2 Q-rliner Vttraerwrsr. Als die englischen Truppen zu An sang des Jahres 1620 nach Böhmen durch die Mark Brandenburg zogen, um den Wintcrkönig zu unterstütze» bildete die aufgeregte Berliner Bevöl kerung, in der Meinung, daß die Eng l> 'k'Unen Berlin etwas Böses im In den „Beiträgen zur Untersuchung «egen den Grafen Schwarzenberg" von Cosmar befindet sich ein Brief, den der damalige Kanzler Pruckmann an den Kurfürsten Georg Wilhelm sandte, und der uns ein anschauliches Bild in Betreff des „Aufstandes Zu Berlin" giebt. Es heißt darin: „Die Wache war in Cölln von ihrer zween MuSkete zwei bis drei Mal, der fünfte ten gewußt haben. Summa, man hat nur lauter Schimpf gehabt. Das Beste daran war, daß sie uns, die wir unser ansichtig wurden, einen derma vls wollten sie uns fressen. Wie es des Morgens drei Uhr liefen Haufen bringen konnte. Eine andere Rotte dagegen, 70 Personen stark, so garnicht aus Bürgern gewesen, hat sich dahinten auf dem Werder (der selbe besaß damals noch kein Stadt recht und war mit keinem Vertheidi gungswerk versehen) zu Haiifen rottirt und haben die ganze Nacht aus der Dudlei (Dudelsack) spielen lassen, auch eine Wagenburg von Tücherwa gen um sich geschlagen und ein über großes Platzen und Schießen getrie ben, dadurch auch Ev. Durchlaucht junges, ungetanstes Herrlein (der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm) den. daß leicht ein anderer Unrath (Unfall) hätte entstehen könn«»." Dieser Lärm währte einige Tage in Pruckmann sagt darüber: „damit sie nichts von allen Mnthwillen unver sucht ließen, so wollten die dreißig Mann, die in den beiden Thoren von Cölln gewacht hatten, worunter ich den Bereiter Lorenz gekannt, der auch der Muthwilligste, wie er pflegt, ge wesen sein soll, ohne Spiel nicht ab ziehen. sondern mit Sviel, sowie sie Diese machten ein neues Getrommel, brannten auch die Röhre gegen ernst liches Verbot vor dem Rathhaus im-- uns jetzt durch I. G. Scott bekannt geworden, der über die bei ihnen in ganz außergewöhnlichem Maß- ge bräuchliche Kopfjägern viel zu erzäh len weiß. Sie wohnen östlich vom Salwin in West-Manglun im Gebiete der Schan und werden in zahme, die ihr Haar lang wachsen lassen, und wilde, die es abschneiden, geschieden. Die Dörfer der wilden sind durch gute Straßen mit einander verbunden; die Leute sind vortreffliche Ackerbauer und umgänglich. Aber Trunkenheit, Un sauberkeit, das Verzehren von Hun den und vor Allem Kopfjägerei sind bei ihnen herrschend. An jedem Ende des Dorfes steht eine Reisschnaps brennerei, der tüchtig zugesprochen wird; auch ißt man Opium, raucht es aber nur selten. Der Zugang zu den Dörfern wird stets durch eine Allee von Schädeln eröffnet, die auf Pfähle gesteckt sind. Das ärmste Dorf zeigt deren mindestens ein Dutzend; die rei cheren schmücken aber den Zugang mit hundert und mehr Menschenschädeln. Alljährlich zur Zeit der Ernte» wer den Schädel geopfert, am liebsten die jenigen von hervorragenden Leuten erlangen können, suchen sie zu kaufen. Die frischen Köpfe werden in Körben an Bäumen aufgehängt, wo sie blei chen ; dann erst wird der Schädel fiierlich in der Allee aufgestellt. Eine Priesterkaste besteht bei den Wan nicht. Bitteres Lob. Schau spieler: Nun, Herr Meyer, wie gefiel ich Ihnen denn.gestern Abend in mei nem Spiel als Erbonkel? Meyer: Großartig! Herrlich! Man vergaß »anj Jh« Schulden dabei I .Schloß Nodeneck, den M. Juni 1869. Meir, lieber Herr Pfarrer! Ein Jahr ist nun dahin, seit Gott marternde Bewußtsein, einst ohne Nachkommen sckmden zu müssen, wäre uns erspart geblieben. Aber sie hat, todtes