M mMMW. (4. Fortsetzung.) So saßen sie schweigend bei einander, lange Zeit. Das einzige Geräusch, das man vernahm, war das Knistern des Holzes im Kamin, das in sich zusam menfiel, um sich in Kohle zu verwan deln und danach zu Asche zu werden. Sonst regte sich kein Laut, und es war, ols hauchten die alten Möbel, dießil der an den Wänden die dumpfe Stille aus, die wie eine Last im Zimmer lag. Es war, als thäten sich geräuschlos in Winkeln und Ecken und in der Luft umher Augen auf, dunkle, schwerniü thig forschende Augen, als blickten sie fragend auf die beiden in sich versun ken«, Menschen dort, und als blinzel ten sie sich gegenseitig zu, Gedanken tauschend, wie die Abgeschiedenen sie verstehen, die Lebenden aber nicht. Endlich hatte Anna ihre Fassung »ieder erlangt. „Komm weiter," sagte sie, indem sie Er stand auf. „Nun wirst Du wohl nichts mehr se hen wollen?" fragte er. Sie fühlte, daß sie ihm Muth ma chen müsse. „O ja, gewiß," versetzte sie, „Du hast es mir versprochen, und Versprochenes muß man halten." Sie hing sich in seinen Arm, sie bemühte sich, einen leichten Ton anzu schlagen und ihm zu zeigen, daß alles überwunden und vergessen sei. So führte er sie denn weiter, bis daß sie am andern Ende der Zimmer flucht in zwei kleinere, freundlichere Gemächer gelangten. „Siehst Du," sagte er, stehen blei bend, „dies, hatte ich gedacht, sollte Dein Wohnzimmer sein, und dort ne benan solltest Du schlafen." Anna blickte umher. „O ja," meinte sie, „hier könnte es mir gefallen." Sie ging an's Fenster. „Da hab' ich ja gerade meineßlumen vor mir," sagte sie, indem sie in den Garten hinunterblickte. „Das macht sich alles ganz vortrefflich. Nur, weißt Du, was ich möchte? Daß das Zim mer vielleicht eine andere Tapete be käme." Sie trat an die Wand und befühlte den dicken, dunkelbraunen Stoff, mit dem sie bekleidet war. „Das ist ja alles ganz prachtvoll," fuhr sie fort, „und die eingepreßten Goldmuster geradezu kostbar, aber siehst Du, ich bin nun einmal ein Kind unserer Zeit und möchte es gern ein bischen Heller haben und freundlicher." «in vergnügtes Kind. „Aber Anna," rief er, „das ist ja mein Gedanke gewesen von Anfang an! Alle Zimmer miteinander möchte ich umtapeziren lassen, damit mehr Licht in die alte Finsterniß kommt. Und in Breslau habe ich ein Muster gesehen, ...Weißen Untergrund mit goldenen und blauen BlttMen, etwas reizend Freund liches, den suchen wir uns, gleich mor gen, nicht wahr?" Sie nickte ihm zu. „Gleich morgen," sagte sie. Er ergriff ihre Hände. Es sah aus, als wolle er sich bei ihr bedanken. „Und andre Möbel darf ich Dir auch hineinstellen? Nicht wahr? Diese alten, fchweren Sessel mit den riesigen Lehnen, diese bauschigen Sofas, das ist doch alls nichts für Dich? Nicht wahr? Et was recht Zartes, Luftiges und Duf tiges suchen wir uns aus, das erlaubst Du mir? Nicht wahr? Hast Du Ro senholz gern?" Sie sah ihm in-die Augen und neig te das Haupt. „Alles, was Dir gefällt, wird auch mir gefallen, und was Du mir schenkst, nehme ich gern." Ein Freudenschein zuckte über sein Gesicht. Er machte eine Bewegung, um sie zu küssen, bevor er aber dazu ge langt, bog er den Kops wieder zurück. Der ängstliche Ausdruck, mit de»- er sie ansah, verrieth, daß er sich nicht ge traute. Er dachte an den Auftritt von vornhin. Anna schob langsam die Hände an seinen Armen hinauf, bis daß sie auf seinen Schultern ruhten. Da stand er vor ihr, der Besitzer all dieser Pracht und Herrlichkeit, der gegenüber sie sich wie eine Bettlerin erschien, da stand er, der starke Mann, in dessen Armen sie wie Glas zersplittert wäre, wenn sein« Kraft sich gegen sie gewandt hätte und bat sie, demüthig wie ein Knab«, ihr all seinen Reichthum zu Fußen le gen zu dürfen, und wie ein Schuld bewußter wagte er nicht, si« zu küssen. Und worin bestand denn seine Schuld? Johann die Teller wechselte, schenkte tr«u, und derßaron, ihre „Erde", leuch tete in ihrun Lichte aus. Das einzige, was sie eknigermaf.»