Das Muttermal. (5. Fortsetzung.) „Nein, ich thue es nicht. Wie sollte ich? Ich habe mein ganzes Leben hier gelebt und sie hat mich niemals besucht, und nachdenke und zuweilen im Schlafe setze ich ach so ferne und wie im NÄil! aber so zärtlich und liebedvll -- das Gesicht einer schönen Frau, mit rei chem Haar, das sie umfluthete, wie Dich das Deinige; aber ich denke dob-i, das ist nicht meine Mutter. Das ist meine einzige Erinnerung von der Welt au ßerhalb des Instituts." „Wie seltsam!" sagte Paulette. „Weißt Du, wie lange Du hier bist, meine Liebe?" „Sechzehn Jahre immer, seit mei nem dritten Geburtstage." Ein lauter,gleichsam klagenderWind stoß ging durch die Bäume am Spiel platze draußen. Paulette lauschte «inen Augenblick und dann fuhr sie fort: „Aber ihre Briefe, theure Sibyl sie schreibt Dir sehr regelmäßig, des sen bin ich gewiß hast Du ihre Briefe?" Sibyls Antlitz besänftigte sich nicht „So wie sie sind. Ein Mutterh«rz zeigt sich gewiß nicht darin sie be lästigt mich nicht mit Gefühlen. Aber -s heißt, sie sei krank und gebrechlich, das soll Alles erklären." „Aber was kann sie damit bezwecken, Dich so lange hier zu halten?" sprach Paulette nachsinnend und voll inniger Sympathie mit ihrer Freundin. „Kann sie Dein Alter vergessen hoben? Weiß sie, wie schön Du bist? Ich hätte nie mals gedacht, daß sich eine Mutter von einer Tochter von achtzehn Jahren so freiwillig fernhalten könne." „Du siehst, daß «s möglich ist," er schränkt sich ausschließlich darauf, meine Rechnungen zu bezahlen, mir monatlich einen Brief von fünf oder sechs Zeilen zu und mir eine Menge Nadelgeld zu senden so daß ich immer mehr habe, als andre Mäd chen im Pensionate. O Paulette, es ist ungeheuerlich! Warum holt sie mich nicht von hier fort? Schon vor longer Zeit habe ich Alles gelernt, was man hier lernen kMn. Wie müde bin ich die ses Ortes! Wie hasse ich ihn! Wie sehne ich mich fort!" Und mit großem Schmerzensgefühle schlug sie ihre kleinem, weißen Hände Mammen. Paulette umschlang und tüßte sie. Die zivei Mädchen schienen einander sehr zugethan. „Natürlich gewiß. Warum solltest Du nicht? Ich sehne mich auch zu ge hen obgleich man gut ge thurn und Hilda, von der mein Vor mund so viel spricht. Man hat doch so viel vor sich mit achtzehn Jah „Mein theures Kind," rief Miß An leite ich weiß es!" seufzt« Sibyl. zessen das ist der Laus der Welt." „Der Welt!" rief Paulette, sich auf „Was weißt Du von der Welt? Du bist Dein ganzes Leben hier einge schlossen gewesen. Was Erfahrung be trifft, bin ich zweimal so alt wie Du, thörichtes Kind! Ja, Du bist nur ein Kind, ich aber habe den Jahrmarkt des Lebens gründlich kenne» gelernt! Nein, ich Werve Dich niemals verges sen. Du hast sehr Un«echt, das zu sagen. Vormiiiidchen! VormiZndchen! Vormündchen! Hier bin ich und hier ist meine Busensreuirdin, Sibyl Arn stein!" Dies Letzte sprach sie, als sie in das Speisezimmer flog und ihre Arme um den Nacken des Generals schlug. Er stand am Eingange, sie erwartend, in der That ein alter Löwe von großer, kräftiger, aufrechter Gestalt, in einen Mantel gehüllt, das weiße Haupt unbe deckt und sein broncefarbiges Gesicht zeigte den Ausdruck zärtlicher Erwar tung. Paulette zog sein Haupt zu sich und küßte den