Kind im Arme, haben wir die junae Mutter der Erde übergeben müssen. lichen Tochter haben wir all' unsere Elternliebe auf den Schwiegersohn übertragen wollen—leider hat er sich ihrer unwürdig erwiesen. Seit einem halben Jahre schon führt Graf Schier bach in Paris das tollste, Leben. Wir, die Gräfin und ich, werden alt, Herr Pfarrer. Und es ist so trostlos leer und öd« in uns und um uns. Gestern war wieder der Todestag un seres theuren Erich. Fern liegt es mir, über diesen schweren Verlust zu kla gen: ich habe meinen Sohn dem Va terland« gern geopfert, und ich bin stolz darauf, daß er auf dem Felde der <7hre den Heldentod sterben durfte. unseren Lebensabend freundlicher zu gestalten? Und möchten Sie, be währter Freund unseres Hauses, uns hierzu behilflich sein? Wir haben uns nämlich entschlossen, ein fremdes Kind möchte etwa zwei Jahre alt, durchaus gesund und gut entwickelt sein, auch müßte es, gleich unserer Schichten angehörenden Eltern ab stammen. Eine Waise wäre uns am liebsten, jedenfalls aber müssen alle etwa noch vorhandenen Familien bande gänzlich gelöst werden; der Aufenthalt des Kindes muß für die Angehörigen oauernd tiefstes Ge heimniß bleiben. Das Kind soll von uns ganz so erzogen und behandelt verpflichten, wenn Sie ein unseren Wünschen entsprechendes Kind unauf fällig ermitteln könnten. Die Gräfin läßt Sie grüße», wie Sie, verehrter Freund, ebenfalls grüßt Ihr Ihnen stets wohlgeneigter Graf Roden zu Rodeneck." Sinnend schaute der Pfarrer Schwarz zum Fenster hinaus, als er den Brief des Grafen gelesen hatte. Ihm, dessen Beruf es war, die Mit menschen im Unglück zu trösten, ging die Trauer, die aus diesen Zeilen sprach, tief zu Herzen. Er war in jungen Jahren Hauslehrer auf Ro deneck gewesen. Der Pfarrer begab sich in den Garten, wo feine Gattin in einer schattigen Laube mit einer Handarbeit beschäftigt war. Zu ihren Füßen spielten zwei Mädchen im Alter von zwei und vier Jahren. Schweigend reichte er ihr den Brief. „Ich habe an das Töchterchen des verstorbenen Schneiders Häßlers ge dacht," begann er, als seine Frau ihn noch dem Lesen des Briefes, dessen Inhalt auch sie sichtlich ergriffen hatte, fragend anblickte. „Aber wird die Mutter, trotz ihrer Nothlage, das Kind missen wollen? Sie hängt seh? an der Kleinen," wen dete die Pfarrerin ein. „Daran Hube ich auch gedacht. Aber ich hoffe, die Frau wird selbst los genug sein, dem Wohle ihres Kin des das Opfer zu bringen." „Kurl, ich fürchte, Du beurtheilst das Mutterherz falsch. Mir scheint es hart, eine arm«, schwer geprüfte Frsu noch, ärmer zu machen." „Liebes Kind, es dient ja zu ihrem Besten und zum Glück ihres Kindes, das ihr zweifellos eine große Last ist." „Nun, meinetwegen mache ihr den Vorschlag," sagte die Pfarrerin zö gernd. „Aber versprich mir, sie nicht Der Pfarrer versprach es und machte sich auf den Weg zur Wittwe Dürftig genug sah es in der Hütte aus. Frau Häßler sah am Fenster und strickte, während das Kind auf dem Fußboden spielte. Es hatte den linken Arm verbunden. „Wie geht es Ihnen, Frau Häß ler?" fragte der Pfarrer theilnehmend, indem er der bleichen Frau die Hand reichte. „So schlecht, wie eS einer armen Wittwe, die verhindert ist, dem Er werb nachzugehen, nur gehen kann. Herr Pfarrer. Hätte ich das Kind nicht, so könnte ich mit Nähen auher t/ reichlich meinen Un wenig Näharbeit." „MaS hat die Kleine am Arme?" „Ach, sie ist vorige Woche gegen den heißen Ofen gefallen, als ich sie einen Augenblick allein gelassen hatte. Man kann doch nicht immer »in sie sein." „Bitte, zeigen Sie doch mal—so, so, das sieht