!? hätte stören lönnen, war der Anblick des alten Dieners, der schweigend auf wartete und, während sie aßen und tranken, hinter de» >in«sHcrr» stand. Unwillkürlich gingen ihre Bltck« v»« Zeit zu Zeit zu ihm hin, und immer sah sie ihn dann in einer ganz seltsamen Haltung, regungslos, den Kopf wie in brütendem Sinnen zu Boden gesenkt, an seinem Platze stehen. Offenbar dachte er immer noch darü ber nach, wie furchtbar und eigentlich grundlos der Baron ihn vorhin ange fahren hatte. Das that ihr so leid um den alten Mann. Sie fühlte das Be dürfniß, ihm irgend eine kleineFreund lichkeit zu erweisen. Zwischen Herrn und Diener war offenbar eine Span nung; es wäre ihr so lieb gewesen, wenn sie das Verhältniß zu einem gu ten hätte machen können; Menschen, die so einsam leben, wie sie drei nun bald leben würden, müssen sich doch verstehen, dürfen nicht mit feindseligen Gedanken umeinander hergehen. „Aber wissen Sie, Johann," fing sie möglichst unbefangenen Tones an, in dem sie den Kopf zu ihm erhob, „ich muß Ihnen wirklich mein Kompliment machen, wie das Schloß im Stande gehalten ist. Da ist ja keiif Stäubchen und kein Fleckchen, und das Feuer in den Kaminen —" Sie brach im Satze ab. Der Alte, als er seinen Namen von ih»em Munde hörte, hatte langsam, wie aus einem Traume zurückkommend, den Kopf erhoben und die Augen auf sie gerichtet, und als sie seine Augen sah, tonnte sie nicht weiter. Was für Augen waren das! Stie rend, bohrend, als wollten sie sich durch ihre Augen hindurch bis in das Mark ihres Lebens hineinwühlen. Dabei that sich, wie sie es vorhin schon an ihm wahrgenommen hatte, sein Mund halb auf, so daß die langen Zähne sichtbar wurden, der Kopf schob sich nach vorn, und das ganzeGesicht nahm einen Aus druck an ja, was war es nur für ein Ausdruck? Anna begriff ihn zuerst gar nicht, dann kam ihr das Bewutzt ftin: das war ja Haß! WüthenderHaß! ficht? Was hatte sie ihm gethan? War er so erbittert über sie, weil sie ahnungslos die Ursache gewesen war, daß sein Herr so heftig gegen ihn wurde? Der Baron, der nervös aufgezuckt war, als sie sich an den Alten wandte, hatte ihr plötzliches Verstummen be merkt. Jetzt sah er ihr todtenblasseZ Gesicht und ihre verstörten Augen. „Ist Dir etwas?" fragte er. Er faßte nach ihrer Hand; ihre Hand war eiskalt. „Ist Dir unwohl?" wiederholte er Sie schüttelte den Kopf. Von der Stuhllehne, an die sie zurückgesunken war, richtete sie sich gewaltsam auf. Sie drückte feine Hand, als wollte sie ten. Aufzuschauen wagte sie nicht, denn da Nand ja der Alte; den Baron anzu schauen vermochte sie auch nicht, denn sie spürt«, wi« die wilde Unruhe in sein Gesicht zurückkehrte. Der seltsame Raum, in dem sie sich befand, die fremdartigen Thiergestalten in den ge möchten nach Haus fahren ich glau be, es wird Zeit." Mit einem Sprunge war er neben „Der Wagen soll vorfahren!" herrsch te er dem Alten zu. Sobald dieser hinaus war, beugte er sich ZU ihr. „Was ist Dir?" forschte er vollerße forgniß, „ist Dir etwas geschehen? Hat Dir jemand etwas