Alten auf eine seiner rauhen Wangen. „Hier bin ich," wiederholte sie, „und hier ist meine theure Freundin, Sibyl Arnstein." „Und wundervoll gut siehst Du aus, meine Liebe," sagte der General, in- dem er tyr, wie etnem Kinde, eine Hand auf's Haupt legte. „Du bist auch ge wachsen einenZoll oder mehr, möchte ich sagen. Und dies ist Dein: Freundin? Ich freue mich, sie kennen zu lernen." Ueber Paulettens goldgelockte; Haupt sah er nach Sibyl hinüber. Das Mädchen war on dex inneren Thüre zö gernd stehen geblieben und dis Licht .iel voll auf ihre junge Schönheit, auf die schlairke, hohe Gestalt, auf das wohlge bildete Antlitz mit den dunklen Augen und dem dunkeln Haar. Der General starrte sie an und sein Lächeln und seine höflich«, wohlwollende Miene ver schwand. „Der Name ich hörte den Namen nicht!" sagte er rasch. „Arnstein!" antwortete Paulette. „Ich habe es doch ein Dutzendmal in meinen Briefen geschrieben, Vormund. Ich bitte, komme doch näher, Sibyl. Ihr zwei müßt Euch kennen lernen Ihr mich! Freunde werden." Sibyl kam näher und verneigte sich vor dem alten Soldaten. „Ich würde Sie mehr lieben," sagte sie traurig lächelnd, „wenn Sie nicht Er antwortete nicht sogleich. Sein ganzes Aussehen hatte sich verändert und war düster und kalt geworden, aber die Adern auf seiner Stirne schwollen dick an. „Unsinn!" brach er endlich los; „Du machst sehr schnelle Freundschaft, wenn Du diese Kleine noch so kurzer Zeit schon Deine beste Freundin nennst. Arnstein! Beim Donner deZ Him mels! Ich hatte gehofft, diesen Namen nie wiedr zu hören in meinem Leben!" flammten voi'. wildem Feuer, während er sie anstarrte. Aus's Höchste beunru higt trat Paulette zwischen die Bei den. „Bormund, Vormund!" rief sie, in Thränen ausbrechend, „was ist denn so Fürchterliches an Sibyls Name? So warst Du »och nie! Du bist ja gar nicht mehr Du selbst!" Sibyl stand regungslos beiseite. Er besänftigte sich etwas, als er Paulettens Thränen sah, aber seinGe sicht blieb düster. „Wahr!" rief er rasch. „Welche Ur sache habe ich, eine solche Scene zu ma chen? Ich vergaß mich. Verzeih- mir, Kind, auch Deine Freundin soll mir verzeihen. Ich habe ein schlechtes Temperament. Was ist ein Name? Der Ihrige hat für mich nur einen unange nehmen Klang, weil ihn einst eine Per son trug, die mir schweres Leid zufügte. Was kann sie dafür? Man muß mei nem Alter verzeihen, aber es ist wahr, ich habe ein Herz wie ein Mühlstein. Ist Dein Gepäck bereit, Paulette? Dann verabschiede Dich und laß uns gehen." Er war in einem Momente kalt und mürrisch geworden. Er wendete sich von den beiden Mädchen ab und starrte durchs Fenster hinaus. Paulette berührte Sibyls Arm. „Ist das nicht seltsam?" flüsterte sie. „Dein Name! Beachte es nicht, ich bitte Dich, er wird es bis morgen wieder vergessen haben alie Leute haben oft N?unid«rliche Launen. Da koininenFräu lein Mathilde und die Angus. Umarme mich! Du wirst mir trotzdem schreiben, mich trotzdem besuchen in Thüringen. Und nun Allen mein Lebewohl!" Eine lebhafte Beivegung folgte. Al les driingte sich, den scheuenden Lieb ling zu umarmen. Die Träger brachten das Gepäck herab und die schrillen Stimmen der Mädchen ertönten durch einander. Sibyl Arnstein stand da wie zum Reisen sei, und