Das Verhängnis!. ren Puls, ein Eijesstroni drang bis in ihr Herz dann wieder die Feuerräder, wieder die Gluth und wieder die Augen, welche sie zu durch bohren schienen. Jetzt wußte sie. wem diese Augen gehörten es waren ihre eigenen dunklen Augen die Augen ihres BruoerS ihres Vaters. „Va ter!" gellte es markerschütternd dur» das Haus. „Vater!" D»e Wirthin hantirte in der Küche und bereitete das Mittagessen vor. Sie hatte dort, nachdem sie von Ange hernntergelommen. einen zweiten Gast gesunden, der auch um ein Zimmer ge beten. Es war ein alter Mann, mit hagerem Gesicht, in duullem Ueberrock. Auf seine» Wunsch hatte sie ihm eben falls im ersten Stock ein Zimmer gege ben. wo er bis jetzt verblieben. Sie hatte geglaubt, er würde in die Gast stube kommen und dort seinen Kaffee trinken, aber er ließ nichts von sich sehen. Sie hatte die Kanne aus den ossenen Herd gestellt nnd, da er immer noch nicht kam, ihn schließlich vor dem Verbrvdeln dadurch bewahrt, daß sie ihn selbst trank. Nun war cs bald Mittagszeit und weder von dem alten Herrn, noch von vem jungen Fräulein etwas zu sehen. Ta schallte plötzlich der gellende Rns von den fiebernden Lippen Ange's durch das Haus. Di? Magd, welch: den Vorsanl scheuerte, stürzte herein. „Ha ben Sie gehört. Bäurin? Es kam von oben, was mag das sein?" Tie Wirthin hatte eS natürlich ge hört und war nicht weniger erschrocken; sie eilte mit der Magd die schmale Holz treppe nach den Gastzimmern hinauf. Alles war oben still. Die Thür des Zimmers, wo der alte Herr logirte. stand offen. Die Frauen blickte» hin ein. das Zimmer war leer. „Ich hörte ganz beutlich, wie das Fräulein ..Va ter" schrie" beantwortete die Magd den verwundert fragende» Blick der Wirthin. „Sie kam aber allein an und er später!" „Na. deshalb kann er immerhin ihr Vater sein. Dahinter steckt am Ende eine Geschichte," meinte die Magd. „Klopfen Sie doch mal an das Zim mer des Fräuleins, er wird wohl bei ihr sein." Die Bäurin befolgte ihren Rath. Sie klopfte leise. Keine Antwort. Sie klopite stärker alles blieb still. Die Magd war neben die Wirthin getreten und nickte ihr zu. als wollte sie sagen: „Nur dreist, gehen Sie hinein!" Vor sichtig drückte die Bäurin die Klinke herab und össnete die Thür. Die Magd, welche größer war, blickte über ihre Schulter hinweg in s Zimmer. Sie erkannten beide sosort, daß hier etwas Ungewöhnüch.'s vorgegangen sei. Im Bett lag mit sieberglühendem Gesicht die junge Fremde. Aus dem Sopha, den weijien Kops in die Hände vergra ben, saß der alte Herr unbeweglich, regungslos. Er rührte sich auch nicht, als die Frauen eintraten. Als ginge ihn die ganze Umgebung nichts an, so verharrte er in dumpsem Dahinbrüten. ohne auch nur ein Haarbreit seinc Stel lung zu verändern. „Mein Herr, ist ein Unglück gesche hen?" redete die Wirthin ihn er schrocken an. Langsam hob der Fremde den Kopf, und unter buschige» Braunen starrten düster ein paar dunkle Augen ' Fra qerin an. „Ein Uiiglück?" wiederholte er derb, rauh. „Ja, ein großes! Die eigene Tochter fürchtet den Vater! Er möchte ihr hel fen nnd kann nicht!" Damit senkte er Hen Kopf in die Hände zurück und stöhnte tief ans. „Armer Herr!" Die Wirthin war ganz Mitleid; „so schlimm wird's nicht sein. Sind wohl ein bischen schars in einer LiebeSjache vorgegangen, wie?" „Leonce, Leoiice hilf hilf!" tönte cs herzzerreißend, jammernd vom Bett her. Wirthin und Magd wechselten ver- Sändnißvolle Blicke. Also eS war so. Der Fremde war aufgesprungen. Einen Moment starrte Ange ihn mit entsetzten, wirren Augen an, dann sank sie mit dem gellenden Schrei „Vater! Das Verhängnis;!" wieder in die Kis sen zurück, von welchen sie empor qefahren. und schloß die Augen. Die Wirthin kältete die Hände. „Jtsns, Maria —sie stirbt! Katht, lauf schnell zum Doctor —hier muß rasch Hilst geschafft werden!" „Lassen Sie. das ist nicht nöthig"— des Fremden Hand hielt die Magd zu rück — „ich selbst bin Arzt. Schassen Sie nasse Tücher EiS!" Die Frauen blickten rathloS. „Eis! Ja, mein Gott, woher solche» in dieser Jahreszeit nehmen?" „Ist hier nicht im Orte eine Brauerei?" „Freilich, die von Schulzen Fritze." besann sich die Wirthin, und die Magd eilte auch schon, das Gewünschte zv holen. Die Wirthin solgte ihr. ES war ihr unheimlich in der Nähe der im wilden Hieberdelirium rasenden Ange'und dei alten Mannes, welcher auf einen Stüh' neben dem Bette der Kranken zusam mengebrochen ftnster und verzweifell vor sich