2 Mass«isttten. Pater Leroy, der an der Expedition der Väter vom heiligen Geist in s Kili mandscharo-Gebiet thnlnahm, schildert »inen Besuch in einem Massailager am Auße des Paregcdirges. Er schreibt: .Gegen Abend gehe ich. von unserem Dolmetscher Salim geleitet, um den Besuch des Massai - Häuptlings zu er widern. Der greise Häuptling führt mich in das Lager. Sofort werde ich umringt, betrachtet und wie ein Wun der angestaunt. Ich meinerseits schaue auch und staune. Das sind echte Wilde, wahre Vertreter jener Rasse, welche Thompson (ein englischer For scher) mit Recht als die schönste und merkwürdigste Asrikas bezeichnet. Nach »nd nach werden sie freundlich. Man reicht mir die Hand, und Jeder will meine weiße Hand berühren: bald er kühnt sich eine starke Frau, mir ihr Kleinstes zu präsentiren. Sie trägt dasselbe in einem Sack aus Ziegenfell ans dem Rücken und bittet mich sehr bescheiden um die Gnade, dem Kinde aus das Haupt —zu spucken. Mein Dolmetscher Salim erklärt mir. daß dies eine Art von Segenswunsch sei und daß mein Speichel bei diesem Stamme eine» großen Werth habe. Ich thue es recht freigebig, während der Kleine mich mit seinen funkelnden Aeuglein anschaut. Alsbald stellen sich die Mütter, die Kinder alle, die Greise alle mir vor; Jeder will von diesem glücklich machen den Speichel. Ich muß ihn förmlich verschwenden. Aber der Stamm ist zahlreich, und bald ist mein Mund vollständig trocken. Eine Massaidame bemerkt es, läuft zu ihrem Zelte und bringt einen großen Kürbis voll Milch, den sie mir darreicht. Ich lösche den Durst in vollen Zügen, während Salin« in herzliches Lachen ausbricht, und neu gestärkt beendige ich die Begrüßung mit einer Freigebigkeit, welche mir lle Herzen gewinnt. Nur hatte ich nicht die Erwiderung meiner Höflichkeit vor ausgesehen: man saßt mich bei den Armen, man streift mir die Aermel in die Höhe, und von all diesen lachenden Lippen ergießt sich ein ähnlicher Regen aus meine abendländische Haut. Als wir spät zu unserem Lager zurückkehr ten, lacht der Schlingel Salim in einem fort. „Warum lachst Du?" „Warum ich lache ?" „Lachst Du wegen der Begrüßung?" „Nein. Herr. eS ist wegen der Milch. War sie gut?" „Sie hatte einen kleinen Beigeschmack. Warum?" „Weil die braven Massai, um den zu erhöhen, die Milch mit 'Urin von der Kuh vermischen." Und Salim brach von Neuem in lautes Lachen au»." Weihnacht. Heil'ge Nacht. Morgenröthe» bess'rer Zeiten, Hoffnungsstrahlen hell und mild Um den dunklen Erdball gleiten; Es erlahmt des Bösen Mächt. Siegreich wird die Liebe streiten. Schaffen dieses Erdgebilde Um zu himmlischem Gefilde, Wo des Friedens Engel wacht. Heil'ge Nycht. Frohe Nacht. Wie die Kinder jubeln, lachen! Froh im hellen Kerzesglanze Haschen nach den schönen Sachen Die am Christbaum angebracht Treue Elternaugen wachen. Daß die zarte Mcnschenpflanz'. Blüthe» treib' zum Tuqendkranze, Dessen Dust den Himmel macht. Frohe Nacht. Stille Nacht. Mach' die Herzen jung, die alten. Sende holden Frieden nieder; Laß die Flamme nicht erkalten Die Erinn'rung angesacht. Laß der Kindheit Glauben walten. Daß in jedem Herzen wieder Klinge» süße E verkümmert mir alle Beide in dieser Jahrelangen Heimlichthuerei, die doch .schließlich in unserem gemüthlichen Klatschnest ein offenes Geheimniß ist." Das junge Mädchen, das diese Wort« leidenschastlich hervorsprudelte, schlang den Arm zärtlich um ihre ernste Freun din. „Du hast Recht," gab diese zurück, .es gilt noch einmal und jetzt für im mer auszugeben!" „Aufzugeben? Bist Du närrisch? Ausgeben einen Mann, den Du jahre lang liebst, der Deine trübe Kindheit bellgemacht, der das Ideal Deiner Mädchenjahre—beiläufig bemerkt, aller unserer jungen Mädchen ist —, den aufzugeben eines hartköpfigen Vaters und einer crbsüchtigen Verwandtschaft willen? Nein, sesthalten sollst Tu ihn. und thust Du'S nicht, so thue ich s, das merke Dir!" Fräulein Getrud Präto riuS rückte mit einer energische» Bewe gung den Sessel, sprang auf und griff nach Muff und Handschuhen. „Also morgen, auf Flügeln des Gesanges", lachte sie, „frisch aus! Laß Dir von diesem abscheulichen Weihnachtswcttcr nicht die Stimmung verderben! Auf Wiedersehen morgen zur Gesangs probe!" Sie eilte davon, und Paula Hart