dann schlangen sich Paulettens Arme zum Letztenmal« um sie, und deren Küsse bedeckten ihr Ge sicht. „Lebewohl! Lebewohl! Soll sie Paulette flüstern. Tete «r kalt. „Schloß Weißenthurn wird Deine Heimath. Es steht Dir zurückrichtet-. Sie sah noch einmal das finstere Gesicht d«s Mannes, der, wie es schien, eine ihr unerklärliche tieseAb wahrhastig!" Fräulein AnguS, an solcheAusbrüchi gewöhnt, antwortete zunächst mit einem Lcben leer wird von Allem, was es be gehrenswerth macht. Sibyl erhob sich von der Stiege und ging traurig in den Speisesaal, wo die andern Zög ling« versammelt waren, um den Thee zu nehmen. Die Wahrheit zu sagen, war sie bei diesen nicht sehr beliebt, so wohl ihres vornehmen als auch nrer außerordentlichen Schönheit we gen, und weil sie so wenig über sich selbst wußt« und gleichsam nur dem Institute anzugehören schien. „So ist also Paulette fort!" plauder ten die Mädchen leichthin. „Glückliches Geschöpf! Dieser alte Vormund soll reich sein wie ein Jude. Er hat ein großes Schloß. Ah, wi« viel Liebhaber sie haben wird!" Man lachte, man beneidete Paulette. „Kommen zunächst nicht Sie daran, Miß Arnstein? Wann gehen Sie denn einmal?" „Niemals," antwortete Sibyl trocken. „Ich werde ohne Zweifel eine Nonne werden und den Schleier nehmen." In ihrem Schlafzimmer obcn saß sie diese Nacht lange wach und starrte hinaus in die Finsterniß, bis eines der Mädch-n ihr zurief: „Es ist b-sser, Sie gehen schlafen, Sibyl. Sie bekommen sonst die galoppirend« Schwindsucht im Zug am Fenst«r und verderbe» Ihre Schönheit durch Nachtwachen." Als FräuleinAngus auf ihrer nächt- Fenster fitzen, aber sie störte sie nicht. Und was dachte Sibyl? „Meine Mutter! Wo ist mein« Mutter diese Nacht? Wie viele Jahre liebt überhaupt mich? Kein menschli ches Wesen in der Welt, außer Pau lette, und die wird mich jetzt in ihrer neuen Heimath vergessen b:i dem Sie schlief nur wenige Stunden, dann erwachte sie. Die Uhr schlug sechs. Der Regen peitschte das Fenster in der Näh« ihres Bettes. Zu Füßen mit der Dämmerung kämpft«. „Was gibt es?" rief Sibyl empor fahrend und betroffen du«h diefenAn blick. „Was ist geschehen?" 9. Capitel. „Ist es möglich? Wer ist gekom men?" rief sie athemlos. „Beruhigen Sie sich," antwortete die Lehrerin. „Ein alter Mann ein Di en«r Ihrer lch werde Jlinen Endlich! Endlich! Die Thüren ih- Händen ihr« Toiletie, während einig« Mädchen ihre» Koffer packten, schlössen und ihn aus dem Schlafge mache zogen. „Das Frühstück wartet," sagte Fräulein Angus. „Ich bin gewiß, daß s«n, weil ich es selbst bereitet habe." Frühstück! Sie zwang sich, «in«n Bif s«n Semmel zu nehmen und eine Tasse Kaffee hinabzubringen. In der Hall fand sie einen Mann wartend, der sie in die Arme ihrer unbekannten Mut!« bereit wäre, de» demüthigen Befreier zu umarmen. Er hob seine milden Augen, sah auf „Befindet sich meine Mutler besser? Ist sie ganz widergenesen?" fragte Si byl. „Es geht ihr besser/ sagte der alte Mann. „Ist es eine lange Reife?" mals mit einer Verbeugung über reichte. Sibyl öffnete den Brief und las: ier." Kein Wort iveiter. Das Herz deS Mädchens schlug so bange, als ob es ihr zerspringen wollt«. Leidenschaftlich zerriß sie den Papierstreifen und warf dann die Stücke beiseite. „O