Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 24, 1893, Page 3, Image 3

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    Inge.
Fortsetzung und Schluß.)
Wie leicht würde dagegen hier daZ
Dohlthun! Wie gut konnte sie sich auf
.den Standpunkt dieser Frauen stellen,
das Wort finden, welches diesen Män
nern zu Herzen ging!
Und angesichts dieser Thatsache
schrumpfte auch ihr heutiger Miß
erfolg. der ihr Dörens wegen sehr
leid gethan, bedeutungslos zuiammen.
Vielleicht hatte Fritz recht, und es war
für beide besser, si« verließen sich auf
ihre eigenen Kräfte. Schließlich tonnte
fie ja immer die Augen offen behalten
und im Nothsalle ein wenig Vorsehung
spielen.
Warum lag ihr eigentlich gar so viel
am Schicksal dieser zwei? Dore war
«in treues, gutes Madchen, die schwer
zu ersetzen war. Und wie würde sie
das Kind vermissen! Inge erröthete,
denn eine innere Stimme sagte ihr,
daß nicht Menschenfreundlichkeit allein
ihr Betragen Dören gegenüber be
slimmte. Sie hatte eine Ähnlichkeit
in ihrer beider Schicksal zu sehen ge
glaubt, hatte in dem Kinde eine Art
Ablenkung für ihre traueigen Gedanken
gefunden, und als sie vor ein paar Ta
gen mit Hellmuth zusammen ihre Be
ziehungen zu Fritz entdeckt, hatte die
verschwiegene Liebe in ihrer eigenen
Brust, abergläubisch, wie es Frauen
liebe immer ist, das Zustandekommen
dieser Verbindung gewissermaßen zum
Talisman des eigenen Glücks gemacht.
In der Halle traf sie Hellmuth, der
das kurze Stündchen vor Tisch immer
zum Lesen der wichtigsten Zeitungsab
schnitte benutzte.
Nun, Inge? So niedergeschlagen?
Thuts die drückende Hitze oder war es
«in verlorener Gang?
Ganz verloren. Ich glaube, di«
Alle ist hartnäckiger als je.
Sie erzählte den Hergang. Heyden
verwandte kein Auge von ihr. Sie
halte den großen Hut abgenommen und
strich die Haare aus dem glühenden Ge
sichtchen. Während ihrer Erzählung
spiegelten ihre Züge deutlich das Mit
leid mit Fritz, den Zorn über die Härte
der Alten, auch den Humor ob der kläg
lichen Rolle des Vaters Voß.
Es ist ein hübscher Anblick, solch ein
redendes Menschenantlitz, besonders,
wenn es fremdes Leid und fremde
Freude ist, die die Augen aufleuchten
läßt und sie verschleiert. Wir sehen
dann tief hinein in die Seele eines
andern, und wenn eS ein zurückhalten
des, stilles Gemüth ist.das die Erre
gung des Augenblicks uns so enthüllt,
lernen wir es vielleicht in einer Viertel
stunde besser kennen als in Jahren des
Nebeneinanderhergehens.
Hellmuth sah ste noch immer an, als
sie geendet.
Nun, was sagst du? Was ist zu
thun?
Ich sage, daß du das warmherzigste,
liebste Menschenkind bist, das die Erde
irägt, sagte er innig, sich rasch auf ihre
Hände neigend, die sie verschränkt vor
sich auf das kleine Tischchen von getrie
benem Metall gelegt, das zwischen ihnen
stand, und sie sast feurig küssend.
Dieser Kuß war so verschieden von
dem formellen Handkuß, den seine
Schwägerin bei jeder ofsiciellen Gele
genheit erhielt, daß Inge verwirrt auf
iprang.
Ich glaube, du hast gar nicht zuge
hört?
Doch, kleine Heilige; aber ich meine,
daß schließlich doch ein jeder seines
Glückes Schmied ist. Wir können an
dern ihr Schicksal nicht mundgerecht
machen. Vielleicht, sügte er siir sich
hinzu, niit träumerischem Blick die liebe
Gestalt umfassend, die jetzt zur Trepp«
ging, um sich zu Tisch umzukleiden,
vielleicht klügeln wir schon zu viel an
unsern eigene» Empfindungen, daß wir
ihre Ursprünglichkeit darüber verlieren
und schließlich vor lauter Beistand und
Wernünstelei nicht merken, luenii unser
Herz zu schlagen beginnt in dem Voll
gesühl echter, beglückender Lieae l
IV.
ES war vielleicht eine Woche später,
als Hellmuth von Heyden, als er nach
Tisch die Zeitung der benachbarten
Kreisstadt aus der Hand legte, zu Inge
sagte:
Morgen smgt in K. drüben Hermine
Spieß.
In dem kleinen Badeort? Wie
kommt sie dahin ?
Wahrscheinlich hat sie eine Freundin
oder Verwandte dort, die sie besucht,
und leidet nun unter dem Schicksal
aller Berühmtheiten — sie soll und muß
sich produciren.
Inge hatte das Blatt aus seiner
Hand genommen und die betreffende
Anzeige gelesen. Eine Matinee zu Gun
stcn der tiajje zur Rettung Schlfjbrüchi
ger.
Nur eine Matinee ?
In diesem Fall das Praktischste. Der
Morgendampser bringt die Gäste aus
E. und mit dem Abenddampser tonnen
sie bequem wieder hin. Man rechnet
natürlich auf starten Zuzug von Städ
ten. denn das kleine Bad hat sür der
artige Unternehmungen doch nicht die
genügende Besucherzahl.
Das erschwert euch den Besuch aber
dedeutend, meinte Frau von Heyden.
Von hier bis E. fahrt ihr zwei Stun
den, den Frühdampser werdet ihr wohl
taum benutzen können. Und doch möcht«
Inge gewiß gern hin.
Das leugne ich gar nicht, Mutter.
