6 Rtchttge «»Ist. l»» «u,n»> a«ager-Odtr»i»k. Lieschen Brückner war ein ganz aller liebster Backfisch von etwa 15 Jahren, mit langen blonden Zöpsen und viel versprechenden blauen Augen. Heute saß sie am Fenster im elterlichen Wohn zimmer, aus Anordnung ihrer Mama mit einer weiblichen Handarbeit beschäf tigt. doch ließ sie von Zeit zu Zeit ihren Blick durch die nur halb von einem schweren Vorhang verdeckte Thür »ach dem Nebenzimmer gleiten, woselbst ein flotter junger Ofsicier damit eifrigst beschäftigt war. die „große" Schwester von Lieschen, seine kürzlich erst ihm an vertraute Braut, in dem ABC der jun gen Liebe zu unterrichten. Zuweilen, nein, ziemlich oft, schien eS dem jungen Lehrmeister angezeigt, seine eindringlichen, erklärenden Worte durch schallende Beweismittel zu un terstützen wie das ja auch bei ande ren, Schulunterricht, leider freilich in anderer Form, bisweilen vorkommen joll und wenn «dann solch' ein Kuß zu der kleinen Lauscherin hinüber klang. dann kniff sie die Augen zu und machte ein gar bitterböses Gesicht. Denn jenes angenehme Spiel, wel ches die beiden darinnen trieben, war Lieschen einfach ein Greuel. Sie „haßte" diesen „albernen" Lieutenant, der sich tagtäglich immer größere „Frech heiten" gegen ihre»Schwester heraus nahm. und sie „verachtete" diese, ihre sonst immer als Borbild hingcstellte Schwester so „gründlich", wie sie nur konnte, weil die sonst so Ernste zu solch' „unwürdiger Tändelei" willig sich he» gab. Sie ärgerte sich aber auch nebenbe über sich selbst, daß ihr, bei jedem Kuß- Geräusche, solch' eiu nicgekaiulter, wonnesamer Schauer über den Leib lies, und als sie eine längere Zeit über diese räthselhafte Erscheinung nach «edacht hatte, da ertappte sie sich aus dem Wunsch, dich mal an sich selbst zu erfahren, worin denn eigentlich der Miz einer solchen Lippenberührung liege. Gott, geküßt worden war sie ja' schon oft und selbst geküßt hatte sie auch schon, nämlich Freundinnen, El tern und Geschwister; aber das mußten -doch nicht die richtigen Küsse gewesen sei», denn keins von allen hatte dabei solch' ein selig-verzücktes Gesicht gemacht, wie Schwester Rosa, wenn ihr unisor mirter Ewald sie küßte. Also die richtigen Küsse mußten andcrs schmecken, ja, und wieder überrieselte es Lies chen seltsam, wenn man mal versuchen könnte! Aber wie, wo? Und wie müsse der Er aussehen, der als Mittel zum Zweckt dienen sollte! Wie Schwager Ewald? Nein, der hatte ja ein so glatt rasirtes Gesicht, wie der lelige Moltke nur nicht so geistreich! Einen Backen-, mindestens einen net ten Schnurrbart müßte er unbedingt haben, denn, denn ja, warum denn? Würden die Haare sie in ihrem feinen Gesicht nicht kratzen? Wenn auch angenehm müßt' es doch sein! Und wieder überrieselte sie es gar wun derbar! Plötzlich fuhr sie erschreckt zusam men. Eine Hand hatte sich leicht ans ihre Schnlter gelegt und die gute Mama lächelte der ganz verdutzten freundlich zu: „Hast wohl 'n bischen geschlascn, Pieschen? Na, brauchst deshalb nicht zu erröthm, das kommt manchmal im Frühjahr so. Aber, hör' mal. Du tannst mir 'nen Gefallen thun. Papa hat die die Post geschickt und nun hatisie sich gewiß irgendwo festgeklatscht und kommt gar nicht wie- lch habe blos Angst, daß uns der Braten zum Abendbrod anbrennt, und Du weißt, Ewald ist darin so peinlich. Also, geh' Du mal 'runter in die Küche und sieh' nach, und rücke die Pfanne ein bischen von der heißen Stelle fort. Ich selbst will Tischwäsche herausgeben, denn es ist ja schon ganz dunkel und die höchste Zeit. Ader zünde die Lichter an, Lieschen!" Damit huschte die rundliche, rührige Frau aus dem Zimmer und ließ Lies chen mit dem stolzen Bewußtsein