6 SchlangenkSpfchen. «on Johanne« Da§ wcchj/lvollc Schicksal des See fahrers uud die an Wandlungen reiche Scenerie des Meeres bilden einen Stosfkreis, der allezeit die Einbildungs krast der Menschen in Thätigkeit gesetzt hat, und jede Schilderung aus diesem Gebiet darf des allgemeinsten Interesses sicher sein. Soniil wird auch das Buch, welches soeben in dem Verlage von Fr. Pfeilftücker in Berlin unter dem Titel „Auf grünem Wasjer".vou Joh. Ziegler «schienen ist. uud aus dem wir mit der nachstehenden Erzählung „Schlangen kSpfchen" einen Ausschnitt geben, zahl» reiche Freunde finden. Es werden hierin dem Leser leine in der Phantasie entstandenen Fabeln geboten-, die hier »neinandcrgcreihten Erzählungen uud Schilderungen, welche, zweiundzwanzig on der Zahl, den Inhalt des sechzehn Bogen starken Buches bilden, verlieren kniicSwcgS dadurch ihren spannenden Reiz, daß sie von jeder Ausschmückung frei erscheinen nnd Erlebtes und Er schautes vor die Vorstellung bringen; »m Gegentheil, das Interesse dafür wird durch das Gepräge voller Glaub würdigkeit erhöht. Nicht wenig trügt hierzu der schlichte Ton der Erzühlungs weise bei. Wenn man von Hamburg durch Altona nach Ottensen fährt, so bemerkt man kaum, daß es drei Orte sind, denn fie erscheinen als ein zusammenhängen de- Ganzes. In Ottensen aber, das eigentlich ein Dorf ist, beginnt die Gegend ein anderes Gesicht zu bekom men; da ist die alte röthliche Kirche mit dem breiten Thurm und dem hohen Dach, davor die mächtige Linde, welche LlopstockS Grabstein beschattet, und deren Laublrone liöhcr reicht, als das Kirchendach: da sind Landhäuser in Gärten, und Bauernhäuser sieht man auch. Es ist dort schon ländlich, indeß vor etwa sechzig Jahren war es noch viel ländlicher dort. Aber auch schon damals war die Strecke von Ottensen nach Blankenese, dem Fischerdorf, eine ununterbrochene Reihe von Landhäu sern, die, hoch über die Elbe, in Park anlagen gebettet, ihre Front dem Strome zuwenden; auch fchou damals konnte man, da sämmtliche Gitterthore freundlicherweise zu dem Zweck am Tage offen blieben, den weiten Weg nach Blankenese im Schallen der hohen Bäume zurücklegen, von einem Park in den anderen. ES ist einer der schönsten Wege der Welt. Macht man sich von Ottensen auf Giesen Weg. so kommt man zunächst »ach Neumühlc», dl>S beinahe ganz von Wäuineii beschaltet, am AbHange des Mfers liegt. Außer einigen Villen hat der Ort uur kleine, doch sehr sauberge haltene und ist zum Theil von Schiffs lapitänen, die sich vom Seedienst zu< rückgezogen haben, bewohnt. Es mögen etwa siebzig Jahre her sein, da wohnte in einem der kleinen, netten Häuser Neumühleus der alte Kapitän Roberts mit seiner Frau. Er hatte vor Kurzem das Seesahren aus gegeben und sich das Häuschen gekauft, dessen Stuben klein wie Kajüten wa ren. aber sauber in Oelsarbe glänzten «nd allerlei Zierrath in Gestalt von getakelten Schiffsmodellen, seltenen Muscheln und getrockneten Seegewäch sen zeigten. Die Behaglichkeit der beiden alten Leute war noch gesteigert durch die An wesenheit ihres einzigen Sohnes, der, bald nachdem sie das Haus gekauft hatten, gegen Weihnachten von einer langen Seereise aus den ostindischen Gewässern zurückgekehrt, bei ihnen ein gezogen war. Ter junge Robert hatte auf dem Ostindiensahrer den Posten eines Obcrstcucrmanns eingenommen, später aber das Kommando des Schis ses, da dessen Kapitän mitten aus dem Ozean au den Folgen zu vielen Trin kens verstorben war, selbstständig ge führt und dabei so große Tüchtigkeit und Kenntniß in der