M 5 6. Nomon äks den, Italienischen »es Muitnl. (3. Fortsetzung.) j Er sing an zu lachen und schaukelte „Der erste Stock für sie," dachte Giu liano ruhig; der zweite für meine Junggesellenwirtschaft, und diese Wo hnung für die Mama allein." anbetungswürdiger Charakter, ich ver sichere Dich. Die Brillanten deS Hauses sind auch noch da. Und denk nur, mein eigene Familie zu haben!" „Ja. eine Schaar Fratzen, die nicht lernen wollen, oder nichtsnutzige Bu ben, die Schulden machen." Er war in der That rathlos. EZ är gerte ihn, daß er sich bemühen sollt:, jeineii Entschluß zu fassen. Unten im Hof ertönte in einem fort Säge. In's Zimmer hinein dämmerte der Frühlingsabend. Die Wanduhr verkündete die acht« Stunde mit seltsa men, mißtönenden Klängen, mit den Klängen einer Uhr, die nicht mehr in der M»de ist. Der letzte Sonnenstrahl, welcher schräg durch das Fenster drang, fiel auf die verschossene, von der Leh ne eines lahmen Sessels gequetschte Sammttapete. „Mutter Gottes zum Trost". Gewiß, Gewiß, die Hochzeit" sollte bald stä'tt- Er kam sich tugendhaft, im höchsten Grade moralisch vor. Eine lebhafte, zärtliche Achtung für seine eigene Per sönlichkeit stieg in seinem Innern auf. Er, so schön wie er war, ein solcher Herr, ein solcher Edelmann, bequemte sich dazu, eine Frau zu nehmen vor der Zeit der Perrücke, der Fettleibigkeit, der falsche» Zähne, der fiinszigvroeen tigen Wechsel. Er lächelte still, lä chelte der Zukunft entgegen und be glückwünschte seine Mutter. „Brave Mama! Und Du hast sie die ganze Zeit hindurch sür mich ausge '>svart, odschon...." verschrumpften Wangen der eine fast jugendliche Färbung>!«^ „Ich wartet-/^-sagte sie einfach. den!" „Meinst Du? Nun wohl, desto bcs- O weh, sehen Sie, wie ich verwirrt bin? Kurz, ich verspreche Ihnen, das Englische nicht zu vernachlässigen, denn es ist gar so schön, und ich weiß, daß es Ihr Wunsch ist, ich möchte nicht vergessen, was Sie mich gütig gelehrt haben. Ich bitte Sie, es nicht zu beach ten, wenn dieser Brief nicht gut ge schrieben ist, nicht einmal gut auf ita lienisch. denn ich schreibe ihn b:imlich uns yave leine Zeit, an vie Syntax und alle andern Listen und Kniffe der Grammatik zu deuten. O, meine liebe Frau Rhoda! Wenn Sie wüßten, wie viel sich ereignet hat. seitdem ich Ihnen das letzte Mal schrieb, und welch« Neuigkeiten °khre Milla zu berichten hat! „Manchmal kommt es mir vor, als ob ich träume, und dann fürchte ich ein jähes Erwachen; und manchmal wieder weiß ich nicht, wie ich Worte finden soll, um dem Herrn zu danken. Wenn ich die Augen schließe, glaube ich von blauer Himmelsluft, wie wir sie hoch über uns sehen, umhüllt zu sein; ge wiß recht sonderbar, Sie werden sich wohl auch darüber wundern. Glauben Sie aber trotz alledem nicht, daß ich tolle Streiche mache; ich bin vielinehr sehr ruhig, da ich sehe, daß der Herr vor mir eine» lichten, sonnenbeschie-ie nen und mit zahllosen Blumen bestreu ten Weg geöffnet hat. Kur,, ich will versuchen, Ihnen «Ves haa.llein zu er zählen; ick weiß gar nicht, unrum ich eine Art Scheu empfinde, Ihnen al les dies zu sagen, da ich doch so glück lich und zufrieden bin.... wie thöricht! „Erinnern Sie sich, daß ich Ihnen schrieb, ich wolle Nonne werden? Zum Oberin, zu warte» und mich zu prü ft», ob ich dazu berufen sei! Nun sehe im em, daß ich einen großen Fehler begangen hätte. Aber damals war mir der Gedanke gekommen, weil ich meine arme Gefährtin Giulia Ferranito hatte sterben sehen (ach! welcher Schmerz war das für mich!) und weil meine