Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 20, 1893, Page 2, Image 2

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    2 Neichtyamer von Stnft und Jetzt«
Der Tod lah Gould'S, des „Milliar
därs", hat neuerlich die Frage über di«
größten Vermögen angeregt, und es
dürste von Interesse sein. Reichthümer
von Einst und Jetzt einem Vergleiche zu
«unterziehen. Allerdings mußte man
dabei von Amerika, als dem Milliar
denlande, absehen, denn annähernd ge
naue Daten über die ungeheuren dort
5n einzelnen Händen angesammelten
Vermögen gibt es eigentlich nicht und
die Schätzungen moderner Vermögen,
die von tausend Millionen und mehr
reden, sind in der Regel übertrieben.
Festgehalten muß allerdings bei Ver
gleichen zwischen Einst und Jetzt vor
Allem werden, daß der Reiche der Ge
genwart unter einem gewissen Gesichts
punkte viel reicher, als der von ehemals
ist, da auf demselben keine jener poli
tischen und sozialen Pflichten lastet, die
auf den aristokratischen Reichthümern
der Vergangenheit ruhten.
Es ist eben das Eigenthümliche des
Reichthums", daß er,
wie er kein besonderes Recht gibt, auch
keine besonderen Pflichten auserlegt.
Früher war das anders. Der Grund
besitzer, die hauptsächlichste Form des
Reichthums, halte vor Allem die großen
Kosten des militärischen Schutzes zu
tragen. Ueberhaypt war früher die
ganze gesellschaftliche Lage nicht danach
angethan, das Sammeln kolossaler
Vermögen zu erleichtern und noch
schwerer war eS, ein solches zu bewah
ren. Im 14. und 15. Jahrhundert
setzten zum Beispiel die gleichheitSsüch
tigen Zünfte gewaltige Schranken dem
Ansammeln besonderer Reichthümer
und namentlich der Handel mit Geld
und gewinnbringende Speculationen
waren nicht nur sehr gewagt, sondern
wurden zu Zeiten auch schärfsten? ver
folgt. Diejenigen, welche trotzdem
tzrsolg hatten, sei es, daß sie mit Hilse
der politischen Gewalt arbeileten oder
daß sie diese politische Gewalt selbst
waren, endeten gewöhnlich sehr schlecht,
und eS gibt Beispiele genug, daß sie
entweder am Galgen starben oder daß
, ihnen Alles wieder genommen wurde,
j Nur in kleinen Staaten stand die
Sache anders; der Reiche kauste einfach
den ganzen Staat, Republik oder Für-
Penthum, und wurde unter diesem oder
zenem Namen der Souverän, wie die
Medicis in Florenz. Erst das 16. und
17. Jahrhundert brachten eine Aende
rung; die großen Entdeckungen belebten
den Handel, die materielle Ordnung
wurde kräftiger, die Ideen über den
Geldhaudel wurden andere. Wahr
scheinlich haben bereits im alten Roin
Kolossalvermögen eristirt, allein es seh-
len zur genauen Vergleichung bestimmte
Angaben über die Kauskrast des Gel-
des. Erst im Mittelalter sind solche
vorhanden und vom 13. Jahrhundert
an kann man eigentlich Vermögens
ichätzungen zwischen Einst und Jetzt vor»
nehmen.
Als reichsten Mann der Jetztzeit auf
dem Kontinente kann man füglich den
Baron James Rothschild betrachten,
der im Jahre 1863 starb und dessen
Vermögen man abzüglich von Juwelen,
Kunstgegenständcn und Möbeln aus
800 Mill. Franks schätzt. Dieses Ver
mögen zerfiel in süns Erbtheile es
gibt bekanntlich Nationalökonomen ge
nug, welche auf dem Standpunkte ste
hen, daß die modernen Vermögen nicht
lange beisammen bleiben. Die 800
Millionen von heute würden zum Bei
spiel 173 Millionen zu Beginn des 13.
Jahrhunderts entsprechen, da die Kauf
kraft des Geldes damals 44 mal größer
war als sie jetzt ist. So reich war da
mals Niemand, nicht einmal der König
von Frankreich, der für sehr reich galt.
Allerdings trug das Geld damals
noch in Franlreich 10 Perzent, wäh
rend es unter Napoleon I. nur noch 5
nnd jetzt bekanntlich nicht viel mehr als
3 Perzent abwirst. Im Jahre 1316
beliefen sich aber auch die Gesammtaus
gaben des königlichen Hoscs von Frank
reich auf nur 53,000 Livres im Jahre
und die Großen des Reiches hatten
kaum Budgets bis zu 5000 Livres.
Berühmt war der enorme Grundbesitz
des Hauses Rohan zu Ende des 15.
Jahrhunderts, er wars jährlich 10,000
Livres, das ist nach dem heutigen Geld
werthe 830,000 Francs ab.
Der Kanzler du Prat hinterließ 1534
bereits ein Vermögen, das sich nach
jetzigem Geldwerthe aus 36 Mill. Francs
belief, der Bankier Fugger 16 Jahre
später 6 Mill. Goldthaler, nach heuti
gem Gelde 240 Mill. Francs, welche
damals jedoch 20 Millionen Ertrag ab
warfen. DaS war nachweisbar das
größte Vermögen de« 16. Jahrhuw
derts.
Mazarin hinterließ ebeusoviel, doch
warf das Geld lauge nicht mehr das
Erträgniß wie bei den Fugger ab. Der
30jährige Krieg und die Zeit nach dem
selben waren für einzelne Familien zu
nächst in Oesterreich ungemein günstig,
auf billigste Art colossale Grundbesitze
zu erwerben und diese blieben zumeist
durch die Jahrhunderte im Besitze der
selben, während die großen durch Han
del und Industrie erworbenen Vermö
gen nach wenigen Generationen wieder
verschwunden waren. Den modernen
Vermögen wird keine lange Dauer vor
hergesagt, allein zweifellos würde jeder
trotz dieses UmstandeS gar nicht ungerne
in den Besitz eines solchen gelange?
wollen.
