2 Her»«« Altar. Ueber diesen geheimnißvollen Altar schreibt das „Polhtechn. Centralbl.": Der bekannte Erfinder des nach ihm benannten Heronsballes, Heron von Alexandrien (um ILO vor Christi Ge burt), hat eine größere Anzahl von Dampfkünsten construirt; besonders interessant war eine derselben, welche dazu dient, den der Gottheit Opfern den das in einer durch eine Doppel thür verschlossenen Altarvische ange brachte Bild der Gottheit selbstthätig zu zeigen, sobald die Opferung darge bracht war. Das genannte Blatt führt eine Abbildung vor, in der man im Hintergrunde das den Augen der > Opfernden sich zeigende Götterbild sieht: die Thüren der Nische sind weit geöffnet, denn sie sind durch den Ein fluß der Wärme der auf dem Altar lohenden Flammen in ihren Angeln gedreht. Diese das Gemüth der An dächtigen mit heiligem Schauer er füllende Wirkung erreichte Heron auf folgende ganz „natürliche" Weis«: Der Fuß d-s Altars ist hohl, und unter dem Opferraum befindet sich ein klei ner doppelter Boden. Sobald die auf dem Altar angefachte Flamme auflodert, erwärmt sich die in dem hohlen Fuße des Altars enthaltene Luft, dehnt sich aus und tritt mittels eines durch den Boden abwärts füh renden Rohres in eine zum Theil mit Wasser gefüllte Hohlkugel über. Durch die zunehmende Wärme dehnt sich die in die Kugel übertretende Luft so stark aus, daß sie im Stande ist, das in der Kugel enthaltene Wasser durch ein syphonartig gebogenes Rohr in einen offenen Kessel hinüberzudrücken. Die ser Kessel ist an zwei Seilen aufge hängt, welche derartig um die beiden Drehachsen der Altarflügel geschlun gen sind, daß, sobald der Kessel in Folge des in ihn eintretenden Wassers sich senkt, die Schwere des angehäng durch das Bild der Gottheit sichtbar Gottheit den Augen entziehend, bis 4M neues Opfer die geheimnißvolle Wirkung wiederum hervorbrachte. Blond und brünett. Es ist sonderbar, daß die Sympa thie der Dichter und Künstler fast im mer den blonden, helläugigen Men schenkindern zugewendet war. Ob wohl bei den alten Griechen die vor herrschende Haarfarbe schwarz war, spricht Homer (nach Winckelmann) nur von blonden Haaren. In einer Studie der „Quarterly Review" über Shakespeare findet sich die Bemerkung, daß der große britische Dichter nur zweimal in seinen Stücken schwarzes Haar erwähnt. Die großen Meister der Renaissance malten sast ausschließlich blonde Schönheiten (Tizian hat ein rinziaes Mal eine dunkle Gestalt ge malt). Apollo war blond und an Alexander dem Großen wird immer wieder, als wäre es ein besonderer Korzug, sein blondes Haar gerühmt. Kriemhild und Siegfried im Nibelun venbilde sind blond, Goethe's Gretchen ist blond, .Petrarcas Laura war eine helle Dame und das sranzösischeVolks lied kennt (nach einer Bemerkung Tai ms) fast nur blonde Mädchen. Wo ein Dichter dunkle Menschen einführt, verkörpern sie fast immer das böse Prinzip eine Schablonen-Psycholo gie, die den widerspruchslustigen Tha ckeray so sehr ärgerte, daß er in Anen Erzählungen durchwegs die Sache um kehrte. Die neuere Dichtung hat sich von den ausgesprochen guten und bö- Trokdem hat sie sich die Vorliebe für das Blond« bewahrt und Thackeray steht mit seinen schwarzen Engeln und noch immer auf die hellen Gestalten. Bielleicht kommt das daher, daß jeder Schaffende eben von dem Trieb nach ben. In Wirklichkeit hat die Farbe aiiige es mit der Menschheit bedenklich abwärts. Nach den neuesten statisti schen 'Erhebungen ist es nämlich zwei- Ursäche dieser Erscheinung ist wahr scheinlich darin zu suchen, daß bei der Vermischung der Rassen die dunklen kkarbstosse wie ja auch sonst die stärkeren sind. Zwölf giftige und achte B bare Arten