niederstarrte. Das war das beißersehnte Wieder sehen mit seinem Kinde, das sein Schick« s«l! Die Mutter endete im Irrenhause, der Sohn zerschmetterte sich den Schä del, die Tochter brach ihm das Herz. O Gott, weshalb hatte ihn nicht der ge, fürchtete Wahnsinn gepackt, ihin gleich dem Sohne die Masse in die Hand ge knickt und er damit seinem elenden und verfehlten Leben ein Ende gemacht? Was hatte er verbrochen, daß daZ Schicksal so grausam mit ihm zu Ge richt ging? War es ein Verbrechen, daß er ans dem begabte» Sohne eine Ko ryphäe der Wisjenschast zu machen ge strebt, seinen Ehrgeiz bis zur Unnatur angespornt, ihm keine Zeit zur geistigen Ruhe und natürlichen Entwickelung ge lassen? Wie mancher Vater handelt in oerbleudeter Eitelkeit ahnlich, ohne solch furchtbare Folgen herauszubeschwören! Und Weib und Tochter, um derent willen er sich losgerissen, ein ruheloser Wanderer geworden, damit der Fluch, welchen er aus sich geladen, die Un schuldigen nicht auch treffen möchte was halte er mit diesem Opser er reicht? Sein Weib war gestorben, seine Tochter hatte den Bater, mit ihm das Verhängnis; sürchten gelernt, welches er durch seine Flucht, seine Trennung um so sicherer ihr sern zu halten ge glaubt. O über die Thprenweisheit der Men schen! Wie Ahasverus, nirgends Ruhe findend, so hatte er die Welt durch wandert. Die Sehnsucht nach Frau und Kind erwachte. Er kehrte aus der Fremde zurück, ein alter, gebrochener, menschenscheuer Mann. Vergebens forschte er, nirgends war von ihnen eine Spur. Niemand wußte über ihren Verbleib Auskunst zu geben, wo er im Heimathsorle ansrug, begegnete man ihm mit Abneigung und Mißtrauen. Da führte ein Zusall ihn mit der alten Dienerin zusammen, die zn jener Zeit in die H.imath zurückgekehrt war. Durch diese ersuhr er von dem Tode seiner Frau und der Stellung seiner Tochler aus Schloß Tanner in West falen. Er reiste dorthin, und hier war es, wo er Ange zum ersten Male in der Waldschlucht begegnet. Ihre athemlose Flucht bei seinem Erwachen, der Schreck, den der mißtrauisch gewordene, men schenfeindliche alte Mann in der Tochter Augen zu lesen geglaubt —er hatte sie sosört au der Äehnlichkeit mit seinem verstorbenen Weibe erkannt —, festigten in ihm den Entschluß, ihr so lange fern zn bleiben, als sie seines Schutzes nicht bedürfe. Und nun hatte ihn das harte Schick sal doch dazu gezwungen. Wiederum mußle ein Zusall ihn gerade in der Nacht den Kvurierzuq nach Hannover benutzen lassen, als sein Kind mit allen Zeichen hochgradiger Aufregung von Tanner floh. Mit kummervollem Erschrecken las er in ihrem verzerrten Gesicht, in dem ner vösen Spiel der Hände die Anzeichen einer ernsten Krankheit, und sein Ent schluß war gefaßt. Er mußte ihr fol gen, wohin sie auch ging! alles Wei tere üverließ er der momentanen Ein gebung. So hatte er mit ihr seine Reise un terbrochen, war ihr in's Wirthshaus gesolgt, halte das Zimmer' neben ihr erhalten, ihr ängstliches Stöhnen, ha stiges Athmen gehört, das ihm nicht allein als Vater, sondern anch als Arzt beunruhigen mußte. Leise hatte er die Thür geöffnet und war an ihr Bett getreten. Ob sie ihn erkannt oder ob die Fieberphantasien ihr den Namen „Vater" entrissen er wußte es nicht, er wußte nur. daß der eigene Vater als Schreckgespenst in ihrem Geiste, als Verhängniß neben dem unseligen Bru der spuke. XIV. Die nächtliche Flucht der jungen Ge sellschasterin, von deren aufgeregtem Zustande Madelon der Dienerschast be richtet, hatte allgemeine Bestürzug her vorgerufen. Welches unerhörten Ver gehens muhte sie sich schuldig gemacht haben, um so plötzlich entlassen zu werden! Marguerite war es, die unter Thrä nen ihrer Großmutter dieses erklärt und die Antwort darauf erhielt, daß dies allerdings der Fall sei und daß si» den Namen dieser leichtfertigen Person nicht wieder genannt zu hören wünsche. Marguerite war eingeschüchtert und schwieg.' Gras Leonce .war weniger leicht> gläubig. Jhu hatte die.Nachricht von der Flucht der Geliebten zuletzt erreicht und einen Moment vollständig be täubt. Als er sich von dem ersten erschüt terndeu Eindruck dieser Schrcckenskuude erholt, suchte er seine Mutter aus, um von ihr den Grund ihrer Entlassung z> ersahren. Gräsin Tanner schien jedoch ent schlossen, ihm wie ihrer Umgebung den selben vorzuenthalten. ES mußte Je dem genügen, wenn sie die Entlastung der Gesellschafterin für geboten erachtet, Rechenschaft darüber halte sie Keinem zu geben. Zu