Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 10, 1893, Page 2, Image 2

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    2 »erttner Studentenstretche.
Einen Stndentenstreich in der Neu
jahrsnacht haben sich in Berlin, dem
„Lok. Anz." zufolge. einige flotte Bur
sche einer Universität ans dem Reiche
geleistet, welche einen Sylvestcrbummcl
nach Berlin unternommen hatten. Sie
schlenderten knrz vor dem Scheiden des
alten Jahres durch die Königstraße, als
sie an einem geschlossenen Laden einen
Anschlag bemerkten: „Bitte nach dem
Prälaten zu kommen. Familie X." Die
Bursche «hielten sosort eine Berathung
ab; dann löste sich der Trupp in kleine
Abtheilungen auf. Herr X.. ein Ber
liner von altem Schlage, saß mit seiner
rundlichen Gemahlin und dem holdseli
gen Töchterlein inzwischen im Prälaten
und harrte des säumigen Sylvester
gasteS, eines Provinzialkunden, zu des
sen Benachrichtigung er den Anschlag
angeheftet hatte.
„Haben wir die Ehre. Herrn zu
sprechen?" „Ja t wohl," sagte der
Angeredete erstaunt und musterte die
beiden jungen Leute, die mit höflichem
Gruße auf ihn zugetreten waren. „Wir
sind so srei, von Ihrer Einladung Ge
brauch zu machen!" „Aber ich habe,
wirklich nicht das Vergnügen, Sie zu
kennen!' Nun, wir gestatten uns,
Ihre schriftliche Einladung anf uns zu
beziehen !" Und die Beiden zilirten den
Inhalt des Plakats. Herr X. lachte
herzlich und lud die beiden Herren, die
ihre Karten überreichten, zu einem
Sylvestcrpunsch ein. Die Unterhal
tung war im besten Gange, als sich
wiederum zwei Herren vorstellten. Be
grüßung, Erstaunen des Herrn X.,
schließlich formelle Einladung, die sofort
angenommen wurde. Nach einiger Zeit
nahten abermals zwei Herren und be
zogen sich auf die schriftliche Einladung.
Nun schlug aber Herr X. an seit? GlaS
und sprach: „Meine Herren! Ich
schlage Ihnen vor, daß wir unS weiter
fortbegeben, denn ich fürchte, alle Stu
denten der Welt haben mein Plakat ge
lesen und sinden sich hier ein !"
Nach dieser Ansprache verlegte Herr
X. mit 'einer Familie nnd seinen sechs
Gästen die Sylvesterfeier nach dem
Rathskeller. Er gab sich als liebens
würdiger, gastfreier Berliner, während
seine Gäste vor Witz und Laune über
sprudelten. Sie zeigten sich als wohl
erzogene akademische Bürger, machten
dem Schiiceblondinchen den Hos, unter
hielten Frau X. auf die beste Weise und
gewannen den allen Herrn so für sich,
daß er hoch und heilig schwor, er habe
seit Menschengedenken keine so ver
gnügte Sylvcstcrnacht verlebt. „Abcr",
fragte cr schließlich, „wie wußten Sie
denn, daß ich der X. bin!" „Wer wird
Sie in Ihrem Bezirk nicht kennen?"
„Ach, Unsinn, sagen Sie die Wahr
heit!" „Na, der Kcllncr kannte Ihren
werthen Namen!"
Um drei Uhr trennte man sich aller
seits besriedigt mit dem Versprechen aus
baldiges Wiedersehen. Die wtudcuteii
ober sandten des anderen Tages eine
riesige Baumtorte mit folgender Wid
mung:
„Wir daukcu dreimal herzlich Euch,
Ihr nobelen Berliner;
Wir sechs Studenten aus dem Reich,
Sind allzeit Eure Diener.
Wir denken Eurer sort und sort
Mit Dank an jedem Orte;
Verzeiht uns nur den kleinen Tort,
Verzeiht auch diese Torte!
Die sechs Sylvestergüste von 1893.
Sine sprechende Uhr.
Wie die Industrie bereits die Er
folge der Phonographie sich ngtzbar
macht, geht aus folgender Mittheilung
aus Luzern hervor, nach welcher soeben
von dem eidgenössischen Amt in Bern
einem Genser Uhrmacher eine sprechende
Repetiruhr paleiltirt worden ist. Die
sprechende Uhr ist mit Zuhilfename des
Phonographen angefertigt; in dem Ge
häuseboden einer Taschenuhr befinde!
sich eine phonographische Platte, aus
welche vor der Fertigstellung der Uhr
die Stunden- und Vicrtclstuiidenzeiten
hinausgesprochcn sind. Im Ganzen
trägt die Scheibe 48 conccntrische Fur
chen, von denen zwöls die phonograpln
schen Zeitangaben der Stunden, zwöls
diejenigen der Stunden und der ersten,
zwöls diejenigen der Stunden nnd der
zweiten und zwöls diejenigen der Stun
den und der dritten Viertelstunden in
sich tragen. Zeigt nun zum Beispiel
der Stuiidcnzeiaer aus dem Zifferblatt
12j Uhr, so greist eine seine Spitzt in
die entsprechende Furche ein und von
der gleichzeitig rotirenden Scheibe wird
dann die Zeitangabe „zwölf und ein
viertel" ertönen, gerade so, wie beim
Phonographen von der rotirenden
Walze die auf letztere hinaufgefprochc
nen Worte ertönen. Ter Rückendeckel
der Uhr hat in dcr Mitte eine kleine
ähnlich wic die natürlich
bedeutend größeren Schallöffnungeii
beim Telephon. Wird die Schallössiiung
der Uhr an das Ohr gehalten so ist die
gesprochene Zeit um so deutlicher ver
nehmbar.
