Das Verhängniß. (3. Fortsetzung.) Thaufrisch lächelten ihm die rosigen Lippen entgegen, als wollten sie ihn zu einem Kuß herausfordern. Und er sollte vorübergehen, ohne dieser Lockung zu solgen, blos weil seine Gedanken sich damit beschäftigten, wo er Ange zu suchen, was er ihr zu sagen habe? Er konnte das Eine thun, ohne das Andere zu lassen —Thor, den Augenblick nicht zu genießen, der sich ihm verführerisch in dieser kindlichen Mädchenknospe bot. Minen Komtesse, wen man in Frank reich mit diesen Blüthen schmückt?" fragte er, tief seine Augen in die ihrigen senkend. Heiße Gluth schoß in ihr Gesicht. „Ach i» Frankreich." stammelte sie verwirrt, „wir sind in Deutschland!" „So würden Sie der Myrthe den Vorzug geben?" „Natürlich!" sagte sie und zerpflückte verlegen den Blüthenzweig. Er suchte ihn gegen diesen VandaliS mus zu schützen. Dabei berührten sich ihre Hände. Sie wagte nicht auszu blicken. Wie der geübte Vogelsteller, dem ein niedlicher Buchfink in s Garn gegangen, hielt er ihre kleine bebende Hand fest. „Bitte, geben sie meine Hand frei." flehte sie mit scheuem Umblick, ob sie von Niemand beobachtet würde. Sie konnte ruhig sein. Di: wenigen Paare, welche mit ihr den Wintergar ten ausgesucht, hatten sich in den Saal zurückbegeben, wo die Musik die Intro duktion zu einer Polka intonirte. Diese hatte sie an Feldheim vergeben. Bei aller ihrer Koketterie besaß sie eine fast kindliche Unersahrenheit und Of fenheit, die ihm, wenn auch nicht neu— Ange hatte ganz dieselbe gehabt—, so doch immer wieder pikant war. Das Auge ermüdet viel eher durch den An blick farbenprächtiger Gartenblumen, als durch den einfachen Liebreiz holder Wildlinge. Es war das Prinzip seines Lebens, keinen sich darbietenden Genuß vorübergehen zu lassen. Er zog die leichte Gestalt Marguerite's näher an sich und drückte einen Kuß auf ihre rosigen Lippen, bei dessen Gluth es Marguerite wie Schwindel tiberkam. Da schreckte sie auf. Leichte, eilige Schritte näherten sich, ihr Name wurde gerufen. Erschrocken entfloh Mar guerite; Feldheim blieb zurück und stand vor Änge. Sie war von Gräfin Tanner abge. sandt worden, Marguerite zu suchen und war aus diese gefürchtete Begeg nung vorbereitet; denn sie war nicht im Zweifel, in welcher Gesellschaft Marguerite sich in den Wintergarten zurückgezogen hatte. Bei dieser sicheren Voraussetzung wuchs ihr Muth und Entschluß, das gesährliche Beisammensein des Paares mit aller ihr zuGebote stehenden Energie zu uiiierbrechen und sich dabei ganz zu Vergessen. Als sie sich aber ihm allein gegenüber sah und er, die Situation mit Geistes gegenwart überblickend, ihre Hand er greisen wollte, erwachte die Erinnerung und sie sagte in eisigem Tone, als habe sie weder die ausgestreckte Hand, noch den leuchtenden Blick gesehen, mit denen er ihr Zusammentressen begrüßte. „Mein Herr, ich denke, wir kennen uns nicht. Ich bin von Gräsin Tanner abgesandt, um Komtesse Marguerite zu"suchen, welche man im Tanzsaal ver mißt." Ihre Ruhe und Kältewirkten heraus fordernd. „Gehören Ehrenwächterposten zu Ih rem Berus?" fragte er mit sarkastischem Lächeln. „Gewiß, wenn Komtesse Marguerite die- bedarf." „So kann ich Ihnen mittheilen, daß besagte junge Dame sich vor wenigen Minuten in einem I'st«-»-tsrs mit mir besuudeu. Sie wissen aber aus Er fahrung. daß solches durchaus unge fährlich ist." „Wenn Sie an meine Erfahrung ap peiliren, möchte ich Sie daran erinnern, daß mau mit dem Herzen und der Ehre einer >!ointesse Tanner nicht ungestraft sein gewnsciUoses Spiel treibt." .Mauden Sie nicht, daß ich aus je dem «viel Ernst machen taun, wenn rch will?" „Wenn Sie wollen—oh!" Wider Willen war ihr dieser Ausruf cnt chluvit, deu er in seiner Weise sich auszulegen suchte. „Ja, Ang.'," er näherte sich ihr, ohne es zu beachten, daß sie bei seiner Annäh-'rnng zurückwich, „wenn ich will. Und ich will die Tage schmcrzlich ent behrten Glückes für uns zurückrufen. Mein Wille hat die Ketten einer ent würdigenden Verlobung zerrissen, mein Wille soll Dich aus Deiner Niedrigkeit erheben." Es war nicht mehr der ruhige, über legene Weltmann, sondern wieder der gewinnende, bezaubernde Kurt Feld iieim, dessen Nähe sie ersehnt, dessen Sophismen sie noch hat ten. Wie betäubt folgte sie ihm und sah hinreißend schön aus in ihrer Ver wirrung, dem steten Farbenwechsel, den fest gegen ihre Brust gedrückten Händen. Mit Kennerauge überblickte er ihre zur schönsten Sqmetrie voll entwickelte, biegsame Gestalt, welche in den weiche» Falten des Kaschmirkleides Plastisch ab gerundet den idealsten Vorwurf zu