ja recht schlimm aus, wird aber hoffentlich in einigen Wochen ge keilt sein. Eine Narbe wird das Kind freilich behalten —Sagen Sie, Frau Häßler, ich könnte Ihr Kind Herr Pfarrer," rief die Frau strahlen den Auges. „Aber wer sollte sich der Kleinen annehmen wollen?" setzte sie dann zweifelnd hinzu. „Reiche, vornehme Leute, dir ihr« eigenen Kinder verloren haben, »vollen Ihre Anna empfehlen." Frau Häßler ließ ihre fleißigen Hände sinken. „Aber die Mutter, seine wirkliche Mutter, darf das Kind viel!" Und die Äugen mit der Schürze bedeckend, brach sie in hefti aes Weinen aus. Mensch. Sie brauchen doch gegen Ihren eigenen Willen Jhr Kind nicht hinzugeben." „Das sagen Sie so. Darf ich denn das Anerbieten ablehnen? Soll ich mir Zeit meines Lebens vorwerfen, gar dringend bitten, nehmen Sie mein Kind. Jetzt kann ich nicht mehr anders." Der Pfarrer erhob sich. Im In nersten ergriffen, reichte es der Frau die Hand. „Sie haben ein edles, als den gestellten Bedingungen ent sprechend zu schildern. Schon nach wenigen Wochen traf ganze Zeit her hatte sie diesem Tage mit geheimer Angst entgegengesehen, gleichwohl aber, im Banne einer inne- Pfarrer über die Angelegenheit weiter zu reden. Auch dieser hatte den wun den Punkt, der ihm nach dem neuli öhne Noth wieder berühren mögen. „Hier ist das Kind," sagte Frau Häßler scheinbar gefaßt, ohne eine Anrede abzuwarten. Dann ergriff sie die Kleine, preßte sie leidenschaftlich an sich und reichte sie stumm der Wär- Gräfin freundlich, nachdem sie die Kleine schnell mit prüfendem Blick ge mustert hatte. Brieftasche und überreichte sie Frau Häßler. Doch da war es mit deren mühsam „Was, ich soll mein Kino verkau fen?" schrie sie gellend auf. „Nein, behalten Sie Ihr Geld; sein eigen Fleisch und Blut verschachert man nicht." Heftiges Schluchzen erschütterte ihren dem Arme der Wärterin, die es mit verhielt. Der Pfarrer war bei Frau Häßler zurückgeblieben, die zu trösten er sich bemühte. Doch sie blieb seinem Zu- Über den Verlust des Kindes halte sie überwältigt. Als aber endlich der da fasste sie sich gewaltsam: „Nein, lassen Sie!" rief sie erreg!. „Ich darf das Lebensglück meiner äußeren Glück ruht feit dem Tode de? Gräfin ein tiefer Schatten düstirer Schwermuth auf ihrem sonst so offe-- „Man sieht doch, der Besitz irdischer Güter allein macht nicht glücklich," sagen die Leute. Als die Gräfin im vergangenen Herbst gefühlt hatte, daß sie dem vor einigen Monaten heimge kunft aufzullaren und ihr vor Augen zu führen, was alles sie den Pflege eltern zu verdanken habe. Wenn Anna auch längst gewußt chen Verhältnisse stehe, so hatte sie Mutter sich bei Lebzeiten von ihr ge trennt. Ein Gefühl unsagbarer Bit- terkeit ist über sie gekommen und nicht mehr zu bannen, seitdem die Gräfin ihr die Augen geöffnet. Da gibt es keine Entschuldigung für sie, die jhr das Leben gegeben. Muß nicht eine ihr Kind wahrhaft liebende Mutler es vorziehen, vereint mit ihm unterzugehen, anstatt sich für immer von ihm zu trennen? Das Band zwi schen Mutter und Kind kann ''.ur ollein der Tod zerreißen. Ob sie noch unter den Lebenden weilt? Die Gräfin hat darüber keine Auskunft geben können, auch angeblich den Wohnort Mit ihren Gedanken beschäftigt, saß Anna eines Nachmittags in der Veranda, als eine fremde Frau über den Schloßhof daher kam. Jhr son nenverbranntes Gesicht sah vergrämt aus; ihre dürftige Kleidung verrieth eine ordnungsliebende Hand.