zurück, das; in ihre Hände das Wohl und Wehe des Abendtijches gelegt sei. Die Küche lag im Erdgeschosse, dicht neben der Hausthür. Es war ein et was düsterer Raum in dem alten Hause, denn nur durch ein schmales Fenster siel das Tageslicht aus dem engen Hose hinein. Heute herrschte nur noch ein Dämmerungsschein, zu dem löschte ein Lustzug das mitgebrachte Licht aus. aber Lieschen war das ganz lieb, denn nun konnte sie, nachdem sie den Braten in Sicherheit gebracht hatte, noch eine Weile ungestört den von Mama jäh unterbrochenen, angenehmen Träumereien weiter nachhängen. Und diese mußten höchst angenehmer ?lrt sein, denn sie überhörte ganz und gar das allerdings vorsichtige leise Schlurren aus dem Hausflur und fuhr erst mit dem ängstlichen Ruf „Manui!" empor, nachdem sie sich von zwei kräf tigen Armen sestumschlungen und von einem weichen, warmen Lippenpaare heiß und lange geküßt gefühlt hatte! »Äber auch von seinen Lippen, denn das At,entat war von einem Manne aus geübt worden so küßte lein Mädchen, das ward Lieschen plötzlich, trotz der Dunkelheit klar drang ein Heller Echreckensruf, er gab sie frei und stürzte mit langen Sätzen durch die Thür und zum Hause hinaus. Lieschen eilte die Treppe hinan, aber vor dem verschlossenen Entree blieb sie nachdenklich stehen. Was wollte sie denn? Der Mama, den Anderen von ihrem Abenteuer Mittheilung machen? Nein es war ja nur ein Kuß, aber so ander« so, wie sie ihn »och »ich! gekannt so heiß, so innig. so schön! Nein, sie wollte das holde Geheimniß sür sich behalten «S hatte ja nichts zu bedeuten, denn der Verbrecher war ja entflohen schweige», schweigen! Vielleicht lachte man sie gar noch aus und das würde xhr web thun. M t harmloser Miene betrat unser Backfischchen den jetzt hellerleuchteten Salon, um mit der gebührenden Wich tigkeit anzukünden. daß, wenn der Braten gerathen sei, man dies nur ihrer Fürsorge zu danken habe, aber ein einstimmiges schallendes Gelächter unterbrach ihre ersten Worte. „Wie siehst Du denn aus, Liese?" rief die „große" Schwester vor Lachen sich biegend, und der junge Offizier nahm sie bei der Hand, führte sie zu dem großen Spiegel und beleuchtete sie mit einem schnell zur Hand genomme nen Lichte von allen Seiten, indem e» vor Lachen förmlich hervorprnstete: ja! Hast Dir aber einen höllischen Schnurrbart aufsetzen lassen Wien Husarenwachtmeister!" Lieschen wurde schneebleich, als! sie ihr Spiegelbild erblickte. Gesicht, Arme, Beine waren von Ruß ge schwärzt jetzt wußte sie, wer der At tentäter war der Liebhaber der Köchin, der geglaubt hatte, er schmatze im Dunkeln seine Karoline ab. Nun mußte Lieschen wohl oder übel beichten und in Folge dessen noch man che Neckereien aushalten, aber innerlich dachte sie doch; „Na, nun weiß ich we nigsten«, wie richtige Küsse schmecken, und solch' ein Schornsteinfeger scheint das gerade so gut zu machen, wie ein Lieutenant! oder ob's vielleicht noch richtigere giebt!?" Mexicos deide Widerparte. Neuerdings nehmen die inneren "Un ruhen in unserer Nachbarrcpubljk Mexico, welche eigentlich nie ganz auf gehört haben, wieder einen bedrohliche ren Charakter an, und dem vieljährigen Präsidenten oder Dictator Diaz stehen denn doch die Haare zu Berge, wenn er von den Fortschritten der Freischärler an der Grenze hört, zumal ihm gleich zeitig auch die nie gebändigten Jndia nerstämme der Vaguis und MayaS, die grundsätzlichen Feinde vom Steuerzah ien, viel zu schaffen machen. Jeden Augenblick kann man zwar hören, daß sich der ganze Rnmmel wieder im Sande verlaufen habe, obwohl verschie dene Umstände diesmal die Sachlage ungewöhnlich ernst erscheinen lassen, und der ebenso katzenzähe wie kühne