mann kehrte zu ihrer Handarbeit zu rück. Während sie mechanisch den zier lichen Buchstaben aus der Leinwand Form und Farbe verlieh, flogen ihre Gedanken weit ab zu den ersten Tagen ihrer Kindheit, die ihre übermüthige Freundin soeben noch eine trübe ge nannt. Da stand das kleine HauS vor ihr mit seinen blanken Scheiden, dem sau bere» Vorplatz und den sechs Granit stusen, die zu seiner Hausthür sührten. „Das Schlößchen," nannten es die Leute, denn es lag gär absonderlich vornehm zwischen dem alten, verräu cherten Nachbarhaus? und dem ehrwür digen Gymnasium der Kreisstadt. Und im Rahmen eines behaglichen Wohnzimmers sieht sie die Gestalt ihrer zweiten Mutter. Mutter! Nie mag sie das Wort auch nur denken, ohne das Gefühl tieser Wkhmuth, unendlicher Sehnsucht. Ihre Mutter ist todt, und die man ihr dasür gegeben, ist so himmelweit verschieden von der süßen Gestalt, die sie einst Mutter genannt. Kein Bild im Hanse des Vaters zeigt ihre lieblichen Züge, verweht, verloren scheint die herrliche Form für ewig allein, das weiß sie, nicht dunkles Haar, wie die sanite. ruhige Frau, die jetzt am häuslichen Herde waltet, hatte die Mutter, nein, rothgold war eS. leuchtend, nnd leuch tend war die Farbe ihres seinen Ge sichts. Allein ein Nebelschleier verhüllte die zarte Gestalt und verband Wahrheit und Dichtung. Nur ihrer strahlenden Augen glaubt sie sich bestimmt zu erinnern. Diese wunderbaren Augen haben sich geschlos sen sür ewig, »nd nur einmal hat sie ihren Strahl wiedergesehen in einer ihr unvergeßlichen Minute. Es war der Tag, an dem die neue Mutter h.'imgeholt ward vom Bater in das verwaiste Haus, das sast ein Jahr lang der Herrin entbehrte. Sie hatte sich in Erwartung des Va ters hingelegt und war elngeschlasen. Im Traum erschien ihr die Mutter, im Traum umfaßte sie die geliebte Gestalt und die wunderbaren, blauen Augen der Geliebten blitzten sie an mit überir dischem Feuer.- „Wache aus, mein Paulchen, denk' an die Zeit," so flüsterte eine weiche Stimme ihr ins Ohr und dann ersaßte sie die Hand der Theuren, um sie nie, nie wieder von sich zu lassen. O, welche Seligkeit, sie war wieder da, die Geliebte, nur ein banger Traum hatte sie vor ihr getrennt. Nun öffneten sich dir Flügelthüren zum Festsaale weit, dort stand der strah lende Weihnachtsbaum und neben einer schönen, sreundlichcn Dame ja auch der Vater, der geliebte Vater. „Ach, jetzt ist Alles gut, Vater, lie ber Vater, ich bringe Dir ja die Mut ter, die liebe Mutter!" Sie ruft es glückselig »nd wendet ihre seuchtschim mernden Augen zu den strahlenden blauen an ihrer Seite. „Mein Gott, wer ist der lange, blonde Knabe, der ihre Hand festhält, als wollte er sie nie wieder freigeben? „Wo ist die Mutter?" Sie ruft es gellend, angsterfüllt. „Hier ist Deine Mutter, mein Kind, mein gutes Mädel," sagte der Vater, und die schwarzäugige, freundliche Tame an seiner Seite schließt sie innig in ihre Arme. „Tu hast wobl geschla fen, kleines Herzchen, und mein böser Bruder hat Dich unsanft geweckt? Sagte er Dir schon von mir, da Du nach Deiner Mutter frugst, mein liebes Paulchen?" Sie stand wie im Traum, wollte antworten, doch die Stimme versagte ihr wie konnte sie sich hinein finden in diese Wirklichkeit! Und es waren doch die Augen der Mutter, ihre seine Hank, die sie hergeleitet bis unter die strahlende Tanne. Ja, es war ein Traum, und es galt, ihn abzuschütteln, ihn zu vergessen, wenn es möglich wäre Tante Amelie ries ihr Hausmiitterchen. „Kind, er muntere Dich. es sind ja Gäste im Haus, ja, das war eine Ueberraschung!" Noch heut glaubt sie den schweren Seuf zer der Tante zu hdren bei diesen hastig hingeworfenen Worten, und sieht sie die bitterbösen Blicke, welche die alte Köchin auf den Zober mit Karpfen wirft, die der Christian aus Befehl deSHausherrn soeben geholt, und aus die neue Mutter, die jetzt ebenfalls die Küche be tritt. , „Wir haben Ihnen unerwartet Ar beit gemacht, so gestatten Sie auch, daß ick> Ihne» Heise" so wendet sie sich lächelnd an die Tante, ersaht eine sau» Herr Küchenschürze, die am Nagel hängt, und hat im Nu die Karpsen geschlach tet, mit bewundernswerther Fertigkeit zertheilt und die polnische Sauce mit einer Schmackhastigkeit bereitet, die dem ganzen