^ ob die junge Dame, die hier im Schlosse wohnt, am 16. August ihren Geburtstag hat?" fragte sie schüch- „Frau, was geht Sie das an? Wollen wohl den Tag zum Betteln benutzen? schrie der Diener, aufge bracht über die nach seiner Meinung unverschämte Frage. „Ich bettle nicht; bitte, geben Sie mir doch um Gotteswill-n Aus kunft," hörte Anna die Fremde fle hen. Die Pein eines gequälten Her zens drang aus ihren Worten. Eine nervöse Unruhe hatte die junge Dam- ergriffen; sie rief die Frau zu sich. „Weshalb wollen Sie denn meinen Geburtstag wissen?" fragte sie mit bebenden Lippen. „Ach, verzeihen Sie einer verzwei felnden Mutter, gnädiges Fräulein. Seit fünfzehn Jahren durchwandere ich unstät die Welt, mein Kind zu suchen, das ich, um es einem trostlo sen Elend zu entreißen, reichen Leuten anvertraut habe. Ach Gott, ich habe damals meinem Mutterherzen zu viel zugemuthet, es will sich nicht be schwichtigen lassen. Und so treibt es mich, meine Tochter zu suchen, bis ich sie endlich gefunden habe, oder meine todtmüden Beine zusammenbrechen. Und sollte sie auch nichts von m>r wissen wollen ich muß sie von An gesicht zu Angesicht sehen. Darum sagen Sie mir, ob Sie am 16. August achtzehn Jahre alt geworden sind, und ob Sie am linken Arm eine Narbe haben —" Durchdringend ruhten die Augen der Frau, in denen ein wahnsinniger Schmerz glühte, auf dem Antlitz des jungen Mädchens, Anna war bis an die Lippen erbleicht, ihr Herz pochte stürmisch im Kampfe mit den ver schiedenartigsten Empfindungen. Die ser elenden Jammergestalt also ver dankte sie ihr Leben? Diese Frau, die beinahe als Landstreicherin von ihrer Schwelle gewiesen worden wäre, sollte sie Mutter nennen? Unmög lich!.... Nein, nein, sie hatte keine Mutter; feit fünfzehn Jahren hatte sie ohne sie leben müssen, sie würde es auch ferner können Und das ge quälte Weib da vor ihr ? Nun ja, eine Frau, die so herzlos sein konnte, ihr Kind wegzugeben, hatte kein besseres Los verdient; sie hatte jedes Anrecht auf Muttergliick und Kindesliebe ver wirkt. Aber wozu hatte die Frau sich von ihrem Kinde getrennt? Um es glücklich zu machen, „um es dem Elend zu entreißen." Da sah Anna im Geiste neben der Frau eine zweite Gestalt auftauchen, genau so ärmlich gekleidet, mit demselben vergrämten Antlitz doch die Gesichtszüge waren ihre eigenen! Das also wäre sie ge worden ohne die hochherzige That der Mutter, die ja ein Ausfluß selbstloser Mutterliebe war! ! Die Eisrinde, die sich um das Herz der Tochter hatte legen wollen, zer schmolz vor diesem Bilde in warmes, menschliches Empfinden —Anna brach in Thränen aus, und mit dem Auf schrei : „Mutter, ich bin Deine Toch ter !" sinkt sie der schwergeprüften Frau in die Arme. Di« ««lösten Vc,tel>«nacn. Schach und Halma Spielte Alma Täglich mit "dem Nes'rendar; Acngstlich sann sie, Doch gewann sie Einmal nur im Vierteljahr. Das erbost sie; Heimlich tost sie, Stets gclniss'ner wird ihr Mund; lind Herr Hartner, Der ihr Partner, Frägt sie schließlich nach dem Grund. Ach, versetzt sie, Kranit erst jetzt Sie Meiner Seele bitt're Pein? Ja, das weist ich! Kindermund. Dame (im Pofamentirgeschäft zum Verkäufer): Schneiden Sie mir, bitte, eine Probe kleine Karl: Aber Mama, das hast Du ja in oen anderen Geschäften auch schon gesagt! VI« Berliner Festtag au» alter 3-t« Vor fünfzig Jahren, da lag noch der Schützenplatz der Berliner Schützen gilde in der Linienstraße, nicht weit ab von der Neuen Königstraße. Jetzt ist er schon längst verschwunden mit sei ner hohen Vogelstange, mit dem zwei stöckigen Schützenhause an der Stra ßenfront, dessen verwitterte und zer schossene Scheiben im Festsaale so oft herausgefck>aut haben auf die tanzende Jugend, von der sich Mancher und Manche einen Ehetreffer