Entschuldigung. Ein Trun
kenbold war vor den Richter geladen,
weil cr eine Frau, seine Nachbarm, be
leidigt halte. „Was haben Sie zu
Ihrer Entschuldigung anzusührcn, An
getlagter— „Ach, Herr Gerichtshof,
et war morjens, ick wußte nich wat ick
dhat, ick war noch nüchtern."
Zerstreut. Professor: „Nun,
junger Bkanil, waren Sie bei mir
oben?" Student: „Ja, ich wollte Sie
erwarten. Abcr die Fran Professorin
sagte mir, Sie würden heute nicht mehr
nach Hanie kommen." Professor: .Ach
richtig, nun dann kommen Sie vielleicht
morgen wieder."
Schmeichelhaft. Der Arzt
tritt mit dcr Frau dcS Patienten in'S
Krankenzimmer, jedoch so, daß ihn der
Kranke nicht schcn kann. Kranker: „O,
ruft mir den Doktor! Unser Doktor
kann für Alles helfen!" Frau (leise):
„Hören Sie's, wie er wieder phanla
sirt!"
Dt« wunderbare« Hosenträger.
ES läßt sich gar nicht sagen, von
welch .sicherer Wirkung eine Anzeige in
der Zeitung ist, wenn sie nur oft genug
wiederholt wird. So eine Anzeige, die
der Leser jedsn zweiten oder dritten Tag
an derselben Sielle in seinem Leibblatt
sindet, wirkt zuletzt wie der berühmte
stete Tropsen, der einen Stein aushöhlt
oder um einen weniger poetischen Ver
gleich zu gebrauchen, wie ein beständi
ges Kitzeln an einer bestimmten Kör
perstelle. Schließlich fährt man mit
der Hand hin, man mag wollen oder
nicht.
So erging es dem Herrn Gymnasial-
Obexlehrer Dr. Friedrich Rothfelder
mit der Anzeige der „unübertrefflichen
amerikanischen Palent-Columbus-Ju
biläumS-Hosenträger. Als er diese
wunderbaren Hosenträger zum ersten
Male in der Zeitnng angezeigt fand,
die er jeden Morgen im Gasthans zum
Nachlisch geistig zu genießen pflegte, las
er einfach darüber weg vnd so noch
einige Male.
Dann fing er an, sich über den Miß
brauch des Namens Columbus, wie er
es nannte, zu ärgern. Durch den
Aerger wuchs fein Interesse so weit,
daß er beim achten Male die Beschrei
bung der wunderbaren Hosenträger
nnd ihrer hygienischen Vortheile läs.
Er lachte darüber. Aber beim zwölf
ten Male konnte er nicht umhin, über
die Stelle in der Anzeige: „Jeder Herr
von Geschmack trägt nur diese", nach
zudenken, nnd fand, daß seine altfrän
kischen deutschen Hosenträger wirklich
sehr altfränkisch seien; und nachdem er
die Anzeige zum fünfzehnten Male ge
lesen. ging er Nachmittags von der
Schule nicht sogleich nach Hanse, son
dern in einen Kurzwaaren - Laden und
verlangte mit etwas wegwerfender Be
tonung ein Paar Columbus - Jubk
lüums-Hofeiiträgcr.
Der Herr Gymnasial-Oberlchrer galt
in gewissen Kreisen als ein wenig pe
dantisch und ungeschickt, und in der
That hatte Beruf und hartnäckiges
Junggesellenthum sein Wesen etwas
ernst nnd würdevoll gestaltet. Es stand
ihm aber gar nicht schlecht. Im Gan
zen war er eine stattliche, echt männliche
Erscheinung mit hübschen, offenen Zü
gen, Kleidüng und Ausdrucksweise ver
riethe» einen Mann von guten Ver
hältnissen und gediegener Herkunft,
und wie er so im Dämmcr des frühen
Herbstabends vor dem Ladentisch stand,
machte er einen entschieden soliden Ein
druck.
Die Verkäuferin, an welche Herr Dr.
Rothfeder sich gewandt hatte, eilte so
gleich, das Gewünschte herbeizuholen.
Dabei bemerkte er, daß die junge Dame
ungemein hübsch gewachsen war, was
zu ihrer ihm sehr aiuzenchm klingenden
Stimme vorzüglich paßte. Theils um
von dieser Stimme noch mehr zu hören,
theils weil ihm die Construktion der
Wuudcr-Hosenträgcr wirklich ein voll
kommenes Räthsel war, bat er sie etwas
verlegen um eine mündliche Gebrauchs
anweisung.
Sie begann, diese auch ohne Ziererei
zu ertheilen. Dabei mußte sich aber der
kurzsichtige Philologe so tief über das
Aerkaussobject und über die hübsche
weiße Hand, die es hielt beugen,
daß die junge Dame vorschlug, Licht
anzuzünden. Dabei hielt cr ihr das
Leiterchen, und als nun das Glas
zischend ausblinlke, sah er gerade vor
sich ihr Gesichtchen, welches ihm das
lieblichste hiädchengesicht schien, das er
je gesehen habe.
Unter solchen Umständen ist es erklär
lich, daß der Herr Doctor von der Ge
brauchsanweisung nnr äußerst wenig
behielt. Denn als er zu Hause ange
langt, sogleich Rock und Weste abge
worsen und sich anschickte, die sorgsam
und zierlich zusammengelegten Hosen
träger in ihren Dienst einzuführen, ge
riet!) er nur immer tiefer in ein Ge
wirrc »on Riemen, Riemchen, Schnal
len, Oesen und Klammern, aus wel
chem sich viel eher der gordische Knoten
als ein paar Hosenträger machen ließ.
Er wurde zornig und zerrte bald hier,
bald da: dadurch wurde das Ding nur
noch schlimmer. Zuletzt verfiel er in
eine solche Wuth, daß cr den ganzen
Knäuel zum Fenster hinaus in den
Garten' warf, mit einem Kernfluche,
dessen die hübsche junge Verkäuserin
einen so gebildet und höflich auftreten
den Herrn gewiß nicht für fähig gehal
ten hätte.