Das srühe Aufstehen würde mir auch
kein Hinderniß fein. Warum du aber
Hellmuths Begleitung für so selbstver
ständlich hältst. begreife ich nicht. Grade
jetzt in der Ernte würde ihm das doch
»ine recht störende Rittterpflicht sein,
und ich kann doch ganz gut allein hin.
Das heißt, meine Begleitung ist dir
nicht erwünscht ?
Ich glaube gar, du fühlst dich ver-
letzt? Wenn du miNoinmen kannst,
mir ist's um so lieber.
Ob Ingeborg in diesem Moment die
volle Wahrheit sprach, hätte sie wahr
scheinlich selber nicht angeben können.
Wenn sie an das beständige Aufeina».
derangewiesensein während eines gan
zen Tages, an di« nächtliche Rücksahrt
dachte, preßte ihr etwas das Herz zu
sammen, das aus Hoffen und Bangen
wunderbar gemischt schien.
Hellmuth dagegen sagte mit einem
leichten Lächeln:
Ja, ich kann. Aber ich will uns die
Sache doch etwas weniger anstrengend
machen. Zufällig weiß ich, daß Fritz
Voß morgen Vormittag hinübersegeln
will. Wir schließen uns ihm an. kom
men grade recht, um vor dem Concert
noch aus dem Belvedere zu speisen, und
benutzen zur Rücksahrt den Abenddam
pfer. Uin zehn Uhr erwartet uns der
Wagen am Landungsplatz und um
Mitternacht sind wir hoffentlich wohl
behalten wieder hier.
O, das ist ein hübscher Plan, be
merkte Inge sröhlich, zuerst die Segel
fahrt, dann der Kunstgenuß und zum
Schluß die nächtliche Heimfahrt, für
die wirklicher, echter Vollmondschein im
Kalender steht.
Du genehmigst ihn also ?
Mit tausend Freuden ! Aber wie ein
sam wirst du sein, Mütterchen?
Ja, ich werde euch beide einen ganzen
Tag entbehren müssen, sagte Frau von
Heyden, mit liebenswürdiger Schelme
rei ihre Kinder ansehend. Nun. Dore
und der alte Ludwig werden hoffentlich
euch Flüchtlinge für zwölf Stunden er
setzen können.—
Es war ein frischer Morgen: der
Wind, der lustig über das Haff wehte,
linderte die Hitze, als Fritz Voß sein
Segelboot bereit machte. Dore, welche
die warmen Hüllen für ihre Herrschast
heruntergetragen, stand neben ihm, und
während er den Mast aufrichtete nnd
befestigte, das Wasser ausschöpfte, Kis
sen aus die unbequemen Bänke legte
und das Steuer einhakte, sprachen beide
zusammen.
Das Mädchen sah sehr ernst aus, als
sie ihm jetzt zum Abschied die Hand
reichte.
In Gottes Namen also. Fritz.
Ja. Dore. Ich denke, wer den
Spruch befolgt: bete und arbeite, dem
kann's nicht fehlen.
Dore ging, denn Hellmuth und feine
Schwägerin kamen den Weg herunter.
Inge hatte den graufeidenen Staub
mantcl bis unten zugeknöpft, daß er das
tadellose weiße Batistkleid gegen die
Fährnisse einer Segelfahrt schütze.
Hellmuth half ihr in s Boot, sorgte,
soweit das bei den primitiven Verhält
nissen möglich, für ihre Bequemlichkeit,
und Fritz stieß ab. Ehe man in freies
Wasser kam, konnte das Segel nicht
entfaltet werden. Das Haff ist ein
gutes Stü hinein mit Binsen so ver
wachsen, daß ordentliche schmale Fahr
straße» für die Boote freigehalten wer
den müssen. Diese Kanäle kreuzen sich
nun nach allen Seiten, ein Netz von
Verbindungsfäden über die stille Fläche
des Wassers ziehend. Wie durch einen
Wald glitt das Fahrzeug durch die
schlanken, hohen Stengel mit den brau
nen Blüthenbüscheln, zwischen denen
hier und da eine blaßröthliche Schwa
nenblume stand, während auf der
Oberfläche des dunkeln Wassers die
großen grünen Blätter der Müinmeln
und Seerose» schwammen, die weißen
und gelbe» Blumen umschwärmt wur
den von den blitzenden blauen Libellen
und über allem die schwüle Gluth eines
Juli-Vormittogs lag.
Als man die eigenartige Wildniß
hinter sich hatte, spannte Fritz das
Segel, ein leichter Lustzug fing sich in
demselben, blähte es und das kleine
Schiffchen legte sich sanft auf die Seite.
Leise kräuselten sich die Wellen am Kiel
und leicht flog es über das Wasser da
hin. Der Badeort lag der Klause in
schräger Richtung gegenüber auf der
Nehrung. In dreiviertel Stunden
konnte man ihn bei günstigem Wind
erreichen.
ES wurde nicht viel gesprochen bei
der hübsche», geschwinden Fahrt. Tie
zwei Menschen, die sich seit Jahren
äußerlich so nahe gestanden und doch
erst in den letzten Tagen angefangen,
die Schranken niederzureißen, die ihre
Seelen trennten, diese zwei jungen
Menschenkinder saßen sich gegenüber im
Schatten des Segels und sahen auf
das Panorama vor sich. Auf der
einen Seite des Haffs die fremdartige
Nehrungswüste, auf dem gegenüberlie
genden Ufer sanft ansteigendes, frucht
bares Land, gelbe Getreidefelder, Dör
fer, die in Obstbäumen halb versteckt
waren, und die Hügel in weitem Bo
gen umher gekrönt von schattigen Bu
chen.
Ein jedes hing seinen Gedanken nach,
aber allmälig wurde beiden dieses
Schweigen drückend, wie neulich am
Hühnengrabe. ES war uicht mehr
das gewohnheitsmäßige Schweigen
naher Verwandter oder guter Freunde,
die gewiß sind, sich auch ohne Worte zu
verstehen, es war die drückende
Schwüle vor dem Sturm die Furcht
vor etwas Großem, Unausgesproche
nem, das zwischen ihnen stand, und
doch zugleich die Sehnjucht darnach,
nach der Klarheit, die der erste erlösende,
helle Blitzstrahl bringt.