Revo lutionsunlerriehmer Garza sicherlich erst mit seinem Leben seine Pläne ausgeben wird. Was aber der Ausgang der mexicanischen Wirren auch sein möge: die Persönlichkeit der beiden politischen Widerparte und das Herüberspielen des ruppigen Räuberkrieges auf amerikani sches Gebiet machen die Buschklepper- Revolution bemerkenswerth genug für eine kleine Skizze. Piäsidcnt Diaz. Die meisten jetzigen Feinde des Präsi denten Diaz sind nicht neu aus dem Boden geschossen, obwohl es immerhin bezeichnend ist. daß neben den früheren einflußreichen Persönlichkeiten noch ver schiedene neue, von denen man sich des sen gar nicht versehen hätte, die Partei der Revolution offen ergriffen haben. Diaz ist auch nicht aus dem Stoffe ge macht, daß ihn ein politischer Sturm wind so leicht umweht; er hängt im Pelz der Regierung so sest, wie eine Klette; aber auch seine sterblichen Seiten, und dieselben und immer die selben Ursachen könnten schließlich doch den Becher seiner Mißlichkeiten zun' Ueberlaufen bringen. Eine HungerSnoth, oder gar mehrere, sind sür eine Regierung immer Pech; ob sie Schiltd daran hat oder nicht, sie wird stets sür Alles verantwortlich ge hatten werden, was unter ihrem Re gime passirt. das ist nun einmal die Kehrseite der Regierungsfreuden, wel cher ja andererseits auch viele unver diente Ehren gegenüberstehen. In den letzten drei oder vier Jahren der Diaz schen Verwaltung hat das Land furcht bar von Mißernten und Thenerung der nothwendigsten einheimischen Bedürf nißgegenstände zu leiden gehabt; ja, in manchen Theilen der Republik herrscht schon seit bald zwei Jahren beständig Hungersnoth, und noch immer ist keine Aussicht auf baldige Hilfe vorhan den! Diese „Soldaten der Verzweiflung' bilden ein dankbares Menfchenmate rial für GarzaS Pläne. Die nothlei denden und unwissenden Massen, in den lateinisch - amerikanischen Ländern mehr noch, als sonstwo, erblicken stets einen Segen darin, wenn Alles drunter und drüber geht; denn das gibt ihnen jedenfalls reichliche Gelegenheit, die Reicheren oder Bessergestellten auszu plündern, und kurze Zeit wenigstens sühlen sie sich frei von der Dänin schraube der strengen Gesetze, wie Diaz sie gegenwärtig ausführt. Kommt dann ein anderer Tyrann über sie, oder spannt sie gar der vorige wieder in's Joch: nun, so haben sie sich wenig stens ausgetobt, und das Spiel kan? aus'S Reue beginnen! Sicherlich führt Diaz das Regiment nicht unfähig, und seine Verwaltung ist in manchen Beziehungen eine recht sortschrittliche gewesen. Aber er ver darb es zugleich mit der Geistlichkeit und der klcrkiaten Partei vollständig, und daß das eine sehr gewagte Politik ist, hat nicht blos Balmaceda von Chile ersahren müssen, mit welchem überhauvt Diaz' Stellung manche Aehnlichleit hat! Die Nerkialen Katho liken sühlen sich unter seiner Regierung ohne Maßen unterdrückt, und Tau- sende derselben sind heutzutage bereit, sich einer aussichtsvollen Erhebung an zuschließen. Ein Canossa gibt es für Diaz nicht, auch wenn er es suchen würde. Und nicht zum geringsten Theil er halten die merikanlschcn Grenzunruhen welche übrigens unter Umständen so rasch, wie ein brennender Zündsaden, sich in das Herz des Landes hinein sressen können ihren bedenklichen Charakter auch dadurch, daß dasKriegs theater, wie geftigk, theilweise aus ame rikanischem Boden steht. Wie die kun digsten Osficiere unserer Bundesarmee i« Fort Ringgold und Fort Mclntosh erklären, ist i>aS ganze untere Grenz land von Texas ein vollkommenes Brut beet für mexikanische Revolutionäre, wo sie sich stets warm halten und von Neuem herausbrechen, trotz aller Bemühungen der amerikanischen Behörden, dieser un freiwilligen