gethan?" der Alte war fort. Ihre Lippen be den ganzen Treppenraum hallten. Am Fuße der Treppe stand der alte Jo hann; er hatte hören müssen, was der Baron eben gesagt hatte. Und nun be gab sich etwas Unerhörtes. Indem der Baron mit Anna die Treppe hinabzusteigen begann, knickte sein Mund war weit ossen. Aber er brachte nichts hervor, als-ein dumpfes Keuchen; mit plattem Leibe warf er sich auf die Treppe, so daß sein grauer Kopf auf den Stufen lag. „Jesus, Gottes Sohn —" stammel w Anna, indem sie, von Grausen ge tzackt, txn Arm ihres Begleiters um- und ihn zum Stillstehen zwang. Jetzt fing der Alte mit dumpfer, heu lender Stimme an: „Gnädiger Herr begann.^ „Sag ihm, daß Du ihn behältst," raunte sie mit fliegendem Athem; Du ihn behältst!" Ruhe war ihm zurückgekehrt. „Steh auf, Johann." sagte er, „Du sollst bleiben, ich jage Dich nicht fort." Mann auf trat an den Fuß der Treppe zurück. Er blickte nicht auf, ne Arme hingen herab, mit der rechten Hand wischte er den Treppenstaub von seinem Rock. überschritt, „küß ihr die Hand, sie hat für Dich gebeten." Knechtisch gebeugten Hauptes trat Der Baron stieß sie heimlich an. „Thu's," flüsterte er ihr zu, „es muß sein!" Nun überließ sie ihm ihre Hand, die der Diener, ohne die Augen zu erhe ben, an den Mund führte. Indem si« die gebrochen« G«stalt vor sich sah, überkam sie ein wahres Jam „Das wird alles vorübergehen," sagte sie mit wohlwollendem Trost, „ich weiß ja, wie treu Sie dem Herrn Ba- Gespenster und Dämonen kehrte sie zu den Menschen zurück. Von den Aufregungen erschöpft, die Tapeten ansehen." Das gab ihm das Leben wieder. Freudig drückte er ihre Hand. das alte Haus!" Als Anna zu dem Onkel und der Tante zurückkam, saßen die beiden al ten Leute und spielten „Rabouge", ein Kartenspiel ältester Art, das heutzu tage kaum jemand mehr kennt. Das das Fahrenwald'sche und jetzt hier diese Behausung! Daß die Woh nung ärmlich war, hatte sie wohl im dort drüben der Mann, der nur ein Verlangen hatte, aus Nacht und Grau en in's helle gesundeLeben zu gelangen, Wasser! , Als sie heute Mittag aus Schloß Fahrenwalo beim Frühstück gesessen lind das Todesgrauen empfunden hat te, mit dem all das Unverständlich«, Unbegreifliche über sie herfiel, war der Gedanke in ihr aufgestanden, daß es als müßte sie ihm abbitten, alles was sie gedacht. „Nein, nein, nein, ich will Dich nicht sisk> denken konnte. Anna war er schöpft, der Baron zeigte keine Spur von Müdigkeit. „Morgen," sagte sie, „das hat Zeit Es half ihr nichts, daß sie auf das nah bevorstehende Mittagessen verwies. „Ach was. Dein Onkel und Deine Tante können auch ohne Dich ess«n." rant folgen, und es war natürlich nicht das schlechteste von Breslau. Dort ta felten sie. Als sie auf die Straße hinaustraten „Aber Eberhard," sagte sie, „Du „Weißt Du," sagte er, „das ist köst das erste Mal, daß das Blut der beiden Das Frühstück durfte natürlich auch heut nicht, fehlen, und so folgte nun ein Tag dem andern. t«n, ren Wellen zu rollen begann, war es, als reckte und streckte sich ihre ganze Persönlichkeit; aus der unscheinbar«» An einem dieser Tage, als si« durch streift waren, um Sämereien sür den „Weißt Du." flüsterte er ihr in's Ohr, „nun hätte ich eine große Bitte/' Sie lächelte vor sich hin; sie wußte ja, daß, um ihm etwas zu geben, sie „Was denn also?" fragte sie. „SiehstDu, ich habe mir das in mei ner Phantasie so ausgedacht: Wenn ich Dich so in den Armen halte und an mir fühle, komme ich mir vor, wie «in Gärtner, der eine