhr davon. Der Frosch und d«r Esel aber Raulen sich traurig an und warten heute noch aus die F«e Viribuka. Moral: „Wünsche dir nie «ine Dummheit; es könnte sonst leicht wie in dieser Fabel eine gütige Fee lommen und dir deinen Wunsch erfüllen! Deßhalb. „Daß der junge Meier aber auch gar nicht 'n bißchen werden will!" „Ja, da ist eben ein immergrüner Junge!" Unter klnttag«. Der Socialistensührer Liebknecht wird noch vor >der im nächsten Monat« erfolgenden Eröffnung des Reichstages das mehr als zweifelhaft« Vergnügen haben, sich auf die Anklage der Maje stätsbeleidigung verantworten zu müs sen. Die Anklage ist auf di« Rede ba sirt, welche Herr Liebknecht ouf dem Wilhelm L.iebkn«cht. Partoicongreß gehalten hat; in dersel ben sagte «r unter And«rem: „Die höchste Autorität im Lande wirst uns den Fehdehandschuh hin und beleidigt uns mit Schmutz zu bewerfen sucht. Er ist nicht >im Stande, uns zu be rühren, denn wir sind weit erhaben, um durch ihn insultirt werden zu kön nen. Das deutsch« Kaistrreich würd« zuerst zusammenstürzen, und der So cialismus schließlich triumv'nren. Eine Verletzung oder Aufhebung des allge meinen Wahlrechts würde dem Todes urtheil der kaistrlichenßegierung gleich bedeutend sein." Der Trompeter von MarS-la-Tour. August Binkebank hieß der brav« Trompeter, den Ferdinand Freiligrath in seinem unsterblichen ~Trompet«r-lied" lied" besungen hat. Geboren am 21. Juli 1846 zu Osterwieck am Harz trat Binkebank im Jahre 1864 freiwillig beim Kürafsi«rregiment Nr. 7 in Hal°- berstadt ein, machte 1866 den Main« ftldzug und 1870571 den Kri«g ge gen Frankreich mit. Ueber den Vor- Aug. Binkebank. gang, den Ferdinand Freiligrath be sungen hat, schreibt er in einem Brief an seine Anverwandten: „Zwei Drit- Feind hineinritten, desto weniger wu» den meine Kameraden. Zuletzt waren wir nur noch unser sechs Dann machten wir denselben Weg über Hunderte von Le!ch«n wieder zurück. Mein Rappe blutete «bereits aus fünf Wunden. End lich bei meinem Commandeur ange kommen, befahl mir dieser, Appell zu blasen. Aber welch kläglicher Ton kam da zum Vorschein! Mein« Trompete war von einer Kuael durchbohrt wor den, ohne daß ich etwas davon wußte. Sie war mir aus dein Rücken zerschos- Mai 1881 an der Schwindsucht. In einer Zwangslage. A.: „Warum wählst Du zum Land aufenthalt nicht ein ruhiges Gebirgs dorf?" Seegemäß. „Kerl.sperren Si« nicht Ihr Maul auf, als wollten Sie sich mit dem Mast baum die Zähne stochern!" Falsch verstanden. Prohß bikionist (in der Hoffnung, einen Eon- Fremden, ich danke Ihnen, mein Herr." Ein guter Mensch. A.: nen Iqmmex wenigstens für einige Stunden zu vergessen. B: Warten Si«, ich geh« mit, und Heist Ihnen ver., gessen! ' « Kling—ling. Der Bauer Helbig hat schlechte Laune und schimpft mordsmäßig. Wenn er doch in seinem Heimathsdorse wohnen geblieben wäre und niemals nach Feldst«dt g«h«irathet hätte. Aber solch' eine dumme Einrichtung kann auch nur in Feldstedt bestehen. Was denn? Ja, es ist keine Kleinigkeit, was von Heibig verlangt wird. Er soll vom nächsten Sonntag an in der Kir che den Klingelbeutel heiumtragen, da mit die Andächtigen demselben eine Kupfermünze oder einen alten Knopf anvertrauen können. Es ist in Feldstedt seit ewigen Zei ten so gewesen, daß der jüngste Ehe mann den Klingelbeutel trug, bis er nach längerer oder kürzerer Zeit von einem noch jüngeren abgelöst wurde. Was Helbig nur brummt, er hat doch Wirklich Glück gehabt. Als er nach Feldstedt heirathete, wüthete in dem Orte das reine Heirathssieber. Soviel TraugebUH«n hatten Pastor und Can tor in einem Jahrzehnt nicht eingenom men wie in dem einen Jahre. An dem selben Sonntage, an dem Helbig ge traut wurde, traten noch zwei Hei beide waren jünger als er. Wie freute er sich damals, daß er den Klingel beutel nicht zu tragen brauchte. Und nun hatte er schon einen Jun gen von neun Jahren und wider Er warten durch