Jetzt näherte man sich der Nehrung.
AuS dem Grün der Fichten, der treuen,
genügsamen Dünenbäume, die dem lie
benden Weibe gleichen, das geduldig
mit dem Erwählten in'S Elend geht
und eS versucht, in die Oede eines son
nenverbrannten Daseins den kühlenden
Schatten der sorgsamen Liebe zu wer
fen. lugten freundlich die weißen Villen
hervor. Am weit herauSgebauten Stege
legte man an. Hellmuth ha'f Jng«
aus dem Boot und wandte sich dann
mit der Frage an Fritz, wann er abzu
fahren gedenke.
Sobald ich kann. In einer Stunde
sind die Fische verkauft, dann gehe ich
zu Schmidt, der mir fein Häuschen für
eine kleine Anzahlung l assen will. Wenn
wir einig sind, fahre ich zurück.
Heyden sah nach dem Horizont. Ueber
den Dünen ballten sich kleine weißt
Wölkchen gleichsam spielend zusam
men.
Ich fürchte, wir haben Nachmittag
ein Gewitter.
Der Fischer ftzktzk seinem Blick.
Kann sein, Herr Lieutenant. Dann
tanzt mein Boot um so besser. —
Die beiden gingen den Steg hinab,
durch die Hauptstraße des kleinen OrtS.
Bor den Holzhäusern und Villen lagen
in bequemen Stühlen die Badegäste,
süßem Nichtsthun ergeben. Die grauen
Leinwansvorhänge der Zelle wurden
zurückgeschlagen, neugierige Auzen er
schienen und sahen dem Paare nach,
ES war ein Spießruthenlausen bis zum
Haupthotel. dem sogenannten Belvedere
hin, in dessen großem Saal das Eon
cert stattfinden sollte.
Bus der Terrasse, vm» der man einen
herrlichen Blick hatt?, nahmen beide
Platz und ließen sich das Mittagessen
bringen. Fremde gingen vorbei, hin
und wieder zog auch jemand den Hut,
grüßte seine Daine. denn Heyden und
seine Schwägerin waren ja in der
Kreisstadt bekannt genug, und in den
Kreisen, die auch nur oberflächlich Be
kannten jene liebevolle Theilnahme
widmen, die man fälschlich „Ilatschen"
nennt, war oft genug über die Mög
lichkeit oder Unmöglichkeit einer Verei
nigung der beiden gesprochen worden.
Als der Kellner ihnen eben den Kaffee
gebracht, rauschte eine Dame auf sie zu.
Sie war eine der berüchtigtsten Klatscy
schwestern, eine Wittwe,, die es sich zum
Lebenszweck gemacht zu haben schien,
die inneren Verhältnisse jeder Familie
in Stadt- und Landkreis so gut oder
besser zu kennen als ihre eigenen, über
die sie gern den etwas schmutzigen
Schleier genialer Nachlässigkeit breitete.
Sie hatte einmal einen Besuch in der
Klause gemacht, um Inge in den Vor
stand sür einen Wohlthätigteitsbazar
zu nöthigen, in dem eitle Mütter in
lebenden Bildern mit den Jngendrcizen
ihrer Töchter prunken, Dilettantinnen
rauschenden Beisall für höchst mittel
mäßige Leistungen ernten, es den jun
gen und alten Herren ausnahmsweise
gestattet ist, mit dem Opernglase die
Damen der Gesellschaft eingehend zu
mustern oder aus den Händen einer
echten Dame ein Glas Bowle zu neh
men und sie dafür mit dem Blick zu
betrachten, den man sonst für die
men der Halbwelt hat — alles natürlich
zum guten Zweck und den Nothleiden
den zuliebe. Inge hatte gedankt, tonnte
aber nichts dagegen thun, als die be
treffende jetzt, auf diese intimen Bezie
hungen fußend, sie mit einem Schwall
von Fragen, Höflichkeiten und bitter
süßen Wendungen überschüttete. Die
ablehnende Haltung der beiden schüch
terte sie nicht im mindesten ein ; in dem
Bestreben, den übrigen recht deutlich
ihre Freundschaft mit den zurückhalten
den Bewohnern der Klause zu zeigen,
wurde sie immer zudringlicher und eis
riger. Längst war der Stoff, den der
Augenblick bot, erschöpft; da griff sie
in die Vergangenheit zurück, und, viel
leicht um Inge zu beweisen, daß sie die
Mühe nicht gescheut, auch ihre früheren
Beziehungen einer gründlichen Prüfung
zu unterwerfen, sagte sie nach einigen
einleitenden Worten über ihren frühe
ren Wohnort und dessen Umgebung:
Ostern sah ich im CircuS Schumann in
Berlin auch eine frühere Freundin von
Ihnen, gnädige Frau, die Baronin
von Berger. Herrliche Erscheinung,
erregte die allgemeine Aufmerksamkeit.
Eine Toilette, wie aus dem Modejour
nal geschnitten und fürstliche Eleganz.
Aber, aber—so mit einem halben Dut
zend Ofticiere sich grade den Circus
unter Wasser besehen, sinde ich für eine
so junge Frau doch ziemlich gewagt.
Der Mann machte auch ein sehr sinste
res Gesicht, besonders zu den Aufmerk
samkeiten des einen der Herren. Am
nächsten Tage fuhr sie im Thiergarten
an mir vorbei. Derselbe Ossicier
lenkte die Pferde. Man erzählte mir
nachher....