Mit dem freiwilligen Opfer der
„nichtsnutzigen Bandage" hatte sich der
Zorn des Doctors in etwas besänftigt.
Aus einem Abendspaziergang durch die
halbenlblätterten Gänge des Stadtgar
tens vergaß er die Dinger alsbald ganz,
dafür aber ägerle cr sich über die Ma
ßen, der jungen Dame weder seinen
Namen genannt zu haben, noch den
ihrigen zu missen, auch war es ihm un
erfindlich, wie er den letzteren erfahren
sollte, da er sich vor Erkundigungen bei
fpottsuchtigcii verheiratheten Collegen
fast eben so sehr scheute, wie vor solchen
bei seiner neugierigen Wirthin. Er
btieb den g-nze« Abend in einer zer
streuten und einsilbigen Stimmung,
was natürlich der Wirthin lebhaft aus
siel.
Jedenfalls hatte ihm der Thee mit
Ausschnitt in seiner einschichtigen Woh
nung noch nie so reizlos geschmeckt und
war ihm überhaupt das Junggesellen
leben noch nie so verwerflich vorgekom
men, wie an diesem Herbstabend. Die
Wirthin sann hin und her. Sie war
sich keiner Schuld bewußt, durch welche
sich das ungewöhnliche Verhalten ihres
saust so höflichen und offenen Zimmer
herren erllären ließ. Da sie von Liebe
und Beliebtheit jeit dem vierzigsten
Jahre ihres jungsräulichen Daieins
grnndsätzlich nichts mehr wissen wollte,
jo kam sie auf den Gedanken, den Herrn
Toctor müsse irgend Etwas aus dem
Gewisse» drücken.
Am folgenden Abend war Doktor
Rothfeder womöglich noch zerstreuter
und wortlarger. Es war auch kci»
Wunder. In der Nacht hatte er van
der hübschen Verkäuferin geträumt, wie
sie auf einer großen Leiter vor ihm
immer höher kletterte und alle seine
Bitten, ihm doch wenigstens ihren Na
men zu nennen, mit der grausamen
Aufforderung zurückwies, erst das Ge-
Geheimniß der Eolumbns-Jubiläums-
Hosentrager zu ergründen. Den Mor
gen über hatte er in der Schule wäh
rend dcr Schulprüsungcn, die an die
sem Tage stattsandcn. unablässig an
die junge Dame denken müssen und
in Folge besten eine Unaufmerksamkeit
an den Tag gelegt, welche die feiner
faulsten Schüler in den Schatten stellte
und von dem Herrn Schulrath mißlie
big bemerkt wurde.
Sein verstörtes und aufgeregtes
Wesen mußte der neugierigen. Frau
Wirthin auffallen. Auf ihre lebhafte
Erzählung von einem Einbrüche, der
in der vergangenen Nacht bei einer im
Nebenhause wohnenden alten Gedcim
rathswittwe verübt worden war. hatte
cr nur ganz kopflose und verwirrte
Antworten. Schließlich faßte cr sich
ein Herz und fragte die auf's Höchste
erstaunte Frau, ob sie in dem und dem
Laden eine sehr hübsche Verkäuferin
kenne. Leider wußte die Wirthin, die
sonst das lebendige Adreßbuch vorstellte,
nur de» Rusiiamen der Unvergleich
lichen: Gretchen. An ihre ziemlich
knappe Auskunft schloß sie eine Menge
sondirender Bemerkungen, welche den
Doktor nur noch mehr verwirrten und
zu überaus ungeschickten Fragen ver
anlaßten, z. B. ob die junge Dame
redlichen Gemüths sei. Die Antwort
der Wirthin, sie glaube nicht, daß das
Mädchen schon etwas gestohlen habe,
ihn vor Zorn hestig erröthen.
Dr. Rothseder gerieth nun aus das
ganz und gar zu seiner Oberlehrer-
Würde nicht passende Mittel, daß cr
allabendlich vor dem Laden Femter
parade machte wie ein verliebter Pri
maner. Es gelang ihm aber nicht, die
Holde zu erblicken, so oft er auch das
Zauberwort Gretchen unhörbar vor
sich bin murmelte. Möglich, daß sie
aus dem sicheren Schutze ihres Ladens
ihn gewahrte; anderen Leuten fiel er
jedenfalls auf, zumal er seine Augen
zu viel nach dem Laden wandte und in
Folge dessen mehrmals mit eiligen
Fußgängern zusammenstieß.
Eine kurze Reise in militärdienst
lichen Angelegenheiten zwang ihn, am
sünsten Tage seiner LebenSqual den
Ort auf vierundzwanzig Stunden zu
verlassen. Als er zurückgekehrt war,
trieb ihn sein liebesiecheS Herz gleich
vom Bahnhof an den Ort feiner Sehn
sucht. Diesmal sah er sie! es schien
sogar, daß sie bei seinem Anblick in
ziemliche Erregung gerieth. Abcr o
Himmel! Stand da' nicht hinter ihr
ein Mann etwa in seinen Jahren, mit
dem sie lebhaft zu tuscheln schien? Kein
Zweifel! Er, der Doktor, war zu spät
gekommen,—wie konnte auch solch rei
zendes Mädchen noch unumworbcn
sein!
Bon Enttäuschung und Eifersucht
getrieben, irrte der Aermste eine gute
Weile in den Straßen umher. Es
entging ihm, daß dcr Mann ans dem
Lade» diese» sogleich nach seinem Weg
gang verlassen hatte und ihm nun
überall hin wie sein Schatten folgte.