geholt hat, Während Andere Vorbeischossen. Die alte Pracht des kleinstädtischen Berli ner Lebens ist dahin wo der alte Schützenplatz gestanden, da erheben sich schwere Arbeit und dauernde Sorge ihren Einzug halten. „Heute ist Schützenplatz!" hieß es vor fünfzig Jahren in allen Straßen Berlins, welches noch die alte Stadt- Stadt vom Windmühlenberge bis zum Kreuzberge, von den Zelten bis zum Oberbaum das waren die End punkte Berlins hieß es: „heute ist Schützenplatz", in jeder Werkstatt des Handwerksmeisters, dessen Bürger brief unter Glas und Rahmen über dem Sofa neben der „Servante" in auffälliger Luxus, trotzdem es damals noch gestattet war, daß vier Erwach sene mit ihren „Würmern" ohnePreis erhöhung in der Droschke Platz neh men konnten. In der Linienstraße ging die Ge duldprobe an. Nur langsam kam der Menschenstrom vorwärts, und hätten nicht die unsterblichen Schusterjungen ihre Witze gerissen, wäre Allen.die gute Laune verloren gegangen. Dort hat ein Schneider sein Fenster mit Georginen und Spargellraut drapirt, und würdevoll schaut die dicke Frau Schneidermeister in dunkelro them Kleide auf die vorbeifluthende Menge, während ihre beiden spindel dürren, hock>geschossenen, nicht mehr ganz jungen Töchter ihr zur Seite ste hen. „Seh' mal, Ede!" ruft ein Junge, »den ufjefchossenen Spargel da oben!" „Un in de Mitte ne Jeorgine!" Dort ruft ein Anderer: «Nich hu sten, August!" „Na, soll denn det Drofchkenpfcrd „Nee, det wär schade! Det arme Dhier friert jewiß!" „Worum?" „Weil der Kutscher heute morjen verjessen hat, ihm det Fleisch uf de Knochen anzuziehen." Endlich ist das Eldorado Berlins erreicht. Der Schützenplatz hat lieb reich seine beiden großen Thorfliigel geöffnet und vor der schaulustigen Menge liegt der große, gegen die Stadtmauer hin aufsteigende Platz mit seinen Buden und Fahnen und Tischen. Der Leierkasten dudelt, Verkäufer kreischen, Akrobaten in Tri cots brüllen von ihrer Estrade herab, und der bezaubernde Duft der Knob lauchswürste strebt hinauf zu den un sterblichen Göttern, während der Weißbierwirth nebenan langsam und bedächtig das perlende Naß in die schräg gehaltene riesige „Weiße" gießt. „Vater, jieb mir'n Dreier! Ick will bei det jroße Pfefferkuchenherz mit würfeln!" sagt ein Elfjähriger zu sei nem Erzeuger, der alle Hände voll zu thun hat, denn an der Rechten führt er den Jungen, an der Linken seine kau ende Tochter, in dem Munde hält er die lange Pfeife, und „Mutter", welche das Jüngste auf dem Arme trägt, hat ihn um nicht verloren zu gehen, an den Rockschooß gefaßt. „Wat?" antwortet Vater, „schon wieder 'n Dreier? N' Katzenkopf tannste kriejen, Du Lümmel, wenn Du den janzen Jrofchen schon kleen ge kriejt hast!" „Vater," meint der Sprößling un entwegt, „jieb mir doch 'n Dreier!" „Nee, is nich!" „Weeßte» Aujuft," fällt ihm jetzt die Mutter in den Rücken, „ick würde mir doch schämen an Deine Stelle! Um den Dreier vor den Jungen haste Dir, wie 'n Dienstmädchen nach ihren Jre nadier, aber Du denkst wohl, ick habe 't nich jefehen, wie Du schon fünf Kimmel bei 'n Budiker Piefke hinter die Binde jejossen hast?" „Saure Jurken, Pfefferjurken!" er tönt es jetzt in der Fronte des soeben hinterrücks angegriffenen Familien hauptes. „Wech!" ruft er ärgerlich dem ju gendlicher Verkäufer zu. „Det iS Dir recht!" meint ein Vor beigehender zum Jungen. „Wat bietst Du nu woll den Meester Deine saure Jurken an; den macht et seine Olle schonst sauer genug!" „Sie können mir jarnischt bewei sen!" erwidert ihm der Meister. Das war für den Spötter wohl ein überzeugendes Wort, denn er