Blume groß zieht. Den Winter hindurch hat meine Blu me ihr altes, unscheinbares Gewand getragen, aber nun wird es Frühling, siehst Du, und da ist es doch in der Natur geboten, daß sie sich anders und reicher und schöner Neidet? Nicht wahr?" Anna senkte die Augen und sah stumm an sich hernieder. Aermlich ge nug war sie ja freilich angezogen. „Und siehst Du," fuhr er fort, „was ich Dich nun bitten wollte: daß wir morgen in Kleiderhandlungen und Modemagazine gehen und uns Stoffe aussuchen zu Kleidern für Dich, wie sie Dir gefallen und am besten stehen?" Sie erröthete in Scham. „Aber Eberhard," erwiderte sie leise, „für seine Ausstattung muß doch ein jedes Mädchen selbst sorgen!" Indem sie aber das sagte, fragte sie tung besorgen sollte. Der Onkel und die Tank etwa? Oder sie selbst, aus ihrem eigenen Vermögen? Ja, wo war ganz anderes. Das hab' ich Dir ja ge sagt, daß Du das Licht in meinem Le ben bist, und ein Licht, siehst Du, das muß man sich selbst anzünden. Und sein Glück muß man sich selbst erschaf fen, wenn's ein echtes Glück sein soll und einem Kraft und Muth verleihen soll. Und darum, verstehst Du, wenn ich Dich so von Kopf bis zu den Fü the sein, als hätte ich mir die ganze ge liebte Gestalt, die dann vor mir steht, selber erschaffen, und das wird mir Nicht wahr?" dem Mann gefühlt hatte, der um ihre Liebe flehte, war nur ihre Seele wach gewesen; jetzt, da er stark und fröhlich fühls trieb sie willenlos dem Manne zu. Sie drückte ihr erglühendes Gesicht an seinen Hals. „Thu, wie Du willst," flüsterte sie. Und nun war es, als wären alle diese Besorgungen nur Vorbereitun gen für das Eigentliche und Wahre ge wesen. förmlich geplündert, und als sie damit fertig waren, wollte er sie in Wäsche handlungen führen. Dem aber wider setzte sie Er fügte sich ihrem Willen. Aber sie werk kaufen wollte. Die Rechnungen sollten auf ihren Namen geschrieben werden, «r würd« sie bei ihr abholen und albs abmachen. Wenn sie nicht gewußt hätte, daß er reich war, so hätte sie ihn für einen ra senden Verschwender halten müssen. Ganze Ballen von Seidenstoffen und Leinen liefen nun bei Anna ein; vierzehn Tage lang wurde geschneidert und geschustert, als gälte es, den Brautstaat einer jungen Königin fer tigzustellen; der Onkel und die Tante gingen mit dumpf verblüfften Gesich tern umher und wußten nicht, was sie sagen sollten. Anna wußte es selber kaum; die Welt war nicht mehr die Welt. Der Baron ließ sich in diesen Ta gen nur von Zeit zu Zeit sehen, und wenn er kam, war er in fliegender Hast. Er war jetzt vielfach auf dem Schlosse draußen, wo die Zimmer für Anna eingerichtet wurden. So oft er bei ihr in der Stadt erschien, wurde er rasch wieder hinauskomplimentirt Frauen, die in solcher Thätigkeit stecken, können Männer nicht brauchen. Gegen Ende der vierzehn Tage aber, als sie ihn auf den Flur hinausbeglei tete, hielt sie ihn an der Hand fest. „Heute Abend," sagte sie leise, mit lieblichem Erröthen, „wird das creme farbige Seidenkleid fertig, das Du so besonders gern magst. Es hat einen sehr hübschen Schnitt und wird mir vielleicht leidlich stehen." Sie beugte sich näher zu ihm. „Wenn Du willst, kannst Du mor gen Mittag kommen, und ich will mich Dir zeigen." Er schloß sie an die Brust, als wollte „Du Engel," erwiderte er. Ein Gluthstrom floß aus seinen A ugen. Dann riß er sich los, eilte die Treppe hinab, lehrte vom Absatz noch einmal zurück, schloß sie noch einmal wie rasend in die Arme und schoß darn Anna begriff kaum, was ihn