Als Doctor Rothfeder endlich fcinc
Wohnung erreicht hatte, betrat auch der
Mann aus dem Laden das HauS und
hatte eine wichtige Unterredung mit der
Wirthin. Diese blieb für dm Doctor
den Rest des Tages unsichtbar, sie mied
ihn förmlich. Am folgenden Morgen
aber erschien der Mann aus dem Laden
bei Dr. Rothfeder selbst, stellte sich dem
gänzlich Ueberraschten als Kriminal
ichutzmann vor und bedeutete ihm, daß
er sogleich vordem Untersuchungsrichter
Müller zu erscheinen habe. Aus alle
Fragen antwortete er ausweichend und
ermahnte sein Opser nur, in seinem
eigenen Interesse alles Aufsehen zu ver
meiden.
Dcr Untersuchungsrichter Müller
empsing den Oberlehrer, dcr übrigens
den crst kürzlich in diese Stadt versetz
ten Juristen nicht kannte, ganz höflich
und theilte sogar anscheinend seine
Ueberzeugung, daß es sich jedenfalls
nm einen Irrthum handle. Dann
aber trat dcr Gestrenge plötzlich an
einen mit Akten und zayllosen Tinten
flecken bedeckten Tisch, hob von einem
aus demselben liegenden Gegenstände
das verhüllende Tuch rasch weg und
fragte, indem er dabei Dr. Rothfeder
scharf ms Gesicht blickte: „Kennen Sie
dies, Herr Doktor?"
Freilich kannte der Doktor es. Was
vor ihm lag, war unverkennbar sein
Paar Columbns-JubiläumS-Hoscnträ
ger, allerdings in einem sehr abschre
ckenden Zustande, voll Schmutz und
Lehm, und ganz so zum scheußlichen
Wirrwarr verzerrt, wic sie aus den
HändA dcS zornigen Pädagogen ge
kommen waren.
„Die verfluchten Hosenträger!" ries
er verwundert und zugleich eiwaS erregt
durch Erinnerungen süßerer Art, die
sich für ihn an den Antauf dieser Din
ger knüpften.
Der anwesende Polizei-Schutzmann
grinste ersreut. Der Untersuchungs
richter fragte kalt weiter. „Sie erken
nen also Ihr Eigenthum?"
„Freilich!" antwortete der Doktor.
Herr Müller winkte dem Schutz
mann.
„Wenn die Zeugin Pfeil noch drau
ßen fein sollte, lassen Sie dieselbe ein
treten."
Der Schutzmann verschwand, und
nach wenig.» Augenblicken erschien er
wieder mit Gretchen.
Bei diesem Anblick vergaß Dr. Roth
seder alles Andere. Er empsand nur
noch eine schicr unbezwingliche Sehn
sucht, das keineswegs zu solchen Hand
lungen einladende Gerichtsbureau zum
Schauplax.' einer glühende» Liebes-
Erklärung zu machen.
Der Untersuchungsrichter aber, der
die Erregung des Oberlehrers wohl be
merkte, fragte jetzt die „Zeugin Pfeil":
»Fräulein Gretchen Pfeil, erkennen
Sie diesen Herrn bestimmt wieder al»
den, welchem Sie am Abend des 14.
September gegen Uhr ein Paar Co
lumbus-Jubiläums - Hosenträger ver
laust haben?"
Beiderseitiges Aufblicken des PaareS.
heiße Verehrung in den Blicken deZ
Doktors, äußerste Verwirrung und
Scham in den hübschen Zügen des
Mädchens: rasch schlug sie die Augen
nieder und flüsterte: „Ja!"
„Die Thatsache wird ja auch dadurch
bestätigt." versetzte der Untersuchungs
richter befriedigt, „das laut Aussage
Ihrer Prinzipalin diese allein hierorls
solche Hosenträger in Verkauf hat und
bis jetzt infolge der äußerst komplicir
ten Einrichtung der Träger und ihres
hohen Preises der Absatz sich auf diese?
eine Paar beschränkt.
„Ich danke Ihnen, Fräulein Gret
chen Pseil."
Verwirrt und zitternd eilte da!
Mädchen hinaus; im Vorübergehen
wart sie aus den Doktor einen Blick, in
welchem sich Schreck, Enttäuschung und
Liebe mischte».
„Aber'bitte, Herr Untersuchungs
richter, was bedeutet dies alles?" fragte
Dr. Rothfeder.
„Wollen Sie mir bitte, sagen" fragte
der Richter dagegen, „was Sie mit die
sen Hosenträgern angesangen haben?"
„Zum Fenster binaus geworsen hab'
ich sie," erklärte der Doktor zornig.
„Wo?"
„In meiner Wohnung."
„Wann?"
„Zwei Stunden nach ihrem An
kauf!"
„Warum?"
„Weil das Zeug nicht zu gebrauchet'
war."
„Als Hosenträger ist es das in der
That wohl kaum", bemerkte der Rich
ter, „dagegen dürfte das starke Riemen
werk gerade in dieser scheinbar sinnlosen
Berknotignng. wie wir es hier vor uns
sehen, ein vorzügliches Hilssmittcl zum
Klettern nnd Steigen sein, z. B. be'
Einbrüchen."
„Aber wenn ich von dem allen nur
ein Wort verstände, Herr —"
„Bitte", machte der Jurist mit im
mer gleicher kühler Gelassenheit. „Be
sitzen Sie ein Paar Stiesel, wovon der
Linke einen etwas vorstehenden Flicker
in der Sohle rechts vorn trägt?"
„Die habe ich gehabt. Ich hatte mir
die Sohlen beim Feueraustreten ver
sengt. Weil der Flicken mich aber beim
Austreten belästigte, habe ich die Stie
sel einem Schnorrer geschenkt."
Wann soll dies gewesen sein? Ihre
Frau Wirthin hat die Stiesel noch am
13. September Nachmittags um di'
Kasseezeit bei Ihnen gesehen."
„Das kann stimmen," gab der D?k
tor zu, „bald nachdem die Frau aus
gegangen war, kam der Schnorrer."