Mutter, Du verschwendest nicht viel Worte an mich!" lachte sie bitter. „Nun gut, Felix, lassen Sie uns ge hen. We b«dau«rlich es ist, daß Pau lette nicht noch einige Stunden warten lich von hier geschieden!" Sie nahm rasch Abschied von Al len und hielt sich dabei noch am läng sten bei der Unterlehrerin, FräuleinAn gus, auf, deren Augen von Thränen überflössen, als sie Sibyl zum letzten Male umarmte. Dies war die einzige die Luft der Freiheit die Wa genthiire schloß sich und das Mädchen verließ für immer diesen Ort. Bote gesagt hatte. Eine ungeheure Di stanz für ein Mädchen, das bisher wie «ine Nonne gelebt, das fein Dasein, ab geschlossen von der Welt, in einem In stitute zugebracht! Sie sprach nicht zu So fuhren sie in völligem Schweigen dahin. Sibyl starrte hinaus in di- reg nxrifche Landschaft und harrte auf die Reife erst eigentlich beginnen sollte. Endlich s-ch sie in dem Eisenbahn wage«, in einen Shawl gehüllt, Bücher und Reisetaschen neben sich; und ihr nahe saß der Diener, ivachsam wie im mer, und Sibyl begann um sich zu bli cken. Die Sitze des Wagens waren größtentheils besetzt. Biele bewundernde Blicke richteten sich auf das unver fchleierte Mädchen mit dem entzücken den Antlitz und betrachteten dann ih ren schweigsamen Begleiter. Sie betrachtete all' die Scenerien, die an den Wagenfenstern vorüberglitten, bis ihre Augen müde geworden waren. Dann zählte sie die Stunden, die noch verfließen mußten, ehe sie die Heimath erreichen konnte, wenn überhaupt ein Schlaf"' Rasselnd und keuchend ging der Train weiter. „Ich hab: acht lange Stunden ver schlafen," sagte Sibyl, sich entschuldi gend. .Ükber ich bin auch Mama um ren, Krach«n und eine» Schrei gab, dem eine dichte Finsterniß folgte. „Hebt sie sorgfältig auf!" sagte die Stimme eines Mannes. Ein Gewicht auf ihreßrust gepflanzt, wie der Fuß eines Riesen, schien Si byl zu Staub zu zermalmen. Plötzlich wurde diese Last von irgendwem geho sich. Ueber ihrem Haupte erblickte sie im Dämmerlichte den Himmel. Regen tropfen fielen ihr in's Gesicht. Sie sah auch einen st«il«n Erddamm und eine Brücke, und auf der anderen Seite Wa gen auf Wagen gethürmt in einer fürchterlichen Verwüstung. Laternen leuchteten hie und da In kec Finsterniß wie die Augen eines Cyclopen. Sie hörte Gestöhne und Schreie, voll un aussprechlicher Angst. Das Gewicht, das aus ihre Brust gedrückt hatte und Begleiter. tief über „Mein armes Mäd- Sie sank unter die Trümmer zurück. „Wir müssen hier ein Tragebett ha ben," rief der Mann einer andern Ge bringen." Sibyl hatte jetzt Kraft genug, sich mit dem anderen Arme etwa? empor „Wer slid stammelte „Wo aus ein Tragebett gelegt,das mit einem Mantel bedeckt war. Sibyl trug man über Wagentrüm vorhier Wallner genannt worden war. „Ich will es wagen," antwortete der andere kurz; „nur vorwärts! Das arme Kind muß ohnedem fast zwei Stua- den unter d«n Trümmern gebracht haben." „Kind!" rief Wallner; „meiner Treu«, Herr' sie sieht mir sehr wohl er wachsen aus." „Still, Narr! Und gebt auf dm Thorpfosten Acht!" Die Beiden kamen auf einen Gar tenweg, voll der Düfte feuchten Im mergrüns, wo eine Meng« Hunde, von verschiedener Rnce uud Größe, auf sie losstürzten und sie anbellten. Ein Lichtstrahl traf dasGesicht