NeutralitätSverletzung ein Ende zu machen. Texas gehört zwar schon lange nicht mehr zu Mexico, ist aber noch immer das Pulvermagazin sür die mexicanischen iwßzufriedenen Abenteurer und Freibeuter aller Gat tungen. Zur Zeit sollen sich auf der texanischen Seite nicht weniger, als 3,0d1) Mexicaner befinden, welche in engster Verbindung mit der revolutio nären Bewegung drüben stehen und nur des Signales harren, um sich rasch zu eqnip.rcn und auszurücken. Das ist schon an sich eine sehr bedeutende Anzahl, wenn man bedenkt, daß an dem Treffen zwischen Revolutionären und Regierungstruppen zu Las Ani mas auf beiden Seiten im Ganzen nur 500 bis 600 Mann betheiligt waren, und fast die ganze Nachbarbcovlkcr»ng leistet ihnen directen oder indirecten Beistand. Gelingt es einmal den Aufständi schen, in den Staat TamaulipaS einzu dringen und 25—100 Meilen weit von der Grenze vorzurücken, so ist gar nicht >u bezweifeln, daß Taufende und Aber tausende zu ihren Fahnen strömen wür den, uud dann die mexikanische Regie rung eine vielmal stärkere Streitmacht haben müßte, als ihre jetzige, um den Ausstand erfolgreich begegnen zu kön nen. Schon vor mehr als einer Woche iahen die Dinge darnach aus. Als Leiter der jetzigen RevolutionS bewegung wird allgemein wiederum der unermüdliche Abenteurer und Haudegen Katarina E. Garza betrachtet, dem es >n feinen sonstigen Vortheilen auch an Geldmitteln nicht zu fehlen scheint. Eine sensationelle Geschichte wird neuer dings über die jüngste Vergangenheit GarzaS erzählt. Nachdem er im ver gangenen Februar aus der Gefangen schaft in Texas entronnen war,«gi»g er —heißt eS—nach New ?)ork und fuhr von dort mit einem Dampfer nach der füdaiyerikanischen Republik Venezuela, wo er alSbald unter einem angenom menen Namen thätig in den Bürger krieg eingriff und bei dem RevolutionS general Crespo mit sehr hoher Aus zeichnung diente. Reich belohnt für seine Dienste und mit glänzenden Em pfehlungen von dem siegreichen Bür gerkrieggeneral versehen, reiste er dann nach Europa und suchte und sand bei reichen südamerikanische» Politikern in Paris finanziellen Rückhalt für sein Pläne. Darauf begab er sich nach England und fuhr kecktich über Liverpool nach seinem Heimathsstaate ab; gegen Mitte October traf er im Hafen von Tam pico, Mexiko, ein und gab sich mit Er folg für einen vergnügungsreisenden Franzosen aus. Ein Vollbart, den er sich mittlerweile hatte stehen lassen, machte ihn selbst für seine meisten Freunde unkenntlich. Er schlug sich durch ganz Mexiko und von da nach San Dieg», Texas, durch, wo er einen reichen Amerikaner spielte, der eine Viehweide kaufen wolle, und in dunk ler Nacht, mit jedem Fuß Landes wohl vertraut,gelangte er schließlich nach dem Palito Blanco-Ranch, wo seine Gattin und sein reicher Schwiegervater Ale» jundre Gonzales leben. Mehrere nachträglich bekannt gewor dene Umstände scheinen für die Wahr heit dieser romantischen Geschichte zu sprechen, die jedenfalls Garza „ganz ähnlich sieht." Wer weiß, was ihm das neue Jahr beschreit? «US «iuem Pariser HeiratyS» Institut. Ein junger Mann kommt in höchster Eile an. „Mein Herr," sagt er zu dem Direc. Tor des Instituts, „ich habe keine Mi nute zu verlieren, ich habe eine Droschke auf Zeit, ich kann mich also nicht un nütz aushalten." „Sie wünschen, daß ich Sie verhei rathe?" „Ja, mein Herr, ich habe in der Zeitung Ihre Annonce gelesen, die Sie seit einiger Zeit einrücken lassen. Es scheint darnach, daß sür Sie ein Tag genügt, einen jungen Mann oder eine amten und einem Geistlichen haben wir das alles abgekürzt; die Aufgebote werden verlesen und in süns Minuten wird man Ihnen die nöthigen Papiere zustellen." „Ich