„So, so, hm. hm,", machte der Rich
ter. „Nun hören Sie, Herr Dr. Roth
seder: In der Nacht vom 14. auf de»
15. September „Hujus" ist i» dem
Ihrer Wohnung benachbarten Hanse
der verwittmeten Fran Geheimrath
Münsch eingebrochen worden. Der Ein
brecher hat vom Garten aus die erste
Etage des Hauses erklettert und, da
er bei der Arbeit gestört wurde, aus
demselben Weg das Haus wieder ver
lassen. Unterhalb des Fensters im
Garten der Frau Geheimrath fanden
sich diese Hosenträger "
„Sie werden eben dorthin geflogen
sein, als ich sie hinauswarf."
„Bitte....lm weichen Boden deü
Gartens findet sich die Spur der Stie
fel des Einbrechers. Es sind Ihr'
Stiefel "
„Herr Richter!" fuhr der Doktor
jetzt mit vor Zorn dunkelrothem Gesicht'
auf.
„Bitte!" antwortete der grausame
Inquisitor wieder ganz kalt. „Sie ha
ben uns ja erzählt, wie Sie Ihrer Stie
sel ledig geworden seien. Ihre Frau
Wirthin weiß nichts davon; es ist auch
in keinem anderen Hause der Straße
etwas von jenem angeblichen Schnor
rer bekannt. Wie sah derselbe aus?"
„Zerlumpt und versoffen, sonst
weiß ich nichts mehr von ihm."
„Sehr bedauerlich," bemerkte der
Richter lächelnd.
„Laut Aussage Ihrer Wirthin sind
Sie in der Nacht vom 14. auf dem 15.
September noch spät im Zimmer her
umgegangen. Sie hat dabei das
Fenster mehrmals öffnen und schließen
gehört "
„Ah ja. Ich war sehr erregt und
konnte schlecht schlafen in jener Nacht",
seufzte der Doktor.
„Wodurch?" sorschte der Richter.
„Das will ich nicht sagen", antwor
tete der Doktor. Ueberhaupt bitte ich
Sie, Herr Richter, dieser lächerlichen
Scene ein Ende zu machen. Es
scheint, daß Sie mich wahrhastig im
Verdachte haben, bei meiner mir übri
gens gänzlich unbekannten Nachbarin
eingebrochen zu habeu...."
„O bitte", meinte der Nichter fast
gemüthlich, „ich habe ja gar nichts von
einem solchen Verdachte geäußert! Es
ist psychologisch interessant —"
Was für Herrn Untersuchungsrich
ter Müller psuchologisch so interessant
war. blieb leider unausgesprochen;
denn in diesem Augenblick ereignete sich
etwas durchaus Unvorhergesehenes.
Ein Schutzmann trat ein und machte
dem Richter mit leiser stimme eine
Meldung, die diesen auf's Acußcrfte z»
überraschen schien. Er sann eine»
Augenblick nach, dann sagte er kurz
„Lassen Sie die Leute eintreten."
Und alsbald erschien in der Thür»
ein höchst mcrlwiirdiges Kleeblatt:
Fräulein Gretchen Pseil, ein über
aus verlumpt aussehender Strolch, in
sch.ußliches Grau gekleidet, mit einem
Psla-ster aus dem linkenAuge und einem
schmutzigen Verband nm die linke Hand
und ein Schniimanii.
Ter verliebte Doktor starrte di<
Gruppe fassungslos an. Das schäm
Gretchen aber wandte sich mit eine:
flehenden Geberde an den Richter und
rief:
„O bitte, bitte, Herr Jusiizrakh.
lassen Sie .den armen Doctor frei, ich
habe ihn!"
Herr Müller bedeutete sie trotz der
ihm aus Gretchens Munde widerfahre
nen Rangerhöhung ziemlich ungnädig,
die Ruhe zu bewahren, und fragte dann
streng:
.Wen glauben Sie zu haben?"
„Den wahren Einbrecher. Hier die
ser Mensch ist es." „Das ist der scheele
Aujust, Herr UntersuchungsAchter,"
bemerkte der kriminal - Schutzmann.
.Erst vor sechs Monaten entlassen."
„Det stimmt!" bemerkte der Strolch,
indem er dem Beamten gemüthlich zu
nickte.
~Ruhe!" donnert der Richter.
.Fräulein Gretchen Pfeil, worauf be
gründen Sie Ihre Aussage gegen die
len Mann, in der Nacht vom 14. auf
den 15. September den Einbruch im
Hause Viktoriastraße No. 37 verübt zu
haben?"
„Der Ach, der Herr Sergeant," be
gann Gretchen, indem sie auf den etwas
verlegen werdenden Kriminal - Schutz
mann deutete, ~hat mir ja heute Mor
gen das mit dem Stiefel - Abdruck er
klärt, und wie ich nun vor einer halben
Stunde hier wegging, da war ich so
traurig wegen der Anklage gegen den
Herrn Doktor —"
~Gretchen!" rief hier die Stimme
oes Herrn DoktorS, was ihrem Besitzer
einen scharfen Verweis des Richters zu
wg.
nnd da." berichtete die Zeugin
.veiter, ~da mußte ich immer auf den
Boden sehen .... Und da sah ich auf
der weichen Erde, auf dem Karls
platz, wissen Sie, Herr Justizrath, der
ist nicht gepflastert vor mir auf ein
mal immer eine Spur mit so einem
Eindruck am linken Fuße, genau wie
der Herr Sergeant mir erklärt hatte.
Und die war von dem Kerl hier, der
ging vor mir her. Da habe ich den
Herrn Schutzmann gerufen, und der
hat den Kerl festgenommen."
~Det stimmt. So is et gegangen,"
bestätigte der Strolch wieder höchst be
haglich. ~Det Mädchen hat wai los,
die is nich von schlechten Eltern."
Hierauf entstand eine kurze Pause
allgemeinen Schweigens.
Der Untersuchungsrichter stand im
Geiste trauernd vor den Trümmern sei
ner Kombination. Da kam ihm ein
Gedanke.