ihrem Erstaunen begnügte sich aber ilir -odn imt dieser Erklärung nicht, sondern drang mit ruhiger Ent schiedenheit daraus, Alles zu er fahren. Das machte feine Mutter betroffen, und obgleich sie weit davon entfernt war, zu ahnen, wie Iheuer Auge ihrem Sohn geworden war, so forderte sein« Theilnahme doch ihre Erbitterung heraus und sie nannte Ange eine leicht sinnige Person, deren nächtliche Fluchl zur Genüge den Standpunkt verrathe» habe, aus welchem sie stehe. Dieser Angriff hatte aber die erhofft. Wirkung nicht, im Gegentheil, er for derte Kraf Leonce nicht allein zu ihre, Vertheidigung heraus, sondern riß ihn auch fort, sein Geheimniß Preis zu ge ben. Ohne Rücksicht sprach er von sei ner Liebe und daß er Ange »u seinen! Weibe zu machen gedenke. Offen, klar, unbeirrt sagte er das Alles und sagte ei mit um so größerer Ruhe und Festig, keit, weil ihn hierbei weder die verstei nerten Mienen, noch die zornig fun kelnden Augen seiner Mutter verwirr ten und ihr entsetztes Verstummen ih» zu Worte kommen ließ. Endlich brach aber der Sturm los. Schars, schneidend raste er über ihn hin. .Mein Sohn, ein Graf Tanner, be gehrt eine Person eine Dirne zum Weibe.. „Halt!" Des Grafen Gestalt erhob sich gebie> tend. Jeder Blutstropsen war aus seinem Gesicht gewichen, seine Hand streikte sich zitternd gegen seine Mutter aus. „Halt, nicht ein Wort weiter! In Deiner schonungslosen Härte, Deinem maßlosen Hochmuth hist Tu genug Schuld aus Dein Haupt geladen." Sie wurde weiß bis an die Lippen. Seine Antwort traf sie wie ein Ken lenschlag, schwer stützte sie sich aus ih ren Krückstock-, dann brach der Zorn von Neuem hervor und kannte keine Grenzen. Das wagte ihr der eigene Sohn zu sagen! Ihr, die wenn sie auch mit eiserner Strenge über der Ehre ihres HauseS gewacht, doch nur für ihre Kin der gelebt, ihr Glück im Auge gehabt! Weun sie ihn vor lahren gegen eine ähnliche LiebeSthorheit in Übereinkom men mit seinen Brüdern geschützt und dabei auch nicht vor einer Intrigue zu rückgeschreckt war, so heiligte auch hier der Zweck das Mittel. Und wie Graf Leonce ohne Rückhalt ihr feine Liebe zu Ange bekannt, so bekannte sie rückhaltlos, daß sie nicht einen Moment davor zurückschrecken würde, mit gleicher Härte gegen seine zweite Thorheit vorzugehen, wenn nicht der Leichtsinn jener Person sie und seine Thorheit selbst gerichtet. Ohne Schonung sür das Herz, für die blinde Leidenschaft des Sohnes theilte sie ihm ihre Begegnung mit Ange und Feldheim im Wintergarten mit und fragte, ob ihre nächtliche Flucht kein stillschweigendes Einge ständniß ihrer Schuld sei. Die Be weise waren zu gravirend. Graf Leonce war auf's Tiefste erschüttert und ver letzt, daß Ange ihm von der Nähe jenes- Mannes nichts gesagt, von dessen Un treue sie ihm erzählt hatte. .War dieses Zusammentreffen ein rein zufälliges oder verabredetes gewesen? Er konnte Letzteres nicht glauben. Doch hätte sie sich unter allen Umstünden, sobald sie sich schuldlos fühlte. Rath und Schutz suchend, zu ihm flüchten muffen, da sie seines grenzenlosen Vertrauens, seiner unerschütterlichen Liebe sicher war. Hatte sie deshalb die heißersehnte Ent scheidung von Tag zu Tag hinaus gerückt, weil das eigene Herz sich gegen solche gesträubt? Mit Bangen, ja mit Schreck hatte er die Liebe zu Auge in seinem Herzen erwachen sehen, da er ihr Herz nicht kannte. Und als er eS zu erkenven geglaubt, sie ihm einen Ein blick in ihr Inneres gewährt, da hatte die Hoffnung, sie zu erringen, sein zu nennen, der Glaube an die Reinheit ihrer Seele, ihn ermuthigt, um ihre Liebe zu werben, ihm die Kraft gege ben. um ihren Besitz zu kämpfen, selbst wenn er in diesem Kampfe alle Fami lienbande zerreißen, der Siegeslohn nur allein Ange's Liebe sein sollte. Gras Leonce hätte Ange's Verlust mit Ergebung ertragen, ihre Untreue erfüllte ihn mit Verzweiflung. ES war*Theestunde. Gräfin Tanne», ging unruhig in ihrem Boudoir auf und nieder. Die Schleppe des grauen Seidenkleides rauschte, und ihr Krück stock gab zu dieser einförmigen Melodie den Takt an. Von Zeit zu Zeit blieb sie stehen und horchte, ob man noch nicht zum Thee rufen würde. Sie sah nach der Pendule; der goldene Zeiger stand bereits einige Minuten über acht Uhr. Die Zeit wurde ihr entsetzlich lang, die Lnst im Gemach drückend. Sie klingelte, daß man ein Fenster öff nen möchte. Niemand erschien. Un geduldig stieß sie den Krückstock auf den Boden. Wcr denn A les im Schloß fit