Hauspersonal, vor allem der Tante, die ausrichtigste Bewunderung abnöthigt: „Sie wird eine vorzügliche Haussrau und dem Kinde eine treue Mutter sein," dies war das Urtheil Tante AmalienS über die Verlobte ihres Bruders, mit dem sie weder sich noch Andere getäuscht hat. Füi'.szeh» Jahre sind seit diesem un vergeßlichen Weihnachtsabend vergan gen. Das „Schlößchen" in der alten Kreisstadt ist verkaust und in der Hei math der zweiten Mutter, der kleinen, aber regsamen Industrie- und Fabrik stadt T.. hat sich der Vater mitten in einem reizenden Garten eine Villa er baut, ganz nach seinem Geschmack und den Bedürsnissco seines weitverzweigten Sie ist nicht mehr allein wie in dem alten, lieben, so ungern verlassenen Heim ihrer Vater stadt vier Brüder, und, o Freude, auch zwei liebe Schwestern theilen das neue HauS mit ihrer ältesten, gestren gen Lehrmeisterin. die still und unbeirrt ihre? Amtes als „Hausmütterchen" waltet. Freilich, oft genug unter manch' unterdrücktem Seufzer. Wie haben sich die lo gern ausgesponnenen Träume der Swulzeit ihr erfüllt? Sie wollte Lehrerin werden, ein festes Ziel haben für ihr Leben, wünschte der Menschheit zu nützen. Doch gelang es ihr nicht, zu diesem Entschlüsse des Va ters Einwilligung zu erlangen. „Du haft in Deiner Familie einen Wirkungs kreis, groß genug sür Dein Pflicht gefühl. möge» Andere Anderen helfen. Du gehörst zu uns und bist vor allen anderen Menschen uns verpflichtet, Tri nen Eltern." Gegen diese Argumente des Vaters ließ sich nichts sagen, wenig stens erlaubte ihr tieses Kindergemüth ihr kaum einen GcdankenLdagegen. Ohnehin begann ein sinsterer Geist, der keinen, auch nicht den geringsten Wi derspruch duldete, sich des VaterS je länger, je mehr zu bemächtigen. Die ganze Familie litt uiiter de» Wirkun gen seiner ost aus den unbedeutendste» Ursachen hergeleiteten Zornesausbruche, die sreilich seine stets um so stärker kon trastirende Herzensgüte wieder bald daraus zu mildern und vergesse» zu machen suchte. Besonders um die Weihnachtszeit machte eine hochgradige Erregung sich an ihm zum Leidwesen der Seinen be merkiich: das schöne Fest der Liebe und „des Friedens aus Erden" wurde nur zu ost durch Unsrieden und Härte von Seiten des Familienoberhauptes gestört, und nur die immer gleichblei bende, liebevolle Freundlichkeit der Hausfrau half der Familie über diese Etimmung innerer Unzufriedenheit hinweg. In heftigen Disputationen mit Freunden des Hauses über Religion, Unsterblichkeit »nd reines Christenihum erklärte der Vater die Anschaffung des festlichen Tannenbaums sür eine heid nische, närrische und den Wald schwer schädigende Mode, die fortan in seinem Hause zu unterbleiben habe. Kein Bitten und Flehen der lieblichen kleinen Schwestern hals der Weihnachts baum gehörte sür die Kinder von Fürchtegott Hartmann in das Reich der Träume und Erinnerungen. Paula Hartmann hat die Arbeit auf den zierlichen Nähtisch gelegt und starrt minutenlang in die wirbelnde» Flocken, die beinahe das noch immer grüne Tcp pichbeet vor der Veranda sestlich be decken. Warum verfolgt sie heut die Erinne rung an jenes erste Weihnachtsfest, des sen sie sich voll und ganz entsann? Ter blasse, blauäugige Jüngling, der sie damals unter die strahlende Tanne geleitet, sie der verehrten mütterlichen Freundin zugeführt hat, ist seitdem ein Mann und ihr heimlich Verlobter ge worden. Ein Beben ging durch ihre zarte Ge stalt. Vertrug sich diese heimliche Ver loburtg mit dem reinen Gefühl inniger Kindesliebe, mit ihrer Wahrheitsliebe? Hatte sie je ein Geheimniß vor den El tern gehabt, ja den Geschwistern auch nur die kleinste Nothlüge gestattet? Und nun Doch die Freundin hatte Recht, das mußte endlich anders wer den. noch heut wollte sie dem Vater Alles deichten, wenn eine glückliche Mi nute sich dazu fand. Der klare Blick der Mutter hatte wohl längst schon in ihrem Herzen gelesen, und es war bös willige Entstellung, wenn man behaup tete, wie die Freundin ihr soeben er zählt. sie hintertreibt die ehrliche Wer bung des hochgeachteten Bruders, um ihren Kindern den Goldonkel zu erhal ten. Nein, nur Egoismus und Nieder tracht eines entspringt ja dem an dern konnte solch Urtheil fällen, sie wußte es besser! der feine, silberne