~Zeugin Pfeil," fragte er, ~find
Sie mit dem Herrn Dr. Rothfeder be
kannt?"
~O nein, Herr Justizrath,"flüsterte
Gretchen errathend.
„Was veranlaßte Sie denn, so
warm in seinem Interesse zu han
deln?"
„Aber Herr Justizrath...." stam
melte sie, indem von neuem eine heiße
Blutwcllc ihr Gesichtchen übergoß.
„Na, Herr Jerichtshos," ließ sich da
plötzlich die Stimme des „scheelen Au
sist" vernehme», „thun Sie doch man
nich so. Det sieht ja en blinder Maul
wurf, dat die Zwei in einander verliebt
sind. „Na." fuhr er in mildem
Gönnertone fort, „ick will Ihnen die
Sache leicht machen, Herr Jerichtshof.
Det Mächen mit die schienen blauen
Oogen hier hat ja so Recht. Ick bin't
jewesen un hier" dabei streckte er
dem bestürzten Richter den linken Fuß
bis dicht unter die Nase ~det is der
vcrhängnißvo!le Stiebel Wis
sen Sie, et is mir schonst ganz Recht,
dat ick man wieder ene Zeit lang in en
jutes Loschi uf Staatskosten komme,
denn et wird doch schonst recht kiehle det
Nachts, und wat der rote Ede is, der
hat mir jestern in die Kneipe die da
Mäng hier nich schlecht verstochen, da
muß ick den Herrn Gefängnißarzt mal
konsultieren."
„Also, gestehen Sie," fragte Herr
Müller, „den Einbruch im Hause Vit
toriastraße —"
„Nummer sonn so viel, un soweiter
oerübt zu haben, ja woll, Herr Ge
richtshof, det haben wir, et is aber
Nischt dabei rausgekommen.—Aha, da
haben Sie ja ooch der nette Riemenzeug,
wat ich dunnemals in'n Garten gefun
den habe, ick sage Ihnen, Herr Kri
minal, det is wat für uns Fachleute!"
Dabei wies er auf die Kolumbus-
Jubilänms-Hofenträger.
ES war das Schicksal dieser wunder
oaren amerikanischen Erfindung, daß
ihre wahre Bestimmung als mensch-j
liches Hilss-Kleidungsstück von keinem
anerkannt wurde, der sie braucht. Da
für erwiesen sie sich aber als brauchbar
zu den wichtigsten anderen Dingen.
Denn nachdem bereits Richter, Polizei
und Einbrecher die erfolgreiche Anwen
dung dieser Träger zum Die-Wand
hinaufklettern anerkannt hatten, er
folgte in dem Gespräch, welches Herr
Dr. Nothsedcr sogleich nach seiner Ent
lastung mit der Zeugin Gretchen Pfeil
hatte, auch ihre Anerkennung als
Bindemittel in noch viel diskreteren und
höheren Fragen. Und kein Reklame-
Inserat hat jemals das Verdienst der
Coluinbus-Ausstellungs-Hoscnträger so
glänzend erwiesen, wie die kleine An
zeige, welche ein paar Tage darauf in
den Zeitungen der Stadt erschien:
Gretchen Pseil,
Dr. Friedrich Rothfeder,
Gymn. Oberlehrer,
Verlobte.
In einer Temprenzier-
Versammlung. Agitator (in sei
ner Rede): Und ich frage Sie
Alle, die Sie hier versammelt sind:
Gibt es auf GotteS weiter Erde etwas,
was schlechter wäre als Whiskey?"
Stimme aus dem Hintergründe: „Nun
ja doch kein Whiskey!"
Ein Psisficusr „Was,
Sie pfeifen bei Ihrem eig nen Stücke?"
—„Ja. sehen Sie, das erzeugt augen
blicklich bei m anständigen Publikum
eine starke Gegenwirkung: Alles klatscht,
damit die mißgünstige Aeußerung des
rücksichtslosen Fremden übertönt werde,
und der Erfolg meiner Novität erscheint
gesichert!"
Vom Th««»
Herr und Frau N. beehren sich,
Herrn M. zn Thee und Abendbrod ein
zuladen. Wen überlief nicht schon ein
gelindes Gruseln, wenn er beim Nach
hausekommen eine solche Einladungs
karte zu einem ästhetischen Thee vor
fand? Wir Deutsche sind in Bezug
auf das Essen etwas sehr materiell ver
anlagt, so häusig wie bei uns während
des Tages wird in keinem mir bekann
ten Lande gegessen, und zum Abend
tisch verlangt der Magen eines Dnrch
schnittsdeutschen etwas Substantielle
res, als Thee und dünne Butterschnitte.
Dieser Umstand, zusammen mit den
früheren hohen Preisen des Thees, hat
es wohl bewirkt, daß der Theegenuß in
Deutschland so wenig allgemein ist.
So lange als China das Monopol
der Produetion besaß, war der Preis
sehr hoch, aber seit den dreißiger Jah
ren, als man den Theebaum in Assam
wild wachsend fand, sing man in Bri
tisch-Ostindien die Theetultur an. und
dies Land trägt heute schon ca. 40
Millionen Kilo zum Weltconsum bei.
In Südamerika und Asrika scheint die
Pflanze nicht recht zu gedeihen; man
hat die Bersuche ziemlich aufgegeben.
Aber auf Ceylon befaßt man sich neuer
dings sehr mit Anlage von Pflanzun
gen. Die Kräuselkrankheit des Kaffee
baums hat dort solche Verbreitung ge
wonnen, daß es eine Frage der Zeit ist,
und der vorzügliche Ceiilonkassee wird
vom Markt verschwunden sein. Die
Pflanzer suchten im Thee Ersatz und
fanden ihn; die Ceylonthees sind vor
züglich.
Ueber den Konsum in den Stamm»
ländern existirt keine Statistik; aber
jedenfalls ist der Chinese der stärkste
Theetrinker der Welt. Der ErPort aus
den theeproducircnden Ländern beträgt
jährlich etwa ILIO Millionen Kilo im
Werthe von etwa 334 Millionen Mark.