dem gestrigen Ballabend aus der ge wohnten Ordnung gekommen? Den ganzen Nachmittag hatte sich Mar guerite nicht sehen lassen; bei Tisch hatte sie mit verweinten Augen da gesessen, kein Wort mit ihrem Vater, Gras Leopold, gesprochen, uuv ihr Sohn war gar nicht erschienen. Wieder riß sie an der Klingel. Jetzt stürzten Diener und Kammer frau herbei. Sie sahen bestürzt, ja verstört aus. „Gnädigste Gräfin be fehlen?" stotterten sie alhemlos. „Natürlich besehle ich. Weshalb läßt nan mich warten, weshalb ist noch nicht der Thee servirt?" Der Diener nahm das Wort: „Gnädigste Gräsin werden verzeihen - wir suchten Komtesse Marguerite." In diesem Augenblick wurden die Portieren zurückgeschlagen und Graf Leopold trat ein. Er sah sehr erhitzt aus, siihrte die Hand seiner Großtante ehrfurchtsvoll an feine Lippen und ent schuldigte leiue Verspätung ebenfalls damit, daß er Marguerite gesucht und nirgends gesunden habe. „Gejucht uud nicht gesunden?" ries Gräsin Tanner. „Sollte das eigen willige Müschen, ohne unser Wissen, mit dem Groom ausgeritle» und" sie wurde bleich „ihr ein Unglück zu gestoßen sein?" Sie gab sofort dem Diener den Be fehl, daß man nachforschen und der Stallmeister sie zu Pserde suchen sollte. „Ich werde mich ihm anschließen." Mit diesen Worten stürzte Gras Leo pold fort. Eine halbe Stunde verging. Nie mand erschien. Ihre Unruhe und Un geduld steigerte sich. Sie griff wiederum nach dem Klingelzug und läutete. Der Haushofmeister erschien. .Ist Komtesse Marguerite au»- aeritten?" ,Mn, gmrdrzste Frau Gräfin." Der. Krückstock stampfte ungeduldig zus. „Weshalb erscheint sie da nicht?'' herrschte sie den fassungslosen alten Mann an, dem seine ganze Würde ver oren gegangen war. „Die gnadige Komtesse ist nicht mehr m Schloß," stammelte er, „man and jenes Billet aus ihrem Toiletten-' isch." Mit vor Zorn bebenden Handen riß >ie Gräsin es an sich, trat an die Lam ie, öffnete und überflog mit ihren nn »ewasfnetcn, scharfen Augen den Jn ialt, indeß der Haushofmeister unbe nerlt ihr einen Fauteuil zuschob. Das war nothwendig, denn was er gefürchtet, trat ein. Kaum hatte sie ,as Billet gelesen, so schleuderte sie »afselbe zur Erde und stürzte mit einem inartikulirten Schrei besinnungslos usammen. Jetzt griff der Haushofmeister zur Klingel und läutete Sturm. Das ganze Schloßpersonal erschien. Zie fanden die Gräfin mit unheimlich tarren Blicken und verzerrten Zügen m Fauteuil zusammengebrochen. Die gestürzung war allgemein so groß, >aß sich alle Scheu vor der Gegenwart >es Kaplans, Graf Leopolds und hras Leonce'S verlor, der, gesührt von einem Diener, ebenfalls anf das Sturmläuten erschienen war. Er ragte, was vorgefallen, und Jeder ke ilte sich, ihm eine Erklärung zu geben, iis der Kaplan Ruhe gebot und die »nordnung traf, das; sofort zum Arzt geschickt und Gräsin Tanner aus ih? l!ager gebracht würde. Man beeilte sich, des Kaplans Gebot zu leisten, und bald waren die )rei Herren im Boudoir der Gräfin illein. Noch niemals hatte Graf Leonce eine Blindheit so bitter und schwer em pfunden, wie in dieser Stunde. Hilf los, wie er war, tonnte er nichts thun, l>lS Anderen das Handeln zu über lassen. Es ist dies sür einen Ihatkräs ligen Geist wohl das Schwerste, was ihn treffen kann. In verstärktem Maße, lvie am heutigen Morgen, empfand er Sie ganze Gewalt der Verzweiflung. die :inen unschuldigen Gefangenen packt, oer von Freiheit geträumt hat und in seinen Ketten erwacht. Gefesselt durch seine Blindheit, vermochte Gras Leonce nicht einmal das Billet Marguerite's ;u lesen, das der Haushofmeister, um Andiscretionen zu verhüten, aufgehoben und ihm in die Hanl» gedrückt hatte.' Er reichte eS dem Kaplan nnd fordert? ihn aus, dasselbe vorzulesen. Es enthielt in Marguerite's nach» lässiger Handschrift die hastig hinge worfene Mittheilung, daß sie sich der Tyrannei ihrer Großmutter, welche sie einem ungeliebten Mann zu verloben wünsche, entzogen und in Begleitung Baron Feldheim'», den sie liebe, zu ihrem Vater nach Wien gereist sei, um von ihm die Zustimmung zu ihrer Verbindung zu erflehen. Kein? Bitte um Verzeihung noch Trauer wegendicses unerhörten Schrit tes war den Zeilen beigefügt. Die Schreiberin mochte wissen, daß sie solche nimmermehr von ihrer Großmutter er warten durfte. So beschränkte sie sich nur aus diese Zeilen. Konnte Gräfin Tanner grausamer in ihrem Stolze verletzt, gestraft wer den? Sie, welche der gamilienehre rücksichtslos das Glück