einer Psliche gegeben Hütte. Das Ver langen nach ihrem Besitz wuchs riesen groß, ihr Schweigen belebte seine Hoff nung. daß jene selige Zeit ihrer Liebe znrückkehre». sie bald als sein Eigen thum an seinem Herzen ruhe» werde. „Tu schweigst. Auge? Wie habe ich dieses Schweigen, Dein Erblassen zu deuten? Einst zcihtest Tu mich der Kälte, zweifelhaft an der Dauer meiner Liebe, zürntest meinen Worten: die Frauen lieben, bis der Roman zu Ende ist. Noch ist er nicht zu Ende, noch bin ich unverändert für Dich derselbe ge blieben. Ja, mehr als das: ich bin frei frei, um Dir. Dir allein zu ge hören, und doch hast Du kein Wort der Liebe, der Verzeihung sür mich?" Sie hatte die Krast zu einer ruhigen Entgegnung erlangt. „Sie wissen, in welcher Stunde der Roman sein Ende erreicht, er kann nicht wieder auferstehe», denn ich liebe Sie nicht mehr." Das war klar, das war deutlich ge sprochen; aber statt seinen Stolz zu wecken, entsesselte es seine Leidenschaft. Widerstand da, wo er siegen wollte, hatte er bisher noch bei keinem Weibe gesunden, und das hier bei ihr, die er liebte, um deren Besitz er sich selbst die glänzende Zukunft zu opfern bereit fühlte! „Ange," rief er, vergessend, wo er war und daß sie gehört werden konn ten, „es ist nicht möglich, daß Du auf gehört, mich zu lieben, jene selige Zeit unseres Glückes vergessen hast!" „Welch' unwürdige Handlung!" Bei dem Ton dieser Stimme sank Ange fast in die Knie. Wie das Haupt der Medusa wirkte die unerwartete Dazwischenknnft der alten Gräfin. Sie war versteinert, keines Wortes mächtig. Die namenlose Furcht, welche sie der Gräfin gegenüber stets beherrschte, wan delte sich in Entsetzen, verwirrte ihren Verstand, gab ihr das Aussehen eine, Schuldigen. Feldheim entging diese Wirkung nicht und er benutzte dieselbe. Sein Spiel mit Marguerite war nun doch verloren; nie würde diese hochmüthige Frau ihre Einwilligung zu einer Ver bindung mit ihrer Enkelin geben. Das sagte ihm das eiserne Gesicht, der stolze Blick, mit dem sie ihn und Änge maß. Jztzt galt eS, wenigstens Ange für sich zu erobern, sich zu ihrem Ritter auszu werfen. ~Ich wüßte nicht, Frau Gräfin," sagte er mit vornehmer Gelassenheit, .daß Sie hier zu einer unwürdigen vandlung gekommen. Mein Zusam mentreffen mit Fräulein Saterno in Ihrem Hause, obgleich ein zufälliges, gab mir —" Die Gräfin ließ ihn nicht ausreden. Sie fand eS im höchsten Grade m»uv»is daß dieser in ihren exclusiven Kreis hineingeschneite Baron, welchen sie nur aus nachbarlichen Rücksichtey für die befreundeten Döllens eingela den, sie mit einer Erklärung belästigen wollte. Für die Liaison eines Galan fühlte fie weniger Zorn, als über fein Bemühen, sich zu entschuldigen. Sie kannte die große Welt und wußte, wie dieselbe dergleichen Verhältnisse leicht nimmt; auch sie war weit davon ent fernt, ihm deswegen einen Vorwurf zu machen. Ihre Verachtung traf nur Ange, welche sich erkühnt, ihn in ihrem Haufe zu einer Annäherung zu ermuthi gen. Ohne zu untersuchen, wie weit sie die Schuld tras, noch für gelegenere Zeit sich eine Aufklärung zu erbitten, brach sie über das unglückliche Mädchen den Stab und sagte in hartem, schlös sen« Tone: „Ich bitte Sie. Baron, lei sten Sie dem Leichtsinn dieser jungen Person durch unangebrachte Ritterliche keit keinen Vorschub. Fräulein Sa terno," wandte sie sich an Ange, die keines Wortes, keiner Vertheidigung mächtig, den Richterspruch üb?r sich er gehen iieß, „Sie sind Ihres Dienstes in meinem Hause von Stund an entlassen. Das Honorar für das laufende Vier teljahr wird Ihnen mein Secretär ver abfolgen." Damit wandte sie sich, schwer auf ihnn Krückstock gestützt, dem Ausgang des Wintergartens zu. Da tam Leben, Bewegung in Ange's erstarrte Gestalt. Sie wollte der Gräfin nach, ihr zu Füßen stürzen. „Ich bin unschuldig!" entrang es sich ihren Lippen. Die Gräfin hörte es nicht und Feld heim verhinderte sie, ihr zu folgen. Er hielt sie am Arm zurück. „Um Gottes willen, Ange, mache keine Scene! Be denke, wenn man Dich hört! Hat diese hochmüthige Frau Dich ungehört ver urthcilt, so wird sie, um Recht zu be halten, vor der ganzen Gesellschaft Deine Ehre brandmarken, und Niemand wird an Deine Unschuld glaube». Ueberlasse mir Deine Vertheidigung, ich werde sie damit süliren, daß ich Dich zu meinem Weibe mache." Zu seinem Weibe! Und Leonce Lconce, der ihr vertraute, sie liebte, der, ach nur zu llar, geahnt, gefürchtet, in welche Gejahr sie ihre Schu'tzlosigteit. ihre Tienstl'arkcit bringe» konnte, was würde aus ihm? Was aus seiner Liebe. „Alles," hatte er gesagt, „kann