theure Freundin Teresa Reccadei die Anstalt verlassen hatt»; zudem war Maria San Fermo im Kloster eingekleidet worden, und diese Ceremonie hatte auf mi-5 einen sehr großen Eindruck ge macht. Eigentlich hatte ich noch einen andern Grund, aber diesen habe ich niemals ausgesprochen. Ich war näm lich recht melancholisch geworden; am Donnerstag wurden alle andern Zög» linge in das Sprechzimmer gerufen, für mich aber kam niemals jemand, niemals! An diesem Tage wußte ich dann nichts anderes zu thun, als zu weinen, und wenn meine Gefährtinnen der Zeit geblieben, aber dem Schmerz um die Mutter, die einem fehlt, ist leider nicht abzuhelfen! Was soll ich also (so dacht: ich bei mir selbst) allein in dieser schrecklichen Weli voll Gefah- Allem unterrichtet?.... Deshalb hatte zu bleiben. Aber jetzt, o ist al die Welt, alles, alles! ' erst Dienstag, läßt mich die Mutter anziehen," weil ich noch eiittge Frost beulen hatte, und führt mich selbst in das Sprechzimmer. Und dort, hinter und der ehrwürdigen Mutter Oberin in Silber gefaßten Rosenkranz bringe, den der Papst für sie gesegnet etn Wort zu sagen. AIS sie im Begriffe waren zu gehen, grüßte er mich auf's höflichste und sagte, er empfehle sich meinem Gebet. Ich betete in der That auch recht von Herzen und dachte an den unerwarteten Besuch und an den Befehl der Oberin, bei meinen Gespie linnen nicht davon zu sprechen, und fragte mich oft recht neugierig, ob die Dame am Donnerstag wohl wieder kommen und allein kommen würde. ' „Aber am gleichen Abend noch ließ mich Mutter Maria dellä Croce ru fen und fragte mich, wie jener Herr mir gefallen habe. Ich sagte, er scheine mir gut zu sein, wie sein« Mutter. Dann sprach mir die Oberin lange von «Lattin verlange. „Stellen Si: sich vor, Frau Rhoda, wie ich dastand. Es gab mir einen ge waltigen Stich in's Herz ich kam ganz aus der Fassung! Aber die Obe rin machte mir Muth und sagt:, ich möge nicht erschrecken, sonder» viel mehr dem Herrn danken, der mich vor den Gefahre» habe behüten wollen, die in der Welt unausbleiblich auf ein junges Mädchen warten, und mich so eine günstige Gelegenheit habe finden lassen, um in einen Stand zu treten, der, wenn auch noch so unvollkommen und noch so tief «iter dem geistlichen Stande stehend, doch derjenige sei, welchen die Vorsehung den meisten Mädchen bestimmt habe. Sie erging sich in Lobeserhebungen über den Her zog und den Adel seines Hauses und erklärte mir, wie dankbar ich ihm sein müsse, daß er an eine einfache Pensio närin gedacht habe, während er eine viel glänzender« Wahl hätte treffen können. Darauf fayte sie mir, ich solle mich drei Tage in stiller Zurückgezogen heit bedenken und die Hilfe des Herrn, der Mutter Gottes und aller Heiligen anrufen, damit sie mich erleuchten und mir den Willen der göttlichen Vorse hung kund thun möchten. „?iuli wurde ich sofort ruhig, und nachdem ich den Herrn, die Mutter Gottes und die Heiligen viel und eifrig besraat hatte, kam es mir wirklich vor, als ob sie ,ja" sagten, und daß es gut wäre, wenn ich einwilligte. Auch mein Beichtvater war der gleichen Mei nung, und als die drei Tage vorbei waren, sagte ich der Oberin, ich sei einverstanden. Die Herzogin kam so gleich, nannte mich ihre liebe Tochter und überhäufte mich mit prachtvollen Gescheuten, welche das Entzücken mei ner Gefährtinnen ausmachen. Auch mein Verlobter kam zu wiederholten Malen wieder, und ich begreife jetzt nicht mehr, wi? es in der heilige» Schrift stehen kann, die Frau müsse ihren Mann lieben. eine schöne eine