des Sohnes ge opfert, mußte es erleben, daß ihre Enkeltochter sich ihrem Einfluß durch die Flucht mit einem Manne entzog, dessentwegen sie die schuldlose Auge ungehört verdammt und ihres Dien stes entlassen hatte! Graf Leonce wurde bei Anhörung dieser Zeilen begreiflicherweise von den widerslreitendsten Gefühlen erschüttert. Nahmen Marguerite s Zeilen einerseits die Last von seiner Seele, unter welcher er zu erliegen gedroht, so wälzten sie andrerseits eine neue darauf. Niemand konnte fo ermeffen, wie er, welche gren zenlose Demüthigung seiner stolzen Mutter durch ihre Enkeltochter zuge fügt worden, wie grausam der eigene Pfeil, den sie auf eine Unschuldige ab geschossen, zu ihr zurückgeschnellt war, um sie auf's Tödtlichste zu verwunden. Wie beschämend mußte die Erinnerung an jene letzte Scene in ihr ewachen! Qb sie woht eine Wandelung in ihrem stolzen Geiste bewirken konnte? E? hoffte eS, aber er hoffte vergebens. Als mit der Hilfe des herbeigeeilten Arztes allmählich das Bewußtsein sei ner Mutter zurückkehrte, verrieth nichts in der Gräfin kalten, finstern Auge» Reue, Selbstaiiklage. Sie dachte nur, wie sie zu handeln, das zu verhüten hatte, was nimmermehr geschehen 'urste. XV. Einförmig und dunkel, trotz de? FrühlingSfonnenscheinS draußen, schli chen die Tage auf Tanner dahin. Die Gräfin wollte Niemanden sehen uiH sprechen: selbst der Kaplan nnd Gras Leonce fanden keinen Zugang bei ihr. Dem Kaplan zürnte sie, daß er sein Beichtkind nicht bester vor dem ver derblichen Einfluß ihrer Gesellschafterin gehütet, -der sie die Hauptschuld an Marguerite's unerhörtem Leichtsinn aujbii'dete und damit ihr Gewissen über jene Scene im Wintergarten voll ständig beruhigte. Graf Leonce war ihr unbequem, da sie in feinen Zügen die Genugthuung über die erwiesene Unschuld Ange'S zu lesen glaubte, an die sie nicht glauben wollte. Ihr Gemüth, ihr Geist waren auf's Höchste verbittert, und so brachte sie dem liebevollen Bemühen ihres blinden Sohnes, den harten Schlag, der ihren Stolz getroffen, durch Theil nahme zn mildern, abwehrende Kälte entgegen, arbeitete sich immer mehr in Zorn und Haß gegen ihre Kinder hinein, die sich ihrer Leitung nicht mehr blindlings, wie sie eS verlangte, unterwerfen wollten, wa» ihr Graf Herbert, der Bater Marguerite's. in feiner Antwort auf ihre Forderung, Marguerite unverzüglich dem Kloster jw zcrselben ziemlich karz seiner Empö rung über seiner Tochter Leichtsinn Zlusdruck verlieh» len-kte er sehr bald n einen milderen Zun ein und ent chuldigte Marguerik mit ihrer gänz ichen Unkenntniß von der Welt, wegen >er sie sich die Tragweite ihrer Un lesonncuheit nicht klar gemacht, was hm ihre, unter Thränen gegebene Er lärung, dag sie doch nicht ohne Schuh Tauner hätte verlassen und die Reise intrete» können, bewiesen habe. Wei er sührte er an, daß sie in der Flucht »e einzige Rettung vor der von ihrer l Großmutter geplanten Verbindung ge-! Ehen habe. „Ich fürchte," fuhr ihr Sohn sort, „das! ich darin unübcr egt gehandelt, Dir, liebe Mutter, in Deinem dohen Alter die Ueberwachung unes jungen uudiscipliNirlen ers, als welcher sich leider Marguerite n dieser peinlichen Affaire gezeigt, zu iberlassen. Hätte sie unter meiner zäterlichen Autorität gestanden, so wäre »ieser Skandal vermieden worden. Wie >ie Sachen nun einmal liegen, paßt Nargucrite nicht in ein Kloster und st es besser, sie sobald wie möglich nit Feldheini zu verheirathen; die Ge chichte wird dann sehr bald im Sande icrlaufen, ja kaum zur Kenntnis der Gesellschaft gekangen. da ich Mar luerite's Hochzeit mit einer, gewissen Ostentaiion so glänzend wie möglich in's ZtZerk setzen werde. Selbstver ständlich habe ich meinem zukünftigen Herrn Schwiegersohn seinen Stand- Mnkt klar gemacht, indem er nicht wie ?in Mann von Ueberlegung und Ver stand, sondern wie ein verliebter kopf loser Fähnrich gehandelt. Im klebri gen hat er sich durch diesen Fähnrichs streich mit Rofenketten gefesselt, deren Dornen ihn bald recht empfindlich ste chen werden: denn ich sürchte, Mar guerite wild i» ihrer Unerzogenheit, ihrem Uebermuth, eine recht launen hafte. kaprieiöfe kleine Fran werden, die ihm die Strafe für seine Unbeson nenheit in die Ehe gleich mitbringt. Der Mann gefällt mir soweit nicht schlecht. Er ist von guter Familie, in seinen Allüren ein Mann von Welt und Erziehung, dem Dollen, bei wel chem ich nähere Erkundigungen über ihn eingezogen, das beste Zeugniß aus