Gewählt au «gedrückt.
..... Wo haben Sie denn früher ge
dient und was war da Ihre Beschäf
tigung?" „Ich war Stubenmädchen
bei den Kühen !"
Sicher st eSZeichen. „Heute
war aber mein Mann wirklich aus der
Jagd!" „Woraus schließen Sie
denn das? Er hat ja gar kein Wild
eret mitgebracht!" „Eben darum !"
Erschöpfende Auskunft.
Anfrage an das Auskunftsbureau:
.Bitte um Auskunft, wie es mit E. A.
Schwindler steht." —Antwort: ,Steht
gar nicht mehr sitzt bereits!''
Der Deserteur.
.FranooiS. Francis!"
.MeinKapitän!"
„Lege mir sofort meine erste Garni
tur zurecht, ich reife nach Algier," sagte
der Kapitän Liroy, behaglich im Lehn
stuhl liegend, indem er sich eine neue
Cigarette anzündete. Vor ihm auf dem
Tische stand sein Morgenkaffee, und da
neben lag ein Brief, welcher soeben mit
der Morgenpost angekommen war.
„Ja, mein Kapitän,- antwortete
Fran^oiS.
„Tann gehst Du zu Collon und de
stellst ihm, er soll um zwölf Uhr an
spannen, um mich nach Sidi Lessem zu
fahren. Ich werde von dort aus die
Bahn benutzen und Freund M. daselbst
abholen."
„Ja, mein Kapitän."
Kapitän Liroy war seit drei Jahren
Kapitän in der Fremdenlegion. Vor
dem hatte er bei den TiraillenrS
d Afrique gestanden und sich im Feld
zuge von Tunis das Kreuz der Ehren
legion und die KapitänStrcssc» geholt.
Eine wichtige Angelegenheit ries ihn jetzt
auf einige Tage nach Algier, und mit
Freuden benutzte er die Gelegenheit,
sich auf einige Tage dem langweiligen
Garnisonleben von Sidi Bel AbbeS
entziehen zu können.
Sein Faktotum, FranczoiS 8., war
aus einer Stadt in der Rheinprovinz
gebürtig und in seinem Eivilstande
Schauspieler gewesen. Auf dieser sei
ner Laufbahn schien er aber keine große
Reichthümer erworben zu haben, und
als er wieder einmal plötzlich ohne
Stellung war, wandte er sich nach
Frankreich, wo er bald dieses, bald je
nes ergriff und sich auch mehrere Jahre
leidlich durchschlug. Während dieser
Zeit machte er tüchtige Studien in der
französischen Sprache, so daß er dieselbe
bald wie seine Muttersprache beherrschte.
Plötzlich schien sich das Blatt zu wen
den, Alles schlug ihm fehl, und er ließ
sich schließlich bei der Fremdenlegion in
Algier anwerben, trotzdem er noch über
einige Hundert Francs Baarir.ittel ver
fügte.
So war er denn seit sechs Monaten
Soldat und seit drei Monaten Bursche
des Kapitäns Liroy. Das Leben und
Treiben in der Legion war aber ganz
und gar nicht nach seinem Geschmack,
und er verspürte keine große Lust, seine
fünf Jahre abzudienen. Schon mehr
mals hatte er darüber nachgedacht, wie
er eS wohl anzustellen Hütte, um wieder
frei zu kommen.
„Ja, mein Kapitän," antwortete er
also jetzt und ging hinaus um den Be
! fehl auszuführen.
Langsam suchle er die erste Garni
tur hervor, bürstete alles noch einmal
sguber ab und legte eS zur Hand. Z
Hierauf begab er sich zu dem Fuhrherrn
Collon und bestellte denselben zu zwölf
Uhr.
Als er zurückkehrte, war der Kapitän
Liroy zur Abreise gerüstet.
„Ich werde einige Tage fortbleiben,
gieb gut auf Henry Acht," sagte der
Kapitän und verließ das Zimmer.
Franoois räumte die Stube auf und
begab sich dann hinunter, um nach
Henry, dem Pferde des Kapitäns, zu
sehen. Tann lehrte er ins Zimmer zu
rück. setzte sich in den Lehnstuhl seines
Herrn und inachte sich'S bequem, steckte
sich eine (ngarette natürlich die
Sorte seines Herrn an und dachte
über sein Leben nach.
„Ja, wie macht man es nur. um von
hier sortzutommcn ?" murmelte er.
„Sechs Monate bin ich erst hier und
habe schon genug, mehr als genug, und
süns Jahre sind eine, langes lange
Zeit. Nein, ich halte eS hier nicht mehr
aus."
Plötzlich überflog ein Hoffnungsstrahl
sein Gesicht.
„Halt! ich Hab'S, so wird'S ge
macht," rief er aus, indem er vom
Lehnstuhtc aufsprang. „Habe ich so oft
Komödie gespielt, kann ich s ivohl noch
einmal,wo eS sich um fünf Jahre Skla
verei handelt."
Sosort begann er Kisten und Kasten
auszuschließen und darin nmherzukra
men. Dann holte er die SonutagS
garnitur des Kapitäns hervor und setzte
dieselbe in Stand. Hierauf ging er in
die Stadt, um sich noch einmal mit sei-,
nen Kameraden zu amüsiren.
Am Abend kehrte er in die Wohnung
des Kapitäns zurück, zog sich dessen
SonntagSgarnitur an, schnallte den
Degen »in und steckte sich das Kreuz der
Ehrenlegion an. Der Kapitän trug
meistens das kleine Abzeichen, wie «S
vorzugsweise von den Osiizieren in
Asrila getragen wird. Dann steckte er
seine Baarmittel, die er vorsorglich sür
den Fall der Noth aufgespart hatte, zu
sich. Langsam und bedächtig begab er
sich nach dem Bahnhose, löste ein Billet
erster Klasse und sort ging'S »ach Oran.