schöne Aufgabe! „Aufrichtig gesprochen denke tch, tch muß wirklich dumm scheinen, weil ich niemals den Muth zum Sprechen fin den kann und ganz zufrieden bin, wenn ich ruhig hinter dem Gitter stehe und ihn reden höre mit seiner Stimme, dte so sanft, o nein, noch viel besser klingt, als diejenige keiner Mutter, und ihn sehe, wie er jenseits des GiiterS seine weiße Stirn und seinen goldschim mernden blonden Bart an die Stäbe lehnt. Ich habe bemerkt, daß er blaue Augen hat. Auch hat er schneeweiße Hände, die mit einem blitzenden Ring geschmückt sind. Und was für Sachen er mir sagt.... Zum Beispiel, stellen Sie sich vor, daß er so viel von mir schon gut gewesen sei, bevor er mich gekannt habe. Da sieht man deutlich, daß eine Fügung Eotles uns zusam les thun, um mich glücklich zu machen, er werde ranne leisesten Wünsche er füllen; auch ist mir zuliebe ausgemacht worden, daß wir sosort nach der Hoch- Ach, denlen mein liebes Astianello, sehen Habs! Es wird mir'gewiß recht weh thun, das Kloster, di: guten Schwestern und meine Gespielinnen zu verlassen; aber so sehr es mich auch schmerzt, bin ich dennoch glücklich (das ist wohl recht schlimm von mir?) und wundern mein' Glück,"die' Schwestern sind äußerst zufrieden, ivenn sie auch jeden Augenblick von den Leiden des Ehestandes sprechen; aber ich glaube, sie reden so, weil sie das eben nicht gut verstehen. Mich diinlt, ich möchte um alles Gold der Welt keine Nonne werden, und der Herr sei überaus gü tig gegen mich gewesen. »vmtlchuldigen Eie dielen schrea lichen Brief. Denken Sie sich nur. wenn ich englisch geschrieben hätte, mit all dm verwickelten should und would! Ich werde Ihnen wieder schreiben, um Ihne» anzuzeigen, wann die Hochzeit ist. Wer weiß, ob wjr nicht in Astia nello bleiben? Denlen Sie! In Astia sagen mit meinem Gatten. Ei» son derbares Wort, nicht wahr? Bergessen Sie den Namen nicht: Gtuliano.... Herzog Giulino Lantieri... Ich aber habe ihn bis jetzt immer Herr Herzog genannt, und er sagt Fräulein zu mir. Wie wird es wohl klingen, wenn er Milla sagt!. „Gestern habe ich d?el geweint; ich dachte an meine gute Mutter, die ich nie gekannt, und an meinen Vater, den ich so früh verloren habe. O, wie wer den sie sich freuen im Himmel! Thränen in die Augen. Entschuldigen Sie diesen Brief; weiß Gott, wie viele Fehler darin sein weiden. Schreiben Sie mir recht bald. Ich verbleibe Ihre glückselige Schülerin Turin, im Kloster der... Milla d'Astianello. P. S. Vergessen Sie den Name» nicht.... Giuliano." I 3. Capitel. Nach Astianello 'kam die überra schende Nachricht in einem langen Briese, welchen der Vormund an den Gutsverwalter schriet. Die Hochzeit sollte an dem und dem Tage in Turin gefeiert werden, und sechs Stunden nachher würden die Neuvermählten bei derEisenbahnstativn *** anlangen, wo die herrschaftlichen Kutschen bereit sein sollten, sie nach der Villa abzuho len. Zudem wurde befohlen, die Weg« mit frischem Kies zu überführen, dos blaue Gemach, das Schlafzimmer, wel ches auf die Terrasse ging, zu lüften und für das junge Paar herzurichten und die Mahlzeit für zwei Personen um sieben Uhr bereit zu halten. Diese unerwartete Anzeige, dieser Wind, der sich so Plötzlich in der Atmo sphäre erhoben hatte und einen neuen Herrn herwehte, erregte großes Aufse hen. Wer war er? Wie sah der Bräu tigam des Fräuleins aus?.... Das pri vilegire Westen, welchem ein derartiges Glück zu Theil geworden? Die Berichte kamen nur spärlich und vereinzelt; etwas allerdings ver nahm man von diesem verwünschten