ich er tragen, nur keinen Flecken auf dem Namen meines zukünftigen Weibes! Wie hatte sie zu handeln, welcher Stimme mußte sie solgen? Sie wußte eS nicht. Der Versucher an ihrer Seite sagte eS ihr. lockte sie mit der Vorspiegelung, daß er sie zu seinem Weibe machen wolle. Sie schau derte. Was sie einst als höchste Selig keit geträumt, schien fie sür immer zu vernichten. O. wenn der Wahnsinn sie jetzt ereilte! Lieber den Verstand verloren, als eine Trennung von dem Heißgeliebten, den« ihre ganze Seele geHorte. Sie riß sich von Feldheim IoS und entfloh durch eine Seitenthür aus dem Wintergarten auf ihr Ziminer. Hier brach sie zusammen, nicht ohnmächtig, nicht in Jammer und Thränen, sondern betäubt; in thränenlosem Schmerz rang sie die Hände, rief sie des geliebten ManncS Namen. Vergebens suchte sie über diesen hinweg Klarheit in ihre Gedanken zu bringen. Sie vermochte eS nicht. Wenn sie eS vermocht, wäre sie nicht aus ihr Zimmer, sondern zu ihm geeilt, Hütte sich Schutz suchend, alles erklärend, in seine Arme geflüchtet und dort Schutz, Trost und Beruhigung gefunden. So aber stand immer in vernichtender Klarheit der Gräfin Zorn, Feldheims Worte vor ihren Auaen. daß nach dem Vorgefallenen Niemand an ihre Unschuld glauben würde, daß ihre Ehre vernichtet sei und sie darnach zu handeln habe. Wie lange sie gekniet und die Hände gerungen sie wußte eS nicht; als sie sich erhob, war alles in ihr still, kalt, todt jede Hoffnung erstorben. In einem somnambulen Zustande begann sie, ihre Sachen in einen Koffer zu packen, von welcher Beschäftigung sie auch nicht aussah, als die Thür geöffnet wurde und Madelon, das Hausmäd chen eintrat. Sie brachte ihr einen Zettel, den ihr ein Herr sür das Fräu lein gegeben, blieb aber erschrocken mit ten im Satz stecken, als sie Anges Be schäftigung und ihr todtenblasseS Ge< ficht sah. „Heilige Mutter Gottes, was geht denn hier vor und was fehlt Ihnen, Fräulein? Sie sehen ja wie der leib hastige Tod aus!" rief das Mädchen und schlug die Hände zusammen. Ange antwortete nicht, sondern ent faltete den lose zusammengefalteten Zettel, der aus einem Notizbuch geris sen war und in französischer spräche die Aufforderung enthielt, sosort nach der Taxusallee am Ausgange des Win tergartens zu kommen, da man noth wendig mit ihr sprechen müßte, um die Stunde der Abreise festzusetzen. Der Zettel war K. F. unterzeichnet. Ange zerriß das Billet in kleine Stücke. „Es ist gut," erwiderte sie tonlos und fuhr in der unterbrochenen Arbeit fort. DaS Mädchen schüttelte verwundert den Kopf. „Mit der muß es nicht ganz richtig fein," dachte es und laut sagte es: „Fräulein, wozu packen Sie denn mit solch fieberhafter Eile? In der Nacht können Sie doch nicht abreisen wollen!" „Ich muß," war Agnes lakonische Antwort. „Sie müssen? Jetzt, wo der Ball im Hause? Ja, Fräulein, was denken Sie denn, was die gnädigste Frau Grä fin dazu sagen wird?" „Sie ist es, die mich fortschickt." „Jesus Maria, weshalb?" Als Ange nicht antwortete, fuhr das Mädchen fort: „Ohne allen Grund kann man Sie doch in der Nacht nicht sortschicken! Legen Sie sich ruhig in s Bett, Sie sind krank. Ich werde Ihnen Thee bringen, morgen sind Sie frisch und munter. Dann können Sie sich bei der Gestrengen entschuldigen, wenn Sie sich wirklich etwas haben zu Schul den kommen lassen, das ihren Zorn erregt hat." Sich entschuldigen bei der Gräfin! Es durchrieselte sie kalt, wenn sie an den Blick der Verachtung dachte, mit dem die Gräsin sie meocageschmettert und ihr allen Muth zur Rechtfertigung genommen hatte. Es würde morgen unter ihren gefürchteten Blicken nicht anders fein, sie kannte ihre grenzenlose Feigheit dieser starken Frau gegenüber. Diese ihre Feigheit trug die Schuld an all dem Elend, das über sie, über den Heißgeliebten unbarmherzig hereinge brochen. Wenn sie ein einziges Mal der Gräfin ruhig, sicher, selbstbewußt ent gegengetreten, sie hätte auch jetzt den Muth gesunden, für ihre Ehre selbst einzutreten, aber so kannte sie nur ihre Schwäche und Feigheit und streckte die Waffen. Madelon legte sich ihr Verstummen als Zusage aus, daß sie sich die Sache überlegen und ihren Rath befolgen wollte, und verließ, da ihr keine Zeit zum Verweilen blieb, das Zimmer. Ange war wieder allein. Mit zit ternder Hand schloß sie den Koffer und steckte den Schlüssel in eine kleine Reise tasche, in welche sie die nothwendigsten Toilettengegenstände, sowie Geld und Schmucksachen hineingepackt hatte. Ihr Helles Kleid hatte sie gegen ihr schwarzes Trauerkleid umgewechselt. Sie zog jetzt einen Regenmantel