Hier angekommen, suhr er nach einem
Hotel, ging am nächsten Morgen nach
dem Hasen und löste sich sogleich ein
Billet der EompagnicTransatlantique,
um noch das Schiff, welches am selbi
gen Tage um 11 Uhr in See stechen
sollte, zu benutzen. Auf dem Wege
hatte er noch mehrmals Gelegenheit, sich
seiner neuen Würde als Kapitän zu er
freuen. denn die verschiedenen Posten
und die zum Dienste ausrückenden Trup
pen bewiesen ihm die schuldigen Ehren
bezeigungen, welche er natürlich herab
lassend beantwortete. Da keine Zeit
mehr zu verlieren war, begab er sich so
fort an Bord, wobei er sorglich vermied,
mit den Passagiere» ziisammenzutres
sen. Während der Ueberfahrt hielt er
sich so viel wie möglich znrückgezogen
und begab sich, als das Schiff nach zwei
Tagen in Marseille landete, sofort zum
Bahnhofe, um dort ein Billet nach Lyon
zu nehmen. Von hier aus fetzte er sei
nen Weg nach Nancy fort und langte
ain folgende» Mittag daselbst an.
Schon glaubte er sich in Sicherheit und
verließ zusrieven den Bahnhof, als er
von einem Kapitän der 69er angeredet
wurde.
Heller Angstschweiß trat ihm auf di,
Stirn. Sollte schon bis hierher sein
Signalement gelangt sein, sollte man
ihn schon bis hierher verfolgt haben?
Doch das war nicht möglich. Er durste
sich nichts merken lassen. Als ihm nun
der Officier mit der gleichgiltigsten
Miene von der Welt iin Laufe des Ge
sprachs mittheilte, Capitän N. gäbe im
Hotel d'Orient zur Feier seines Ge
burtstages ein Diner, und den sremden
Kameraden dazu einlud, da gewann.
unser Flüchtling seine volle GeisteSge- >
geiiwart wieder. Was blieb ihm anders
übrig, als der Einladung Folge zu
leisten?
Er ging also mit. Im Laufe des
DinerS ersuhr er denn auch etwas von
seinem eigenen Leben, denn nachdem
ihm der Eapitän Liroy so großmüthig
mit seiner Unisorm ausgeholfen hatte,
erlaubte er sich auch noch, seinen Namen
mit dem des tzapitänZ zu vertauschen.
Auf eine Frage seines Führer« über
den Zweck seiner Reise antwortete er:
„Geheime Mission, Herr Kamerad,
vom Kriegsministcrium."
Er erzählte nun Verschiedenes vom
tunesischen Feldzug und vom afrikani
schen Lebe».
DiverfeGläser wurden auf das Wohl
des Geburtstagskindes und auf ein
glückliches Gelingen der Mission unseres
Freundes geleert, und man forderte ihn
auf, auch etwas von dem Leben und
Treiben der Legion zu berichten; denn
der französische Osficier weiß hiervon
weniger und ist schlechter unterrichtet,
als der Ausländer.
Er gab nun verschiedene Geschichten
zum Besten, da ihm der Schalk aber
keine Ruhe ließ, so brachte er auch seine
eigene Geschichte vor.
.Ja. meine Herren," sagte er, „eS
ist wirklich unglaublich, was es sür ge
riebene Kerle bei der Legion gibt. So
ist kürzlich unserem Freunde Betboy
ein ganz unglaublicher Streich gespielt
worden."
.Ah, Betboy," rief man von ver
schiedenen Seiten. „Wie geht es ihm
denn?"
„Vorzüglich," antwortete der Pseudo-
Eapitän. „Er hat jetzt die zweite Com
pagnie vom vierten Bataillon."
„Erzählen, erzählen!"
„Ja, meine Herren, denken Sie sich,
verreist da unser Freund Betboy auf
einige Tage nach Algier.. Sein Bursch«,
der wohl selbst einmal Kapitän spielen
mochte, machte eine Anleihe in dem
Kleiderschränke seines Vorgesetzten und
unternahm nun in der Uniform einen
Spaziergang, den er bis zum Bahn
hofe ausdehnte, wo er den gerade nach
Oran abgehenden Zug bestieg. Der
neugebackene Kapitän schien aber Ge
falle» an seiner neuen Würde und zu
gleicher Zeit am Reisen gefunden zu
haben, denn anstatt nach Sidu Bel
i Abbes zurückzukehren, schiffte er sich nach
> Marseille ein. Bon hier aus reiste er
nach Genua, nachdem er sich noch vor
her bei dem Geburtstagsfeste eines
College» in Toulon, gerade wie hier,
recht gütlich gethan hatte. Was sagen
Sie dazu, meine Herren?"
„Unglaublich, wirklich großartig,
eine Kühnheit sonder gleichen!" ertönte
eS von allen Seiten.
vropos, wann fährt der nächste
Schnellzug?" frug unser Heldendar
steller.
„Um 44 Uhr, wir werden Sie nach
dem Bahnhose begleiten", erwiederte
man im Chorus.
„Doch ich muß mich erst umkleiden.
Sie gestatten wohl einen Augenblick,
meine Herren. Jetzt ist eS drei Uhr, in
einer halbe» Stunde bin ich zurück".
Der Flüchtling verließ mit dem Offi
cier, welcher ihm vor dem Bahnhofe
begegnet war, die Tasel und kehrte nach
Ablauf einer guten halben Stunde in
einer eleganten Civilkleidung zurück.
Einige Flaichen Champagner wurden
noch auf das Wohl des Kapitäns Liroy
und seiner bedeutungsvollen Mission
geleert, dann begab sich die ganze Ge
sellschaft nach dem Bahnhofe.