erwi derte nur: „Schaafskopp!" „Schandarm!" ruft der zornige Meister einer grünen Uniform zu, in welcher der Besitzer eines sehr rothen Gesichtes mit einer noch rötheren Nase steckt, und auf dessen Stirn seine un „Was wolle» Sie?" fragt der An geredete mit würdevoller Schroffheit und zieht das dicke lederne Notizbuch zwischen dem dritten und fünften Knopf seiner Uniform hervor. „Der Mann hat mir jeschumpfen!" vernietender Blick der hohen Obrigkeit trifft den verstockten Sün der. „Wie können Sie den Mann schimpfen?" „Aber Herr Schandarm, et is ja jut. et war man bloß —" „Wie Sie hier schimpfen können, frage ich Ihnen. Ich werde Ihnen notiren. Wie heißen Sie?" „Ick heeße Aujuft Schmidt, Schieß jasse 3, evanjelisch, noch nie nich be straft, bloß zweemal wegen Roochen uf de Straße un eenmal in'n Dhierjarten wegen detselbe, unverheirathet un zweemal jeimpft." „Schmidt mit 'n „dt"?" „Det is Jeschmacksache.Herr Schan darm. Wenn ick besser wechkomme, können Sie mir mit 'n bloßet „d" schreiben, je nachdem det Sie wollen." „Kerrel!! Schweigen Sie! Sie werden das Uebrichte schon erfahren, un wer hier noch lacht, der kommt nach'n Ochsenkopf!" Der Jnkulpant ist eingeschüchtert; die Umstehenden auch. Alle machen Hermandad bei seinem wirkungsvollen Abgange schweigend Platz. Aus der Menge der altersschwachen Buden, die bereits vieler Herren Län der Jahrmärkte gesehen, ragen einige größere hervor. Die erste am breiten Hauptwege hat eine entfernt« Aehnlichkeit mit einem Vorn am Eingange wallt «ine ver schossene rothe Gardine herab, welche in besseren Tagen das Kleid irgend einer Theaterprinzessin abgegeben ha ben mag. Ueber dem Eingange befin det sich der „Balkon", und an diesem ein langes Schild, welches den Zweck dieses seltsamen Baues dem Publikum verdeutlicht: „Größter Cirkus der Welt! Equilibristisch-pantomimische Zauberhalle. Das Lokal ist geheizt." „Hochverehrtes Publikum!" brüllt am Eingange ein breitschultriger, mit fleischfarbenem Tricot und besternten Sammet - Schwimmhosen bekleideter Kerl, welchem in der Dämmerstunde in prosaischem Anzug« auf menschen leerer Straße zu begegnen, wohl be gründete Furcht erregen könnte. „Hochverehrtes Publikum! Ich habe die Ehre, der größte Künstler der Welt zu sein. Immer rran! Ein Gro schen die Person! Mein« Gesellschaft besteht aus zwei Italiener, drrei Fran zosen, vier Affe», einen rohen Fleisch fresser und neununddreißig Papujeis. Immer rrran! Ein Groschen die lumpigte Person! Außerdem Du willst wohl 'rin, mein lieber Sohn? Geld haste nich? Denn mach, det Du wechkommst, oller Maulasse! Außerdem wimmelt es in meinem Cir kus von schöne Mächens, welche Feuer fressen, hundert Ellen Band aus spucken un mit 'n Bären tanzen. Die Vo 'tellung bejinnt sofort! Immer rrii'! Ich selbst bin aus Amerika und hatch mang die Wilden Zeit meines Lebens jelebt! Nur ein Groschen!" Das geehrte Publikum wendet den Groschen an, die ungehobelten, schwan kenden Bänke sind dicht besetzt und Jeder ist höchlich erbaut von der Kunstvorstell",ng, deren Genuß durch das ohrenbetäubende Paukenschlagen der Frau Direktorin erhöht wird. Etwas weiter cb ist das elegische Element vertreten, das dem Berliner von damals, der noch von Politik entlockte. Ein Leierkasten und da rüber auf Wachsleinwand die „genia len?" Morithat der Lowife Neumann, geborene Lerche. Der Besitzer des mu sikalischen Marterwerkzeuges steht in würdevoller Haltung als Troubadour daneben, in der Hand den Nohrstock zum Zeigen der Einzelheiten des spontanen Gebrauch für „drängelnde" Jungen. Seine Gattin steht neben ihm mit dem