darüber, setzte einen Hut aus, hing sich die Tasche um und stand so reisefertig, die Hand an der Stirn haltend und sich besinnend, was nun zu thun, welchen Weg sie zu nehmen habe, da. Den Koffer mußte sie einstweilen zurücklassen, sie konnte jetzt nicht erwarten, daß man ihr einen Wagen zur Station gab. Sie mußte den Weg zu Fuß zurücklegen: später würde sie ihre Adresse ausgeben, an welche maü ihre Sachen zu schicken habe. Das war alles erstaunlich klar be dacht. Nur in einem Punkte verwirr ten sich die Gedanken: wenn sie an Graf Lconce dachte. Sollte, mußte sie ohne Abschied von ihm? Ja, sie mußte es, es war ja doch alles zn Ende, alles, er konnte sie jetzt nicht mehr zu seinem Weibe machen, das war unmöglich. Ihre schuld lag auch vor ihm als be wiesen da. Hatte sie ihm nicht die An wesenheit Feldheims, seine Begegnung mit ihr verschwiege»? Welche Recht fertigung gab es hierfür? Keine, denn er hatte ihr unbegrenztes Vertrauen ge schenkt, und sie, wie hatte sie es ihm ge lohnt? Durch Feigheit. Aber sie wollte nicht mehr feige, sie wollte stark fein. Sie wollte entsagen, allem, allem entsagen nnd die Verach tung der ganzen Welt auf sich nehmen. XII. In der Taxusallee schreitet Feldheim ungeduldig aus und nieder. Eine Vier telstunde rinnt in die andere die Erwartete kommt nicht. Einkam liegt der breite, unbeschattete Weg da. Ueber den Kronen der Baume entfaltet sich die Sternenpracht. Leise rauscht der Wind, Nachtvögel mit scheuem Flügelschlag huschen dahin. Noch nie ist Feldheim eine Stunde sc lang geworden, noch nie hat er mit solcher Ungeduld, solcher Spannung einem Rendczvou» entgegengesehen. Wird sie kommen oder ist sie wahnsin nig genug, Verachtung und Schande der Ehre, sein Weib zu werden, vorzu ziehen? Unerhört, unglaublich! Das Netz war so glücklich für sie gestellt wor den, und doch sollte sie sich nicht darin sangen, sondern den Muth haben, seine Maschen zu zerreißen? Wie das Blut in seinen Adern kochte, wie die Leiden schaft wuchs, nun sich ihm Hindernisse und der ganze Stolz einer grkränlten MSdchenfeele entgegenstellten! Er knirschte mit den Zähnen, er ballte die flaust, er fühlte die Aufregung wie Neuer durch seinen Körper rasen. Wenn fie jetzt gekommen, nichts hätte sie gegen seine zur vollen Höhe entfesselte Leiden schaft mehr geschlitzt, nach der sie zu sei nen Füßen um die Ehre, sein Weib zu werben, hätte flehen müssen. Und er sah sie schon vor sich auf den Knien lie gen, die weiche, biegsame Gestalt mit den heißen, dunklen Äugen, die so glü hend zu zürnen, so hingebend zu leuch ten w«ßtcn. Unentschlossen, ob er noch länger warten sollte oder nicht, schritt er noch einmal langsam den Taxusweg hinauf. Da knirschten leichte Schritte hinter ihm im Kiesweg. Endlich so kam sie doch! Er war zornig und glaubte dazu alle Ursache zu haben. „Wezhalb dieses gefahrvolle Zögern? Hast Du nicht meine Zeilen erhalten?" fragte er, sich der Entgegenkommenden zu wendend. Ueberrascht fuhr er zurück: nicht Ange, Marguerite stayd vor ihm. Auch sie war überrascht, aber mehr durch seine Anrede, als durch seine Person, die sie hier vermuthet, nachdem sie ver gebens sich in der großen Tanzpause in den Sälen und im Wintergarten nach ihm umgesehen hatte. Verwirrt, unsicher, wie sie seine Hef tigkeit, feine Worte zu deuten habe, blickte sie zu ihm empor. Ihre Welt- und Menschenkenntnis, die sie aus Ro manen, nicht aus dem Leben angeeig net. war sehr gering und niehr roman tischer. als verständiger Natur. Nach denken war außerdem durchaus nicht ikre Sache. So lebte sie mehr in der Einbildung ihrer Phantasie, als in der Wirklichkeit und hatte sich in dieser aus Feldheim einen Helden gemacht, an den sie bedingungslos ihr Herz verloren. Feldheim. der viel zu erfahren, um das nicht längst durchschaut zu haben, hatte dies auszunutzen verstanden. Auch jetzt verließ ihn seine Geistes gegenwart nicht. Mit kühnem Griff bemächtigte er sich der Situation und fand sosort eine Erklärung für seine Worte. „Verzeihen Comtesse meinen unceremoniellen leidenschaftlichen Vor wurf, aber ich war enttäuscht, hatte ge hofft, daß Sie bald meinem Ruf folgen würden." Sie wurde dunkelroth. Sie dachte an die Ermuthigung, die sie ihm gege ben. an seinen Kuß, den seligen Schwindel, der sie dabei erfaßt, und sagte besangen: „Sie schrieben an mich, ja aber ich habe doch nichts er halten!" „Dann muß der Zettel an eine fal sche Adresse gekommen sein!" .Mein Gott, wenn Großmama —" rief sie erschrocken, „das wäre —" „Beruhigen Sie sich, Comtesse," siel er ihr in'S Wort, „die Zeilen waren so