gestellt. Seine Vermögensverhältiusse sind nicht gerade brillant und soll er von seinem Vater, der in München im Ministerium eine angesehene Stelle be kleidet, wegen früherer Spielschulden etwas kurz gehalten werden. Das soll weiter geschahen, indem ich ihm nur eine bestimmte Rente aussehe und die Verwaltung von Margneritc'S Vermö gen in meinen Händen behalte. Du siehst, theure Mutter, ich habe mich nach allen Seiten gesichert und hoffe hier durch Dich cbeusalls mit einer Verbin dung zu versöhnen, welcher bei ruhiger Ueberlegung Dein klarer Verstand als dem erfolgreichsten Mittel, der Medi' sance den Mnnd zu schließen, zustim men wird." (Fortsetzung folgt. Noth macht «rstndttisch^ Kurt saß mit seinen Freunden beim Wein. Die Stimmung war die denk bar beste. Scherzreden flogen hinüber und herüber, und Jeder gab sein Bestes zur Unterhaltung der Gesellschaft. Das Hauptthenia aber bildete doch das Rennen, das morgen Vormittag ir X. stattfinden sollte. „Dn bist also dabei bestimmt?' fragte der Eine. ~Na, selbstverständlich!" entgegnet« Kurt. .Du, sag' das noch nicht so fest—de» Zug geht früh um 7 Uhr." rief ein An derer lachend. „Wenn ich Dir sage, ich bin dabei, dann ist das gewiß!" warf Kurt etwas gereizt hin. „Na, na, mein Junge," begann nun der Dritte, „brauchst Dich nicht zu er eifern—Hast ja schon manchmal den Zug verschlafen." „Wollt Ihr wetten?" rief Kurt. Einen Augenblick schwiegen Alle. Dann sprach der Erstl wieder: „Gut, ich haltt die Wette! Du der> schläfst die Zeit!" „Was gilt die Wette?" „Füns Flaschen Seit!" Angenommen!" Die Vereinbarungen wurden notirt, und man zechte sröhlich weiter, ohm diesen Punlt noch einmal zu be rühren. Als man sich trennte, war es spät» und Jeder hatte einen kleinen Spitz. Kurt hatte einen großen. Das merkt« er erst, als er sich niederlegte, und als das Bett, die Möbel, der Ofen, das ganze Zimmer sich im Kreise drehte. Er konnte nichts mehr klar denken, ganz dunkel nur schwebte ihm noch die Wette vor, aber alles wirr und ver schwommen. Endlich schlief er ein. Am nächsten Morgen um 7 Uhr. als die drei Freunde den Zug bestiegen, war Kurt noch nicht zur Stelle. All gemeines Gelächter. Man sah sich an, nickte sich zn, freudig, auch schadenfroh. Die Wette war gewonnen. Es war ja auch ganz selbstverständlich, denn man kannte Kurt'S Schwäche ja. nur zu gut. Der Zug suhr ab ohne Kurt. Kurt erwachte, sein erster Blick galt »er Uhr. Himmel! Verschlafe»! Eine Vier telstuude zu spät ausgemacht! « Sosixt war er auf, in seine Klei der, Toilette gemacht, den Hut, Mantel, Stock, und nun nach dem Bahnhof. Jetzt gab nach, das ihn retten tonnte: er mußte den Schnell zug nehmen! den« dieser, obgleich er »iue Halde Stunde später absuhr, als der Frühzug, lam noch eine Stunde früher an in Zt. als der Bummelzug. Also ihn noch zu erreichen, das galt »» jetzt. Und Kurt erreichte shn, im letzten Moment noch. Er war gerettet, er athmete au; und lachte schon heimlich »der dw veÄilllfftM! SesWn der Freunde. Aber ein neues Uebel sollte i>w tres. >en. Dieser Zug, eben weil ein Schnell lug, hielt nicht an kleinen Statio !>cn, auch nicht in X., sondern> fuhr »irekt durch bis zur Endstation. Was nun? Einen Augenblick zögerte ssurt. Da ihm aber nicht Zeit zum Itachdenten blieb, löste er ein Billet zur Zndst-atwn und bestieg den Zug. Rath mußte sich finden, aber wie, das wsr ihm noch nicht tlar. In sausender Eile dampfte der ZvK dahin. Kurt sah hinaus aus die lachen oen Gesilde und dachte immer nur: was joll jetzt blos werden? Ihm gegenüber saß eine ältere Dame, klein, korpulent und mit fettem Gesicht; sie war sehr nobel gekleidet, trug Bril lanten in Fülle und eine schwere goldene Kette. Also war sie sicher wohlhabend. Auf ihrem Schooß sonnte sich ein klei ner Hund, ein entzückender, weißer Seidenpinscher, den die Dame zärtlich losend streichelte und herzte —sie mußte ihn also abgöttisch lieben. „Welch ein reizendes Thierchen/ sagle Kurt und strich über das seiden weiche Haar des Hündchens. Sosort wurde die Dame freundlich. Nicht wahr!" sagte sie und weinte beinahe Freudenthränen, „ja, das kleine Bobchen ist auch meine ganze Freude aus der Welt!" Dabei strei chelte sie das Thierchen und herzte und lüßte eS in schier abgöttischer Liebe. Kurl sah das mit an, stilllächelnd. und da mit einmal kam ihm ein Ge danke. der ihn retten konnte. Er überlegte einen Augenblick, ja, das mußte er thun. Plötzlich sah er das Hündchen genauer