Bräutigam. Er war ein Herzog.... al so ebenfalls ein Hochadliger und hatte bis jetzt ein luftiges Zeben geführt... und nun nicht mehr viel Geld. Es hieß euch, er fei sehr schön, und das Fräu lein habe sich im Kloster in ihn ver liebt.... «ine schlaue Mutter habe die Sache einzufädeln gewußt. Ihre Woh nung sei nicht bereit, und deshalb kä men sie nach Astianello. Die Neugierde unter den gutenLeu ten war groß und auch die Ungewiß heit. Wie würde es mit dem neuen Herrn gehen? Wer würde befehlen, er oder sie? Und das Gestüt? Verstand er wohl etwas davon? Würde er es wohl in gutem Stande halten?.... Auf den Triften wurde von nichts Anderem ge- Und je näher der Tag der Ankunft heranrückte, desto mehr hielt eine heim liche Furcht vor dem unbekannten Gat ten des Fräuleins das dienende Perso nal auf dem Landgute in Aufregung und in einem freundlicheren und we niger egoistischen Verkehr. Endlich brach der große Tag an. Ein lauer, Heller Tag, einer der letz ten des April, ein wahrer Hochzeits tag. Der Gutsverwalter gab genaue Be fehle: um vier Uhr Nachmittags auf die Station den Landauer mit vier Pfer den und einen Jäger zu Pferde, als Begleiter des Wagens, gerade Drolli no, welcher der geschickteste und statt lichste Reiter aus dem ganzenGute war. Und in der That war Drollino im Zeitraum dieser acht Jahre sehr schön geworden. Er war rasch gewachsen und war kühn und gewandt wie ein Dis kuswerfer des Alterthums. Seine Ge müthsart hatte keine großen Verän derungen erlitten; er hatte sich eine große Selbstständigkeit des Charakters beivahrt, war weder lustig noch gesel lig und verkehrte mit seinen Kamera den gerade so viel, als die gemeinsame Arbeit es erforderte. Er war mitten unter den Pferden, im Stall und auf den Triften und zog beständig im wei ten Gebiet der Einfriedigung umher. Das Fluchen hatte er sich fast ganz ab gewöhnt, aber stets ein einsilbiges We sen beibehalten. Er war nun beinahe zwanzig Jahre alt und hätte in den Herze» der Dorfschönen große Verhee rungen anrichten können, wenn ihm et was daran gelegen wäre; aber er war so wenig freundlich gegen sie und be schäftigte sich so wenig mit ihnen, daß die auf keine Weife ermuthigten Sym pathien bald erloschen. Im Ganzen ge nommen flößte er mehr Scheu als Sympathie ein. Aber auf dem Gute hielt man große Stücke auf Drollino. Jeden Unterricht verschmähend, hatte er allein mit einem eisernen Wil len die schwierigsten Fertigkeiten sei nes Standes gelernt. Er war der erste Bändiger, auf den das Haus Astianel lo, ach! nicht mehr Astianello.... Lan tieri! stolz sein durfte. Er hatte seine ganz eigene Methode, um die wider spenstigen Thiere zu bezwingen, eine Methode, die er keinen andern lehrte; ein Stierhuter, so hieß es, halb Hexen meister, halb Zigeuner und nebenbei Schmuggler, hatte ihn darin unter richtet. Mödlich, daß nicht alles mit rechten Dingen zuging. Man vermu thete ein Geheimniß, eine Art Zau ber. Um nicht belästigt zu werden, ließ er das Geschwätz aus dem Gute ruhig fortbestehen, vielleicht wußte er selbst nicht, wie es kam, daß er die unfolg samsten Pferde wie mit magnetischer Kraft derart beherrschen konnte. Er wollte! Das war alles. ur war immer ernst; aver man konnte ihm weder Melancholie noch üble Laune fortwerfen. Besser als bei den Kameraden, besser als bei den ländlichen Schönheiten auf dem Gute schien es ihm in der großartigen Ein samkeit der weiten Ebene zu gefallen, wo Mia seine fast unzertrennliche Ge fährtin war! Mia war eine Prachtsstute gewor den, berühmt durch