verfaßt, daß niemand compromittirt werden konnte. Es stand kein Name darin." „Ach," seufzteMarguerite erleichtert, „welch' ein Glück!" „Und Sie zürnen mir nicht," er ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen, „daß ich an Sie zu schrei ben, Sic um dieses mir nur durch den Zusall gewährte Rendezvous zu bitten gewagt?" „Nein." gestand sie in vertrauens seliger Naivität. „Sie wissen, daß ich gekommen wäre, wenn ich die Zeilen erhallen hätte." Er wußte es, wußte, daß sie nur auf sein Wort wartete, um sein eigen zu werden. Es hatte ihm kein Geheimniß bleiben können, daß Marguerites Herz ihm gehörte, wie er auch über die Pläne und Absichten, welche ihre Groß mutter mit ihr hatte, nicht im Unklaren war. Noch vor wenigen Minuten hätte die zurückgekehrte Leidenschaft für Ange jede ruhige Ueberlegung über den Hau sen geworfen. Jetzt stand es anders mit ihm. Seine Eitelkeit, sein Selbst gefühl war durch Ange aus S Tiefste verletzt, während Marguerite in ihrer blinden Bewunderung, ihrem rücksichts losen Vertrauen beides hob und ihm damit seine Sicherheit, seine Ueber legung wieder zurückgab. Cr war jetzt entschiossen, das durch die Liebe ver blendete Mädchen zu entführen. Die romantisch angelegte, über müthige Marguerite ging auf feinen Vorschlag nach kurzem Bedenken ein. Auch fie wußte, daß ihre Großmutter niemals die projectirte Verbindung mit ihrem Vetter aufgeben und ihr eine Wahl nach dem eigenen Herzen gestatten würde, «so verabredete sie mit Feld- Heim zum nächsten Tage für die sechste Stunde ein Nachmittags-Zusamincn trcffen ans der Station, nach der sie sich zu Fuß begeben sollte. Er würde sie dort erwarten, und im Schutz der einbrechenden Dämmerung würden sie mit dem Schnellzuge direct nach Wien reisen. Alles Weitere, insbesondere, auf welche Weise sie die Zustimmung des Vaters erlangen könnten, wollten sie unterwegs überlegen. Die Idee war gewagt und aben teuerlich. Feldheim aber war gerade jetzt in der Stimmung, mit einem küh nen Wurf das große Loos einer glän zenden Verbindung zu ziehen und da mit sich endlich ein sorgenfreies Leben zu sichern. Er rieth jetzt Marguerite, sich unbe merkt wieder auf dem Wege, den sie gekommen, in den Tanzsaal zurückzu begeben, wo sie es für den Lauf des Abends vermeiden wollten, zusammen gesehen zu werden, damit in keiner Weise Verdacht geschöpft würde. Mar guerite versprach es und kehrte strahlen» d n AugeS und klopfenden Herzens in den Tanzsaal zurück. Ihre Abwesenheit war nicht unbe merkt von ihrer Großmutter geblieben, welche ihre scharfen Augen überall hatte. Sie fragte ihre Enkelin, wo sie gewesen. „Ich suchte Ange," gab Marguerite hastig, verlegen zur Antwort. „Du wirst wohl thun, diese Person weder zu sehen, noch weniger zu sprechen. Sie ist einfach für Dich nicht mehr da." „Und weshalb?" fragte Margnerit« mit großen, erstaunten Äugen, in denen ebenioviel Schreck wie Ueberraschung zu lesen war. „Das zu erklären, ist jetzt nicht am Platz. Nur soviel magst Du wissen! Fräulein Saterno ist ihres Dienstes entlassen und verläßt morgen das Schloß." „Aber mein Gott, was hat denn Fräulein Saterno gethan?" rief Mar guerite außer sich, denn abgesehen da von, daß sie Ange wirklich liebte, hatt« sie bei ihrem Flüchtplan auf ihre Hilf« gerechnet. „Nicht so laut! Willst Du mit Dei ner unpassenden Heftigkeit allgemeine Aufmerksamkeit erregen?" „Ja aber Großmama eS muß mich doch wundern," erklärte Margue rite leise, weinerlich. „Du hast Dich über nichts zu>wun. dern, was ich angeordnet, und Dich streng an meinen Besehl zu halten, dies« Person als nicht mehr für uns vorhan den zu betrachten. Im Uebrigen wird sie wohl selbst noch so viel ?oin> cl'lioarisur haben, uns bis zu ihrer Ab reise aus dem Wege zu gehen." setzte sie an ihrem Krückstoi! ihren Rundgang durch den Saal fort, wo sie sich alsbald mit diesem, bald mit jenem ihrer Gäste in hoheitsvoller Herablassung unterhielt. XIII. Die letzten Wagen sind fortgefahren, die letzten Lichter sind ausgelöscht, auch die geschtftige Dienerschaft ist endlich zur Ruhe gekommen. Kühl. grau, nebelig bricht der Mor gen an. Ein rothumsäumies Wolken-, Heer lagert sich vor dem Aufgang der Sonne. Schritt für Schritt muß si« sich den jungen Tag erkämpfen. End lich ist es ihr gelungen. Mit siegender Klarheit bricht sie sich Bahn, zerreißt das dunkle Gewölk, die wallenden Ne belschleier und steht als seine Köm gin da. In den hellen Morgen hinein jagt der Courierzug durch langeHaidestrcckei,, braune Moorflächen, Buchen- und Ei chenwaldungen. Ange schaut übernäch. tigt hinaus auf die