Hier nahm unser Held herzlichen
Abschied von seinen Freunden und
suhr von bannen, seiner geheimniß
vollen Mission der Freiheit, ent
gegen.
Als die Osficiere der fröhlichen Tafel
runde nach einigen Tagen die Wahr
heit erfuhren, sollen sie si'ch über den
ihnen gespielten Streich nicht wenig
geärgert haben.
F. Wesemann.
Die gekränkte Dichterin»
Ich habe gar tief beleidigt
Eine emsige Dichterin:
Ich las ihre Sinngedichte
Und fand keinen Sinn darin;
Und ihre lyrischen Werke,
Die hab' ich o Ironie!
Für Klapphornverse gehalten
Und das verzeiht sie mir nie!
In der S ch w e i z konnte man
schon seit einigen Jahre» beobachten,
daß die Rekrliten aus dem Kanton Un
terwalden in jeder Beziehung eine bes
sere Schulbildung genoffen hatte», als
die Ausgehobenen aus allen anderen
Theilen des Bundesstaates. Ein Aar
gauer Blatt gibt nun für diese auffal
lende Thatfache folgende einfache Er
klärung: „Die Mädchen von Unterwal
den haben einen Bund geschlossen und
den seierlichen Schwur gethan, mit kei
nem .Bua »" zu tanzen, der nicht nach»
zuweisen im Stande ist, daß er lesen,
rechnen und schreiben kann.
Besorgn iß erregend. „In
welches Bad gehst Du denn diesmal,
Elli?" „Diesmal überhaupt nicht.
Liebste!" „Um Himmelswillen, Tu
bist doch nicht trank?"
Auch ein Vorwurf. Pro
fessor (zornig): Meier, das ist nun jetzt
das dritte Mal, daß Sie in Ihrem Aus
sätze keinen einzigen Fehler machen.
Wozu corrigire ich denn?
Afrikanische Annonce.
„Kleine allerliebste Ncgerlnabcn mit
prima Krauskopf, empfiehlt als unze»
ftörbare Tintenwischer für Contor« ic.
Lsn Sklavenhändler."
votschasteremps»»«« am «o»»e
-nen Hör«.
Auf dem ersten Blatte des Sünden
registers, welches das verstockte Alt
turkenthum dem regierenden Sultun
angelegt hat, steht unter Anderem die
liebenswürdige Zuvorkommenheit des
Monarchen gegen die Vertreter frem
der Mächte. Abdul Hamid hat eS
meisterhaft verstanden, so ganz allmälig
die allen brutalen Gewohnheiten zu
verdrängen und überall da europäischen
Umgangsformen im internationalen
Vertehr der Türkei Eingang zu ver
schaffen. wo es. ohne Widersprüche mit
dem Koran zu erregen, möglich war.
Ganz besonders gilt das für das Eere
moniell beim Empfang neuer Botschaf
ter, und wenn dabei auch der Glanz
und der Pomp vergangener Zeilen nicht
mehr zur vollen Entfaltung gelangen,
so muß doch jeder Freund des Fort
schrittS dem Sultan Dan twiffen sür
die jetzt dabei herrschende Höflichkeit
Einfachheit und Würde.
Heutzutage schickt der Sultan an
dem zum Empfang eines neuen Bot
schasterS festgesetzten Tage einige von
Lakaien in Galalivree bediente Hof
equipagen vor das betreffende Palais,
den Vertreter der sremden Macht und
dessen Gefolge abzuholen. Bei der
Einfahrt in JildiS erweist eine Zrup
penabtheilung dem mit den Klängen
seiner Nationalhymne begrüßten Bot
schafter militärische Ehren. Im kaiser
lichen Palaste angelangt, begiebt sich
der Gesandte mit seinem Personal zu
nächst in einen geräumigen Saal, w«
die höchsten türkischen Würdenträger im
Halbkreise Aufstellung genommen ha
ben. Daselbst rangiren sich die Herren
der Botl'chast in gleicher Weise, den
Türken gegenüber. In einem Neben
zimmer cmpsängt sodann der Großherr
mit seinem Hofmarschall den Botschas
ter und dessen ersten Dragoman. Nach
Verlesung des EinsührungSschreibens
und den üblichen BegrüßungSphrasen
begiebt sich der Sultan mit dem Bot
schafter in den vorerwähnten Saal, wo
sie einander ihr Personal bezw. ihre
Würdenträger vorstellen. Gelegentlich
des kürzlich stattgehabten Empsangs deS
Fürsten Radolin hatte der Sultan zu
seiner Gala-Uniform den prachtvollen
Ehrensäbel angelegt, den ihm Kaiser
Wilhelm zum Geichenk gemacht, eine
Aufmerksamkeit, die in hiesige» deut
schen Kreisen sehr angenehm berührte.
Nach Beendiqnng der Vorstellungen
zieht sich der Sultan zurück, und der
Botschafter wird mit seinem Gefolge in
ein besonderes Gemach geleitet, wo den
Herren Erfrischungen servirt werden.
Sind dieselben eingenommen, so solgt
noch eine Privataudienz des Botschafters
beim Sultan, womit die Förmlichkeiten
beendet sind. Das Ganze dauert, je
nachdem, I—lH Stunde.
Früher aber, z. B. vor 200 Jahren,
da ging eS weit bunter und pomphaf
ter zu. Nachdem sich der neue Bot
schafter dem Großvezier vorgestellt hatte,
wurde ein Tag.bestimmt, an dem der
Sultan ihn zu empfangen geruhte.