des verwun deten Mädchens, Gestalten bewegten sich um sie und Eine schrie laut auf vor „Still doch!" rief der Mann mit dem Barte. „Ich habe diese Nacht schon ge nug jammern hören! Der Teufel hole die Hunde! Jagt sie fort, Wallner! O«sfnen Sie das Gasizimmer, Fräulein Monika es ist wahrscheinlich so dumpfig wie ein Kerker. Borläufig will ich sie in m«in Zimmer bringen." Mehr todt als lebendig wurde Sibyl dem Arm abzuschneiden. „Gott, Herr von Barneck! Thäte stand. „Was für ein junges Geschöpf!" flü sterte si«, indem sie auf das verwundete Mädchen herabsah. „War sie ganz al lein, Herr von Barneck?" haben es mit wahrem Muthe ertragen! Das Riechsalz! Sie wird ohnmächtig, nachdem Alles vorüber ist, recht nach Frauenart!" Einmal in der Nacht erwachte Sibyl und öffnete ihre Augen; da sah sie auf dem Tische eine mit einem Schirme be schattete Lampe und Medicinflaschen, und daneben saß das alte Fräulein in einem Lehnstuhle und nickte. Durch den ganzen folgenden Tag wurde das Zimmer dunkel und ruhig kam, um nach den, verwundetenArme zu sehen. „Betrachten Sie sich als mei nen Gast," sagte er höflich, „und nicht als eine Fremde. Sie haben gut ge schlafen. Sie haben kein Fieber. Ich prophezeie Ihnen eine baldige Wieder gencsung." Sie blickte ruhig zu ihm «mpor. Er war von großer Gestalt, mit einem gutnrüthigen Gesichte, ein Paar hell leuchtender blauer Augen und einem reisten?" „Ich denke nicht. Ich habe da! Miß lebe." bei Sibyl. Si« fand diese ziemlich ru helos und aufgeregt. „Wird sich Mama um mich küm mern?" wiederholt« sich Sibyl oft im Stillen und bewegte häufig das Hau^t da? Schmerzen auf demKifsen — „wird sie endlich besorgter um mich sein, wenn sie erfiihrt, daß ich dem Tode so nahe war?" Diese Frage wurde endlich so beäng stigend für sie und das Zimmer war „Sprechen Sie mit mir! Halten Sie mich ab vom Nachdenken! Mein Kopf will mir zerspringen und ich kann nicht Theilnahme aus. „Meine Theure!" sagte diese, „es ist Ihnen schwer, allein zu sein unter Fremden bei Ihren Leiden, und das ist kein Wunder! Ich will gewiß sprechen, obwohl Fräulein Monika es mir verbo ten hat. Es mir auch nichts schwerer an, als so schweigend dazu sitzen. Sie finden das Haus wohl ein wenig düster. Es ist Herrn von Varn wenn er eben die Laune dazu hat und seiner Mutter aus dem Wege gehen will, obwohl man das nicht sagen soll. Ich will Ihnen ein Geheimniß sag«, wenn Sie es gerne hören wollen." „Nicht, wenn «s Jemand Anderen betrifft, als Sie selbst!" antwortete sie. „Mein Gott warum sage ich auch Geheimniß?" fuhr Anna nach einem Seufzer fort. „Jedermann weiß eS. Herr von Barneck hatte eine unglücklich« Liebe." Sibyl antwortete nicht. Sie beobach tete die Schatten an der Wand über ihrem Haupte. „Es war irgend eine leichte Person," fuhr Anna fort, durch das Schweigen ermurhigt. „Man schoß ihretwegen auf ihn und er war dem Tod« nahe. Sein« Mutter war wie wahnsinnig, und er ist seither auch nicht mehr derselbe wii sonst. Er lebt hier oft abgeschlossen wie ein Mönch, was gewiß zeigt, daß sein Herz schwer verwundet ist. Da ei ihn Frau von Barneck gerne verheira ihen, was er aber nicht thun will. Und w»s sie betrifft, ist sie von sehr stolzer und hartnäckiger Art. Wir hier fürchten sie alle wie