bin starr vor Erstaunen." „Nun verehrter Herr, sagte der Di rektor, haben Sie die Güte, Ihre Be fehle betreffs des Hochzeitsdiners zu geben." „Aber Gäste?" „Ich liefere sie, ein Hochzeitsdiner ohne Gäste ist gar nicht zu denken. Sie erwarten Sie in diesem Speise» salon." .Ich kenne sie aber garnicht." „Oh, es sind charmante (liebens .olirdige) Leute. Mein Haus ist ja ein Haus des Vertrauens; seien Sie ohne Sorge. Unter den Geladenen werden Sie Ihren Herrn Schwiegervater und Jyre Frau Schwiegermutter sehen. Die Eltern kommen jeden Mittag zwischen l und 2 Uhr, um zu sehen, ob ihre Töchter verheirathet sind, und sind stets in Hochzeits-Toilette. „Aber ich könnte vielleicht einige Freunde einladen?" „Warum wollen Sie Zeit verlieren?" „DaS ist wahr. Ich vergaß, daß ich .nir eine Droschke auf Zeit genonimen habe. Bitte also, ein Diner von 2- Kouverts". „Sehr wohl: während dessen können wir in dieses Zimmer treten und den Kontrakt unterzeichnen". Der Direktor des Instituts öffnet» eine Thür: der Notar und sämmtliche Gaste sind bereits auf ihren Posten. „Mein Herr", sagte ver Beamte, während wir Sie erwarteten, haben wir bereits den Eontrakt gelesen; das Fräulein bringt als Mitgift 100,00(1 Francs; und Sie?" „Die gleiche Summe". „Ich habe uur diese Ziffer hinzuzu fügen; wenn Sie jetzt nur die Güte ha ben wollen, Ihren Namen neben dem Stempel zu setzen". Ein Küster zeigt an. daß der Geist, liche das Ehepaar zur Trauung erwar tet. Sämmtliche Gäste begeben sich in die Kapelle des Hauses. „Wünschen Sie die übliche Predigt?" fragt nun der Geistliche. „Nein, ich danke", antwortete der Gatte, „ich kenne sie, ich habe schon so vielen Hochzeiten beigewohnt!" „Deshalb fragte ich nur. Indem wir die Predigt weglassen, gewinnen .vir eine halbe Stunde." „Das ist mir lieb, denn ich babe eine Droschke auf Zeit, die mich an der Hausthür erwartet." Man begibt sich in den Speisefalon, wo alle Vorbereitungen zu dem Fest esie« getroffen sind. Bevor man sich zu Tische setzt, wendet sich der Gatte an seine Gemahlin und fragt sie nach ihrem Vornamen. .Ich heiße Amalie." „Und ich heiße Eduard." Amalie und Eduard reichen sich zärt lich die Hand. Da« Festmahl ist sehr heiter, Ein zelne der Gäste halten ernste, andere humoristische Reden. „Ist das in den Kosten de» DinerS einbegriffen?" fragte der Gatte den Director. „Ihr Institut ist ein Meisterwerk, erlauben Sie, daß ich Ihnen die Land deiche." Der Gatte wartet noch ab, daß der Kaffee und Liqueur gereicht wird, dann erhebt er sich und sagt: „Meine werthen Gäste, verzeihen Sit mir, daß ich Sie so schnell verlassen muß. Aber eS ist schon 9 Uhr und ich habe nicht nur eine Droschke aus Zeit, sondern der Zug, mit dem ich nach Hause fahren muß? geht um 9 Uhr 59 Minuten. Man begleitet die Neuvermählten bis zur Droschke. Der Kutscher trägt im Knopfloch ein Blumenbouquet zarte Aufmerksamkeit des DirectorS de? Instituts. Im Moment des Einsteigens siebt sich der junge Ehemann von einer Dame angehalten, die heiße Thränen ver gießt: „Sie werden sie gewiß recht glücklich machen," sagte sie schluchzend. „Wen?" „Meine Tochter." „Ah, Sie sind die Mutter! Entschul digen Sie, ich hatte nicht die Ehre. Sie zu kennen. Ich war heut' so beschäs tigt, daß ich keinen Moment Zeit fand, mit meiner neuen Familie zu plaudern. Besuchen Sie uns doch in nächster Zeit, kner ist meine Adresse. Naturforscher und Gorilla. Urwald - Tragödie in süns Bildern. 11. 