Man richtete das so ein. daß dieser
Tag mit jenem zusammenfiel, an wel
chem die Janitscharen bezahlt wurden,
was alle drei Monate stattfand. Der
Anblick der Soldaten und des Geldes
sollte dem Gesandten gewaltig imponi-'
ren. Im Seraihof, vor den Küchen
der Janitscharen, waren mächtige
Schüssel» mit Pillaw aufgestellt. So
fort nach oem Eintritt des Gesandten
in den Seraihof stürzten sich aus ein
gegebenes Zeichen die Janitscharen in
wildem Lause auf ihr Mahl, um dem
Fremden ihre Behendigkeit, ihre Zu
friedenheit denn wenn sie unzufrie
den waren, rührten sie den Pillaw
an und ihre Eßlust zu zeigen.
Hatte dieser erfreulich-komische An
blick genügend auf den Gesandten ge
wirkt, so sührte man diesen in einen
Saal, wo anf einem mit karmoisin
rothem Sammt überzogenen Stuhl und
um denselben herum eine gewaltige An
zahl von Beuteln mit Piastern aufge
schichtet war. Nach Beendigung der
Mahlzeit der Janitscharen begann di«
Auszahlung, iüdem immer in Ge
genwert des Gesandten die bisher
mit dem Gelde rasselnden Defterdar«
(Zahlmeister) den zur Entgegennahm«
des Soldes commandirlen Unterofficie
ren die Beutel cntgegenmarfen, so daß
sie ihnen mit klirrendem Getöse vor
Füße flogen.
Glaubte man endlich dem Gesandten
durch die Größe der Pillawfchüsseln, die
Gelenkigkeit und Eßlust der Janitscha
ren und das Geklirre der Piaster ein
dringlich und nachhaltig genug impo
nirt zu haben, so führte man ihn mit
den Hauptpersonen feines Gefolges z»
Tische, damit er würdig gespeist iverde,
bevor er vor den Sultan trete. An
einem besonderen Tische nahmen der
Botschester und der Großvezier Platz,
die übrigen ließen sich in respektvoller
Entfernung nieder. Tischtücher und
Eßbestecke gab es nicht, wohl aber ein«
Unzahl nach türkischen Begriffen auser
lesener Speisen, die so rapid auseinan
dersolgten, daß eine jede, kaum be
rührt, wieder abgetragen wurde und in
einem Minimum von Zeit einige sechzig
oder achtzig Gänge auf der Tafel er
schienen.
War d >' '"Glichen Genüssen Genüge
gethan .eitete der „Tschausch-
Ba> >iZ eine Art ReichSmar-
.... gesandten und einige seiner
Leute »I ein Zimmer, um sie dort in
„würdiger" Weise anzukleiden. Zu
diesem Behuf« warf man ihnen seidene,
mit ausgeslickten bunten Vögeln ver
zierte Gewänder über.
Jetzt endlich war der Gesandte zur
Vorführung vor den Sultan reif ge
worden, und die zwei „Kapudschi Ba»
schis" (damals eine Art Kammerher
ren, wörtlich „Oberthürsteher") gelei
teten ihn bis vor die Thüre des groß
herrliche» Gemaches. Die Gesandten
folgten auf dem Fuße, die kostbaren,
für de» Padischah bestimmten Geschenke
seines Lande-Herrn, welche es damals
üblich war zu übersenden, und die der
Sultan nur den mächtigsten Potenta-
t«n Europas erwiederte, während er die
Präsente kleinerer Fürsten einfach als
einen ihm schuldigen Tribut entgegen
nahm. Alle Geschenke waren augen
fällig hergerichtet und wurden mit gro
ßem Pomp herbeigeschleppt. »
Inzwischen waren im Hofe die Ja
nilscharen zur Parade rangrrt worden,
und in einem Zim«er neben dem Au
dienzsaale Halle sich eine dichte Menge
weißer Eunuchen ausgestellt, dasfelbe —
wie sich Monsieur Ricaut in der .Neu
eröffneten Lttomanifchen Pforte" male
risch ausdrückt mit ihren goldenen
und seidenen Gewändern verbrämend.
„Gleich zum Eintritt in den Audienz
saal," heißt es in dem soeben citirlen
Werke, „hangt eine güldene Kugel mit
kostbaren Edelgesteinen und vortreff
lichen Perlenschnüren besetzt und be
hängt. Der Boden ist mit reichen
Tapezereyen aus Erainosin und mit
Gold und Perlen gesticktem Sammet
bedeckt. Der Thron, daraus der Groß
herr sitzt, und von der Erden in etwas
erhöht, wird von vier mit güldenen
Blatten überzogenen Säulen gehalten,
der Himmel daran, so reichlich vergul
det, hängt voller güldene» Kugeln,
drey Küssen, als zweiy zur rechten und
linken Seite und eines darauf er sitzt,
seyn mit Perlen und Edelgestein ge
stückt. Solisten ist Niemand um ihn,
als der Großvezier, so zu seiner Rech
ten in großer Demuth und Respekt
steht."
Sollte nun der Gesandle vor den
Sultan treten, so suchte der Großvezier
beim „Allerhöchsten Steigbügel um die
Gnade nach, daß der sremde Gesandte,
nachdem er gespeist und gekleidet wor
den, seine Stirne in dem Staube sul
tanischer Majestät reiben dürfe."
War diese Staubreiberei allergnä
digst bewilligt, so ergriffen die beiden
Kapudschi Bafchi den Gesandten an den
Armen, und zwar derart, daß der links
stehende mit seiner linken Hand den
linken, der rechtsstehende mit seiner
rechten Hand den rechten Arm erfaßte,
führten ihn so in den Audienzsaal und
packten ihn dort, nachdem er sich dem
Throne bis auf ein gewisses Maß ge
nähert, mit den sreien Händen am Ge
nick und drückte ihm den Kopf so tief
nieder, daß er mit der Stirn fast den
Boden berührte. Dann hoben sie ihn
wieder auf und führten ihn rücklings
bis an das äußerste Ende des Saales.
Derselben gewaltsamen Reverenz unter
zog man alle Leute des-Botfchafters,
nur daß dieselben »och etwas „Plötzli
cher" und tieser gebückt wurden.