Sie brach ab. Da» airfängliche
Stutzen ihres schweigsamen Gegenüber
hatte sie auf die Bermuthung gebracht,
daß sie hier zufällig auf eine Mine ge
stoßen, die der Ausbeutung lohne. Im
weitern Verlaus ihrer Rede waren ihre
Zuhörer aber so eisig geworden, daß sie
es doch sür gerathen hielt, abzubrechen
und auszusteben. Sie that es mit dem
wollüstigen Geriesel der Neugier, mit
dem eine ähnliche Frau instinktiv sühlt,
daß irgend etwas nicht ganz klar ist,
sich innerlich zu ihrer Unverschämtheit
Glück wünschend; denn die Aussicht,
auch den „Klausnern" eiunial etwas
am Zeuge flicken zn lönnen und sich sür
die hündisch ertragende Verachtung
revanchiren zu können, war gar zu ver
lockend.
Auch Inge und Hellmuth mußten in
den Saal, da die Vorträge anfingen.
Sie thaten es sast traurig. Das
Dunkle. Unfaßbare, was zwischen ihnen
stand, hatte plötzlich Gestalt belommen,
Leben gewonnen. Die Vergangenheit
sah sie an mit Eoras heißen Augen,
Bitterkeit war in seiner. Zweifel in
ihrer Seele wach geworden und noch
während des einleitenden Musikstückes
wiederholte sich Inge die schon so oft
gestellte Frage : Warum hat er, dessen
Vertrauen ich doch so lange besitze, mir
nie von ihr gesprochen ?
Und wie im Traume sahen beide die
jugendfrische Gestalt der beliebten Sän
gerin, hörten sie die weiche, glocken
reine Altstimme bald in neckisch lusti
gen, bald in getragenen Tönen, bis er
sie plötzlich durchzuckte, als Schumanns
Frühlingsahnung durch den Saal
klang, vom ersten jubelnden Ahnen bis
! zum Vollbewußtsein : „Sie ist Dein,
sie ist Dein !" die höchste Seligkeit eines
zagenden, hoffenden, trunkenen Her
zens ausdrückend. Wo war die Zeit
hin, da Inge dieses Lied im Salon der
Frau Oberstlieutenant gejungen, den
letzten Brief ihres Gvtten auf dem
klopfenden Herzen, da hei dem ergrei
fenden Schluß Hellmuths und Eoras
Augen einen Herzschlag lang glückver
heißend ineinander getaucht waren ?
wurde so weiß wie ihr Kleid
.in) » S nm Schluß brausender Beifall
der Sängerin lohnte, beugte sich Hell
muth über sie und führte sie, nacheinem
Blick in ihre unnatürlich erweiterten
Augen, aus dem drückend heißen Saal
hinaus.
Durch die Anlagen vor demselben
schritt eben der junge Fischer.
Bist du fertig, Fritz?
Au Besehl. Herr Lieutenant. Will
eben hinunter zum Boot, denn in einer
halben Stunde sind Sturm und Ge
witter da.
Nimm mich mit! rief Inge. Kch von
Hellmuths Arm frei machend. Ich
möchte zurück nach der Klause, so bald
wie möglich!
Aber Inge, steh doch den Himmel
an. Das wäre unverantwortlich leicht
sinnig. Kennst du nicht einen Sturm
auf dem Hass ?
Ich will aber! rief sie. Ihre ge
wohnte Ruhe und Mäßigung war ver
schwunden, ihre Au>gen blitzten und die
zarten Nasenflügel bebten. Ich will
nicht warten und mich gedulden. Fritz,
du sährst mich, nicht währ ?
Fritz 80ß war in einer jener Stim-
in denen dem Menschen das
Unerhörteste grade das Natürliche
scheint. Der alte Schmidt war zähe
gewesen wie eine Aalhaut. Torens
und seine lleinen Ersparnisse, die er
ihm als Abschlagssumme geben wollte,
hatte er mit höhnischem Lachen abge
wiesen. der Handel hatte sich zerschla
gen. und trostlos sollte er zu seinem
Mädchen zurückkehren. Da war's ihm
gerade recht, wenn die Wellen sein
Schiffchen auf der Rückfahrt wie einen
Fangball hin und her schleuderten, und
wenn sie'S auch hinadzogen in die leh
mige Tiese — ihm konnte es gleich sein!
Wollte sie mit, die vornehme Dame da
mit dem bleichen Gesicht und den großen
Augen seinetwegen konnte sie den
Tanz wagen!
Noch einen Beschwichtigungsversuch
machte Hellmuth, aber es schien bei
Inge plötzlich der Trotz und Eigensinn
aus einmal zum Vorschein zu kommen,
dessen vollständige Abwesenheit Mutter
und Schwiegermutter von je als einen
ihrer Hauptvorzüge gekannt, und so
fügte er sich mit dem Vorsatz, was in
seinen Kräften stand zum Abwenden
der Gefahr beizutragen, und beim ersten
fern rollenden Donner stiegen die drei
zum Boote herab.
V.
Ein pfeifender Windstoß füllle das
vorsichtig verkürzte Segel. Zischend
flog das Boot mit scharfem schnitt
durch die Wellen, diese kurzen, rück
wärts abbrechenden Haffwellen, deren
Gefahr der erfahrene Fischer wohl!
kennt. Das Boot hatte sich fast ganz
auf die Seite geneigt, der Mast bildete
mit der bewegten Wasserfläche einen ,
sehr spitzen Winkel, und in Zwischen-!
räumen von wenigen Sekunden spritzte
nasser weißer Schaum darüber bin.
Ter Himmel war sast schwarz, wenn
nicht flammende Blitze das Gewölk un- .
heimlich zerrissen, und das Ohr ver
nahm nur den furchtbaren Aceord des
heulenden Sturmes, brausenden Was.
sers und rollenden Donners.
Vielleicht war das Naturschauspiel
gewaltig. Aber so dämonische Vor
gänge will man vom sichern Stand
punkt mit ruhigem ästhetischen Wohl-1
gefallen genießen, das sich keinen Zug,
keine inieressante Färbung entgehen
läßt. Dann schwelgt unser Schön
heitssinn darin und wir suhlen den
Geist sympathisch berührt und erweitert 5
durch die Größe der Erscheinungen. !