Klang der Wanduhr unterbrach ihre Gedanken. Sie erhob sich schnell, gleich mußten die Geschwister aus der Schule kommen und siehe da, pünktlich wie das Uhrwerk stürmte die wilde Schaar herein, voran Maria, ihr klei ner Liebling. „O. Paulchen, ist das 'ne Freude, chen Hut und Mantel ab. „Bor Allem wollt Ihr doch Vesperbrod—also bitte, trollt Euch in s Eßzimmer!" „Ja, und dann Heißt'S: Schularbei ten, einzigste Paula, nicht wahr, Du hilsst?" Sie nickte Gewährung. Es war ja selbstverständlich, die Mutter hatte ihr längst die Sorge sür das geistige und leibliche Wohl der Geschwister über lassen. „Weißt Du auch, daß Papa Besuch hat?" sagt Bruder Karl wichtig. „On kel Fritz ist bei ihm im Comptoir." Paula fühlte, wie sie erblaßte. Sie hatte ihn feit mehreren Tagen, feit der letzten Gesangprobe nicht gesehen, denn beide wirkten seit Jahren im Kirchen chor als hochgeschätzte Mtglieder, »nd am nahen Weihnachtsfest sollte die Ge meinde mit der Aufführung des Löwe schen Oratoriums „Und es waren Hir ten aus dem Felde" erfreut werden: sie selbst hatte den Solovortrag des „Ehre sei Gott in der Höhe" übernommen. Er stand ihr dort, wie immer, lench tenden Auges gegenüber, aber, da er sie, wie er gern zu thun pflegte, nach Haus geleiten wollte, hatte sie, einer Laune folgend, kurz dankend abgelehnt nnd war mit dem Dienstmädchen, das sie aus der Uebungsstunde abholte, allein nach Haus gegangen. Heute Morgen nun brachte ihr die Post einen launigen Brief von ihm. recht zu ihrem Trost, denn trotzdem sie wohl von seiner treuen und wahren Liebe all die Jahre hindurch überzeugt sein konnte, machte das Bewußtsein, daß der Vater sie nicht dillige, sie ost mißmuthig und miß trauisch in ihre beiderseitigen Gefühle. „Warum Dein Vater", so schrieb er darin, „mir damals, als ich um Dich, die Siebzehnjährige, anhielt, eine fo harte Abweisung gegeben, hat er mir bis heute nicht gesagt. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, das Leben hat mir mancherlei angethan, und mein Vertrauen zu der Menschheit im Allge meinen hat nicht zugenommen doch meine Liebe zu Dir ist, wenn es mög lich wäre, nur mit den Jahren gewach sen, ich will und werde Dich erringen, mein bitterbös grollendes, manchmal auch schmollendes, nicht launisch seil' sollendes, herzliebeZ Paulchen!" Und jetzt war er bei dem Bater? Ihr Herz stand still. Da hörte sie den schril len Klang der äußeren Thürglocke. Kam die Mutter zurück von ihren Be sorgungen sür die weihnachtlichen Ge schenke? Nein, im Thürrahmen erschien Schmeeßke, das Faktotum de- Hauses, und bestellte mit wichtigem Nachdrucke: „Das Frölen solle sogleich zum Herrr Bater." Paula schritt zagend durch den langen Korridor bis zum Privatcomptoir, das Schmeeßke dienstbeflissen öffnete, um sogleich geräuschlos zu verschwinden. Sie sah sich erstaunt im Zimmer um und dann fragend den Pater an. „Onkel Fritz" war nicht da. sollte er davongegangen sein, ohne sie zu be grüßen? Das war ein schlimmes Zei chen. Der Vater rechnett indeß an einer langen Zahlenreihe, und es schien, als bemerke er ihre Anwesenheit gar nicht. Endlich hob er den Kopf und ein durchdringender Blick traf sie bis in's Herz. „Was gefällt Dir an diesem gewese» nen Soldaten und jetzigem Maschinen bauer," —er legte eine starte Betonung, die Schmeeßke ihm glücklich abgelauscht hatte, auf die letzten beiden Silben „was gefällt Dir an ihm," fuhr er fort, „daß Du ihm gestattest, um Deine Hand zu bitten?" Sie hatte sich endlich gefaßt. „Vater," sagte sie noch mit leisem Zittern der Stimme, „lieber Bater, daß er Soldat gewesen, was Du als einen Fehler ihm anzurechnen scheinst, ist eine einsache Pflichterfüllung, deren er sich doch nicht seige entziehen durste, ob gleich er weiß, wie Du darübeg denkst, daß es gescheiter und nützlicher sür die Menschheit wäre, sie brauchte keine be waffnete Beschützer des Friedens —" „O, er hat Bruderblut vergossen, er kämpste gegen deutschsprecheudc, deutsch denkende Mitmenschen bei Königgrätz. Und er wagt es um Deine Hand anzu halten!" Er hatte sich halb aus seinem Lehn stuhl emporgerichtet und ließ sich jetzt schwer zurücksallen. „Lieber Bater!" Sie faltete flehend die Hände in einander „mit Tau senden ist er damals in den Kampf ge