111. IV. V. Ein HochzeitSstreich. In vielen Ortschaften der Altmark sucht man eine Ehre darin, durch Toll heiten, die Niemand übelnehmen darf, die Erinnerung an eine Hochzeit frisch zu erhalten. Folgender fast unglaub lich klingender HochzeitSstreich, der die ganze Hochzeitsgesellschaft in Verlegen heit brachte, wurde im Dorse L. aus geführt. Mit hungrigem Magen ist die Hochzeitsgesellschaft aus der Kirche gekommen, und der Sittegemäß nimmt man an der noch leeren Tafel Platz. Die Kochfrauen umstehen, lebhaft er zählend, den großen Kessel mit der Hühnersuppe, die in wenigen Minuten aus den Tisch komme?: soll. Auf einmal entsteht im Schornstein Gepolter, und im nächsten Augenblick steht, die Beine und Füße dick mit Säcken umwickelt, der Schmied des Dorfes im Sup penkessel. Den Skandal in der Küche kann man sich vorstellen! Was helfen aber die fürchterlichen Prügel, die der Schmied von den Frauen bekommt die Suppe ist verloren. Der humor volle Brautvater erklärt den unglück lichen Gästen: „KinnerS, ji möt noch'» Kitschen töwen; de schwarte Schmed het de Klümpe enttwei pet't lzertreten)- ,ber gliek gist et Schwiensbroaden!" Er Hat'S nicht Alter Ehemann: Was gibt es denn schon wieder?— Junge Frau (schmol lend): Du hast Dein Wnrt nicht gehal ten. Du sagtest vor der Verheirathung, Du wolltest mir zu Liebe Alles in der Welt thun. Alter Ehemann: Ja! Junge Frau: Du sagtest. Du würdest mit Vergnügen für mich sterben. Alter Ehemann: Jaaa! Junge Fran: Nun wohl. Du hast es aber nicht gethan! Mayer »I. In dem Alumnat zu Z. ging es üder ,ie Maßen streng zu. Nicht blos, daß die Schüler nicht recht satt zu essen be kamen, nein,, es wurden ihnen auch sonst alle möglichen Lebensgenüsse ge schmälert, wie z. V. der tranliche Um gang mit gleichaltrigen, jungen Da men, das heimliche Kneipen, welches man doch in jenen Jahren so bitterlich gerne kultivirt, das Rauchen natürlich und vor allen Dingen leider auch der liebe, liebe Urlaub zu Verwandten, welcher natürlich insofern schon sür die jungen Alumnaten di: wesentliche Hauptsache bildete, als man, wenn man nur beurlaubt war, sich ja jeden der vorgenannten Genüsse in der be quemsten Weise zn verschaffen in der angenehmen Lage war. Um den Ur laub also drehte sich stets der ganze Ge dankengang der bemitleidcnswerthen Zöglinge. Nun befanden sich aber aus der An stalt, man mag mir dies glauben oder nicht, allein in der Prima drei soge nannte Mayers, und zwar hatten die selben, obgleich unter einander durchaus nicht direkt verwandt, nicht einmal so viel Rücksicht genommen, sich mit ver schiedenen ei s zu schreiben, sondern sie hießen schlankweg Mayer mit'n ganz flaumenwcichen ay und mußten dem gemäß natürlicherweise numnierirt wer den. Mayer I war ein hervorragend schlaues Huhn und saß primus om „ium. Er mußte sich selbst bei dein ge strengen Herrn Direktor stets liebes Kind zu machen und hatte es auch wirk lich schon zweimal scrtig gebracht, Ur laub zii betommen. Mayer II war in seiner Art ja auch soweit recht schlau; als er aber kürzlich mal Urlaub haben wollte, da hatte die Sache doch recht große Schwierigkeiten, und erst als er dem alte» Direltor aus einer Zeitungs annonce bewies, daß wirklich ein Mayer gestorben sei, schenkte ihm dieser Glauben und ließ ihn sort. — Der arme Mayer 111 gehörte aber entschieden unter die Pechvögel, war stets als äußerst renitent und saul bci seinem gestrengen Oberen notirt und als er kürzlich mal „in Todessachen" nach Hause zu fahren wünschte, wurde ihm dies rundweg abgeschlagen, ob gleich er nur um drei kürze Wintertage gebeten hatte und eine Beerdigung doch wahrlich keine Vergnügungsfahrt sei. „Und wenn sämmtliche MayerS aus sterben', hatte der Schultyrann ihm erwidert, „so schadet das auch nichts; Sie selbst sind dann ja, Gott sei Dank, noch immer da, denn Sie sind nicht todt zu kriegen. Also bleiben Sie nur ruhig. Ivo Sie sind! Vorläufig lernen Sie was. damit