Aber mitten drin im Tosen der Ele
mente, Auge in Auge mit der Gefahr, !
find wir nur Menschen, die ihre Ohn- >
macht fühlen und aus dem Grunde
ihres Herzens ein kurzes : Herr, hilf
uns, wir verderben ! ausstoßen.
Das that auch Inge. Wie die stäu- !
beiiden Wasser ihre heiße Stirn kühl
ten. ihre Augen hinaussahen in diese
wildbewegle Wasserwüste, kam ihr mit
erschreckender Klarheit, das Bewußtsein,
dessen, was sie gethan. Gott versuchen! >
Sie hatte Gott versucht! Und nicht
nur das eigene Leben, auch das eines
andern, das theuerste Leben tür sie,
hatte sie leichtsinnig in Gesahr gebracht.
Wie wenig trennt sie von der Tiese,
wie wenige Augenblicke vielleicht nur
von der Ewigkeit! Wie der Blitz ihr
sekundenlang die Kirchdörfer und Berge >
des UferS zeigte, um sie im nächsten
Augenblick wieder der Tuntelheit zu-!
rückzugeben, so sah sie auch in ihr dunk-!
les Inneres, sah die letzten Jahre in
der hellen Wahrheit, die der Anblick
oes TodeS von uns fordert. Und sie
erkannte ihre Liebe zu Hellmuth als die
eigentliche Triebfeder ihrer Handlun
gen, der Ueberfiedlung nach der Klause,
des Eisers, mit dem sie sich der Wirth
schaft annahm, des Kordes, den der
arme Otten erhallen. O„ wie klein sie
sich plötzlich vorkam, die kühle Jnge
borg, die immer so unentwegt den rech
ten Psad ging! Diese schmähliche
Eisersucht auf die Vergangenheit, aus
Eora, diese Eifersucht, die so iveit ging,
daß die Erwähnung des Namens der
Gehaßten ihr Gleichgewicht noch heute
störte, ihren klarem Sinn umnebelte...
Hellnuith!
Sie schrie es laut hinein in daA
Tosen umher. Er mühte sich mit Fritz,
die Segel zu bergen, aber der schwache
Klang erreichte ihn und er stieg üAer
die Planten zu ihn hin.
Hellmuth!
Um mehr Halt zu haben, kniet» er
vor ihr nieder. Er sah die Verzweis
lung ,n ihren Zügen, aber er sah auch
die Liebe in ihren Augen, und ohne
Wort, ungewollt, unbewußt, zog er sie
in seine Arme, küßte er ihr die Thrä
nen sort, nannte er sie stawmelnd sein
i Weib, sein alles !
Am User stand sast das ganze Tors
und sah durch die Ferngläser, die sast
in jedem Fischerhause zu finden sind,
gespannt aus S Haff hinaus.
Vossens Fritz war ja draußen ! Bei
dem Wetter! DoZ gab doch sicher ein
Unglück. Aber dann konnte es sich die
stolze Anne seihst zuschreiben, wenn sj«
im Alter linderlos war and keine Stütz«
hatte! Nun stand sie da und jam
merte, während der Alt« ganz stumpf
finnig auf einem umgekehrten Boot saß
und in das Unwetter hine'mstierte.
Ter Sturm ȟblte in seinem grauen
Haar, in den Röcken und Ztchern der
Frauen, ober leiner dachte daran, sei
ne» Posten zu verlassen. Wenn eS
blitzte, sah man deutlich einen dunkel»
Punkt, der auf den Wellen tanzte.
Das war das Boot. Wenn'S den An
prall aushielt, war alles gut. denn e»
wurde grade aus das Dors zugejagt.
Wen»! Helsen tonnte nienurnd,
denn Fristen? Segler war der beste im
ganzen Dorf, er selbst der kräftigste
Bursch,, was ihm nicht gelang, gelang,
auch keinem andern.
Und den Weg von der Klause stürzte
ein Mädchen herab, ein Dtädchen, daS>
die Verzweiflung trieb. Dore hatte,
ihr Kind auf dem Arm, ein Tuch um
geworfen und flog mit dem Wind um i
die Wette. Wie, wenn sie schon zu
spät kam, das Entsetzliche geschehen war. I
die gierigen Wellen ihr Opser hatten !
O, wie gut dann, daß Frau. Inge nicht!
da war,, um sie zurückzuhalten ! Sie!
wußte ja,, wie es that, an einer Leiche
zu stehen mit dem dumpfen Bewußt-
fein, dag nun alles todt und zu Ende ! !
Nur das nicht noch einmal durchmachen
muffen, lieber sterben, in einem gemein- >
famen lühlen Grab liegen !
Die Weiber machten ihr scheu Platz,!
als sie das Ufer erreichte. Aber sie
eilte weiter ; abseits vor dem Alten, j
der noch immer unzusammenhängend«
Worte in den Sturm Hineinries; tniete
sie nieder, ergrifs die rauhen, hartge-,
arbeiteten Hände und suchte in den ge
furchten Zügen nach einer Antwort auf
die bange Arage: Tod oder Leben?
Bete, Kind, murmelte er.
Sie drückte ihr Kind an'S Herz. Was
sie empfand, konnte sie nicht in Worte
kleiden, aber wie aus Gewohnheit form-,
ten ihre Lippen das Vater Unser.
Mann, lnirfchte Fran Anne, die sich
den beiden genähert, Mann, wenn der
liebe Gott mir den Jungen heil und
gesund wiederbringt, dann schwöre ich' S,'
daß ich den Christus aus dem Kirchhof''
neu vergolden, lasse für mein Er-!
spartes.
Der Alte schüttelte unwillig den Kops
und zeigte mit dem Daumen auf die
knieende Dore.