von Erdschwämmen gibt es w den Ver. Staaten. »»rliS „Rummern"» An einem nebligen Novembertag« sah in seinem Speisezimmer in X., einem belebten Vorort einer bekannten Haupt- und Residenzstadt, Herr Ren tier F., in "Gesellschaft seiner Frau und jungen Tochter behaglich seinen „Jausenkaffee" nehmend. Herr F. ist im gedachten Vorort eine seit langen lahren ansässige und geachtete Per sönlichkeit, Hausbesitzer und Gemeinde rath und erfreut sich bei Hoch und Nieder einer allgemeinen Beliebtheit, sowie er als milderWohlthäter von den Armen sehr geschätzt wird. Um so mehr mußte es sowohl ihm als seinen Damen auffällig erscheinen, daß Plötz lich im grauen Lichte des Nsvember- Scbubmann erschien und die im Hoch parterre befindliche Wohnung des Rentiers, fortwährend auf und ab pa „Schau", sagte Herr F. aufmerksam werdend zu seiner Gattin, „schau, der Schutzmann geht da schon fünf Minu ten hin und her begafft unser Haus! Sollte 'was nicht in Ordnung sein? Aber was? Ha! jetzt kommt er ja über die Straße, direkt auf unser Thor zu da läutet er schon an geh hinaus, Mali, und frag' ihn, was er will." kleines Unbehagen: wer kann denn jed: kleine Unterlassungssünde wissen?! stellt hat!,! „Angestellt? der Karl?" Sause sei und was er jetzt für «ine Be schäftigung habe. Das hat er sich alles in sein Büchlein notirt und dann aesaat: „Na, ich danke! es ist schon aut!" Und dann ist er wieder gegan gen." , „Seltsam!" meinte Herr I. etwas beunruhigt, „wozu diese geheimnißvvlle Fragerei? Sollte uns Karl aus seiner Militärzeit irgend eine Dummheit ver schwiegen haben? Oder liegt eine in fame anonyme Denunziation vor? Hat sich der Junge Jemand zum Feind ge gemacht?" „Ach, ängstige Dich nur nicht gleich," beschwichtigte ihn seine nächstes Jahr ist! und soll unser Karl Anfrage vorbrächten!" „Geheimer VerHaftbefehl direkt von der Polizeidirektion! O grund gütiger HimmAi Mein Sohn!" Und mir das?! Mir, dem alte» F., der sei! dreißig Jahren hier in Ehren lebt? O, min Gott, mein Gott mir zit- tern die Knie! Aber Sie haben Recht, Herr Commissär, in diese fürchterliche Geschichte muß rasch und ohne einen Augenblick Versäumniß volle Klarheit kommen!" Eine halbe Stunde später raste Herr 55.. begleitet vom Bürgermeister, in ss?rack und weißer Kravatte, im Fiaker in die Residenz. Trotz der vorgerück ten Stunde empfing der Polizeipräsi dent, durch die dringende Bitte des Huld. trag ergangen ist! ich will aber morgen früh sogleich nachforschen lassen. Soll ten freilich geigen Ihren Herrn Sohn ihr Liebster a!s Kellner diente. Denn dem wenigstens mußte sie doch diese entsetzliche Geschichte mittheilen, sonst hätte es ihr ja das Herz abge drückt. vlme einen Augenblick zu verlieren, die Mär unter Zugabe einigen Aufputzes mit fliegendem Athem: Der junge F. hat sich, als er noch beim Militär stand, dort eine verflixte Sauce einge rührt. wegen der er erst jetzt „hopp ge nommen" werden soll! Die Polizei habe ihn schon heute „aufheben" wol len, er sei aber verschwunden. Wahr scheinlich habe er schon Lunte gerochen aekabt und wer weiß, ob er überhaupt noch 'mal zurückkäme. Sein Vater sei sofort mit dem Bürgermeister bis zum Polizeipräsidenten gedrungen und habe kniefällig um Gnade und Schonung gebeten alles umsonst! sowie der Delinguent zu Stande gebracht wäre, wird er eingesperrt und wer weiß, was ihm dann noch geschieht! Unter den Gästen befand sich auch Herr M., ein wohlhabender Bäcker meister. zu dessen Töchterlein Elvira Monsieur Karli F. schon seit einiger Zeit in zarten aber noch nicht officiell sanktionirtenßeziehungen stand,der da an dem noch so sehr jugendli chen Schwiegersohn in spe keinen rech ten Gefallen zu finden vermochte. Herr M. verließ nach der Erzählung des Kellners sogleich ostentativ das Gasthaus, eilte nach Hause und wid mete feiner darcch zum Tode erschrocke nen Tochter folgenden angenehmen Nachtgruß: „Dein Liebster ist ein Lump, mein Täubchen! Morgen wird er eingesperrt, wenn er nicht schon ir gendwo im Wasser liegt! Also aus dem Kops den Kerl! Verstanden?!"