an, fein Entschluß war gesaßt. „Aber, um des Himmels Willen," ries er, „der Pinscher ist ja trank!" Wie vom Schlage getroffen suhr die alte Dame auf. „Gewiß!" versicherte Kurt, „sehen Sie doch nur die Augen an, schon ganz trübe, und die Schnauze, ganz warm, und überhaupt die ganzeMattigkeit des TbicrchenS; ja, merken Sie das nicht selbst?" Die alte Dame rang nach Athem. „Schrecklich, schrecklich!" Sie hob daS Hündchen aus, und in ihrer Angst sah sie nun alles zehnmal schlimmer, als Kurt es dargestellt hatte. „Es wird keine drei Stunden mehr leben," sagte Kurt, „wenn Sie nicht sofort einen Arzt conlultiren wollen." „Mein Gott, ja. ich will ja alles, alles thun/' jammerte sie, „aber wo soll ich denn hier einen Arzt finden?" „Ich wüßte schon einen sehr tüchtigen Arzt, der wohnt hier in X.: — aber, da hält der Xng ja nicht," mgegnelc Kurs bedauernde „Er hält nicht? Ach. ich lasse ihn halten ! Wozu ist denn sonst die Noth pseise da ? Es gilt ja ein Leben zu retten!" Kurt mußle sich zwingen, um nicht zu lächeln. Aber die Dame sah und hörte nichts von dem, was »M sie her vorging, sie war nur noch mit ihrem geliebten Aobchen beschäftigt. Endlich kam die bewußte Station X. in Sicht. Kurt s«ß scheinbar ruhig da und harrte der Dinge, die da kommen wür den. Da mit einem Mal, gerade als der Zug in den Bahnhof sauste, sprang die alte Dame aus, energisch, mulhig, riß den Hebel der Bremse herum, und nun'nmr's geschehen. Ein schriller, gellender Pfiff! der Zug hielt. Jetzt entstand ein chaotischer Wirr warr. Alle Passagiere, welche wußten, daß an dieser Stelle der Schnellzug sonst nicht hielt, verließen bestürzt ihre Plätze. Jeder glaubte, es wäre ein Unheil im Anzüge, ein Zusammenstoß oder derartiges, und in wilder Hast, in fürchterlicher Panik rannten alle aus den Perron. Der Zugführer und alle anderen Bahnbeamten kamen und verhandelten mit der alten Dame. Aber Kurt hörte nichts mehr davon. Er hatte die allgemeine Verwirrung be nutzt, und war mit schnellen Schritten durch die Bahnhofsrestauration ent kommen. Er war gerettet. Sosort eilte er in die Kneipe, die man gestern Abend als RendezvouS platz gewählt halte, und nun wartete er auf die Freunde. Aber er mußte beinahe eine Stunde warten. Um so größer war daher seine Freude, als er die langen Gesichter seiner drei Freunde sah. die ihre Wette nun verloren halten. Am Abend desselben Tages traf er die alte Dame wieder. Als sie Kurt erkannte, kam sie auf ihn zn, reichte ihm die Hand und sprach unter Thrä nen: „Wie danke ich Ihnen! Mein, Bobchen ist gerettet! Der Arzt hat ihn noch in Behandlung da, aber es ist kein« Gefahr mehr!" Kurt lächelte heimlich. Er kannte ja die Aerzte. So einen Verdienst, lie ßen sie sich nicht gern entgehen; denn daß der Huud kerngesund war, daran zweiselle er keine Minute. Aber die alte Dame war beruhigt; der petumäre Schaden tras sie nicht schwer, und Kurt hatte seine Wette gewonnen. Dann trank man die füns Flaschen Sekt, ja, -s sollen noch mehr geworden fein. Bei einer Prüßu«g in einer Genieindeschnle fragt« der Schpl raty, was man unter einem „Staats mann." versteht. Nach einer Pause gab endlich einer der Jungen die Ant» > wort: „Einen Mann, de» Reden hält." Dies« Antwort genügt» natürlich dem schulrath nicht, und erläuterte n»n »iesen Begriff den Schülern dadurch. . daß er den Namen wie Bismarck nannte > und erläuternd hinMügte: „Seht Ihr, ich haltt zuweilen auch Reden und b>n > doch lein Staatsmann. Wer ist als» ! »in solcher?" Darauf ein Schüler - .Einer, der gute Reden hält!" > Zur Beruhigung. „Dieser verdammte Kerl hat mich einen Esel i zmannt!" „Aber beruhigen Sie sich c zoch. Sie sind ja 60 Jahre alt. und 5 io alt wird doch kein Siel!" a«sai»nk Im Jahre 1801 wurde ich mit der Mannschaft eines Linienschiffes »nd in Gemeinschaft eines alten Freundes, Julius von Arteau. nach den französi schen Etablissements in Ostindien be ordert. Nachdem mir bei Pondichery Anter geworfen, erhielten Arteau und ich die Erlaubniß, das Schiff a>rf län gere Zeit verlassen zu dürfen, »nd wir gaben uns allen Genüssen und Vergnü gungen hin, deren Werth die lange Entbehrung in unseren jugendlichen Augen gesteigert hatte. Wir setzten unsere Wanderung nach Norden sort, um den Ganges zu sehen, »nd gelangten endlich in ein kleines Hindustädtchen an diesem Flusse. Hier beschlossen wir uns, einstweiligen Auf enthalt zu nehmen. Mein Freund liebte die Frauen über Alles. ES gelang ihm hier, die