Ein Windstoß, heftiger als die bis-!
herigen, fegte vom Haff her und der!
nächste Blitz zeigte da» Schiffchen tief
zwischen zwei Wellen.
Herr, Herr, schrie die Geängstigt«,
bei der die Furcht Abneigung und Geiz!
besiegte, ich will Ja sagen, aber laß
den Fritz wiederkommen !
Da richtete Dore ihr blasses Gesicht
Gott hat eS gehört, sagte sie, halte
dein Wort, Fritz kommt wieder!
Es lag etwas Prophetisches in den
Worten des Mädchens, und als glaube
sie zuversichtlich an die Krast' ihrer
Worte, stand sie ruhig aus und trat
dicht an'S Ufer.
Keiner rührte sich, athemlose Span- .
nuiig lag auf den Versammelten. Kam
er dort an der Steinmole des kleinen
Hafens vorüber, dann war er gerettet. I
Man sah nun auch, daß drei Personen
im Boot waren, konnte aber die andern
nicht erkennen.
Jetzt, ein Schrei ertönte.. Scheinbar ;
mußte die Spitze des Kahns grade auf!
die Mole stoßen und das Fahrzeug zer-!
schellen. Aber nein. -Haarscharf flog
es vorbei, und nach weitern zehnMinu- >
ten lag Dore an der Brust ihres Ver
lobten und das ganze Dorf konnte l
Zeuge sein, wie Mutter Anne sie süß- >
sauer ihre Tochter nannte.
Aber wer war denn mitgekommen!
Der Herr Lieutenant und die junge
Gnädige bei dem Wetter! Und wie sie
aussah! Kein trockener Faden an ihr,
ohne Hut, die braunen Haare so wirr
um das blasse Gesicht hängend. Gehen
konnte sie ja auch kaum und er mußte
den Arm ganz sest um sie legen, als er,
sie die paar Schritte zu Voß' Häuschen
sührte. Dore ließ sich denn auch nicht
halten, sie wollte gleich nach der Klause
hinaus, einen Wagen schicken und trok?
kene Sachen zurechtlegen. Aber vor
her, nach einem Blick in der Herrinstill !
leuchtende, glückliche Augen, beugte sie
sich noch herab, küßte die kalten Hände'
und flüsterte: Gottes Segen Ihnen
beiden, Gottes reichsten Segen.
Wie gut, daß die alte Frau von
Heyden an die Möglichkeit dieser ge
fährlichen Rückkehr gar nicht gedacht,
hatte! So war ihr Angst und Sorge
erspart geblieben. Sie sah nur den
erfüllten Herzenswunsch sie anlachen
aus den Augen, ihrer endlich vereinigten
Kinder, und als diese vor ihrem Roll
stuhl niederknieten und um ihren Segen
baten, sagte sie ihnen den alten Wahl
spruch ihres Geschlechts : Durch Nacht
zum Licht!
Am nächsten Vormittag gingen Hell
muth und Inge hinauf zum Hünen
grab. Sie setzten sich nebeneinander
in'S hohe GraS. zwischen di» blühenden;
Feldblumen«. Und hier, von seinsm
Arm umschlungen, den Kwps an seänt
Schuller lehnend, dörte sie die Geschichte
seiner gxoßen Leiden schccht für Eora.
Und die Eifersucht verlor» ihren gis.tigen
Stachel und tlärle sich zu innigem
Mitleid
Und nun. fragte sie, die großen
Angen zu ihm aufschlagend, daß e»
hindnrchsehen tonnte h»s auf de» Grund
ihrer reinen Mädchenseele. wun habe
ich dir noch etwas edzubitten. Geliebt«.
Sieh, ich dachte, i« meinem Leben wäre
nicht mehr Platz fttr die große Himmel-
stürmende Li«de. die jeden Nero uns«- j
res Wesens vib-riren läüt. Und ich
wollte dich zu meinem Weibe machen
auch olnie das, der Mutter, .meiner
Häuslichkeit zuliebe, wollte hcirathen
aus Verstand, ohne das stürmische
Pochen oes Herzens. Aber
Ein leises Lächeln legle sich um den
kleinen Mund.
Aber du tonntest nicht, weil das Herz
lauter sprach als der Verstand. Wie
ich sie nicht bannen konnte, diese Liebe,
und ob ich noch so oft und eisrig Pauls
Mk» herabbefchwor. Sei riihiz, ich
weiß jetzt, dein ganzes Sein gehör» inir,
Herz und Sinne, Gegenwart un» Zu
kunft, und so, so bin ich endlich zlück
liÄ> l
(Eirde.^
D«5 erst» franzSfische Tanzm-tst«?
in» Urwalds.
Uebrv die Gelehrigkeit der Wilden
beim Tairzunterricht erzählt der Schrift
steller und> Staatsmann Chateaubriand
in seinen Memoiren auS-feinem Aufent
halte in Amerika:
„Nachdem ich da» Mechawtgebiet
durchwandert hatte, betrat ich den Ur
wald und fühlte mich in meiner Unab
hängigst ganz glücklich. Ich eilte von
Baum zu Baum, bald rechts, bald
i links, indem ich mir sagten Hier gibt
j es keine Wege, keine Städte-mehr, we
, der Republik »och Monarchie, weder
Präsidenten noch Könige, hier gibt eS
' gar keine Menschen. Ich wähnte allein
> zu sein in diesem Walde, dm vernahm
ich plötzlich Menschenstimm-n und ent
! deckte gleich darauf eine Anzahl ivilde.