— Gefühlvoller Leser! Gerne wirst Du der unseligen „Exbraut" mitleidsvolle Thränen opfern! Nichts dauert ewig, und so verging auch diese den Familien F. und M. so fürchterliche Novembernacht. Hell und freundlich strahlte amMorgen oieWin terfonne und brachte neue Hoffnung in die bekümmerten Herzen. Eben woll ten sich F.'s zwar »och stumm und traurig, aber doch schon gefaßter, zum Kaffeetisch setzen, als plötzlich die Hausglocke erschallte und gleich darauf Ulrike todtenbleich in's Zimmer stürzte: „Um Gottes willen, der Schut zmann von gestern steht schin wieder draußen." „Was will er?" rang es sich mühsam aus des Rentiers Mun de, während alle drei zitternd die Tassen niederstellien. „Er sagt, er müsse den gnädigen Herrn gleich spre chen ach Gott! er thut so verlegen und zittert fast rin bischen—er meinte: „ist der alte Herr sehr jähzornig? ich muß ihm was sagen, was mir schwer fällt"!" Laut auf schluchzten Frau und Tochter, Herr F. ab'r winkt- bebend mit der Hand: er soll hereinkommen! der verzweifelte Blick des alten Herrn aber sagte deutlich: .„ob dec Thaten meines Sohnes muß ich mit Unehren in die Grube fahren —o, Karli, Karli! vielleicht bist Du gar ein Mörder!" Einen Augenblick später stand der Schutzmann im Zimmer, salutirte ver legen und linkisch und sagte wnn mit vibrirender Stimme: „Mich sendet der Herr Commiffär ich hab- heute früh einen fürchterlichen Rüffel abge kriegt es liegt ein Mißverständniß vor ich hab- gestern das Fräulein wegen dem Herrn Bruder gefragt das ist falsch aufgefaßt worden ich ich ich wollte ja blos seine Num mern wissen!" ..Seine Nummern wollten Sie pis sen?" hauchten verstcindnißlos zugleich alle drei F.'s, nur der an der Thür horchenden Ulrike schien ein Licht auf^ „Nun, ja, seine Nummern", stotterte der Polizist. „Meiner Schwiegermut ter, die den Herrn Karl kennt, hat nämlich gestern Nacht so sehr lebhaft von ihm geträumt, daß sie feine „Nummern", also Alter und sonst die wichtigsten Lebensdaten, in die Lotte rie setzen wollt-. Da hat sie mir nun keine Ruhe celassen, bis ich die Num mern erfragt habe. Das ist das Ganze entschuldigen, wenn ich ge stört habe!" Und ehe noch eins von den F.'schen, welche wie erstarrt und betäubt dastanden, die physische Mög lichkeit gesunden hatte, sich zu bewegen, oder nur zu sprechen, hatte er rasch sa lutirt und fort war er! Tas Dienstmädchen der Zukunft. Während in all' den letzten Jahren das Dienstmädchen-Thema für die Mehrzahl der Hausfrauen zu de» brennenden Tagesfragen gehörtest das terarund gedrängt worden. Sollten auch daran die schlechten Zeiten Schuld sein? Wahrscheinlich! Auf der einen Seite mögen die Damen einsehen ge lernt haben, daß es im menschlichen Dasein noch viel wichtigere Veranlas terstandes. Der jetzige schreckliche Nothstand in sämmtlichen Branchen der männlichen mit allen Anderen verhältnißmäßig den sichersten Erwerb hat. Es sind lange nicht solche Heere von Dienstboten ar mußte. Alle diese Momente zusammenge nommen dürften auf die dienende heit ihrer Arbeitsgeber zu erlangen. süm Hinblick auf die Noth so vieler Tausende, die gerne noch so schwer ar rufes.unvereinbar sind und bleiben Während sonst t. Auch sollte sich in jeder Küche ein hübsches Sopha befinden, nicht etwa ein altes anständig neues und ferner bequeme Arm- und