Gift. Wenn sie ihren Sohn nicht auf die eine Art beherrschen kann, versucht sie es aus eine andere Weise, Wenn ein Befehl nicht hilft, wird si« ohnmächtig. Wenn sie streiten, was oft geschieht, wird sie ohnmächtig. Man möchte in jed«r Tasche ein Riechfläfch chen haben, wenn sie da ist. Dann ist noch ihre Nichte, Fräulein Lucie, ganz nach demselben Muster. Es ist kein Wunder, wenn Herr von Barneck froh ist, fern von ihnen leb«n zu können." All' das wurde so rasch gesprochen, daß Sibyl gar keine Gelegenheit fand, dem Redefluß desMädchens Einhalt zv thun." „Nicht doch," sagte sie nur einmal, „Herr von Barneck wird es nicht gern« haben, daß Sie solche Dinge einerFrem ixn erzählen." „Ach, was das betrifft, weiß es ja doch Jedermann, wie ich schon vorhin gesagt habe," antwortete sie hartnäckig, „Es gibt Dinge, die man gar nicht ver borgen halten kann. Sein Benehmen isl jaStadtgespräch. Er ist oft halbeNächt« aus, reitet durch die Wälder oder se gelt auf dem See, od-r ist unten in ei nem finsteren Zimmer und spielt sein« große Orgel oder Physharmonika, bis Einem der Kopf zerspringen könnte. Seine wunderlichen Launen nehmen gar kein Ende seit jener Affaire mit der leichten Person. Es ist bekannt, ferne und nahe," und sie plauderte so fort, bis Sibyl auf ihre Kissen zurück sank und die müden Augen schloß. Di« monotone Stimme der Schwätzerin brachte ihr endlich den Schlaf. Als Sibyl am nächsten Morgen spät erwachte, fand sie di-Luft desZim mers stark parsümirt. Ein Strom von Wshlgeriichen umduftete sie. Sie sgh auf Mein kleinen Tischchen einenKorb, gefüllt mit Orchideen und Lorbeerzwei gen, mit Rosen und Reseda. „Ah," flüsterte sie, tief athemholend, und sog den süßen, ihre Nerv«n beleben den Duft ein. Fräulein Monika näherte sich ihr d ß Bl von Barncck gebracht, Sie sind unge fähr von Ihrer Größe." Sie legte ein weißes Morgenkleid Bett/ Anna wurde gerufen, ein Sopha an den Kamin gerollt und Sibyl auf des sen Kissen gebracht. „Bringen Sie mir einen Zweig Re seda wollen Sie?" sagte sie zu Mo nika. „Wie gütig ist es von Herrn von Barneck, mir das zu senden!" Es war ein trüber Tag, voll kalter Regengüsse und fliegender Wolken. Durch den Contrast schien innen Alles so ivohlig und freundlich. Sibyl träumte die langen Stunden ungestört fort; sie saß in den weichen Kissen, wie «in Bogel im Neste, und Fräulein Mo nika strickte schweigsam in der Nähe. Es dunl«lt« frühzeitig und die Däm auf die grüne Landschaft. So ruh«nd, sah Sibyl plötzlich eine Gestalt, die im Schatten der Thüre stand und sie bobachtete. so still, daß er selbst wie ein Theil des Schattens erschien; als sie aber dilAu- Fräulein Arnstein nichts gegen die G esellschaft ihres 'Arztes einzuwenden hat." «influk »es Tabak« ««f die So» Ein Mann, der nicht raucht, scheint feine Muße nicht in dem Maße zu ge. nießen, wie einer, der raucht —meint« Bits" und weun er nicht etwa ein anziehendes „Steckenpferd" hat, scheint er laum zu wissen, was er mit sich an» Frieden mit sich und der Welt. Nicht wandern ihre Augen über das ganz- Zimmer, ja in der Mitte einer interes santen Unterhaltung jagen sie einem der«, fvbald es übertrieben wird. De« Rath eines/Philosophen: Genieße jeden Luxus, den Du Dir leisten kannst, Ehre, dem