Tod Eines und durch Verzug eines Anderen fügte es das Schicksal, daß Helbig nun doch der jüngste Ehemann wurde. Ja, Helbig muß den Klingelbeutel tragen, so un gern er's auch that. Da hilft eben kein Heulen und Zähneknirschen. Einer muß den Klingelbeutel tragen, Helbig ist der jüngste Ehemann, also Punktum, Streusand. „Vater," fragt ihn der neunjährige August, der eben aus der Schule kommt, „ässe wohr.daß de uff du Sunntag d'n Klingelbeutel treast?" „Holt's Mul, Junge," schreit Helbig und macht ein zorniges Gesicht. Aber er denkt: „'s äs eigentlich gut, daß mich Aujust an d'n Nlingelbiltel erinnert," und so sagt er: „Aujust, kum mol mät!" „Jo, Vater." ruft Aujust und legt seine Bücher auf die Kommode. Helbig ergreift auf dem Host ein« Stange, und beide gehen in die Scheune und klittern die Leitn hinauf. ber." „Jo Bater." Helbig stillt sechs tel vor. „Teffer, Bater," schreit Au tag die ganze Gemeinde beim Klingel beuteltragen zuschaut, bemüht sich, die elegantesten Kratzfüße zu machen. Und „Tesfer, Vater," kommt Helbig der Oefsnung zu nahe, die nach der Scheu ntenne hinunter führt und wupptich, saust er hindurch. August, der gerade wieder „Teffer, Vater/ rufen will, sperrt den Mund auf, sagt aber vor Erstaunen Nichts. Vom Wohnhause her ruft es: „Aujust, wo ässe d'r Va ter?" Ueber August's Gesicht zieht ein Lä- Jn der Nähe von Fritz Reuter'Z tigsten Schmuck eine Gruppe uralter Eichbäum« bildet. Das Alter dieser Bäume wird von kundiger Seite auf über lausend Jahre geschätzt. Es sind ihrer zehn die „letzten Zehn vom nen Umfang, der einen halben Meter vom Erdboden 11,60 Meter, einen Meter höher noch immer 9,8 V Meter kleiner. Eine von ihnen, die kaum sechs Männer zu umspannen vermö gen. ist im unteren Stamme hohl, eine größere Anzahl Personen findet Platz in dem Raume. Die Sagen, di« sich an die Bäume knüpfen, stehen im Zu sammenhang mit der Zeit, da Jvenack noch Nonnenkloster war. Von der stärksten Eiche berichtet eine derselben, sie sei von einer wor bracht worden war. Sie habe ihren Verlobunasring um den zarten Stamm des aufsprossenden Baumes gelegt, seitdem habe derselbe an dem Wachs thuzn desselben theilgenommen und halte den Stamm, wenn auch dem Auge nicht sichtbar, noch heute um schlossen. „Ede, siehste, da fliegt ein Militärbal lon auf's Schloß zu!" Ede: „Du, am End' zieht die Luftschisferabthei lung heut' auf die Wache?" Einfachheit in der Erziehung. Die Grundlage aller Erziehung soll Einfachheit sein. Sie ist der Fels, auf dem sich alles Menschenglück aus baut, an ihm melden sich vergeblich die brandenden Wogen der Genußsucht, Eitelkeit und Habgier brechen, denn sein festestes Bollwerk ist Genügsamkeit und Enthaltsamkeit. Um da» K.nd zur Einfachheit zu er ziehen, müssen wir es an möglichst we nig Bedürfnisse gewöhnen. Einfach sei es in der Kleidung und im Essen. Zufrieden und dankbar muß es vom geleerten Teller aufstehen, >venn auch das reichhaltigere Mahl sein Auge an zieht und den Gaumen lockt. Das Kind gewöhnt sich so an Genügsamkeit, von des nur ein kleiner Schritt zur Entsagung ist, einer herrlichen beglü ckenden Tugend. Schon frühzeitig löst das Kind so das große, me.jtens un verstandene Räthsel, wie man auch ohne schweren Gelosack reich und glück lich sein kann. Me soll das Kind Luxus in der Kleidung und im Essen kennen lernen; «s lerne bald sich 'selbst bedienen, für seine großen und kleinen Bedürfnisse sorgen; ganz fremd muß rade dadurch eine unschätzbare Wohl that. Der Kindessinn bleibt einfach und rein, die mäßig genossenen F»eu den geben wahrhasten Genuß und Dankbarkeit für den, der sie gespendet. Wie unglücklich dagegen ist ein Ge schöpf, das nie gelernt hat, sich mit Wenigem zu begnügen, das nie das Hochgefühl, die Befriedigung kannte, welche daS starke Wollen der Entsa gung gibt. Die allzu rasche und leichte Erfüllung seiner Wünsch« be nimmt ihm die Freud« daran, die