! Es waren die ersten, welche m>.r »u Ge-
ficht kamen, etwa zwanzig Männer und
Weiber, halbnackt, wie Zauderer be-
malt) mit durchbohrten Ohren-, Raben-
federn auf dem Kopje und Lknge in
den Nasenlöchern:
! Ein kleiner gepuderter und frisirter
Franzose in aufelgrünem Rock spielte
auf einer Violine und ließ einige Iro
kesen einen Tanz aufführen. Herr Vio
lett war Tanzmeister bei den Wilden
geworden. Man bezahlte ihm seinen
Unterricht mit Biberfellen und Baren
schinken. Während des amerikanischen
Krieges war er Küchenjunge bei dem
General Rochambeau gewesen und nach
Abmarsch der französischen Armee i»
New Vort geblieben: er hatte den Ent
schluß gesaßt, die Amerikaner die schö
nen Künste zu lehren und die Civili
sation unter den Wilden zu verbreiten.
Wenn er von den Indianern sprach,
sagte er> immer: „Die wilden Herren,
die wilden Damen." Er konnte die
Leichtsüßigkeit seiner Schüler nicht ge
nug rühmen; ich Hobe in der Thal nie
solche Sprünge gesehen. Violett hielt
seine kleine Violine zwischen Kinn und
Brust, stimmte sie und rief dann den
Irokesen zu: vous placvs" und die
ganze Schaar sprang wie eine Bande
Dämonen. Für mich, einen Schüler
Rousseau S. war diese Einführung bei
den Wilden durch einen Ball, sehr nie
derschlagend. Ich hatte Lust zu lachen»
doch war ich sehr gedemüthigt.
wt» «an einen Pf«rd«han»el rück»
gSngig macht».
In einem kleinen Badeorte unserer
Provinz so erzählt der „Hannov.
Courier" hatte sich ein junger Arzt
niedergelassen. Da er hauptsächlich auf
Landpraxis angewiesen war, sah er sich
zur Anschaffung.eines Reitpferde» ge
nöthigt und er sand ein Pferd bei einem
Bauern in einem benachbarten Orte,
welches keinen Fehler zeigte und ihm
für seine Zwecke vollkommen geeignet
erschien.
Ter Handel wnrde denn auch abge
schlossen unter der schriftlichen Verein
barung, daß der Kaufpreis bis zum l.
November l. I. gestundet werden solle.
Als nun der Käuser das Pferd in Em
pfang genommen hatte und es Probiren
wollte, stellte sich zu seinem Schrecken
heraus, daß eS sich durchaus nicht reiten
ließ, daß eS jedesmal so lange bockte,
bis es sich seines Reiters entledigt hatte.
ES war allerdings nicht ausgemacht,
daß das Pserd sich reiten lassen müsse,
und als der Verkäufer sich weigerte,
es zurückzunehmen, versiel unser
Toctor aus folgende List: Eines Mor
gens traf ihn sein Barbier bei sehr übler
Laune und erhielt aus seine theilneh
mcnde Frage, was dem Herrn passirt
sei, die Antwort:
„Ich ärgere mich, daß ich nach diesem
erbärmlichen Neste gekommen bin, wo
ich nichts verdienen tann; spätestens in
acht Tagen reise ich für immer ab!"
Der biedere Bartfcheerer hatte natürlich
nichts Eiligeres zu, thun, als diese in
teressante Neuigkeit weiterzutragen, und
da der Doetor auch alle seine kleinen
Rechnungen berichtigte, so verbreitete
sich die Nachricht w,e ein Lauffeuer.
Der Bauer, machte sich schleunigst aus,
um auch zu seinem Gelde zu kommen,
mußte aber« un verrichteter Dinge ab
ziehen, weil der. Doctor einfach auf
seinen Schein bestand. Da nun auch
der Rechtsanwalt des Bauern diesen
dahin beschied. dak er vor de», l. No
vember sein (Seid nicht verlangen
könne, andererseits es sich aber nicht
ermitteln« ließ, wohin sein. Schuldner
seine Schritt« lenken werde, hielt er eS
für geratheiii. i», den sauren Apfel zu
beißen und das Pferd zur^kzunchmen;:
unser Toctor balte aber feinen Zweck,
erreicht und blieb ruh»K auf ,rinciA:
Platze.,
Im „Bamberigitr Tage
blatt," hat der „Ulk"- folgende ver
schmitzte Familiengeschichte enld«kt:
„Erklärung. Es geb,, den Sobn
d. GetreideunterhäntlerS Georg Stol
binqer nicht mit dkm. des Pension.
BahnarbeiterS J««ph Stoibingxr zu
verwechseln, da tdlterz. keinen Sohn
hat. Joseph Staltunger und, Frau,
Laogestraße 32.^
Ein „infam igte»" To»
Juan läßt sich im Anzeigenthcil de»
„Hannos. Tagedl." also vrnehme»;
.Halt! Achtung! Hiermit allen sriche
ren Geliebten zur Nachricht, daß ich
mich verladt habe. Als» nichts «ehr
zu hoffen. G. Röttgen. Artist."
Familienleben. „Du,
Fritze, der Mcester «nd die Aeestern
haben sich heut ja noch jar «ich je
hauen!" .Ja. weeste, -Wilhelm,
wahrscheinlich find fe beefe mit 'nan
d«!"
Sei ost der Egoismus
Sammt r,om Weibe. Wie könnten
ijonst die Piännu geborn« Egoisten
itivi
> <kt» Zwischenfall.
?? war l! Uhr Abends. Schr>'N!c!-
. ler Dr. Masuri befand sich in s^ever
käster Erreguug. haute kam sem Erst
lingswerk: ..Aristokrat und Maler" zur
Aufführung. Sollte er in's Tbeaier
s gehen? Wie schön, wenn dann nach
jedem Mt« der Dichte? geruien wurde
und er Müs die Bühue eilen könnte, sich
l« für den gv»ken BeisaA zu dedliiile» ;
> wenn mvn sogar «nen Lorbetr
! kränz zuwiwse! Wenn aber
. nein, das wäve ja entsetzlich! - -wenn
nun das Stück keinen Beisall fand«,
! wenn man eS's»gat auspreisten würd«,
0. nie und immer hättoer dies über
> leben können. Schon allein d.r Ge
danke einer Niederlage machte ihn er
! bleichen und erbeben, und fo entschloß
> er sich denn, nicht in'S Theater zu
. gehen und sein Schicksal anderen Tage»
aus den Zeitungen zu lesen.