Schaukelstühle zum beliebi- aen Ausruhen und Siestahalten der Küchendamen. Als zweiten Punkt wird den Haus frauen .ein höflicheres rücksichtsvolleres Betragen gegen ihre Untergebenen em pfohlen. Ferner sollte es den Mädchen vollständig frei stehen, ihre Abende nach Belieben außer dem Haus zu verbrin gen, denn Unterhaltung und Zerstreu ung sei der Gesundheit äußerst zuträg lich. Es wäre gar kein Wunder, daß chen Leistungen sie doch nicht dazu be rechtigte ohne vorher eingeholte Erlaub niß auszugehen und sie überdies heimzukehren. Als dritter Punkt wiH empfohlen, den Dienstmädchen volle Rede- und auch jene von Don Carlos gerühmte denen ein solch ideales Leben ganz un bekannt ist, wir würden gleich heute noch unseren Beruf als «inen verfehlten aufgeben und uns in die Schaaken je ner Dienstmädchen der Zukunft drän-- gen, jedenfalls aber keine dieser Zu iunftsdienerinnen für unseren eigenen Haushalt erWünschen aber wenig brauen, die auf solche Dienstleistungen Anspruch erheben, geben würde. Dann wird mau vielleicht von den jetzigen schlechten, »och als den „guten alten" Zeiten sprechen, wo es noch keine Zu iunftsdienstmädchen gab. Die Frau in «hina. In keinem anderen Theile der Erde dürfte die Frau einer solchen Mißach tung und Mißhandlung ausgesetzt sein, wie im Reiche der Mitte, wie sich China mit Vorliebe selbst bezeichnet. Sagt doch ein chinesisches Sprich den Chinesen als ein Familienunglück betrachtet. Sehr bezeichnend ist es aber, was ein russischer Seemann süd-chinesischen Großstadt Fu-tschau sindlichen Mädchen. Zum Verkauf chen massenhaft angeboten, doch über > wiegt das zarteste Alter. Es ist kaum zu beschreiben, ivelchem Elend die un glücklichen Geschöpfe, nach erfolgtem Verkauf, preisgegeben sind, umfomehr als der Käufer in den vollen, recht mäßigen Besitz des von ihm erworbe nen beweglichen Eigenthums gelangt, j mit welch' l-tzterem er nach Belieben umgehen und verfahren kann. Aus dem Hotelliben. Oberkellner (einem Gast die Rechnung überreichend): „Bitt-, hier, Herr Ba ron!" Gast (»ach einem kurzem Ein blick in dieselbe): „Geben S.ie mir so fort ein Glas kaltes Brunnenwasser!" Oberkellner: „Um des Himmels Wil len, Ihnen ist doch nicht unwohl ge ! worden?" Gast: „Unsinn! Aber ich bekomme nach stark gepfesfertenSachen immer soso.rt einen fürchterlichen , Durst!" Oberkellner: „Dann darf ich bitten, um das Glas Wasser ebenfalls darauf zu notiren!" — Gefährliche Sache. A.: ! B.: „Aber wje können Sie mit so ernsten Dingen scherzen?!" 5 Der Hage stolz. Fräulein: ' .Nim sagen Sie einmal, Herr Capi tänlieutenant, was war nun das Ge fahrvollsre, was Sie auf Ihren Rei se» erlebt haben?" Seeofficier: „Ich j hätte mich einmal beinahe verlobt." Sine Mark nnd dreißig Pfennig. Otto Schwarz, ein ehemaliger Kauf mann, der sich von den Geschäften zu rückgezogen, jetzt nach dem Tode seiner Frau mit seiner Tochter lebte, saß in seinem anheimelnden Speisezimmer in der Nähe des gedeckten Tisches und warf nach diesem hin und wieder einen verzweifelten Blick. Er hält eine Zeitung in der Hand, aber, wie es scheint, lieft er nicht darin, denn er hält sie verkehrt, ohne bisher seinen Irrthum bemerkt zu haben. Dann fällt sein Blick wieder auf die Suppenschüssel, deren Inhalt kalt wird. Der Tisch ist mit zwei Gedecken versehen, und zwei Stühle harren der Gäste. Schwarz wartet offenbar auf Jemand, der sich verspätet hat, und das macht ihn verstimmt, denn Pünktlich keit in Geschäften und zur Speisezeit ist stets eine seiner Haupttugenden ge wesen. Frühstück und Mittag sind für ihn Dinge, die zu bestimmter Zeit statt finden müssen. Wenn man nun aber hört, daß die fast drei Es ist unerhört, um