golddurchleuchtet« Landschaft. Blaß und fröstelnd schauert sie zusammen, zieht fester den Regen mantel um ihre Gestalt, drückt sich in die Ecke und schließt die Augen, unter denen tiese, dunkle Schatten lagern. Wie Blei liegt es in ihren Gliedern, auf ihrem Kopf. Soviel sie sich auch müht, in ihre Gedanken Ordnung zu bringen, sie kann es nicht. Sie ist nur dunkel bewußt, daß sie etwas Entsetz liches aus Tanner fortgetrieben, daß si« ihm dem Heißgeliebten, damit ein unerhörtes Leid zugesügt, daß sie aber nicht anders hatte handeln können, bandeln dürfen. So glaubt und sucht sie die furchtbar nagende Reue zu er sticken, die sich mit jedem Schritt, den sie sich von Tanner entfernt, fester in ihr Herz krallt. Blindlings folgt sie der grenzenlosen Furcht, welche sie von den erbarmungslosen Richteraugen der alten Gräsin sorttreibt und für immer das Paradies ihres Glückes schließt, da« sie nach schmerzlichem Irren und Su chen an des Grasen Leonce Herzen ge funden. Ruhe, Ueberlegung, Kraft zum Denken sind ihr verloren gegangen. Gehetzt, ohne einen Blick rückwärts zu thun, hat sie Schloß Tanner Verlasien und die Skation erreicht. Sie kam ge rade noch zu rechter Zeit, um sich ein Billet für den Courierzug zu lösen, der nach einigen Minuten Aufenthalt sei nen Weg nach Hannover fortsetzte. Einen Reiseplan hatte sie sich nicht ge macht. Wozu auch? Für die Hei mathlose war jeder Ort gleich, jedes Ziel zwecklos. Als der Schaffner sie in ein Coupee geschoben, die Thür zuge schlagen, erwachte die Reue, urplötzlich, gewaltig, sie wollte das Coupee aus reißen. sich hinausstürzen zu spät, der Zug brauste dahin, vorüber an dem aus der Ferne aus hundert leuchtenden Fenstern hell strahlenden Schlosse Tan ner, immer schneller führte er sie hin weg von ihm, dem Ahnungslosen, den sie in feiger Flucht aufgegeben hatte. Sie wollte sich zum Fenster hinausstür zen da fühlte sie sich von einem Arm zurückgehalten. Er gehörte einem Herrn, der sich als einziger Mitreisender im Coupee befand und den sie bei ihrem Einsteigen dem durch eine verhangene Lampe nur erhellten Coupee nicht be merkt hatte. „Verzeihen Sie. Fräulein," sagte der Fremde mit etwas rauher, lieser Stimme, „aber ich glaubte, Sie vor einer unüberlegten That bewahren zv müssen." Ange zitterte. „O mein Herr, das das war nicht nothwendig," stam melte sie verwirrt. indem ihr todtblasses Gesicht sich mit fieberhafter Röthe über goß. Der Fremde kehrte schweigend ans seinen Platz zurück, hüllte sich wie eine Mumie bis über das Kinn in ein Plaid und schloß die Augen. Seine Gegen wart, das Unabänderliche zwangen Ange. ruhiger zu werden. ES war keine Rückkehr möglich, der Zug war lange über TannerS Grenzen hinaus. Sie ergab sich hoffnungslos in ihr Schicksal. Zuweilen wollten die Thränen heraufsteigen, sie laut schluck», zen, dann fiel ihr Blick auf den Herrn und fie kämpfte dieThränen nieder und versuchte durch keine Bewegung ihre Unruhe zu verrathen. Ihr Herz schlug unter diesem Zwang so laut, daß sie, nach Athem ringend, die Hand auf die Brust preßte und dabei einen siechenden Schmerz empfand. Hätte sie sich doch ausweinen können! Aber sie wagte es nicht. Ihre Lage wurde immer uner träglicher: eS schien ihr ganz nnmög lich, mit ihrem schweigsamen und doch aufmerksamen Begleiter die ganze Fahrt zusammen zu machen. Bei scheuem Hinblick überraschle sie ihn ost, wie er unter seinen buschigen Brauen sie be obachtete. Das Licht der Lampe erlöschte. Der Morgen dämmerte herauf, die Sonne durchbrach siegreich das Gewölk, die Landschaft wurde freundlicher, beleb ter. Man sauste an Ortschaften, rüstig zur Arbeit schreitenden Landlenten vor über und fuhr in eine Station ein, wo der Zug einige Minuten hielt. Der Lärm, das Rasseln des dahin rasenden Zuges, die Gesellschaft ihres Mitreisenden, die Beherrschung, welche er ihr ausgezwungen, der Gedanke, mit jeder Station die Meilenzahl zu ver mehren, die sich zwischen Leonce und sie legten, alles hatte zusammengewirkt, um sie zu dem Entschluß zu drängen, ihre Reise zu unterbrechen und sich erst einen klaren Plan zu machen, wie sie zu handeln, was sie zu thun habe, ehe sie dieselbe fortsetzte. > Sie ließ sich das Coupee öffnen und stieg aus. Außer den Bahnbeamten war kein Mensch auf dem leer in der Morgensonne liegenden Perron. Nur ein einziger Passagier, und zwar der selbe. dem sie zu entgehen suchte, war hinter ihr ausgestiegen, was sie aber nicht bemerkt hatte. Sie hatte ihre Reisetasche einem Gepäckträger geben und ihn nach dem zunächst liegenden Gasthof fragen wollen; es war aber kei