Nautik erwiesen, daß sein RhcderhauS ihn zum Kapitän siner neuen Brigg ernannte, welche auf der Dolckschcn Werft zu Altona im Bau stand. Während des Baus mußte er natürlich am Lande bleiben, ging indeß ab und zu auf die Werft, um die Arleiten zu beschleunigen, denn das Tchifs sollle zu Weihnachten scgel seit g sein. Roberts war ein etwas sonderbarer Mensch im Vergleich mit seinen Be russgenosscn. denn obgleich diese da mals ebenso tüchtig waren wie heute, zeigte sich ihr Benehme» nicht sehr fein, nnd trinken nnd flnchen thaten sie un bändig. Der junge Roberts dagegen niar still und in sich gekehrt und lag, wenn er nur irgend Zeit sand, über Hen Büchern, um seine Kenntnisse, namentlich in der geographischen Wis senschaft. zu vermehren. Er sprach wohl manchmal ein lustiges Wort und Konnte, wenn er von Anderen eins hörte, in ein prachtvolles Gelächter aus brechen; doch gleich war er wieder still, als wenn ihm das Lachen zu einer Sorge, die ihn quälte, nicht recht zu Passen schien. Um Klarheit in dieser Erzählung nicht vermissen zu lassen, soll hier sofort gesagt werden, worin diese Sorge bestand. Roberts hatte nämlich vor seiner Reise im Hamburger Hasen an Bord des Ostindienfahrers «ine junge Dame kennen gelernt, die mit ihrem Vater gekommen war. um das prächtige Schiff zu besichtigen; er hatte sie darin herumgesührt und sie spater noch dreimal aus dem Landsitz seines Rheders in Gejcllschast ge troffen. Jetzt, nach seiner Rückkehr, war er abermals begegnet, und zwar un sern von Neumühlen in einem Pari, «i dessen Mitte die Villa ihres Vaters paiid, und batte dabei die Entdeckung gemacht, daß er und sie im Herzen sich ijehr nahestanden. Klara van der Zur,. S>en war die einzige Tochter eines auge isehenen Hamburger Kaufherrn, ein schlankes Mädchen mit aschblondem Haar und einem schönen großen Mund; sie war herzhaft und voll Offenheit und konnte es bei ihrem abermaligen Zu sammentreffen mit Roberts nicht ganz verhehlen, wie es mit ihr stand. Er hatte dies mit einem Schauer der Freude, zugleich aber mit Schrecken wahrgenommen, mit Schrecken, weil er selbst eine tiefe Neigung für sie cmpsand »nd doch als Kapitän eines Handels schiffes unmöglich daran denken durste, die Augen zu der Tochter eines reichen Kausherrn zu erheben. Als cr ihr im Park Lebewohl gesagt hatte, blickle cr ihr noch einmal »ach, wie sie mit ihrer Gefährtin der Villa zuschritt, und be schloß, ihr sorgfältig aus dem Wege zu gehen nnd die Zuneigung zu ihr mit aller Macht zu bekämpfen. Aber die ser Kampf, der immer wieder erneuert werden mußte, machte ihm die Sorge, von-der ih vorhin erzählt habe. tun sich die beengenden, peinigenden Gedanken an Klara zu vertrtibcu, gab er sich mit noch größerem Eiser dem Studium seiner Bücher hin, vornehm lich des großen Karl Ritters „Erd kunde", von welcher der erste, Asrika allein behandelnde Band damals vor Kurzem erschienen war. In diesem Sommer war es sehr warm, nnd cr hatte Abends beim Lesen die Fenster offen; doch so vertieft war er in seine Sache», daß cr tauin hörte, wen» ein Vorübergehender ihm guten Abend wünschte. Es gingen übrigens nicht viel Leute vorüber, aber unt.'r diesen war zuweilen ein alter Herr, der lang sam seinen abendlichen Spaziergang machte, um auf die Elbe hiuabzu blicken; denn, auf deren breitem Fahr wasser hört auch des Abends und wäk>- rcnd dcr Nacht die Schifffahrt nicht aus, uud es ist wohl der Mühe werth, zu de ren Betrachtung einen Spaziergang zu machen. Roberts war mit dem alten Herrn zufällig cinmal in s Gespräch gekommen, und