halb vier Uhr noch nicht beim Dessert zu sein! Denn die Uhr hatte soeben geschlagen. Es ist freilich ein unaussprechlich schmerzliches Gefühl, eine Suppe vor sich stehen und mit jeder Minute kälter werden zu sehen. Und außerdem Gleichen, in welcher der Schmerz des Herzens sich mit den Krämpfen des Magens vereinigte. Nie zuvor hatte mord verstehen können, und sein unru higer Blick sucht vielleicht unter den Messern und Gabeln aus dem Tische die passende Waffe, womit er dem un- Zeit leider nicht speist. Herrn Schwarz' Geduld ist fast zu Ende. Er kann es nicht länger aus entfallen. > „Nanu, Herr Schwarz?" fragt die Alte. „Nanu, Martha?" sagt der Un glückliche. „Soll ich die Suppe hinaustragen?" „Wie kann Dir so etwas einfallen, Martha? Antonie muß jeden Augen „Das Fräulein ging wie gewöhnlich um ein Uhr fort, um ihre Klavierstund zu nehmen. Der Weg hin und zurück erfordert wohl eine Stunde, und sie könnte daher um drei Uhr zurück sein." „Und jetzt ist die Uhr schon fünf Mi nuten über halb vier." „Nun, es gibt auf der Straße junge Herren, welche hübschen Damen nach gehen und ihnen galante Komplimente fort. „Antonie würde schon wissen, einen zudringlichen Kerl auf richtige Weise von sich fern zu halten. Ich habe sie auf amerikanische Art zur Selbststän digkeit erziehen lassen das ist meine Freude." „Wirklich? Auf amerikanische Art? Ja, das ist wohl möglich. Ich bin zwar nur ein einfältiges altes Mäd chen, aber ich begreife gar nicht, wie man ein junges Mädchen allein auf der Straße laufen lassen kann." „Laufen! Aber, Martha, Du siehst ja selbst, daß Antonie sich durchaus nicht beeilt." „Das nimmt kein gutes Ende, sage ich Ihnen, und das ist Ihre Schuld mit Ihrer amerikanischen Erziehung." Schwarz hatte plötzlich einen Ent schluß gefaßt. » „Martha, trage die Suppe hinaus,' sagte er, „und gib mir meinen Hut und Stock. Ich »vill ihr entgegen gehen!" Die Haushälterin nimmt brummend die Suppenschüssel und trägt sie hin aus, dann holt sie den Rock ihres Herrn herbei, aber in demselben Augenblick erklingt die Glocke im Korridor. „Antonie endlich!" ruft der Vater, indem er den Rock wieder auszieht. Das junge Mädchen tritt ein. Acht zehn Jahres zwei Reihen blendend Wei her Zähne, eine schlanke Figur, ein hübsches Gesicht, kleine Füße, schöne Hände, reizende Bewegungen kurz, eine entzückende Erscheinung. In ih rer Toilette eine große Fülle von Bän dern, Spitzen, Federn und Blumen. „Nun, bist Du endlich da?" sagt der Vater in mürrischem Tone, indem er sich an den Tisch setzt und die Ser oiette ausbreitet. „Vater, ich muß Dir sagen..." „Zu Tisch, vor allen Dingen, zu Tisch! Du kannst mir beim Essen Deine Verspätung erklären." „Aber Du weißt nicht, Vater, was geschehen ist. Ich habe ein kleines Abenteuer erlebt." „EinAbenteuer?" ruft HerrSchwarz, indem er sich im Stuhl zurücklehnt, während Martha ihm einen Blick zu wirft, der gleichzeitig einen Triumph und einen Vorwurf ausdrückt »nd ventlich zu sagen schien: Sagte ich da? licht? „Die Sache ist sehr einfach, Vater, und es ist ineiner Ansicht nach gar nicht nöthig, daß Du mich so streng an schaust und mit tiefer Stimme sprichst. Ich hatte mein Portemonnaie verges sen. Ich bemerkte es nicht eher, als bis der Schaffner vor mir stand und das Fahrgeld verlangte. Was soMe ich sagen? Ich war vor Verlegenheit »nd Schreck ganz roth im Gesicht ge „Das ist reizend, Antonie! Auf welche Weise willst Du dem jungen Mann die zwanzig Pfennige zurück-, zahlen?" „Ich habe ja seine Karte bekommen, Vater. Hier ist sie, Du kannst selbst sehen, Adolf Müller, Sekretär im Ministerium des Innern." Schwarz warf jedoch ärgerlich seine Serviette auf den Tisch