Sie nicht so begriffs stutzig bleiben!" Na, das war nun allerdings eine sehr brutale Aeußerung und der ärmste Mayer 111 machte dazu auch ein recht betrübtes Gesicht. Inwieweit er aber sonst im Großen und Ganzen begrisss stützig war, ob er nicht doch am Ende ein klein wenig von der allgemeinen Mayer-Schläue besaß, das werden wir ja bald zu sehen bekommen können. Es war an demselben Nachmittage, an dem der arme Mayer 111 den Direk lor um Urlaub angegangen hatte, als man wieder über dem nicht umznbrin genden Homer hockte. Wintertag. Es dämmerte bereits ein bischen und drohte bald ganz dunkel zu werden. Mayer l und Mayer II hatten bereits, als oben in der Klasse sitzend, eine Anzahl Hexameter (mit oder ohne Eselsbrücke, gas bleibe ungesagt) fließend übersetzt und soeben war denn auch an unsern Mayer 111 die Reihe gekommen, als, in Folge heftigen Schneefalles draußen, das Schulzimmer sich plötzlich derartig verdunkelte, daß an ein deutliches Lesen der an und sür sich schon recht schnör kelhaften griechischen Buchstaben für beute garnicht mehr gedacht werden konnte. Der Alte schien äußerem heute aus nahmsweise weich und gnädig gestimmt (er wollte nämlich möglichst bald in sei nen wöchentlichen Skatklub),' und so meinte er denn mit ungewöhnlicher Milde höchst geistreich: „Nun, ich sehe, es wird doch so dunkel, daß man nichts mehr sehen kann, wir wollen diesmal nur Andromache bei ihrem Ab schied von Heitor nicht stören, denn wer weiß, was sie sich noch sür Privatsachen zu erzählen haben! Mayer 111, Sie können morgen sortsahren." Hiermit nahm der liebenswürdige, witzige alte Herr seinen Hut vom Nagel, wurde unter den entsprechenden, höf lichen Verbeugungen zur Thür hinaus complimentirt und in der nächsten Minute stürmte die ganze Klaffe unter Freudengeheul in den Schulhos, um sich da draußen tüchtig zu schneeballen; denn obgleich sie Primaner waren, hatten sie doch noch an so etwas Vergnügen. Wenn man nicht lieben, trinken und rauchen darf, so schneeballt man sich eben. DaS ist das Vorrecht der Jugend. Am nächsten Tage war das Aluinmat in furchtbarer Aufregung. Mayer I». war nämlich verschwunden, plötzlichund spurlos verschwunden. Man suchte überall, in dem tiesen Keller und auf dem Boden des Schulgebäudes, m dem nahe gelegenen Wäldchen und schließ lich sogar in dem See, der unsern der Anstalt lag; denn es mußte ihm ent schieden wohl ein Unglück zugestoßen sein. Oder sollte er sich am Ende gar aus Verzweiflung über den verweiger lkn Urlaub selbst das Leben genommen haben? Entsetzlicher Gedankt! Dem alten Director schlug ganz bedenklich das Herz und auch wohl das Gewissen. Vielleicht war er doch zu hart gegen den armen Kerl gewesen. Hm, hm! Sollte man das Unglück gleich den ties detrübten Eltern melden? DaS lväre doch wohl ein bischen voreilig! Damit wollen wir lieber noch bis morgen war ten. Schließlich stellt sich hoffentlich doch noch herau», daß »r am Le ben ist. Nun man wartete bis morgen. Kein Mayer 111 erschien. Nun mußte na turgemäß die Meldung geschehen und zwar, da k.'ine Telegraphenverbindung vorhanden, auf dein einfachen Wege der Landpost, denn das Alumnat lag tief, tief hinten im Lande, fern von allem sündigen Getriebe der großen Welt, wie es einem braven Alumnate zukommt. So vergingen zwei lange, bange Tage, während welcher selbstver ständlich ebensowohl, wie an dem ersten, dem Unglückstage, vor lauter Aufre gung keinerlei Schule abgehalten wurde, denn Alles befand sich ja immernoch aus der Suche nach der Leiche! End lich, endlich, am Morgen des vierten Tages, nachdem das Entsetzliche passirt war, kam mit der Landpost ein Brief? Nein! sondern Mayer UI selbst, höchsteigenhtndig, vergnügt und frisch, wie nie und mit dem harmlose sten Gesicht von oer Welt! „Aber, Sie Unglücksmensch!" brach der alte Director auf ihn los. „wo ha ben Sie denn gesteckt? Wissen Sie denn nicht, daß Sie sür uns schon seit drei Tagen tobt sind? Wo kommen Sie her. Elender?" „Ich," meinte Mayer 111., scheinbar vollständig verblüfft, „wo soll ich denn anders herkommen, als von zu Hause? Von meinem Urlaub komme ich und melde mich hiermit gehorsamst -.