Tiefe sonderbare Gepflogenheit käme,
wie Busbequius erzählt, daher, daß ein
vor den Sultan Murad gebrachter
Kroate, der vorgegeben halte, daß er
wichtige Mittheilungen zu machen habe,
den Sultan unversehens ermordete, um
den Tod seines Herrn, Markus Despota
von Serbien, zu rächen, den jener hatte
todten lassen. Die Türken aber sagen,
Murad sei von einem gewissen Milo
Corbelis oder Cabilowitz, den man nach
der Niederlage Lazarus' des Despoten
von Serbien unter den Leichen hervor
gezogen und vor den Sultan gelassen
habe, ermordet worden.
Der Gesandte blieb während der
ganzeu Audienz vor dem Sultan stehen
und sprach zn,ihm durch Vermittelung
des DragomanS. War das Bestal
lungSschreib-n verlesen und hatte der
Großherr nichts mehr zu sagen, so
nickte dieser mit dem Kopfe; das da
durch entstehende Schwanken des Rei
herbusches auf seinem Turban war das
Zeichen, daß die Audienz beendigt sei.
So weit blieb der angeblich dem
Koran entstammende Spruch der
ken „lülisoliijs B»>>v!il jolcclur" d. h.
„dem Gesandten geschehe kein Leid"
(wörtlich „kein Untergang") in Eh
ren. Nicht selten aber wurden die
Botschafter fremder Mächte gar schlimm
5 behandelt, nämlich wenn der Sultan
mit ihrem Kriegsherrn im Kriege lag
und darum glaubte, den Gesandten
einsperre» zu müssen, damit er von den
Vorgängen in Konstantinopel nichts
erfahren und verrathen könne. So er
ging''«» z. 8.. wie manchen anderen,
die ihre Namen im Schloßhofe der
„Sieben Thürme" eingemeißelt haben,
auch dem Soranzo der Republik Vene
dig. Bailo, der eine harte und lange
Haft durchmachen mußte, nachdem man
seinen Dolmetsch erdrosselt hatte, weil
er wörtlich die Rede seines Herrn zu
übersetzen gewagt. Selbst in Adriano
pel dauerte seine Hast noch Jahre hin
durch, bis er endlich „mit vielem Gelde
und Schenkungen, welche» das einzige
Mittel ist. die Türken traktabel zu ma
chen. ihr Herz zur Güte zu bewegen,"
die Erlaubniß erhielt, im Wohngebäude
des dortigen Vertreters von Venedig
eine Art HauSaerest zu halten. Wie
man sieht, öffnete der Bakschisch schon
damals alle Thüren.
Den jungen Delahaye, den Sohn des
französischen Botschafters, ließ der wü
thende Großvezier Küperli, wie der eng
liche Diplomat Ricat in seinen Memoi
ren erzählt, gar „Maulschellen, also daß
ihm zwey Zabne in den Hals flogen",
blos weil er eine Botichast seines kran
ken Vaters wörtlich bestellt hatte.
Dieser Küperli scheint überhaupt ein
kurz angebundener Herr gewesen zu
sein. Als ihm der alte Delahaye mel
dete, daß sein König die Stadt ArraS
den Spanier» weggenommen und auch
in Flandern einige Siege errungen
habe, antwortete ihm der Großvezier
grob: „ES ist mir einerlei, ob ein Kind
ein Schwein frißt, oder ein Schwein
einen Hund. Wenn eS nur meinem
kaiserlichen Herrn gut geht."
Seither hat sich mancherlei geändert.
Die mächtigen Pillawschüsfeln der Ja
nitschare» wurden mit diesen selbst zu
sammengehauen, die Piaster werden
keiner Truppe mehr mit rasselndem
Getöse protzig vor die Füße geworfen,
die türkische Bastille, das so manchen
Gesandten zum unfreiwilligen Auf
enthalte dienende Schloß der sieben
Thürme, sinkt in Trümmer; auf dem
Haupte des Sultans sitzt statt des riesi
gen TurbauS mit der winkenden Rei
herfeder das schmucklose Feß. An sei
ner Seite aber trägt er und dos cha-
rakkirifirt am besten den Umschwung
statt des lockeren Krummsäbels da«
Schwert eines deutschen Kaisers. Die
alte barbarische Abgeschlossenheit ist
ausgegeben, die Brutalität niederge
worfen. der Civilisation des Westens
das Thor geöffnet. Langsam zwar
schreitet sie ein in die türkische Welt,
aber immerhin schreitet sie ein. Und
sie ist's, die dem Spruch des Koran
volle Geltung verschaffte, klli-olnji
s»vv»l Dem Gesandten wider
fahre lein Leid!
Ein« Theaterseen«..
Ein belustigender Vorfall spielte sich
dieser Tage am Bolksthealer in Glas
gow ab. Man gab „Othello" von
Shakespeare. Der Darsteller des Jago
hatte etwas über den Durst getrunten '
und der Mohr von Venedig halte einen
echt nordischen Schnupfen. In der
Scene, in der Othello den Verräther
niederdonnert, ereignete sich nun ein so
bnrlesler Zwischenfall, dag sich selbst
der todte Shakespeare in seinem Grabe
vor Lachen geschüttelt haben muß.
Der sinnlos betrunkene Jago konnte
nämlich nicht mehr auf den Füßen ste
hen. Othello fühlte Mitleid mit dem
„des Gottes vollen" Bösewicht und
reichte ihm die Hand, um ihn zu stützen.
Plötzlich aber wurde bei dem Mohren
der Nieskitzel hervorgerufen, was ihn
so erschütterte, daß er wankte und
sammt seinem Partner rücklings zu!
Boden stürzte. Das Publikum brüllte
vor Vergnügen, man johlte, man
schrie, man klatschte wie rasend Beifall.