zogen," fuhr sie muthiger fort. Der Vater stand erregt auf und be gann das Zimmer mit langen Schrit ten zu durchmessen. „Sieb, Paula!" sagte er. plötzlich vor ihr stehen bleibend, „ich kenne Dei nen Werth und habe stets geglaubt, auch Du kennst ihn, da Du so viel der Körbe schon ausgetheilt. Keiner die ser Fabrikbesitzer, sogar nicht einmal der Dr. Thomas, schien Dir begeh renswerth, und der alte Hagestolz, Kirchenrath Schneider, sagte erst neu lich von Dir: „sie schwebt in höheren Regionen, wo gar keine Bräutigam? wohnen." Aber das sag' ich Dir, er wäre mir noch ein lieberer Schwiegersohn, denn dieser Schwager, der, wie seine ganze Familie. leine blasse Ahnung hat von dem Geist, der Dich beseelt." Er sah sie mit väterlichem Stolz und mit so tiesen. liebevollen Blicken an, daß sie verstummte. Doch es galt ih rer Liebe, und so mnßte sie sprechen, mußte antworten aus Worte, die ihr aus des strengen VaterS Munde selt sam und unerhört klangen. „Du hast mir, lieber Vater", begann sie zaghast. „Du hast mir bisher leine Veranlassung gegeben, unbescheiden über mich zu Kenten. Aber weshalb schmähst Du die Familie, ans der Du Dir Deine Gattin, unsere Mutter, er wählt? Ist sie uns nicht ein stetes Vor bild aller hausfraulichen Tugenden?" „Magsein," snhr er erregt dazwischen, „aber sie ist jeder Poesie baar, sie hat meinem Leben allen Zauber genommen, sie ist das grade Gegentheil Deiner Mutter. Durch ihre „Wirthschaftlich« keit" hat sie einen Zahlenmenschen aus mir gemacht," er hielt inne. lim Lust zu schöpfen, „und und ihre Kinder werden nichts Besseres! So, Du kannst und sollst eS einmal wissen!" „Bater!" Paula sah sich erschreckt um. Gott sei Dank, es hatte Niemand diesen leidenschastlichen GefühlSaus bruch gehört. „Bater, Du thust der Mutter und den Geschwistern bitteres Unrecht. Ist ihr stilles Unterordnen in Deine Befehle, ihr fanftmüthiger Geist nicht höchster Achtung werth, und was die Kleinen betrifft, schilt sie nicht herz- und gefühllos sie haben wohl das Gefühl echter Weihnachtspoesie im Gemüth. Keines unserer Geschenke, Deine oft zu große Freigebigkeit wird ihnen den Weihnachtsbaum ersetzen, den Tu uns nun schon Jahre hindurch verweigerst und er hat doch meine ersten, srühesten Kinderjahre erhellt »nd unter seinen strahlenden Zweigen hab' ich meinen Fritz gesunden, den Onkel Fritz mii den Augen und der Liebe mei ner verklärten Mutter! Ja, und so unmöglich ich sie vergessen, aus meiner Erinnerung bannen kann, so wenig kann und werde ich je von ihm laffen. den ich lieb gehabt, noch bevor ich sein treues Herz und tiefes Gemüth, feinen Sinn sür Freiheit und Rcchtschafsenheit erkannte —" Sie stand da. mit ihren großen, leuchtenden Augen den Bater beherr schend, den Ausbruch seines Zornes be schwörend, er sah sie staunend an: end lich schüttelte er den Kopf und sagte ge dämpften Tones: .Geh! Wir sprechen wohl noch darüber." Gewohnt, stets ohne Widerspruch zu gehorchen, folgte sie feinem Befehle, ihr Vater sah minutenlang ans die Stelle, wo sie gestanden, stützte den Kopf in die Hand und murmelte leise: „Ihre Augen und die seinen, drum, drum überkam mich stets ein Wohl gcfühl bei seinem Anblick." Der nächste Tag führte Paula in der Gesangsprobe mit den Freundinnen zusammen. Gertrud Prätorius sragte sofort, warum heut „Onkel Fritz" fehle. Paula wußte keine Antwort. Sollte erendlich des jahrelangen Hangens und Bangens müde sein und eine An dere sreien ? Nein, so wenig wie irgend etwas seinen Glauben an ihre Treue erschüttern konnte, so unmöglich schien es ihr auch, dies von ihm zu den ken. Und doch, heut' wollte daS: „Friede aus Erden" nicht mit so klarer, jubelnder Stimme hinausschallen in die dämmrige Kirche, ein Etwas lag aus ihrer Seele und hemmte selbst de» sreien Flug ihrer Gedanke», und die Freude n» der geheime» LiebeSthätig keit, der sie sich mit Feuereiser widmete, um die quälenden Gedanken loszuwer den. Es gab auch wirklich so viel an zuordnen, einzulaufen, fertigzustellen und sortzusende». daß ihr wenig Zeit blieb, ihnen nachzuhängen, nur dann und wann lauschte sie, als müsse sein Schritt eS sein, der sich vernehmen, sie jäh erröthen ließ, und wenn die Post stunde kam, eilte sie durch den verschnei ten Garten dem