und sagte: „Martha, hole mir eine Droschke. , Ich will zu diesem Herrn Müller fah ren, ihm seine zwanzig Pfennige zu rückgeben." mer ärgerlicher. „Der Wagen hält vor der Thür," sagteMartha, „aber der Kutscher sagte, später bestellt sei." „Nun, dann werde ich zur Rückfahrt einen andern Wagen nehmen." Nachdem Herr Schwarz das Haus verlassen hat, erzählt Fräulein Antonie ihrer „alten Freundin", daß sie Herrn Müll,er schon viel länger gekannt habe, als sie ihrem Vater eingestanden hatte, daß er jeden Mittag in demselben Pferdebahnwagen eingestiegen sei, daß sie sehr wohl bemerkt habe, daß sie seine Aufmerksamkeit erweckte u. s. w. „Na, das ist eine nette Geschichte!" rief die erschreckte Haushälterin. Indeß geht Herr Adolf Müller in seiner Junggesellenwohnung auf und ab, als es plötzlich an der Thür klopft und ein dicker Herr, einen Stock in der Hand und den Hut schräge auf dem Kopfe, athemlos in's Zammer tritt. „Mein Herr," beginnt der Fremde in erregtem Tone, „Ihr Betragen ist höchst unwürdig eines Gentlemans. Man benutzt nicht die Verlegenheit ei nes jungen Mädchens, das sein Porte monnaie vergessen hat, und bietet ihm zwanzig Pfennige qn. Mein- Tochter war dem Pferdebahnschaffner durch öftere bahrten bekannt und brauchte daher Ihr Geld nicht. Hier sind Ihre zwanzig Pfennige, meine Tochter und ich wollen Ihnen nichts schuldig sein." Während der dicke Herr mit großer Zungenfertigkeit spricht, beginnt er in seinen Taschen zu suchen. Bevor noch de? erstaunte Adolf Müller ein einziges Wort hervorzui bringen vermochte, zeigte sich eine neue Person. Ein erbitterter Droschken kutscher mit der Peitsche in der Hand tritt mit drohender Miene in's Zim mer. „Na, was wird denn nun daraus?" ruft der Kutscher. „Wie lange soll ich noch warten? Ich habe Ihnen- ja ge vergebens sei, und sagt mit halberstick ter Stimme: „Ich... habe... mein Portemon naie ... vergessen!" „Ja, diese Ausrede kennen wir!" erwiderte der Kutscher. „Na, denn mann mit nach dem Polizeibüreau." Bei diesen letzten Worten machte der Kutscher Miene, den ungliicklichenHerrn Schwarz am Arm zu erfassen.. Doch Adolf Müller eine wahre Vorsehung für die Familie Schwarz hat bereits den Kutscher bezahlt. „Sie erlauben wohl?" sagte der keit zu Herrn Schwarz, der gerade noch so viel Kraft hat, um zu st»ttern : „Mit Vergnügen, aber geben Sie ihm nur zehn Pfymige Trinkgeld, nicht mehr." daß man nicht zwanzig Pfennig habe, um seinen Platz im Pserdebahnwagsn bezahlen zu können, beginnt jetzt einzu wenn man Jemand trif!t, der bereit ist, einem eine Mark und zehn Pfennige zu leihen, um einen erbosten Droschkenkut freundlichen Lächeln : „Herr ... Herr Müller, nicht wahr? Eine Mark und zehn Pfennige, sowie zwanzig Pfennige machen eine Mark und dreißig Pfennige, die ich Ihnen schuldig bin. Wenn Sie mir das Ver gnügen machen wollen, mit mir zu Mittag zu speisen, können w»r sofort die Sache ordnen. Ick liebe es, meine Schulden sofort zu bezahlen." Eine Viertelstunde später deckt Mar tha ein drittes Kuvert. Für die Zu kunft sitzen immer drei Personen am Tische, denn einen Monat später findet die Trauung des Fräulein Antonie Slbwarz mit dem Herrn Sekretär Adolf Müller statt. Und Papa Schwarz pflegt zu sagen: „Man soll nie Geld von Jemand lei hen. Ein Mal in meinem Leben mußte ich eine Mark und zehn Pfennige lei hen, und um sie zu bezahlen, war ich genöthigt, dem Betreffenden meine Tochter mit vierzigtausend Mark Mit gift zu geben." Gleiche Ansicht. Sie: „Wie man all- Nacht bis drei Uhr im Wirthshaus sitzen kann, das ist mir ganz räthselhaft " Er: „Mir auch! Deshalb sitz' ich ja auch alleNacht so lang d'rinn und such' dieses Räth sel zu lösen!"