so er regt hatte; aber die Gluth, die ihn er füllte, fetzte auch sie in Feuer, und als das Kleid am Abend angekommen war. beschloß sie, sich am nächsten Vor mittage recht schön sür ihn herauszu putzen. Es war das erste Mal imLeben, daß sie sich in so lostbare Stoffe hüllte. Sie schloß sich in ihr Schlaskämmerchen ein und kleidete sich von Kops bis zu den Füßen um, weil es sie nun doch ge lüstete, die neuangeschafften Sachen wirklich einmal zu Probiren. Wie das alles anders war als das, was sie bisher getragen hotte! Wie grob das Hemd war, das sie auszog, und wie weich sich das neue zarte Lin ihr nicht sagen tonnte, ob das Kleid ihr saß. Dazu mußte sie in das Gesell schaftszimmer gehen, wo zwischen den schien der Baron. Sie sah, wie er ste hen blieb und ihre Gestalt mit den A ugen verschlang; in seinem Blick war ei ne verzehrende Gier. Anna sah wirk lich niedlich genug aus. Das Kleid war stand er schon hinter ihr, und gleichzei tig fühlte sie sich von seinen Armen umfaßt, vom Boden emporgehoben und etwas Erstickendes, Erdrückendes, Zer malmendes; seine Küsse fühllen sich wenn er am liebsten in Annas men fand. Endlich warf sie mit äußer ster Anstrengung den Kopf zurück, stemmte beide Hände gegen seine Brust und „Latz mich los!" stieß sie wie in Der Ton kam so rauh, so zornig heraus, datz er erschrak. Er hielt in sei nem Auf- und Niedergehen inne, sah ihr in's Gesicht und sah, daß sie die A ugen geschlossen hatte. Nun ließ er sie aus den Armen glei de auf die Lehne des Sessels, das Ge? ihr vorhin, als er sie vom Boden em porgehoben hatte, vom Fuße geflogen war. In feiner Rathlosigkeit hob der Baron ihn auf, als er sich aber zu An na niederbeugte, um ihr den Schuh wieder anzuziehen, riß sie denselben aus seiner Hand und 'verbarg ihren Fuß unter dem Kleide. „Nein!" rief sie, „faß mich nicht an! Du follft mich nicht mehr anfassen! Ich weiß gar nicht, wie Du bist!" Sie sprach aus, was sie empfand; sie konnte sich in der That die Art des Mannes nicht erklären. Das war ja gewesen, als wenn ein wildes Thier sich über sie gestürzt hätte. Bei der zornigen Bewegung, mit der sie ihm den Schuh entrissen hatte, war er einen Schritt zurückgewichen; jetzt stand er wie zerschmettert da. „Aber Anna," sing er wieder an. „bist Du mir denn böse, daß ich Dich so liebe?" te die verweinten Augen auf ihn. „Liebe?" sagte sie zornig, .ist das Liebe, wenn man jemand so anfaßt? an?" Sie blickte an sich herab und strich mit bebenderHand das zerknitterte und wieder in den Schuh, und als sie den Fuß aussetzte, stampfte sie beinahe auf. (Fortsetzung folgt.) Mann geschossen?"—. Aus Nothwehr", erklärt« der Polizist. „Aber er hatte doch die Flucht vor Ihnen ergriffen."— „So sah es allerdings aus. aber ich be« ! lausen und mich von Hnten attackiren." Unter uns Krauen. Tausend und abertausend Miitteo und Väter ergötzen sich in diesem Au genblicke, wie das ganze liebe Jahr hindurch, an dem halbverständlichen Lallen, den unbeholfenen Greif-, Steh- und Gehversuchen, oder an dem unbe schreiblich wechselnden Ausdrucke deS rosigen Gesichtchens ihres Kindes. Wi« süß! Wie herzig! Wie lieb! So und ähnlich, manchmal auch „Wie klug!" ertönt, wie seit Jahrtausenden auch jetzt noch, allen erdenklichen Spra- Wie Wenige aber waren oder sind sich dessen bewußt, daß sich vor ihren Augen eine der interessantesten, merk köstlichen Besitzes. Wer mag sich da zeug? Das Erste sieht man kaum und begreift es noch weniger; das Zweite aber ist so leicht, förmlich mit den