Sammelteller, dem aus- Zuhörer vergrößert sich von Minute zu Minute. Dieselbe besteht nicht etwa aus dem Janhagel, wie auf heutigen (Klatsch auf das erste Bild, das Fro —o —oide Als ein Licht erblickt er in der Fin sterniß! (Klatsch, auf das zweite Bild. Alles gelber Klex.) der Schneider klopft an, dem Hand werksmann wird aufgethan. Er geht zu Bett und schnarcht ganz nett. Und H als er „fchluf", der Wirth die Wirthin I maufetodt. Sie stechen ihn und au! das Blut, spritzt himmelhoch in wilder Wuth. Verbrenn'n ihn dann von Kopf bis Fuß, worauf der Wirth das Licht ausbluß. Die Morithat jedoch, ei, ei! ' Die merkte die hohe Polizei. Man stecht die Mörder beide ein, die Polizei wie fein, wie fein! Man band sie gnädigst auf das Nad für ihre grause Morithat. Und schließlich that der schöpfen. Selbstverständlich mehrt sich von ei nem Bilde zum anderen die Menge des gemalten Blutes, bis man bei der Köpfung nur Zinnoberfarbe sieht, hin ter der sich der phantasiereiche Berliner .die „jrauliche" Scene des Köpfens »ach Belieben ausmalen kann. Während der Barde singt, gleicht die Bardin einem Schießvogel. Sobald die Bardin mit ihrem Teller da und die Anzahl der gesammelten Dreier mehrte sich höchst erfreulich. Der Abend rückt heran, das Knal len in der Schießbahn hört auf, und die damals noch soliden Berliner, di stolz auf ihren Bürgerbrief, jede Colli sion mit der Polizei ängstlich vermie- Platz; sie wandern heim, aufgeregt von all' den Schaugenüssen, etwas benom men vom Kümmel und den obligaten Weißen. Die Karussells kommen zur Ruhe, „denn et jeht ja schon uff Neune!", der Gymnastiker ist ebenso heiser wie betrunken, die hundertmal abgedudelte Morithat findet keine Kunstverständigen mehr und der „Schandarm" braucht bei seinem Be-, fehle „Feierabend" sich nicht über Wi derspänstige zu ärgern. Was er an „Kümmel mit Jewehr ieber" geleistet hat, das weiß er selbst nicht; seine Tasche auch nicht, denn er wird freige halten als „Schandarm", wie einst als Unterofficier. Warum? Da rum! Auch der Familienvater geht „mit seiner janzen Hafenhaide", wie er Frau und Kinder als Collectiv be zeichnet, nach Hause. Er schweigt sehr viel, denn die Zunge ist ihm schwer; sein Gesicht blickt aber, trotz Mutterns Straßen - Gardinenpredigt, äußerst vergnügt auf die schöne Welt. Mutter theilt ihre Aufmerksamkeit satz ein Dreier; nach fünf verspielten Groschen hat sie gewonnen; Werth der fchiefbäuchigen Flasche „sechs Dreier". Der älteste Junge sieht „nicht ganz aus. Aepsel, Pfefferkuchen und gibt Vater „Muttern" den Nachtkuß sehr fcheen!" Mutter ist aber tückisch schlafen Alle den Schlaf der Gerechten. Dielangeßede. Der alte Oberst von Beiß hatte seinen Abschied von seinem Regiment mit einer länge ren Rede zu verabschieden. Dieselbe war auch nach mancher schlaflosen u. s. w. An dem Tage des Abschiedes mit feierlicher Stimme: „Hat je —" „Adje, Herr Oberst!" antwortet das Regiment wie aus einem Munde auf Schlau. Sulfurius: Nanu, College Süffel, Ihr seid schon wieder 'mal umgezogen? Süffel: Nein, wer lichkeit selbst; davon wissen aber meine Gläubiger nichts. Sie hat den großen Vorzug, daß mich meine Gläubiger so mit stets verfehlen, da ich in meiner anderen Wohnung einfach nicht zu Hause bin! Kasernenhofblüthe. Unteroffizier (einen Einjährigen an die Achselklappenschnüre greifend): „Sie denken wohl, Sie haben die Begreiflich. A.: Das ist ein reizendes Stück, das das Orchester da spielt. B.: Ja, und doch kann mich dieses Stück in Verzweiflung bringen! A.: Warum denn? B.: Weil es das einzige ist, das meine Tochter spielen kann!