ner zu sehen, und den Stationsvor steher, der sie aufmerksam musterte, icheute sie sich zu fragen. So wandte sie sich auf gut Glück der Chaussee zu, aus der einige Milchwagen nach dein kleinen Städtchen fuhren, das inmitten von jnngem Grün und blühenden Obst bäumen in einem von sanft gewellten Hügeln eingeschlossenen Thalkessel lag. Rechts und links aus den Feldern wa ren die Leute bei der Arbeit, im schma len Graben am Wegsaume suchten kleine Dorstinder Muttergottesblumen und wilde Veilchen, andere schritten, die Schulmappe auf dem Rücke», dem zehn Minuten von der Station entfernten Landstädtchen zu. Alles war sorglose Geschäftigkeit, fröhliche Eile. Da zwischen jubilirten die Vögel und mach ten sich in den Blüthenzwe-gen der Obstbäume nachbarlichen Besuch. Ange hatte das Städtchen erreicht und schritt durch die schlecht gepflaster ten Straßen, in denen das Graz in den Steinritzen wuchs, dem Gasthof zu, welchen ihr ein Schuljunge als den nächsten bezeichnet hatte. AuS der Thür des Wirthshauses bellte ihr ein branner Teckel entgegen, verschwand aber sosort knurrend unter der Hecke, die den Gar ten zur Seite umschloß, als eine derbe Frauenstimme ihn zur Ruhe verwies. Vor dem Wirthshause stand ein Korbwagen mit einem mageren Gaul, der eine derhe Bauernmagd, dieselbe, welche den Hund zur Ruhe verwiesen, abschirrte. Als Ange an sie herantrat und nach einem Unterkommen sragte, musterte sie neugierig die städtisch ge kleidete, verschleierte junge Dame und rief in'S Haus hinein nach der Wirthin. Sie tam, eine Frau in mittleren Jah ren, gleichfalls bäuerlich mit einem roth und blancarrirten Rock und schwar zem Mieder mit ausgekrempelten Hemd ärmeln bekleidet, und führte Ange aus ihre Bitte um ein ruhiges Zimmer durch die große, mit Quadersteinen ge pflasterte Küche eine enge Holzstiege nach dem ersten Stockwerk empor. Hier wies sie ihr ein kleines, niederes Zim mer nach dem Garten an, das mit sei nem braun überzogenen Sopha, der breiten Mahagoni - Kommode, dem schiefhängenden Spiegel, hinter welchem drei große Pfauenfedern steckten, und dem hochausgethürmten Bett, über wel chem eine roth und weiß gewürfelte Decke lag, den Eindruck einer freund lichen Bauernstube machte. Ueber dem Sopha hingen die Oeldruckbilder des letzten Königs von Hannover mit seiner Gemahlin und Kaiser Wilhelm der Erste im Krönungsornat. Am offenen Fen ster standen Reseden und Pegonien, welche dem plebejischen Geruch der Speckseiten und Schinken, der im Hause vorherrschte, Concurienz machten. Die Wirthin ging, um Frühstück zu besorgen, indeß Ange Hut und Mantel ablegte. ES geschah dies ebenso apa thisch, wie sie der Wirthin Frage, ob ihr das Zimmer recht sei und ob sie Kafsee wünschte, mit einem einsilbigen „Ja" beantwortet hatte. Als die Wir thin das Frühstück gebracht, trank sie einen Schluck Kaffee, schob aber das Weißbrot zur Seite. Sie konnte nichts essen, die Kehle war ihr wie zuge schnürt. Sie fieberte, war todtmüde und konnte sich kaum aufrecht halten. Der Druck auf dem Kopf wurde uner träglich. Eine siedende Hitze glühte aus ihren Wangen. Langsam, alles, was sich ihr als Stütze darbot, be nutzend, tastete sie sich nach dem Bette, nahm die Tecke herunter, streifte ihre Kleider ab und legte sich hinein. Ihre Lieder fielen zu, und ein bleier ner Schlas senkte sich auf sie herab. Wilde Träume ließen eS aber zu keiner erquickenden Ruhe kommen. Beständig schreckte sie während des Schlafes em por, und immer verfolgten sie zwei Schreckbilder: die Augen der Gräsin und die Hand des Fremden, welcher sie abgehalten, sich aus dem Henster zu stürzen. (Fortsetzung folgt.) Definition. Du möchtest gern wissen, wie man ihi« doch heißt. Den Schauplatz des FreuenS und SchmerzenS? Die Welt ist ein Lustspiel dem Manne von Geist. Ein Drama dem Manne des Herzens. Zu vorsichtig. Bäuerin (bei der Abreise nach Amerika zu ihrem Sprößling): „Geh' Sepperl schneuz' Di no mal, unterwegs könnt'S ka Zeit dazu geb'n!" Kasernenhofblllthe. -» Feldwebel: „Sie, Müller, wie sehen Sie denn aus? Drei Tage hat der Kerl Urlaub gehabt und ist schon wieder ganz civilisirt!" Wie man'S macht. Thea terreserent (zum Redacteur): „Ich muß verreisen; da liegen die Recensionen über die Premieren des nächsten Mo nats!" Z««g« L««t« v«n einst und Ueber junge Leute von einst und jetzt hat ein französischer Arzt, Dr. Raoul Srunon. eigenartige ingestellt. Er verglich aus den drei-: Biger Jahren stammende inaaße einiger fünfzig jungen Leute ims Alter von 18 bis 22 Jahren mit Maa-> Ben von Gleichaltrigen aus der Jetztzeit! und derselben