im Uebermaß genossenen Vergnügungen lassen nur noch ein Gefühl des Et«ls in ihm aufkommen. Kein Ziel scheint ihm besonders erstrebmswerlh; genügt ja schon die leiseste Andeutung, ihm Alles, auch das Fernliegende erreich bar zu machen. Und darin liegt «ine große Gefahr für den Charakter. So «in verwöhnter Mensch hat nichts ein zusitzen an geistiger Kraft, das Schlaraffenleben schwächt seinen Wil len und macht ihn kampsunfähig in dem großen Weltgetriebe. Es tritt allmälig eine völlige Erschlaffung all«r Seelenkräfle ein, dazu gesellt sich Le bensüberdruß. und viele der Unglück lichen, die in geistiger Umnachtung im Irrenhause schmachten, viele jugendlich blühende Leben,, die dem Selbstmorde zum Opfer gefallen, haben die zu nach sichtigen Eltern auf d«m Gewissen, die das Kind im Ueberfluß, im Wohlleben aufwachsen ließen. Wie schwer trifft sie der berechtigte Vorwurf des Un glücklichen: Hätten mich meine Eltern einfach erzogen, wäre ich nicht s» elend, so lebensmüde, so unfähig, den Schlä gen des Schicksals muthig zu begeg nen. Wie herzlich und lieb klingt doch des einfach erzogenen Kindes freund liches „danke" für alles Gebotene, wie freudig begrüßt es jeden Apfel, jedes auch noch so einfache Spielzeug! Da bei weiß es noch mit minder Begün stigten zu theilen und selig zu sein in dem Bewußtsein, auch anderen durch eine kleine Entsagung Freude breitet zu haben. Sein' Auge ist offen für die von dem Verwöhnten mißachtete Schönheit der allgewaltigen Natur; herzlich freut es sich des glänzenden Käfers, des leichtbeschwingten Schmet terlings, entzückt pflückt es die duftig« Wiesenblume. Der freundlich liebe volle Blick von Vater und Mutter ist Belohnung genug für artiges Beneh men, für treuen Fleiß. Sein einfa cher ehrlicher Sinn kennt weder Lüge noch Verstellung. So ist es und so muß es sein. Es thut das Gute um des Guten Willen und rechnet nicht auf Belohnung. Auf den höchsten Höhen deS Lebens, wie auch beim harten Ringen um das tägliche Brot, ist Einfachheit die werth vollste Mitgift. Sie läßt hier keine Verbitterung, keinen Neid aufkommen, dort schützt sie vor einem ausschweifen den, verweichlichenden Leben. Das Herz erhält sich in allen Lagen frisch und froh, der Sinn rein und wahr, das Urtheil gemäßigt und ruhig. Wollt ihr also, ihr treu besorgten El tern, euer Kind glücklich wissen, so gebt ihm schlichte Einfachheit als beste Begleiterin für's Leben mit. Bemalte «apeS. Die neueste Mode nimmt für ihr« Zwecke direct die Hilf« des Malers in Anspruch und denkt an von Künstler- Hand bemal!« Capes. Man kannte bis her bemalt? Fächer, bemalte ParaventS, bemalte Bilderrahmen und letzthin tauchten auch bemalt« Bandeaur und bemalte Echarp«S auf; nun werden wir aber auch mit bemalten Damenmänteln zu richnen haben, die die Erfindung ei nes Pariser Malers sind. Und der glückliche Erfinder, dessen „Idee" erst zwei oder drei Monate alt ist, hat be d'ese bemalten Capes entbrannt. Der Maler, -der in das Geheimniß semer Farbenmischung blos einen Collegen gestellten Anforderungen gerecht wer den. Der erste Eindruck eines bemalten Cape ist, als ob die großen, goldig und Blüthen, di« auf dem Cape zu sehen sind, Mpplicationsarbeit / Erst bei genauerer Besichtigung bemerkt man die Pinselarbeit. Dieses,Nou veaut6" kommt je nach der künstleri schen Herstellung d«s betreffenden ! Exempels freilich theuer zu stehen. i Die Sedankenwelt der Zrau. Unsere Zeit ist ein« Zeit des Fort schritts auf all«n Geboten; überall drängt es mächtig „vorwärts"; mehr als je gilt in unseren Tagen das Wort „Stillstand ist Rückschritt". Wohl ist schon diel erreicht worden, aber es gilt auch noch viele Borurtheile siegreich zu bekämpfen. Di« Frauen sollten und müßten freudiger und reger Antheil nehmen an den großen wichtigen Fra die Welt bewegen, an den Errungen schaften, deren sich unsere Zeit erfreuen darf. Die Frauen müßten