> Es schlug 7 Uhr. Jetzt beginnt da»
l Theater. Der alt« Baron von Halte»
spricht seinen Monolog. Die Zuschauer
lauschen aufmerksam man bewun
dert des Dichters hochpoetische Sprache.
Jetzt tritt Louise aus; der alte Baron
! eilt ihr entgegen —da mein Gott,
auf der Gallerie ertdnt ein Pfiff, di«
Zuschauer trampeln mit den Füßen!
Masuri erwachte wie aus einem
Traume; kalter Schweiß lag aus seiner
Stirne. Er sah nach seiner 11hr,...
It) Minuten nach 7; die erste Scene
mußte jetzt vorbei sein. Nun wurde e»
dem Dichter eng in seiner Behausung:
er mußte Gewißheit über das Schicksal
seines Stückes haben.
Er eilte nach dem Theater) den alten
grauen Hut tief in's Gesicht gedrückt,
damit ihn Keiner erkenne. Die Bühne
lag nach einer kleinen Seitengasse hin,
die Abends unbelebt war. Hier war
tete er klopfenden Herzens das Ende de»
ersten Aktes ab. Es-schlug 8 Uhr;
jetzt mußte jeden Augenblick der erste
Akt zu Ende gehen. Noch fünf bange
Minuten, da 0 Wonne, ein Bei
fallssturm erhob sich im Theater, daß
es in den Straßen widerhallte, un
unterbrochenes. stürmisches Bravorufen
und lebhaftes Händeklatschen.
Masuri war glückselig über diesen
unerwarteten, großartigen Erfolg.
Nun war ja sein Glück gemacht und
er konnte getrost in die Zukunst blicken.
Im zweiten Akte wahrscheinlich
nach der ergreifenden Scene, als Louise
ihren Vater um Verzeihung bittet
wiederum rauschender Beifall und nach
Schluß desselben dröhnendes Bravoru
fen und anhaltendes Klatschen, wie
nach dem ersten Akte. Der Beisall
wiederholte sich nach jedem Akte und
die Darsteller wurden stürmisch geru
fen.
Kurz vor dem Ende des letzten Akte»
eilte der glückliche Dichter eiligst nach
Hause, damit er heute unbemerkt bliebe.
Aber morgen wollte er sich feiern lassen
er, der nun mit einem Schlage ein
berühmter Mann geworden und von
dessen lsrstlinaswerk morgen gewiß die
ganze Stadt sprechen wird.
Als ihm am aiidcr'n Morgen seine
Hausfrau das Frühstück brachie, riß er
ihr hastig die Zeitungen aus der Hand.
Da kaum hatte er einen Blick in da»
erste Blatt geworsen sank er ohn
mächtig zu Boden. Die HauSsrau rich
tete ihn aus; nur allmählich erholte er
sich wieder sinnverloren vor sich
hinstarrend. In der Zeitung
stand:
„In Folge plötzlicher Erkrankung de»
Herrn Möller tonnte gestern Abend
„Aristokrat und Maler" nicht ausge
sührt'werden. Anstatt dessen wurde
das Schauspiel „Eva" von Voß ausge
führt. das bei dem zahlreich erschiene
nen Publikum großen Beisall gesun
den."- R., Meyer.
Der «hrliche Vettel und der unehr
liche «Sufer.
(Ein wahre» Geschichtchen.)
Veitel hatte einen Kleiderladen und
verlauste meistens mit Schade»! denn
die Käuser waren unverschämt genug,
stets kaum die Hälfte von dem zu bir
ken,! was er forderte. Endlich kam
Veitel eine genial« Idee, wie er dieser
fortwährenden Uebervortheilung Ein
halt thun könnt«. Er steckte einsach in
die Taschen der neuen.Röcke einen zu
sammengejagten Zwanzigmarkschein;
selbstverständlich aber war dies kein
echter Schein, sondern aus der Rückseite
befand sich eine Reklame für Veitel»
Geschäst. Wenn nun Jemand zu
Veitel kam. um einen Rock zu kaufen,
entwickelte sich gewöhnlich folgende»
(Gespräch:
Käufer: Was fall, der Rock kojien? !l
Veitel: Billig, biüig ist er, nur vier
zig Mark.
Käufe,: Na, ich danke, da. will ich
' lieber gleich wied«v gehen, ich Ade nicht
mehr w»e dreißig, Mark.
Veitel; Wie heißt, das g«ht nicht,
habe ich doch geordert den niedrigsten
Preis und verkaufe Ihnen mit Schaden
den Rock, wenn- Sie mir g;ben vierzig
Mark. Sehm Sie. wie s-olide gear
beitet ist der Rock, seinsteS Tuch, fühlen
Sie doch i» dt« Tasche, has gute Fut
t».
Währest», nun der Mufer in die
Tasche gMd. dreht Veite! ihm wie zu
fällig de» Ritcken. Ersterer zieht hier
bei ne»qi«rig das darin befindliche
Papierchsu heraus, mit» nachdei» er ge»
> sehen, daß es ein Zwanzigmartschein
> ist, läßt er eS blitzschnell wieder in der!
Tasche verschwinden. j
Und am Ende erhält de, schmun
zelnde Veitel sei« vierzig Mark, »äh-!
rend der Käus« sich, im Stilen sroh-,
lockend über das gute Geschäft,!
»elchtS er augenscheinlich gemacht hat,-
mit dem Roje entsernt. um draußen zu
sehen, das er, der den braven Veitel
anschmieren wollte, von diesem ange-!
schmiert worden ist.
—. Das Aeu Herste. Bettler
A'.so Sie weisen mich auch ab? Diej
Hartherzigkeit der Menschen wird
l zum Aeuversten treiben. Herr: Uni»
das wäre? Bettler: Arbeiten! 3