Wie man sieht, eine ganz respektable
Summe, von welcher der größte Theil
noch immer nach China wandert.
Bon den Völker» westlicher Kultur
sind die Austratier die eifrigsten Thee
trinker. Es kommen dort auf den Kopf
der Bevölkerung etwa Kilo das
Jahr. Ihnen zunächst, indessen be
deutend hinter ihnen stehen die Englän
der mit 2,16 Kilo. Doch spielt die
Theetasse im englischen Leben eine große
Rolle, nnd konkurrirt vielfach erfolg
reich mit dem Bierglase. Den nach
Millionen zählenden Temperenzlern
('l'v»wt-tllsrs—nur Theetrinker) ersetzt
der Thee als Stimulans vollständig die
geistigen Getränke; und wenn man,
wie es im Lande Sitte ist, im Lause
des Abends auf ein Plauderstündchen
bei einer Familie vorspricht, ist man
sicher, eine Tasse Thee zu bekommen.
Die EnthaltsamkcitSbestrebungen wür
den ohne den Thee bei weitem nicht die
Erfolge haben. Für manche Bernfs
klassen ist die Enthaltsamkeit von geisti
gen Getränken vorgeschrieben;' so be
schäftigen die meisten Bahngesellschaften
nur Temperenzler als Lokomotivführer.
Rußland gilt gewöhnlich als Thee
land, aber wen» wir die Koniumzifser
sehen, sind wir erstaunt. Es kommt
nur Ijs Kilo auf die. Person. Es ist
dies ein Zeichen, daß das Thcctriiiken
auf dem Lande nicht so sehr verbreitet
ist. Der Muschik lrussische Bauer) hat
nicht immer baar Geld, und wenn er
welches hat, legt er es lieber in Wodka
(Schnaps) an. Der Städter trinkt
fleißig und meist gnten Thee. Ich
freue mich jedesmal, nach einer guten
Durchschüttelung im Eisenbahn-Coupe,
auf den Thee in der nächsten Bahn
station, welcher dort Tag und Nacht be
reit steht. Bezeichnend ist der russische
Ausdruck für Trinkgeld: n» tsolisi (für
Thee). Das Wort tsdi-n stammt je
denfalls von dem chinesischen tsolia, wie
der Thee noch heute wie vor 1200 Jah
ren. als die Kultur und der Genuß
desselben in Ehina begann, dort ge
nannt wird. Ursprünglich erhielten
die Rüsten ihn direlt von den Chinesen
auf Kamcelkarawanen durch die Mon
golei; aber der Karawaneiithee, wel
cher heute in Nifchnei-Nowgorod ver
kauft wird, hat wohl meist seinen Weg
über London dorthin gefunden.
Eine eigenthümliche Art Thee ist der
in Nordasien bei den Baschkiren und
Kirgisen übliche Ziegelthec. Es sind
dies Absülle und Blätter geringer Qua
lität. welche gelnetet und in Ziegelsorm
gepreßt werden. Diese mongolischen
Völker genießen ihn mit Fett und Salz
s zubereitet. Die Theezettel vertreten
dort häusig das Geld und dienen als
Handelsmünzc. Eigenthümlich berührt
es uns, wenn E. M. Vacano, der Gs
! Mitglied einer CircusgeseUschaft jene
entlegenen Gcgendcii bereiste, uns er-,
zählt, wie das Geschäft so gut ging, daß
sie gar nicht alle Theeziegel bergen
tonnten.
Wir Deutsche sind keine Theetrinker;
es kommt nur Ij3o Kilo auf den Kepf.
Er war uns lange Jahre zu theuer,
aber jetzt erkält man ihn schon für 3
Mark, und wer 4 Mark für das Pfund
anlegt, kann eine sehr gute Qualität
verlangen. ?a Thee weit ausgiebiger
ist als Kaffee, kommt sein Genuß auch
kaum theurer.
Die Tdeepflanze ist keine Staude,
sondern ein Baum, welcher eine Höhe
von 30 Fuß erreicht. In den Plan
tagen zieht man ihn jedoch durch Schnitt
in Strauchform von 4 Fuß Höhe. Er
gibt alsdann mehr Blätter und ist
leichter zu bearbeiten.
Als Thee Verwendung finden nur
die an der Spitze des Triebes stehende»,
noch nicht aufgerollten Blätter. Die
Ernte beginnt im März, wenn die
neuen Triebe etwa sieben Blatlpaare
haben, und dauert bis Lctobcr. Man
zwingt durch Entspitzen der Triebe die
nächsten Augen zum Austreiben, ent»
spitzt dann wieder und so sort sechs
tes siebenmal im Lause der Ernte.
Nach dem Pflücken laßt man die Blät
ter welken, rollt sie mittelst Maschine
und unterwirft sie einer Gährung. Je
nach Art derselbe» crhält man schwar
zen oder grünen Thee, Die Benutzung
von Kupfergefäßen zum Hervorbringen
der grünen Farbe ist eine Fabel. Ge
trocknet werden die Blätter ausschließ
lich auf heißen Eisenplatten. Theeblll
then nennt man die kleinsten noch un
entwickelten Blättchen, welche man für
die besten hält. Peeco mit Blüthen ist
deshalb die beste Sorte; dazwuch..! gibt
es viele Abstusungen bis zum Tust
> (Staub, Absallthee.) Sortirt wird die
fertige Waare durch Siebe.
Die Chinesen trinken den Thee ohne
Zusatz, die Russen mit Zucker und we
nig Milch; wir Deutsche verschleiern
uns noch häusig das Aroma durch Rum
oder Vanille, aber Soda, Bichl und
Salz, welche die Baschkiren zur Berei
tung benutzen, erscheinen uns als eine
Entwürdigung des edlen Stoffes. Thee
will gut behandelt sein, und die ein
fache Prozedur der Bereitung des Ge
tränkes verlangt genaue Befolgung de?