Hän- Der Sorglosigkeit und Bequemlich keit der Mütter bietet auch hier, wie anderwärts, die Wissenschaft eine gar leichte Handhabe für Jede, die davon Gebrauch machen will. Wissenschaft ist ja bekanntlich von ganz besonderem Werthe für Me, welche nur das Fett von der Oberfläche abschöpfen wolleru Gelehrte strengten sich offenbar zum Besten dieser Lebenskünstler an, mit mehr oder minder großer Wahrschein lichkeit zu beweisen, daß Erblichkeit den Charakter und das Schicksal deS Kindes entscheiden. Bei oberflächli cher Auffassung wird es uns Frauen da recht leicht gemacht, die Hände in den Schooß zu legen und für daS Uebrige den lieben Herrgott sorgen zu lassen. Der wirklich denkende Mensch Wirt» aber aus den Lehren der Wissenschaft ganz andere Schlüsse ziehen müssen. Gerade weil die Erblichkeit unbestrit ten eine große Rolle spielt, wenn auch nicht die allentscheidende, wird man da für sorgen müssen, daß man selbst die beste Grundlage für seine Nachkommen schaft liefert und der Glaube an die Erblichkeit darf die denkende Mutter nicht abhalten, auf die Entwickelung von Seele und Charakter ihres Kind«s den allerbesten Einfluß zu üben. Denn nur die Anlage ist Erbtheil, ihre Aus bildung aber Sache der Erziehung. Im Grunde ist beides von den Eltern ,des Kindes abhängig und bedingt. Es mag ja richtig sein wir kön nen «s ebenso wenig bestreiten, als die Gelehrten es bisher zu beweisen ver mochten,. daß die Seele des Kindes schon vor der Geburt mit vielen un sichtbaren Zeichen beschrieben war. Wie weit aber diese Zeichen zum Vor schein kommen, hängt ohne Zweiftl von all' den Eindrücken ab, welche der frischen, empfänglichen Kindesseelt ausgeprägt werden. Das kleine Wesen mag noch so unentwickelt scheinen, wenn es überhaupt bereits sieht oder hört, sieht und hört es doch Alles, was im Bereiche seiner Sinnesorgane ist, und wird davon beeinflußt. Eltern, aber namentlich Mütter, die ihr-Kind wahrhaft lieben und in ihm nicht bloS «in lebendiges Spielzeug sehen wollen, werden die zarte kinderseele zu befle cken sich wohl hüten. Und wenn schließ lich der um des Kindes willen sich selbst auferlegte Zwang zur eigenen Besse rung fichrt, um so besser nicht blas für die Eltern, sondern auch für die spätere Fortentwickelung der Seele des Kindes. Gemüthlich. Der Rittmeister Graf Milde von Zartheim, Kommandant einer Kaval lerie-Escadron, wurde slld seine GM und Nachsicht von allen seinen Unter gebenen sörnrkich angebetet. Ber der selben Escadron dient« seit langen Jahren schon ein Wachtmeister, der hingegen wegen seiner Pedanterie und Strenge von der Mannschaft der Es cadron sxhr gefürchtet' war. Eines Tages stand Rittmeister Graf Milde in der Thüre eines Stal les seiner Escadron und wartete auf die Sartlung eine>» Remonte. Von hier aus bemerkte »r> daß sein Wacht meister ?uer über den Kasernenhof in den Stall zu kennen beabsichtigte. Beängstigt über das Wohl seiner Mannschaft, stürmte unser lieber Ritt meister entlang den Pferdeständen dorch den ganzen Stall und slüslerte 5-en mit PserdeauswartlMg beschäftig» den Soldaten zu: „Leute, Leute, auf» Sassen, fleißig Eutzen, der Herr W«ht — Frommer Wunsch. Alte Jungser (im Kaffeekränzchen): .Wenn die Flüsse Kasse« anstatt Wasser füh ren würden, wüßte ich mir wahrhaftig keinen schöneren Tod als Ertrin ken —" Parirt. Kritiker: Kurz und gut. von heute ab werde ich die Er zeugnisse Ihrer Muse gänzlich ignori» ! ren! Dichter: Und ich werde Ihnen für diese Ignoranz sehr dank» bar sein! 3