ihre außergewöhn liche Schönheit der Formen und ihre vorzüglichen Naturanlagen. Wenn Drollino ohne Sattel auf Mias Rücken über die Weiden ritt/ hielten die Pferdeknechte und die Berei ter in ihren Beschäftigungen inne und standen still, um die prächtige Gruppe zu betrachten. Mias Name war über die Grenzen des Gutes hinausgedrun gen, und es waren Drollino schon an sehnliche Kaufsangebote gemacht wor den; aber der junge Mann hatte mit einem so barschen, kurzen Nein geant wortet, daß jetzt Niemand mehr Un terhandlungen anzuknüpfen versuchte. Mia war Drollinos Stolz, Drollinos Leidenschaft. Er hatte nie Jemand er laubt. sie zu reiten oder zu lenken, und erwies ihr unermüdlich die größte und zärtlichste Sorgfalt. Manchmal pflegte er ihr etwas in's Ohr zu flüstern, als ob sie ih» anhö ren. ihn verstehen könnte. Er brachte ,str zum Gehorsam, ohne sie je zu schla gen, er hatte sie an eine außerordent liche Empfindlichkeit des Mundes ge höhnt. Der Traum seiner Kindheit >war erfüllt; dieses Pferd war fein, im 'mer fem, wirklich sein.... Nei«! Nicht "immer. Es gab einen Hill, einen einzigen Fall, in welchem Drollinos Stimme jede Zaubermacht über Mia verlor. In diesem Falle widersetzte sich Ma. Nichts konnte diesen Widerstand be zwingen, weder Härte noch Güte, we der heftige Züchtigung noch grausame Hiebe mit der Gerte. Mia fürchtete sich vor dem Knall einer Feuerwaffe. Eine unsinnige, rasende Furcht kam über sie und versetzte sie in eine tolle, wuthähnliche Aufregung. Sowie sie den Knall hörte, jagte sie i» gestreck tem Galopp mit wett offenen Nüstern und einem durchdringenden, schmerz lichen Wiehern davon. Und um nicht aus dem Sattel oder dem leichten Wagen geworfen zu werden, an wel chen Drollino feine Stuie zuweilen anzuspannen pflegte, bedurfte es Drol linos eiserner Kniekehle» und Fäuste. Er hatte das Möglichste gethan, um das arm« Thier von dieser nervösen Reizbarkeit des Gehörs zu heilen, aber er hatte nichts erreicht, und in jenen Momenten wurde Mia auch für ihn ein gefährliches Pferd. Auf dem Gute kcrnnte man diesen einziaen Fehler Mias; aber Niemand wagte, mit Drollino davon zu sprechen, seitdem ein unvorsichtiger Stallknecht, der ihm höhnend dies« Feigheit der Stute vorgehalten hatte, von ihm mit einem wahren Hagel von Faustschlägrn heimgeschickt worden war. Vor der kleinen Eisenbahnstation betrachten einige Landleute erstaunt Landauer, den ein imponirender Kut scher aus dem ebenen Platze langsam hin und her führt. Em wenig abseits vermag ein Reit knecht nur mit Mühe eine prachtvolle, unruhig stampfende Stute, Mia, zu zügeln. Von Zeit zu Zeit läßt Drollino ih rer Laune ein wenig freien Lauf und beobachtet dabei mit boshaftem Blicke von hinten den kleinen Herrn Damelli, den Gutsverwalter, der auch hergc seine Aufwartung zu machen, und sich ängstlich hütet, seinen Spaziergang bis in di« Nähe der Stute auszudehnen. Aber wie Drollino den Zug von ferne heranpoltern hört, faßt er die Zügel straffer. Der Landauer hält gerade dem Bahnhof gegenüber still, die Locomo tive wird sichtbar und neugierig wer den die Hälfe gereckt. Lärmend naht sich ein schwarzes Ungethüm, das einen großen Feder busch von weißem Rauch nachschleppt. Man hört eine Glocke läuten, sieht eine rothe Fahne im Winde flattern. Mia wird unruhig, schnaubt, möchte sich bäumen, aber ihr Reiter hält ihr die Weichen wie in einem eisernen Schrau bstock fest, während er mit der in hirsch ledernem Handschuh steckenden Hand der Stute leicht auf die Mähne klopft und ihr den Hals