Regel.
! Man schwenke eine metallene Kanne
! mit etwas heißem Wasser aus, damit
sie sich erwärmt, schütte dann den Thee
hinein, lasse ihn mit wenig Wasser eine
halbe Minute ziehen und gieße dann so
l viel Wasser zu, daß man für jede Per
! fon eine Tasse Thee erhält. Nach drei
Minuten ist der Thee gut; man gieße
ihn in die Tassen und lasse für' den
zweiten Aufguß etwas länger, etwa 5
bis 0 Minuten ziehen. Der zweite Auf
guß ist ebenso gut wie der erste: man
kann sogar noch einen dritten machen,
wobei man jedoch meist etwas srischen
Thee zusetzt.
Vollständig falsch ist es, etwa wie
beim Kaffee gleich so viel im Voraus zu
machen, daß auf jeden Trinker mehrere
Tassen kommen, oder den Thee früher
aufzugießen, als man ihn trinken will.
Man benutze auch kein abgekochtes Was
ser sond rn solches, welches gerade zu
kochen anfängt. Ich rathe der Leserin,
bei ihrem nächsten k'ivo o'olovl: l's»
nach meinem obigen Rezepte zu verfah
ren; sie kann dann des Beifalls der
übrigen Thceschwestern sicher sein.
Sollte sie sich jedoch russischer Sympa
thien befleißigen und einen Thee »> l»
russs geben wollen, so erfahre sie, daß
man den Thee-Ertrakt erhält, wenn
mau das Waffer 5 bis 6 Minuten auf
den Blattern stehen laßt. Ein Viertel
Extrakt und drei Viertel heißes Wasser
geben einen guten Thee.
Die wirksame Substanz des Thees,
das Thcin, ist von gleicher Beschaffen
heit' und Wirkung wie das Coffein.
Es ist leicht löslich. Läßt man den
Thee zu lauge ziehen, so wird ihm auch
die Gerbsäure entzogen und man erhält
ein unangenehm bitteres Getränk. Der
Thee wirkt im höchsten Grade geistig
anregend und ist das richtige Getränk
für den Kopfarbeiter.
- Im Uebermaße genossen, besonders
von Leuten, die es nicht gewohnt sind,
regt er aus und erzeugt Schwindel und
Schlaflosigkeit.
Sine Beschwörung.
Dem Drechsler Franz Neiß in Böhen
wurde aus seiner Wohnung eiwa 20
Mark Baargeld gestohlen, ohne daß ein
Anhaltspunkt über die Person des Die
bes gegeben war. Neiß klagte sein Leid
dem Bürgermeister, der ihm den Rath
gab, sich an den bei dem Bauern Böckel
in Böhen in Arbeit stehenden Dienst
knecht Joh. Mannsfeld zu wenden, der
den Dieb „beichwören" könne. Manns
feld habe schon einmal einer Kellnerin
in Obergünzburg. der 240 Mark gestoh
len worden seien, den Dieb beschworen,
der dann das Geld wieder gebracht habe.
Neiß wandte sich an Mannsfelo, der
sich auch bereit erklärte, den Dieb zu
beschwören, nur müsse er dazu in die
Wohnung des Neiß kommen. Am
Abend darauf kam auch Mannsfeld in
die Wohnung, wo er erst unter aller
hand HotuspokuS drei Hölzchen aus
dem Thürstock der Thüre schnitt, wo
angeblich der Dieb aus und ein ging.
Dann gab er dem Neiß ein Zaubcrbuch,
aus dem er nachstehenden Zauberspruch,
den Mir zur Erheiterung unserer Leser
wortgetreu wiedergeben, dreimal ab
schreiben, einmal über und zweimal
unter die Thürschwelle legen und ein-'
mal hersagen mußte. Vorher hatte
Neiß ein „Bröcklein Brot, ein Sprenk
lein Salz und ein wenig Schmalz" zu
nehmen und in s Feuer zu legen.
Hiezu hatte er zu sprechen: „DaS
lege ich in das Feuer und Gluth, für
deine Sünd' und Uebermuth, das
Schmalz soll machen, daß dir müssen
die Adern krachen, das Salz soll dir zu
nahe kommen, daß muß deine böse
Zunge verstummen, das Brot soll dir
webe thun, als wenn dich ankäme der
bittere Tod. Im Namen des heiligen
Geistes. —Abraham hat es gebunden.
Isaak hat es erlöst und Jakob hat es
heimgesuvrt. Es ist so sest gebunden
wie van Stahl und Eisen und in Ket
ten und Banden."
Nach beendigter Zauber-Ceremonie
versicherte MannSseld dem Neiß,, daß
uuumehr der Dieb binnen Dreimal
vierundzivanzig Stunden das gestoh
lene Geld wieder bringen werde. Vor
erst verlangte der Zauberer und DiebS
beschwörer sür seine Leistungen, die er
anderen TageS fortzusetzen versprach,
nichts, erllarte aber, starten Türk zu
verspüren, woraus ihm Neiß zwei Fla
schen Bier einschenkte. Weiler stellte
MannSseld in Aussicht, daß die gelun
gene Beschwörung ein paar Mark ko
sten werde. Neiß plauderte von der
Beschwörung, wodurch die Gendarmerie
von der Sache 'Win) bekam und dieselbe
zur Anzeige brachte. MannSseld selbst
hatte, als er hörte, daß die Gendarme
rie Kenntniß von den Beschwörungen
hatte, die letzteren eingestellt. Da»
Schössengericht Ottabcuren sah in dem
Schwindel einen Betrug und verur
theilte den MannSseld zu zehn Tagen
Gefängniß.
Einer Sängerin.
Wer Dich hört, ist entzückt,
Wer Dich sieht, ist berückt.
Wer Dich spricht, ist beglückt.
Wer Dich nimmt ist verrückt.