Loten entgegen al lein, lein Gruß von ihm gab Kunde, daß er ihrer noch denke. Eben um diese Zeit war es im vori gen Jahre, wo sie beide vereint bera then, wie ivohl nnd durch welche Mittel den Arbeitern seiner Fabrik die meiste Freude zum Weihnachtsseste zu machen sei? Und sie kamen übercin, daß es besser sei. den fleißigen Familienvater durch Lohnerhöhungen in den Stand zu setzen, den Seinen den Gabentisch selbst ausbauen zu können, als durch oft unnütze und dem Bedürfniß nicht entsprechende Geschenke ihn vor sich und Anderen der Beschämung auszusetzen. Wieviel laute Freude und stillen Dank hatte Onkel Fritz mit dieser Art, Weih nacht zu feiern, geerntet: ob er's in die sem Jahre wieder so hielt? Eine Sehn sucht erfaßte sie, nur einmal wieder seinen freundlichen Blick zu sehen, dies« blauen, tiesen, ernsten Augen der todten Mutter; ach, die Welt war kalt und trübe immer dunkler schienen ihr die Tage, ob wohl je wieder ein Son nentag herauskommen würde über die finstere Erde? So kam der Christtag heran. Im großen Eckzimmer, das mit seinen fünf hohen Fenstern einem stattlichen Saal gleicht, hat sie die Geschenke mit Hilfe der guten Mutter für jedes Familien glied ausgebaut. In der Palmcn gruppe vor dem Trumeau steht auf ho hem Postament, das durch blühende Töpse aus dem Gewächshaus den Augen entzogen war. die Gestalt des segnenden Heilands nach Thorwald sen's herrlichem Borwurf, und in die geöffneten Arme des menschlich sühl-n -den und leidenden Menscheiisohnes sehnte sie sich hinein, an seinem Herzen Trost zu finden sür ihr verlassenes, zer rissenes, von Zweiseln gequältes Ge müth. Der Vater, den sie nur »och bei den Mahlzeiten sah, schien außer ordentlich beschäftigt, sprach fast nur mit dem ersten Buchhalter, der mit am Tisch speiste, und warf nur dann und wann prüfende Blicke zu ihr hinüber. Heute schien die vergnügteste Figur im ganzen Ha »sc Schmeeßke, das alte Fak totum, zu sein: er trieb außerordentlich viel Heimlichkeiten mit der alten Köchin uns reizte die Neugier der Knaben aus den Christabend i» einer geradezu un verantwortlichen Weise. „Schmeeßke," sagte Karl mit überlegener Miene, „was nutzt wol l der Mantel, wenn er nicht gerollt ist? Was wird das schönste Weihnachtsfest, selbst mit SchneemäN' »er» und Schlittschuhlaufen— wenn's keinen Lichterbaum giebt? Und den giebt's nun einmal nicht also warten wir's ruhig ab. ich weiß übrigens, glaube ich, so ziemlich Alles, was es giebt und Ihre Orakel verfan gen nicht bei mir!" Jetzt beginnen die Glocken zum Be ginn der Christnacht zu läuten. Paula steht noch in der Küche, der ein würziger Duft entströmt: sie hat Aller lei abzutheilen für Kranke und Schwache, denen Schniceßke die Stär- kung in» Hau» tragen soll, heimlich, unter dem Schutze der schlecht beleuch teten Straßen. Nun ist sie endlich fer tig. „Paulchen", sagt die Mutter freundlich, „laß jetzt alles Uebrige, das ich mit Stiues Hilfe schon besorge, geh' aus Dein Zimmer »nd kleide Dich an! ! Wenn ich klingle, kommst Du mit den Kindern." Sie gehorcht, wirft aber doch noch schnell einen Blick in die Kinderstnbt, und Liesbeth und Martha hängen sich, sie mit Fragen bestürmend, fest an ihr Kleid. Nun endlich ist sie in ihrem Zimmer, ihre Toilette ist schnell been det, sür wen sollte sie sich auch schmük len? Sie nimmt aus einem Fache ihres zierlichen Schreibtisches eine seine Flecht arbeit heraus, eine Kette aus ihren haaren geflochten, sie liest die Worte . »och einmal, die sie dem Geschenk sür ihren theuren Fritz hinzusügen wollte: .Nimm gern ein Band v»n Liebchens Haare». Das Dir das Christkind von ihr bringt Es sei Dir noch nach langen Jahren Ein Band, das Liebe »in Dich schlingt." ». s. w. und wiederholt den Schluß: lind bleichen endlich sie die Jahre, Bleibt fest und treu doch unser Sinn. Fest »nd treu, beharrlich, wie all die Jahre! Ja. warum war sie mir so Ileinmüthig? Sie legt das Geschenk seufzend wieder an seinen Platz und löscht die Lampe. Der Klang der Festglocken dringt in die heimliche Stille ihres Zimmers und lockt sie an's Fenster. Welch' eine Pracht sunkelnder Sterne, unermeßli cher Welten, zu denen sie von frühester Kindheit an staunend und bewundernd, ihren Lauf ergründend, geschaut. Wie sang