Gunst der Gattin eiues HindupriesterS zu er langen und er bat mich, ihm während seiner Zusammenkiinste als Wächter zu » dienen. Ich hatte eigentlich wenig Lust, die versangliche Rolle zu Überneh men. Julius schien meinen Wider willen aber sür Feigheit zu halten und so versprach ich ihm denn Alles, was er von mir verlangen wurde. „Am heutigen Tage noch." sagte er zu mir, „soll sich Deine Freundschaft bewähren, ich habe ein RendezvonS mit meiner Auserkorenen." „Mein Wort darauf," erwiderte ich; „wenn dieser Brahmine es übel aus nehmen sollte, daß ein französischer Of fizier seiner Frau den Hof macht, so wollen wir ihm zeigen, was eine gute Klinge vermag." „Sei ohne Sorge; auf's Schlagen ist es heute nicht abgesehen. Der Mann ist vom Hause abwesend, und es han delt sich nur um ein trauliches Abend essen, wozu ich Dich freundschaftlich einlade." Um neun Uhr Abends machten wir uns auf den Weg und gelangten durch - eine geheime Pforte in ein reizendes Gärtchen, wo eine Sklavin bereits un serer harrte, um uns zu ihrer Herrin zu führen. Ein Tisch, mit den De likatessen des Landes bedeckt, stand be reit. Wir ließen uns das Dargeboten« trefflich munden. Mein liebenswürdi ger Freund war in der heitersten Stim mung, die ihre Wirkung aus mich nicht verfehlte. Noch hatte ich die Herrin de? HauseZ die Geliebte meines Freundes nicht gesehen, als die Scene sich plötzlich änderte. Ein Vorhang ward gehoben, und ein riesiger, schwarzer Sklave, ein entblößtes Schwert in der Faust trat schweigend vor uns hin. Wir aber wa ren unbewaffnet. Dem Schwätzen folgte ein bejahrter Mann, der Brahmine: er verbeugte sich tief, der Fürchterliche! Während wir noch immer das verhängnißvokle Schwert vor unseren Augen blitzen sahen, führte man uns in ein düsteres Gemach, wo wir gesesselt auf einen Haufen getrockneter Kräuter geworfen wurden.' Die ganze Nacht machte ich meinein armen Freunde Vorwürfe über seine Unvorsichtigkeit und predigte ihm die schönste Moral. Der arme Jung« war trostlos. Endlich drach der Tag an; der Brah> mine erschien, verneigte sich wiederum mit ungewöhnlicher Höflichkeit, ließ uns der Baude entledigen und ein herrliches Frühstück auftragen. Ich zweiselte kei nen Augenblick daran, daß er die Ab sicht habe, uns zu vergiften; da aber der Tod auf die eine oder andere Weise uns gewiß schien, so langten wir lapfe» zu. Allein unsere Besorgnisse, waren un begründet. Ich schöpfte neuen Muth und beschloß, in Geduld den Ausgang eines Abenteuers abzuwarten, welches, nachdem bisherigen Verlauf zu urthei len, nicht so schrecklich enden konntt. Julius dagegen blieb traurig und nie dergeschlagen; ein Vorgefühl sagte ihm. daß der Brahmine eine schreckliche Räch« an uns zu nehmen beabsichtigte. Gegen Mittag wurden wir in einer Sänfte abgeholt. Der Weg ging längs dem Ufer des Ganges hin. der seine gehei ligten Wogen dahinwälzte, während hohe Palmen ihr» Blätterkronen in di, Lüfte streckten und der Sand zu unsern Füßen durch die Strahlen der asiati schen Sonne vergoldet wurde. Dies alles, mit Ausnahme der Ungewißheit über unser bevorstehendes Schicksal, versetzte uns i« eine Art von Bcrau- verstrichen zwei Tage; am drit trn wurde Halt gemacht, und die Hin dus lagerten am Ufer des Ganges, nicht weit von einem Dorfe. Am folgenden Morgen erschien der Brahmins; sein« Gesichtszüge.waren finsterer, als zuvor. Auf seine» Beschl wurden wir neben der Hütte des Anführers geführt. Bier brennende Fackel» waren an den Enden des Terrains aufgesteckt und ein« Statue des Brahma streckte ihre zahl reicheit'.Arme nach uns aus. . Auf ein Zeichen des Priesters ergrif fen die Hindus plötzlich mein«» Freund, legten abwechselnd seine Hände und Füße auf einen Klotz, und jedesmal trennte eia Schwerthieb die einen oder di«. anderen vom Körper. Der Un glückliche stieß ein herzzerreißendes Ge» schrei a>6. bis das Schwert des Hen kers wie ein Blitzstrahl, herabfuhr und das Haupt des Freundes zu meinen Füße» rollte. Ich selbst ward über die Grenze des unter britischer Herr schalt stehenden Distriktes geschasst, ohn« von dem Schicksal der armen Frai, in Ersahr»ng gebracht zu haben. Uebertrumpft. Ich kenn« »eine Furcht? ich getraue mich Nacht, über einen Friedhof zu gehen! Dag will gar nichts sagen. Ich getraue mich, meiner Alten nach Mitternacht nach Haufe zu kommen! Devoter Widerspruch. Graf: Hat mein Sohn geschlasen, Jo, Hann? - Nein; d«r junge Graf hat ge. ruht, nicht zu ruhen' 3