Das hielt Jago jedoch für eine solche
Beleidigung, daß er sich mit dem letzten
Aufgebot feiner Kunst erhob, auf den
Souffleurkasten stieg und folgende ge
pfefferte Ansprache an die Zuschauer
hielt:
»Ihr Lumpenhunde! Wer da sagt,
daß ich zu viel getrunken habe, der ist
ein niedertrachtiger Lügner. Ihr soll
tet wissen, daß Harry Butler die Rolle
des Jago in allen civilisirten Ländern
gespielt hat,"
Weiter kam er nicht, denn Othello,
der unterdeffen seinen Nießreiz über
wunden hat» und aufgesprungen war,
unterbrach ihn mit den Worten:
„Hall's Maul, Du besoffenes
Schwein! Du bist ja heute voller als
gewöhnlich."
Doch kaum war ihm das Wort ent
fahren, als ihm Jago einen wohlge
zielten Nippenstoß verletzte: der Mohr
ergriff nun seinerseits Jago an der
Kehle, es regnete Faustschläge, Püffe.
Ohrseigen und Schimpfworts, bis
schließlich die beiden wackeren Männer,
die sich wie zwei Ringkämpfer in der
Arena sest umschlungen hielten, kops
über in den Zuschauerraum stürzten
und einer alten OfsicierSdame aus den
Schooß fielen. In Glasgow lacht man
jedenfalls noch heute über die gelungene
Tragödie.
Zeichner und Maler
haben die Verfolgung eines mit Pfer
den bespannten Schlittens so häufig als
Motiv für ihre Schöpfungen verwendet,
daß sie für einen neuen Borwurf dem
Mr. Fred Wishaw, der in „Land and
Water" erzählt, wie er in Rußland auf
seinem Fahrrad durch Wölfe verfolgt
wurde, nur dankbar sein können. Er
befand sich in dem Distrikt Pskoff.
Gerade hatte er nach einem kurzen Auf
enthalt seine Maschine aufs neue ge
schmiert, als er hinter sich ein verdäch
tiges Geräusch vernahm und, sich um
drehend, ein Rudel von fünf großen
Wölfen auf sich losstürmen sah. Im
Nu saß Whifhaw auf seinem Rad und
fort ging eS in schwindelerregender
Fahrt. Nachem er einige Meilen zu»
rückgelegt hatte, sah er sich einmal um,
in der festen Ueberzeugung, daß von
den Wölfen keine Spur mehr zu ent
decken sein würde, bemerkte aber zu fei
nem Schrecken, daß die Wölfe minde
stens IVO Meter an Distanz gewonnen
halten. Er machte darum einen Spurt
und schoß aufs Reue vorwärts. Glück
licherweise war der Weg so eben wie ein
Billard, trotzdem aber fühlte Whifhaw
wohl, daß er solch eine außergewöhn
liche Kraftanstrengung nicht lange
würde aushalten können. Plötzlich
kam ihm ein Gedanke. Er läutete wie
wahnsinnig. Die Wirkung dieses Ge
räusches auf die Wölfe war fonSerbar.
Sie blieben sofort stehen und verschwan
den mit eingezogenen Schwänzen hinter
den Baumen. Bald aber hatten sie
frischen Muth gefaßt und waren wie
der hinter ihm. Der Weg wurde jetzt
gefährlicher. Wehl zum zwanzigsten
Male blickte Wishaw hinter sich, um zu
gewahren, daß feine Verfolger ihm im
mer mehr auf die Fersen kamen und
kaum noch 50 Meter von ihm entfernt
waren. Plötzlich hörte er ein sremdeS
Geräusch achtete nicht aus den Weg
und schoß vom Wege mit seinem Rad
ia den Schnee, in den dieses einige Fuß
tief eindrang. Wishaw zweifelte nicht
daran, daß feine letzte Stunde geschla
gen habe. Er ergriff die schwere eiserne
Lenkstange seines Fahrrades und
sprang hinter einen Baum, mit der Ab
sicht, sein Leben so theuer wie möglich
zu verkaufen. In diesem Augenblicke
schnellten fünf Rennthiere üver den
Weg. Dies rettete Wishaw vor siche
rem Tode, denn kaum erblickten die
Wölse diese Thiere, als sie deren Ver
folgung aufnahmen. Schnell zog Wi
shaw sein Rad aus dem Schnee hervor,
sprang in den Sattel und suhr so rasch
er es vermochte, weiter. Sicher und
wohl in der nächsten Stadt angekom
men, ivar es für ihn ein 'cht sports
männifcher Genuß, auszusprechen, daß
er in 5j4 Stunden 23 engl. Meilen zu
rückgelegt und damit den bestehenden
Record geschlagen hatte.
Fortschritt. I. Lehrjnnge:
„Du, spürst Du wat davon, daß Dein
Meester dem Verein zur Verbesserung
der Lage der dienenden Klaffe beitre
ten is?" —2. Lehrjunge: „O ja, seit
der Zeit sagt er immer: „Sie, kom
men Se her!" wenn er mir durchhauen
will."
„Die Hochzeit de» «rasen."
In der E.-Straße, dicht am Denne-
Ivitzplatz in Berlin, erzählt die „Berli
ner Volkszeitung", wohnte bisher eine
verwittwete Frau Baronin v. K., eine
schneidige SportSsreundin, die aller
Augen auf sich lenkte, wenn sie ihre
feurigen Traber von einem eleganten
„Selbstfahrer" aus durch die Straßen
des Westens oder des Thiergartens diri
girte. Die Frau Baronin ging auf
FreierSfüßen und ward als „gute Par
tie" beurtheilt, denn sie besaß selbst ein
HauS im sashionablen Westen, wenn
sie dasselbe auch aus irgend welchen
Gründen nicht selbst bewohnte. Zu
nächst bewarb sich ein höherer Beamter
um die Hand der reizenden Wittwe,
aber dieses Verhältniß zerschlug sich, als
der Frau Baronin Aussicht wurde, zur
Gräfin zu avancire». Graf D. wurde
nachdem die beiderseits eingeholten
AuSkünste günstig ausgefallen waren—
nach kurzer Bewerbung erklärter Bräu
tigam. Um den langweiligen Vorbe
dingungen einer Verehelichung in
Deutschland zu entgehen, reiste das
Paar nach England und ließ sich dort
trauen. Nachdem die jnngen Eheleute
in voriger Woche zurückgetehrt waren,
sollte in der Hedwigskirche die priester
liche Einsegnung und im Anschluß
daran ein imposantes Hochzeitssest in
der bisherigen Wohnung der Frau Ba>-
ronin gefeiert werden.