ihr hochverehrter Gottfried Kinkel? Und gleich den Sternen lenket Er Dei. »en Weg durch Nacht! Wirf ab, Herz, was Dich kränket und was Dir bange macht! Sie legte schluchzend den Kopf an die Scheiben. Da faßte eine Hand die ihre, zwei bärtige Lippen suchten ihre» Mund, »nd „Paulchen, Paulchen, komm zur Bescheerung!" flüsterte jcine Stimme. Ist's denn wirklich Onkel Fritz? Da läutet auch die Glocke, und willenlos, im Banne eines glückseligen Gefühls, gemischt aus Schreck und Freude, überläßt sie sich seiner Füh rung. Ein Weihnachtsdust von Tannen »nd Wachskerzen dringt zu ihren Sin nen, sie träumt wohl? Oder ist das wahrhaftig Taunenreisig, über das sie ichreitet, hinein durch die geöffneten Flügelthüren an seiner Hand unter die strahlende Tanne, die dort inmitten des Festsaales prangt? „Ich lasse sie nicht, so segnet uns denn." sagt Fritz einfach und lustig, wie es feine Art ist, zu den gerührten Eltern. Der Vater aber schließt sein Kind in seine Arme und sagt- „Was bleibt mir übrig? Ec hat in Wahr heit Deiner Mutter Augen, und die werden Dich nicht trügen!" Schmeeßke aber ist glückselig im An blick des Brautpaares und des unge heuren Jubels der Kinder, denn er hat die Tanne hineingeschmuggelt und lacht schmunzelnde Nicht wahr. Karlchen, jetzt ist doch Weihnacht, richtige Weih nacht!" «in« Leipziger Militär-Vorlage. Das ,L. Tgbl." frischt die Erinne rung an eine Militärdebatte aus ver gangenen Tagen des Deutschen Reiches auf. Nachdem König Gustav Adolf von Schweden im Jahre der durch Kaiser Ferdinand bedrohten protestanti schen Freiheit zu Hilse geeilt war, glaubte der Kurfürst Johann Georg von Sachsen darin ein EroberungSge lüste zu erblicken »nd suchte seine Selbst ständigkeit durch eine bewaffnete Neu tralität zu wahren. Er berief zu die sem Zwecke einen Fürstentag nach Leip zig, der am 19. Februar 1631 seine Sitzungen begann. Die protestanti schen Fürsten, reichsfreie Herren und Stände erschienen dabei in Person, die Reichsstädte waren durch Gesandte ver treten, so daß die Stadt mit vornehmen Gäste» übersüllt war. Erschien doch allein Kursürst Georg Wilhelm von Brandenburg mit einem Gefolge von 178 Personen n»d 102 Pferden. ES solgte ei» Festgelag dem anderen: alle Tage wurde» in Jubel und Herrlichkeit verlebt, bei welcher Gelegenheit am lv. März mich, und zwar auf dem Roß olatze, das erste Leipziger Wettrennen stattfand. Die Preise bestanden in einem silber nen Kränzlein, zwei Faustrohren (Pi stolen), einem vergoldeien Degen und 12 ReichSthalern. Es rannten 25 Personen, deren jede 2 Dukaten Ein satz gezahlt hatte. Während der Sit zungen des Fürstentages wurde unge heuer viel getrunken nnd noch viel mehr gesprochen, darunter auch über die Bil dung eines Heeres. Komisch erscheint, !>aß für das noch gar nicht vorhande»e AundeSheer bereits eine Lebensmittel axe festgestellt wnrde. Wir erfahre» aus derselben, daß 6 Loth Semmel einenPsennig, 9 Loth Brod einen Pfennig, 3j Pfund Bauernbrod einen droschen, ein Psund Rindfleisch zehn Pfennig, ein Pfund Schweinefleisch achtzehn Psennig, ein Psund Schöpsen fleisch els Pfennig, ein Pfund Kalb fleisch siebe» Psennig, ein Pfund Speck drei Groschen, ein Lamm achtzehn Groschen, ein Psund Butter zwei Gro schen. ein Schock Eier fünf Groschen und ein Schock Käse sechs Groschen, so wie die Kanne Bier süns Psennig koste ten. Am 3. April ging der Fürsten tag auseinander, nachdem die Militär vorlage bewilligt war. Ehe aber »och Alles fertig war, drang der kaiserliche General Tilly ins Land, wobei am Iv. Rai Magdeburg in einen Aschenhau >en verwandelt und 30,0tX) friedliche Menschen hingeschlachtet wurden. Weihnacht«»»«»». Die ersten matten Sterne Zieh n ans am Himmelsrand, 801 l Ahnung harrt die Erde Im lichten Schnecgewand. Der Tanne Wipiel rausche». Von serne Glockenklang. Mir ist, als müst' ich lau'che» Der Engel Lobgesang. AIS sollt' ich wieder jauchzen Wie einst, voll Kinderglück; Die stur,„verwehten Psade mich ur ick: Der Heimath Glocken halten Die Kunde sroh durch s Land, Der Ehristbaum strahlt mir wieder Geschmückt von Mutter Hand Die frommen Lieder schallen So lieb nnd so vertraut, Was je der Wunsch ersehnte. Bietn leuchtend Auge schaut. Was theuer inir aus Erden Umschließt der