Gesellschastsschicht und kam dadurch zu interessanten Ergeb nissen über die Körpcrbcschasfenheik bei der Generationen. Bei den alten Schnittmustern vor 3V Jahren war vordere Brustlinie, die der Rocköffnung> entspricht, weiter von der Aermelnaht entfernt, als bei den jetzigen Röcken von ähnlichem Schnitt. Um dem Rock über den Hüften um den Leib den rich tigen Anschluß zu geben, wurde früher aus den Seitentheilen des Männerrockes ein dreieckiges Stück Tuch herausge schnitten; heute muß dieser Ausschnitt mehr elliptische Form haben, damit der Rock unten gut sitzt. Die Rückenlinien, die an der Hinteren Naht des Kleidungs stückes zusammenstoßen, verlaufen statt geradlinig, wie bei den alten Schnitt mustern, heute krumm, damit es auf dem Rücken keine Falten giebt und der Rücken ordentlich hineinpaßt. Die aus diesen Vergleichen zu ziehen den Folgerungen sollen sehr zu Un gunsten des heutigen Geschlechts aus. Der Rock ist über die Brust vorn schmä ler geworden, die Entfernung von Schüller zu Schulter also kleiner, die Brust der jungen Männer, von heute ist demnach flacher, sie hat nicht mehr die frühere Wölbung, und der Fas sungsraum des Brustkorbes und somit der Lunge hat sich gegen früher verrin gert, zumal da auch der obere und der untere Brustdurchmesser nahezu gleich geworden sind, indem der untere nor mal oder sast normal geblieben ist, während der obere sich verkleinerte. Die normale Gestalt mit geradem, leicht hohlem Rücken, hervortretendem und gewölbtem Brustkorb und bogenförmig geschwungener Taille bildet heute die Ausnahme nnd findet sich unter hundert Personen nur noch bei zwanzig. Auch noch in anderer Beziehung ist die Körpersigur der heutigen jungen Männer unschön geworden. Normale Schulterstellung, gerade Schultern, finden sich an den modernen Schnitt mustern nur noch bei drei Personen uuter hundert. Es ist ja leider kaum nöthig, das noch besonders hervorzu heben; tagtäglich können wir diese Be obachtung bestätigt finden: hängende Schultern, vorgestreckter Hals und krummer Rücken werden, wenn sie von Natur aus nicht schon vorhanden find, durch schlaffe und nachlässige Körper haltung noch verstärkt. Die Hüften springen heute mehr hervor, der Ober leib ist kürzer geworden, so daß man beinahe sagen kann, daß der weibliche Characlcr in der Körperbildung der Männer häufiger geworden ist. Ein netteres, sehr wichtiges Mißverhültniß zeigt sich noch zwischen den jungen Leu lin von jetzt und früher in dem Brust umsailg und in dem Bauchumfang. Am Jahre IWO betrug bei den zwan zigjährigen Männern der halbe Brust umfang im Durchschnitt fünfzig Centi meter und der Bauchumfang vierzig Centimeter: die Männer damals besa ßen also eine natürliche Taille. Heute beträgt der erstere im Mittel kaum 44 Centimeter und der andere 41. Diese Untersuchungen beziehen sich nur auf die französische Jugend, dürften aber auch bei der deutschen vielfach zutreffen. Im rechten Ntom . t. Washington Schulze (erzählend): Neulich gings mir aber doch recht zuwider mit meiner Schwiegermutter, mit der ich mich überhaupt nicht gut stehe, wie Ahr wißt. Erhalte ich da neulich, als ich mit meiner Frau gemüthlich znsam mensitze, eine Depesche von ihr: „Trefft heute um 3.3 V ein!" Ich drehe mich j» meiner Frau um, und sage: Schatz, weiyt Du schon das neueste Eisenbahn unglück? Nein, sagt sie, erzähle doch! —Ach, sage ich, um 3.30 ist ja die Schwiegermutter auf der Bahn an gekommen! So, Herr Schwieger sohn? höre ich da plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir. Entsetzlich! da stand die Schwiegermutter auf der Schwelle, und hatt« Alles gehört! Reingefallen. Bankier (zn einem Freund): »Ach, ich bin ja der unglücklichste Men>ch von der Welt."— .Wieso denn?" „Denk Dir. als ich hörte, Fräulein Lina sei verlobt, machte ich ihr einen Heirathsantrag, damit eS doch nicht so aussehen sollte, als wenn ich sie genassührt hätte." „Und sie war gar nicht verlobt?" „Doch, aber sie hat die Verlobung ausgehoben! Si» sagte, meine Liebe wäre inniger!" Bescheiden. Vater: „Neik mein Herr, meine Tochter kann niemals die Ihrige werden." Liebeglühender Jüngling; „Ich will sie ja auch gar nicht als meine Tochter haben: ich wün, sche sie zur Frau." Macht der Beredtsam» keit. Während der Vertheidigungsrede schluchzt die Frau des angeklagten Ranbmörders, die im Zuschauerraum sitzt, vor sich hin: „So'n juter Mann bist Du, Willem! Ick verdiene Dir ja jar nicht...." Nicht ausreichend. „Nun. hat die Generali» mit ihren sechs Töch tern gestern auf dem Ball Erfolg ge habt?' „Einen Achtungserfolg." 3