streichelt. Mia beru higt sich und wartet, aber mit gespitz ten Ohren und zitternden Knien. Ein langgezogener Pfiff tönt über die Gitter weg, der Zug hält still und geht eine Minute nachher wieder ab, und mitten aus dem Gewimmel taucht unter der Thüre des Bahnhofs ein junges, schönes Paar auf, welches seine Schritte »ach dem Landauer lenkt. Stunden Vermählten! Drollino sieht sie sogleich und be trachtet sie wie im Traume. Ja.... sie ist es, die Signorina. Ge wachsen, ganz gewiß, aber nicht sehr; und immer noch das gleiche, ungemein liebliche Gesichtchen. Wie blaß sie ist!... Aber jetzt, mit diesem Lächeln auf den Lippen, ist sie ganz die Milla vor acht Jahren! Sie trägt einen großen Hut von stbwarzem Sammt mit schwarzen Fe dern. ein eng anschließendes, dunkles, englisckies Kleid. Sie schaut rundum mit bewegtem, erschrockenem und zu gleich glücklichem Blicke. Der Verwal ter tritt vor, um sie zu begrüßen. Sie wird gerührt. .Ach! Herr Damelli, nicht wahr!.... Mein armer Papa..." Zwischen den braunenWimpern drängt sich eine Thräne hervor. Da schüttelt die junge Frau den Kopf, lächelt, er räthst und stellt Herrn Damelli Giu liano vor: „Der Herzog... mein Man»!" Sie sagt zum erstenmal: „Mein Mann!" Und dieser Mann Ist ohne Zweifel «in sehr schöner junger Herr, nicht sehr groß, etwas beleibt, mit ei nem goldblonden Christusbart. Die Gesichtszüge durchaus vornehm, rund lick> etwas schlaff. Er ist äußerst lie- Nachlässiges. ja, genau besehen, sogar etwas Verächtliches. Sei» ganzes We sen trägt den Stempel des Langweili gen Trägen; aus seinem starren Lä cheln. aus dem flammenden Blau sei ner Augen spricht ein frecher Wunsch: er möchte zu Hause sein. Drollino. schlank und unbeweglich auf dem Rücken seines schönen Neit thieres, betrachtet forschend und auf merksam das Gesicht des neuen Herrn, das ihm nicht gefallen will, und kommt schließlich auf den seinen praktischen Sinn kennzeichnenden Gedanken, man müsse einen Mann erst im Sattel gese hen haben, um ein richtiges Urtheil über ihn zu fällen. Wiihrend die Koffer geladen werden, betrachtet Milla die bekannte Land schaft. Und in dieser Landschaft bietet sich ihrem Auge plötzlich das unbeweg liche Bild eines Reitknechts zu Pferde. Sie blickt genauer hin und weiß nicht, ob sie recht sieht, zwei funkelnde Au gen und ein braunes Gesicht sind ihr zugewandt: „Oh!" sagt sie lächelnd und gerührt. „Drollino!" Drollino neigte sich tief, während ein flammendes Roth über sein drau- neZ Nirtlitz fllegk. Mlla näher! sich und sogt: „O Drollino! Wie groß Du gewor ben bist!" Jetzt erinnert sie sich an Mia und frägt nach derselben. „Da ist sie!" sagt Drollino und zeigt auf sein Reitthier. Milla streckt die Hand aus, wie um Mia zu lieblosen, und Beide, der Reit» knecht und die Herzogin, gedenken lä chelnd der alten Zeit. Aber die Koffer sind geladen und Der Herzog hat sich Herrn Damelli vom Halse geschafft. .Milla," ruft er unge duldig. Sie vergißt Drollino, vergißt Mia, verläßt sie, ohne zu grüßen, und eilt zu ihrem Gatten, welcher ihr den Arm bietet, um ihr beim Einsteigen be hilflich zu sein. „Vorwärts!" befiehlt der Herzog; und auf der schmalen, staubigen Straße, zu deren beiden Seiten weite, grüne Saatfelder sich hinziehen, traben die vier Pferde rasch und pomphaft dahin. Drollino ist hin ter dem Wagen zurückgeblieben und wartet nur, bis die größere Breite d:r Straße es ihm möglich macht, dasGe fpann zu überholen. Der Landauer ist offen, und er sieht, wie der große, schwarze Federhut und die elegante schottische