mit aller ihrer Kraft gegen die Gleichgjltigkeit so vieler ihrer Mitmenschen allen höhe ren Bestrebungen -"-eniiber zu Felde ziehen und bestrebt sein, dieselben zu belehren. Wirthschaftsfragen, die Sorgen um Mann und Kinder werden und sollen naturgemäß in erster Reihe stets Herz und Sinn einer echten Frau beherrschen, allein dieselben sollen und len auch Interessen haben für alles Schöne und Hohe, Edle und Große, was Kunst und Literatur hervorbrin gen; sie, die zugleich in praktischer und idealer Weise ihrem Haust vorste hen, bei der Erziehung ihrer Kinder den Grundsatz verfolgen, daß prakti des Alltagslebens, in Wirthschafts lieben und verehren dürfen, sondern die zielbewußte, begeisterte Erzieherin und Freundin, welche es versteht, ihre nicht ein, daß die Pflichten gegenMann und Kinder, die Wirthschaftssorgen der Frau nicht gestatten, sich für Kunst, Wissenschaft, Zeitfragen zu iiueressi rin, zu eifrigen Studien der Mode blätter, zu den überflüssigsten, raubenden, augenverderbenden Hand arbeiten, zur Lectüre aufregender Ro mane. Die Aufgabe der Frauen und Mütter ist es in unseren Tagen, den Sinn und die Theilnahme der Kinder für die höchsten Interessen zu wecken. Um aber diese hochwichtige Aufgabe erfüllen zu können, müssen die Frauen und Mütter strenge Selbsterziehurch, üben, und nicht rasten und an sich selbst zu arbeiten; sie müssen mit klarem Blicke nicht nur um sich« schauen, sondern auch sich selbst einer scharfen Kritik unterziehen, ihre Schwächen und Fehler erkennen ler nen, sich dieselben eingestehen und sie energisch zu bekämpfen suchen. Es ist «in« durchaus irrige Anschauung, mit der Verheirathung das geistige Leben der Frau aufhören solle; eS sollte da erst recht beginnen. Der Mann verlangt heutzutage eine geistig ebenbürtige Lebensgefährtin; di« Frau, die Mutter hat die Pflicht, ernst und eifrig weiter zu lernen, sich weiter zu bilden. Sie soll und muß ja ihr Wissen, ihre Welt- und Menschen kenntniß, ihre höchsten Schätze, ihren Kindern nutzbar machen; darum soll sie streben, sich auf allen Gebieten ein klares, sicheres Urtheil zu bilden, unr nach bester Ueberzeugung, nach den edelsten Grundsätzen die Erziehung ihrer Kinder leiten zu können, damit dieselben nützliche Glieder der Gesell schaft werden. Auf d'ese Weise wird die hohe Gesinnung der Frauen und Mütter ein unveräußerliches Erbtheis ihrer Familie bleiben und sich vererben von Geschleckt zu Geschlecht. Die wahrhaft gebildete Frau darf den na tionalen Fragen nicht theilnahmlo? gegenüberstehen. ES ist in unseren Tagen, wo hochbed'utungsvolle Fra gen die Nation bewegen, durchaus' nicht „iinw?iblich". sondern nothwen dig, wenn eine Frau auch Interesse für Politik und öffentliches Leben zeigt. Wenn wir an dem geistigen Leben der Männer regeren Antheil nehmen, dann werden sie unS nur um somehr achten und schätzen, unser Wort, unser Streben mehr aelten las sen, mehr anerkennen. Eine rechte Frau muß praktische Tbätigkeit und Tüchtigkeit mit den höchsten geistigen Interessen verbinden. m»ß Kopf und H»rz auf dem rechten Flecke haben, hilfbereit geaen die leidende und dar bende Menscbbeit sein, ihre Pflichten als Gattin. Mutter und Hausfrau treulich erfüllen und sich dennoch für Kunst und Wissenschaft begeistern. Die Ungenügsame. Sier Ich habe doch gar nichts von meinem Leben, die gange Woche habe ich mich nun aus daS Concert gefreut, und jetzt ist'S wieder nichts. Er: Wie unge nügsam Du bist, Laura, ist er die Tante nichts ver macht. dann sind wir umsonst zu ih rem Begräbnisse gefahren. Er: Dann müfstn wir eben denken, wir hätten eine Vergnügungsreise gemacht! Krastmit.tel. Dichterling, (zu seiner Frau): „Bringe mir eine Portion Gefrorenes, ich will den Nordpol besinge«!" Erhorcht. Junger Mannr »Nun, liebste Freundin, was wünschen, Sie sich denn am liebsten zum Geburts tag?" Deren kleiner Bruder: .Dich zum Bräutigam!"