«rück, Herr Direktor!" „Bon Ihrem Urlaube? Wer hat Ihnen denn Urlaub ertheilt, Sie nie derträchtiger AuSre'ßer?" „„Aber, Herr Direktor, Sie selbst doch! Entsinnen Sie sich denn nicht, wie Sie mir in der letzten Homerstunde am Schlüsse noch so gnädig sagten: „Mayer UI, Sie können morgen fort fallen !" ? Die ganze Klasse wird mir das bezeugen können!"" Weiter braucht wohl nichts erzählt zn werden. Mayer 111 war seit jenem Tage Hahn im Korbe, nenn auch nicht bei dem Herrn Direktor selbst, so doch bci der ganzen Prima, der er drei dienstfreie Tage verschafft hatte. Ja, ja, die MayerS! Zwei alte Sprüche. Der noch heute in Württemberg ge läufige Reim: „Aide, bide, bomb. Der Herzog kommt, Er liegt nicht weit im Feld Und bringt einen Sack von Geld" ist, wie die neuere Forschung festgestellt hat, auf den Herzog Ulrich von Würt temberg zurückzuführen, der im April 1519 vom Schwäbischen Bund aus sei nem Lande vertrieben worden war, sich nach Mömpelgard geflüchtet hatte und später längere Zeit aus dem Hohentwiel lebte, stets bemüht, seine Wiederein setzung zu erlangen. DaS Land war inzwischen vom Schwäbischen Bund als Ersatz der Kriegskosten auf Kaiser Karl V. verlauft worden, der auf dem Reichstag zu Augsburg seinen Bruder Ferdinand damit belehnte. Die Regie rung bot Alles auf, Ulrichs Andenken im Volke gänzlich auszumerzen, und verbot, daß von ihm gesprochen werde; wer für den ehemaligen Herzog rede oder handle, sollte mit dem Tode bestraft werden, und seinen Anhängern wurde heimlich der Proceß gemacht, damit ja nichts an ihn erinnere. Allein vergebens, das Volk liebte seinen Fürsten und dachte voll Dankes der mannigfachen Rechte und Freihei ten, die er ihm seiner Zeit eingeräumt hatte. Rührende Züge der Anhäng lichkeit und Treue werden aus jener Zeit berichtet. So sollten Steine mit seinem Namen vom Himmel gefallen sein, und unter den Sehenswürdigkei ten Stuttgarts wird noch heute ein sol cher gezeigt. Selbst Thiere lehrte man. auf den Namen Ulrich zu hören; und ein alter KriegSmann zu Tübingen ließ sich durch nichts abhalten, seines Her zogs Rock mit der Ausschrift „mit Freu den hindurch!" zu versehen und bis zu seiner Rückkehr beizubehalten. Damals kam auch das zum Wahrspruch gewor dene „Hie gut Württemberg allewege" auf. und als endlich nach der Auflösung des Schwäbischen Bundes 1534 Ulrich wieder zurückkehrte, da sang man auf allen Gassen den Ber», den wir oben angeführt haben. Er genoß indeß den Wiederdcsitz feiner Rechte nicht lange und starb nach wechselvollcm Schicksal «lte Dichtung «ach modernen pro» saischen Gedanken. Du bist wie eine Blume, So hold, und schön und rein; Was mag wohl Deine Und Dein Vermögen fein? Du bist wie eine Blume, So hold, und rein und schön; Doch frag' ich, was Du beibringst. Ob es in richtigen Höh n? Du bist wie eine Blume, So schön, und rein uud hold; O sage, hast zur Heirath Du auch das nöthige Gold? Du bist wie eine Blume, So hold, und schön und reiir; Ich schau' Dich an und Wcmuth Schleicht mir in's Herz hinein. Mir ist. als ob ich die Häade Zur Eh'nicht geben sollt'. Betend, daß Gott mich bewahre. Bor: „N u r schön, rein und hold". Entscheidend. Kaufmann Sonntag Amtsstunden sind und Wo chentage frei!? j