eine Raum, Und Seligkeit durchfluthet Mein Herz ein Weibnachtstraum I A. Nicolai. Der alte Duse. Selten hat eine Künstlerin so viel Aussehen in ganz Europa erregt, wie die italienische Tragödin Elenore Duse, die zur Zeit in Berlin am Lessing- Theater gastirt. In den Biographien der gefeierten Künstlerin wird erzählt, daß sie aus einer alten, italienischen Echauspielersamilie stamme. Aber von ihrem Vater war in diesen biographischen Darstellungen nur selten die Rede. In einem alten Buche, welches Schilderungen a»S dem Thea» terleben zu Anfang dieses Jahrhunderts enthält, sinde ich einige sehr interessante Mittheilunge» über den alte» Dust, der einer der beliebtesten Komiker, ein Volksschaiispicler von Naivetät und Natürlichkeit gewesen sein soll. Im Herbste IB4V tan, er mit seiner Wan dertruppe auch nach Padua. Am näch ste» Morgen waren überall Zettel an geschlagen. ans denen mit großen Buch staben stand: „L»igi Duse zeigt seine» geliebten Paduaner» an. daß er mit einer aus erlesenen Gcsellschast in der Stadt des LiviuS und Petrarca angekommen ist und daß morgen seine Vorstellungen beginnen." Aber die Erwartung des beliebten Komikers wnrde diesmal enttäuscht. Der Theaterbesuch war ein schlechter; die Studenten hatten gerade kein Geld, die Geschäfte stockten wegen einer Han delskrise »nd Dust sah ti»e erschreckende Ebbe in seiner Kasse. Da verkündigte eines Tages der Theaterzettel eine ganz neue Posse ) „Ohne Tadel," ein Gedicht Luigi Tuse'S und gespielt von Luigi Duse ganz allein. Das erregte die allgemeine Neugier, und das Theater war zum ersten Mal übervoll. Luigi Duse trat auf, ganz schwarz, in tieser Trauer, einen langen, schwarzen Flor aus dem Hute und schnitt ein trübseliges Gesicht, wie ein Leichenbitter. in seierlichen Schritten trat er an das Präsenium, seusztt einige Male tief aus unter schallendem Gelächter des Publikums und begann mit melancholischem Tone also zu sprechen: „Signori! was ist das? Ich sehe vielt, die nicht da sind. (Gelächter.) Glaubt Ihr, ich spiele hier zu meinem Vergnügen Komödie? O nein, ge liebte Paduaner! und insbesondere, geliebte Studenten! denn ohne Eure Lire ist der Duse ein armer Teufel, eine Laterne ohne Licht! —He, warum kommt Ihr nicht? Gefallen Euch meine Stücke nicht? Habe ich nicht gute Schauspieler??— Und bin ich nicht der Duse?? (Akklamation und „Bravo Duse!") Also warum kommt Jh? nicht? Wenn das so fortgeht, so könnr Ihr mich —psr »»coo—bald von hier forttreiben. (Zahlreiche Rufe: wir werden schon kommen, »iciro!—) Ja. das sagt Ihr immer, und der Duseist ein guter Narr, der immer auf Euch wartet. Ich will Euch jetzt eine Loo sxlsnü» machen, ich bin nämlich in einer großen Verlegenheit, mein erster Liebhaber braucht einen schwarzen An zug. denn er hat sich in de» Skibischen Lustspielen die Beinkleider durchgekniet. Meine erste Liebhaberin hat keine weißen Atlqsschuhe, und meine unschuldige Naive braucht einen Taufpathen. Da mnß zu Allem der Duse herhalten, aber wo soll er das Geld hernehmen, wenn Ihr immer in den Kaffeehäusern und Wirthshäusern herumliegt und nicht ins Theater kommt? Also kommt doch in HeiilerSiiamcn morgen ins Theater! Aber alle! Nun also, was ist?" Da erhob nach einem allgemeinen Murmeln des Parterres sich ein be-° moostes Haupt, stieg auf die Bank und rief mit mächtigem Bierbaß: „Morgen ist es unmöglich, lieber Duse! Ueber morgen ist Examen, und da müssen wir uns morgen vorbereiten: aber über morgen kommen wir alle." „Gewiß?" fragte Düte, „Ihr habt mich schon so oft angeführt." „Auf Ehre, über morgen!" replizirte der Gegner, und ein allgemeines „Ja, wir kommen, Dust!" erschütterte das ohnedies schon etwas baufällige Theater. Verschmitzt lächelnd betrachtete Duse das Pttblitiii» eine Weile, dann trat er vor und, de» Zeigefinger auf den Mund legend, sagte er ganz vertrau lich: „Aber ein schlechter Kerl, der aus bleibt," und der Vorhang fiel unter jubelndem Bravo. Am sestgesetzten Tage war das HauS bis aus den letzten Platz gesüllt und Duse unerschöpflich in Spaßen und drolligen Einsallen. So war »och vor üO Jahren in Italien die Siite des VolksthcaterS, und heute steht die Tochter diestS Ko mikers auf der Höhe der dramatischen Kunst der modernen Kulturwelt.