Reisemütze sich nähern, sich einander zuneigen, als wollten sie selbst ein Gespräch beginnen... er sieht breite, unruhige Schultern und seine, 'schmale, ein wenig zitternde Schultern .... sieht bewegte Profile, sprechende, la chende Lippen. Aber plötzlich schreckt der große schwarze Hut rasch zurück.... wie vor einer Gefahr. Nun wendet sich der Herzog mit ei ner beinahe brutalen Bewegung der Ungeduld: .Voraus!" herrscht er Drollino-zu. Mia fiihlt die Sporen in den Wei chen, fühlt sich auf den äußerst schma len Wegstreifen getrieben, der links xiuf der Straße zwischen dem Weg und den Feldern sich hinzieht. Blitzschnell jagt sie vorbei, und Drollino sieht nicht, wie sich die Hand des Herzogs unter dem schwarzen Hut mit der wal lenden Feder durch ausstreckt und mit gebieterischer Lüsternheit aus die Schu ltern der Herzogin legt. Das Personal des Gutes war bei nahe vollzähilg am Gitter bei der Ka man in der Ferne von der Straße her das Geräusch eines Fuhrwerks ver nahm. Dann hörte man nur kurze, halb unterdrückte Worte: „Jetzt kommt sie... sie ist's.... gleich wird sie da sein." Aber sie war es nie, und es fing bereits an Endlich hörte man einen anhaltenden heftigen Galopp „das sind sie ge wiß." Und alle erhoben sich auf die Fußspitzen, um besser, um zuerst zu sehen. Aber nein... es war Drollino. mit Schaum bedeckt. In zwei Sätzen flogen Roß und Reiter zum Gitter herein durch die zu beiden Seiten gedrängt stehende Menge, die bei dem Erklärungen zu geb?n, in gestrecktem Galopp sauste er dahin und verschwand fast plötzlich in der Richtung gegen die Triften. Der Wagen mit den vier Pferden langte erst zwanzig Minuten später an. 4. Capitel. Die Uhr auf dem braunen Kirch thurm verkündete mit tiefem, schwerem Schlage halb elf. Die jungen Gatten hatten vor kurzem die Mahlzeit be endet, und der Herzog, der in schläfri gem Tone von der Ermüdung durch die Reife gefprockM, hatte Milla so gleich hinaufgeführt in ihr Zimmer... Und die Räume, ging. Dann wurden die Thüren ge schlossen und keinerlei Geräusch war mehr hörbar. Lust und Fröhlichkeit beschränkten sich auf die Gesindestube.». Ivo der Wein die Runde machte und fröhliche Späße, ungezwungenes La chen und ungezwungene Reden in un unterbrochener Folge miteinander wetteiferten. Aber der laute, rohe Ju bel verhallte innerhalb der getünchten Wände dieses Raumes. Das Haus lag, in feierliche Stille getaucht, wie schlafend da in der licht vollen Klarheit der Nacht; hoch, ge heimnißvoll, vornehm, leuchtend im hellen Mondenschein, welcher, voll auf die Fassade niederfluthend, diese mit kühlem Silberglanze zu umweben schien. Tiefschwarz lagerte sich der Schatten der Villa seitwärts auf das feuchte Grün des Gartens. In diesem sanften Lichte schienen alle Umrisse schärfer hervorzutreten: das duntle Laubwerk der Allee schien sich wie ge meißelt von dem Hintergrund der rei nen tiefblauen Lust abzuheben. Ein unendlicher Frieden lag über Schloß und Garten. Im Röhricht deS Weihers ertönte zuweilen ein kurzes Geflüster der Binsen, welche gewiegt werden v»n einem plötzlichen Hauche des Nachtwindes: von der Allee her ein verlorener Schlag der Nachügall.... Die Luft war erfüllt von dem starken und lieblichen Dust des spanischen Flieders, davon ganz nahe ein großer Strauch in voller Blüthe stand Mitten in diesem Frieden und dieser Ruhe fiel aus den Kies des Gartens der Schatten eines Mannes, buld län- Richtung des Körpers, der ihn warf. Es war Drollinos Schatten. (Fortsetzung folgt.) . Zigeuner,misik. Wenn