Bei dieser Gelegenheit konnten denn
auch die Gäste die stilgerechte Einrich
tung der Wohnung bewundern, welche
aus dem Besten bestand, was die jüngste
Berliner Möbcl-AuSstellung zur Schau
gestellt hatte. Als die Stunde der
kirchlichen Trauung nahte, da entstand
ein surchlbarer Auslauf in der Straße.
Ein vierspänniger HochzeitSwagen mit
Kutscher und drei gallonirten Dienern,
einer neben dem Kutscher, zwei hinten
auf dem Tritt, fuhr vor und dem ent
sprach auch der Glanz der übrigen Equi
pagen. Der Auflauf der Neugierigen
wurde so groß, daß Polizei requirirt
werden mußte, um den Verkehr frei zu
halten. Die Polizeibeamten hatten
mehrere Stunden laug schwere» Dienst,
bis der pompöse Auszug vou der Kirche
zurückgekehrt war. Während die Menge
sich nur zögernd verlief, faß die glän
zende Hochzeitsgesellschaft an einer Ta
sel, die sich unter den leckersten Genüssen
aller Zonen buchstäblich bog, worunter
natürlich die Feststimmung keinerlei
Abbruch erlitt.
Da suhr gegen 8 Uhr Abends noch
ein einzelner Gast vor. Seine „Equi
page" war keineswegs glänzend zu nen
nen, sie sah einem Berliner Möbelwa
gen verzweiselt ähnlich. Auch das Ge
wand des verspäteten Gastes war kein
hochzeitliches, unter seinem Ueberzieher
guckie statt des Fracks ein Dienstrock vor,
aus dem Haupte trug er eine Mütze mit
einem blauen Sammetraiid. Trotz die
ser Gewandung erzwang er sich de» Ein
tritt in die Festversammluiig. Sein
Erscheinen wirkte wie eine erplodirend«
Bombe, und als er sich gar als Ge
rich«vollzieher N. N. vorstellte und eine
aus den Grasen lautende ausgeklagte
und sofort vollstreckbare Wechfelforoe
rung vorwies, als er ferner erklärte,
strikte Ordre zu haben. Alle» zu versie
geln und auch sosort auszuholen, da
war die ganze Gesellschaft außer Rani»
und Band.
Die Bemühungen der Gäste, durch
Zusammenlegen der in Taschen
befindlichen Baarbestände den Stören
fried IoS zu werden, scheiterten an der
Höhe der Forderung und dem guten
Willen, wie Können der Gäste. In
der allgemeinen Verwirrung hatten sich
noch mehr ungebetene Gäste eiugefun
dtn, die wohl gerochen haben mußten,
daß etwas in der Luft lag. Da prs
- der Besitzer d«S Hochzeitswagens
seine Rechnung, daneben die Blumcn
fabrikantin, die den Myrthenlranz und
den Blumenschmuck für die Tafel ge
liefert hatte, der Schneider und der
Schuster, welche Hochzeitsfrack und Lack
stiefel bezahlt haben wollten, und end
lich der Traiteur, welcher ein kleines
Vermögen sür das lukullische Mahl
verlangte. Aber Geld gab eS nicht,
Herr und Frau Gräfin wollten sich
todtschießen, aber das hätte die Rech
nungeu auch nicht bezahlt gemacht, und
das Lebe» ist doch so schön auf
sremde Kosten, sie thaten es daher
nicht und bewogen durch Bitten und
Thränen den Mann des Gesetzes, mit
der Pfändung bis zum nächsten Mor
gen zu warten.
Wie sich darauf die Gesellschaft des
Weitere» amusirt hat, darüber schweigt
des Sängers Höflichkeit. Schwamm
drüber! Am ander» Morgen Punkt 8
Uhr war der Gerichtsvollzieher zur
Stelle, bis 12 Uhr hatte er zu pfänden
und zu protocolliren, dann waiiderlen
alle die schönen Mebel auf den Wagen.
Unterdessen hatten sich auch verschiedene
andere Gläubiger eingefunden, denen
man sagte, der Herr Graf sei „verreist",
die Frau Gräfin sei „ausgegangen".
Die meisten derselben ließen sich damit
abspeisen, nur die Blumenlieserantin
nicht, dieselbe drang in die Wohnung,
fan» dort zwar den Herrn Grafen,
wurde von demselben aber mit einer
Anklage wegen Hausfriedensbruchs de»
droht und hinausgeworfen.
Als sämmtliche Räume kahl und leer
waren, verließ auch der Herr Gras die
selbe. sich fröstelnd in seinen Hcchen
zollernmaniel hüllend. Die gepsäude
ten Möbel sind jedoch wieder freigege
ben worden, weil die Frau Gräfin,
welche rechtlich sür die Schulden ihres
Mannes nicht auszukommen braucht,
sofort ihr Jnterventiousrecht geltend
gemacht hat und die Gläubiger eine
nutzlose Klage nicht anstrengen wollten.
Die geprellten Handwerker und Liefe
ranten. welche die Bestellungen des
.Herrn Grasen" esfektuirt haben, mö
gen nun zusehen, wie sie zu ihrem Gelde
kommen.
Jeder ist seines Glückes
Schmied das Schicksal muß ihm aber
das Eisen wärmen.