Trägheit und Leichtsinn alle Tugenden brach legen, so befördern sie doch bei den Zigeunern zwei Talente: das der Poesie und das der Musik t Wie die wandernden S»ielleute deS Mittelalters das Volkslied und die Fiedeltänze erfanden, während sie ür den Bock gespannt auf der Schand bühne faßen, so sind auch die Zigeuner trotz aller Vedrängniß ihres Stammes Musikanten geblieben bis auf den heu tigen Tag—mehr als Musikanten — Musiker. In ihren Poesien weht der Hauch des Orients schwül und duftig wie ein Mittag lüftchen über Narzis sen. Keine andere Musik hat diese eigenartige, bizarre, bald klagende, bald schmeichelnde, beinahe winselnde Klangfarbe. Freilich ist sie nie fr» von Effekthascherei. Bald wird das Tempo gezogen und gedehnt, daß eS wie das Klagen des Windes klingt, 'bald wird es überhastet, so daß mal» einen Katarakt von Tönen zu hören glaubt. Man ist verblüfft, gefangen, man meint, das Höchste gehört zu ha ben, und hat doch eigentlich nur da? Aiafnnirteste kennen gelernt. Die 'schrillen Töne der Panflöte (einen» primitiven Instrument, dessen anein andergefiiate Röhren von verschiedenes Länge aus Schilfrohr bestehen) Hüpfens gleich Irrlichtern über dem stagniren den Wasser der ungarischen Klage melodie, das Cymbal rauscht, die Mandoline schwirrt, und in diese? Tönebachanal kratzt und piept dann manchmal noch das, „Jl Remo" ge nannte, einem Reibeisen ähnliche Mu sikwerkzeuq, welches jetzt durch dei» Kontrabaß ersetzt zu werden pflegt. Ueber dem allen aber schwebt die Kö nigin der Instrumente, die Geige, die stete Begleiterin der Zigeuner, seine Freundin von der Wi?ge bis zum Grabe. „Die Geige gibt mir Leben, Trank und Speis' muß sie mir geben; Wenn ich nicht mehr geigen kann« Bin ich ein verlorener Mann. Will mein Herz vor Leid zerspringen. Hör' im Sack kein Gel? ich klingen, Spiel' ein Liedchen ich aus der Geigen. Bringe Hunger, Schmerz zum Schwei-» S si .t d . d' primitive Instrumente darunter—aber Fülle, welche Kraft,, welchen des Tones weiß der Zigeu ner feiner Geige zu entlocken. Man fragt sich unwillkürlich: haben denn gestalten? Und. dieses Musikgedächt» Zerfahrenes, Wüstes und ist des ur zu den stürmisch berauschenden unga rischen Märschen. Auch die rumäni schen Zigeuner sind geborene Musiker und Tänzer, die den Takt in der Seele zu heben scheinen, und bei denen tanzen und spielen und gehen l:rnen dasselbe ist: denn wenn die Mutter in die Hände klatscht, macht das Kind, das kanin auf den Füßen stehen kann, schon takt mäßige Bewegungen dazu. Hat daZ Kind dann das Alter von vier bis sechs Jahren erreicht, so wird ihm eine kleine Geige „Pochetts,, in die Hand gegeben, auf der es sich mit der ihm anaeborene Liebe und Veranlagung ohne jegliche Unterweisung versucht. Den Fremden bietet sich in den rumä nischen Vorstädten und Gassen, welche den Zigeunern zugewiesen sind, oft das seltsame Schauspiel eines auf der Straße von unbekleideten und zerzau sten Kindern ausgeführten Streich- Spielleuten abgelauschtes Lied wieder giebt. Ein zweites Lieblingsinstru ment besitzen die Zigeuner in der Harfe. Doch dient ihnen dieses Jn tesse, daß das Publikum in helle Be drei Stunden verwandt: dessen unge achtet hielten sie Unterschiede von einer Vierundsechszigstel Note taltmäßig fest. Der „Primarsch" spielte die erste Geige und dirigirte zu gleicher ist bei ihnen kaum die Rede. Auch in Bravourstücken sind die Zigeuner Mei ster. Gleich Paginini spielte auch Zlakay Jani auf zwei Saiten, als ihm einst zwei während des Spiels geris sen waren. , , 3