seit der Zeit saglen sie einander immer guten Abend und machten eine Bemerkung über das Wetter. Roberts wußte nicht, wer der Mann sei, und sein Vater, der erst kürzlich nach Neumühlen gezogen war, wußte eS auch nicht. Aus den Gesichts zügen des ManneS ließ sich blos erken nen, daß er ein Jude war, »nd das einzige Bemcrkenswerthe an ihm schien, daß cr einen grauen Seidenhut auf dem Kopse und beständig eine Rose im Knopfloch trug. Roberts machte sich weiter auch kein Kopfzerbrechen da rüber; cs genügte ihm, daß sie einan der sreundlich grüßten und zuweilen eine Bcmcrkuiig übcr das Wcttcr mach-- c». LI Ich wciß. wer der alte Herr war. Es war Salomon Heine, der reiche Hamburger Bankier, welcher in der Nähe von Neumühlen einen Prachtvol len Landsitz hatte, aber unscheinbar, ost mit Absicht so. einherging. Er ist auch Allen dem Namen nach bekannt, denn er war ja der Onkel des Doktors Heinrich Heine, der so schöne Gedichte gemacht hat. Ich habe den alten Herrn in meiner frühen Kindheit ein mal gesehen, als ich an der H nd mei nes Vaters in Hamburg am Jungfern stieg eullang ging. „Sieh dir den Herrn da genau an," sagte mein Vater; „das ist Herr Salomon Heine, einer der besten Menschen auf der Welt." Obwohl ich damals blos die Menschen für die besten hielt, die mir gelegentlich eine Düte mit Zuckerwerk verehrten, sah ich den Mann doch schars an als einen, der mir vielleicht in Zukunft auch eine Düte voll Zuckerwerk verehren könnte. Er sah ganz danach aus. Seine Züge, obwohl ernst, waren mild und freundlich. Im Uebrigen erin nere ich mich nur a» feine weiße Weste, den hellen Seidenhut und die Rose im Knopfloch, die er immer trng, Sommer uud Winter. Er ward damals in Hamburg wegen seiner Menschenliebe säst wie ein Heiliger verehrt, und sein Andenken lebt heute noch bei den Enkeln seiner Zeitgenossen in voller Frische. Eines Abends saß Roberts wieder bei offenem Fenster in seiner Stube, in die man von draußen hineinsehen konnte, und las eifrig in Ritters „Erdkunde"; manchmal suchte er in dem reichhalti gen Register, schlug dann die Seite auf. dann jene und schien in großer Span nung zu vergleichen. Plötzlich schlug er mit der Faust auf das dicke Buch, sprang vom Sessel aus und rief: 'lab' es!" In diesem Augenblicke ging der alte Herr draußen vorüber, blieb stehen, trat dann an das Fenster und sragte teilnehmend: „Js was passirt?" „O nein," erwiederte Roberts, „ich babe nur gesunden, was..., doch ent schuldigen Sie. wie ist eigentlich Ihr iierther Name?" „Mein Name ist Heine." „Ich bitte, Herr Heine, möchten Sie nicht auf einen Augenblick hereinkom men? Sie haben ein so kluges, theil nahmsvolles Aussehen, daß ich Ihnen die Sache wohl erzählen möchte; da? «ißt, wenn Sie Zeit haben." „O ja, hente Abend habe ich nix mehr zu thun." sagte der alte Herr, ging die paar Schritte nach der Haus thür, die ebenfalls offen stand, trat ein und setzte sich, nachdem er die hübsch ge takelten Schiffsmodelle beguckt halte ans das Sopha. ES würde zu weit führen, wenn ich Roberts' Auseinandersetzung und was der alle Herr darauf erwiederte, hier wörtlich folgen ließe. Roberts sagte, er habe auf seiner letzten Reise nach Ostindien bemerkt, daß die Engländer die Kauris, nämlich die kleinen Mu scheln. auf deutsch Schlangenköpschen genannt, die Deinigen Ländern AsritaS und Asiens als Miinze gelten, in Ben galen einschifften nnd damit sortsegel ten. Seine Erkundigungen, wohin sie damit segelten, seien alle umsonst gewe sen; keiner sagte was; sie behielten ihr Geheimniß. Nun habe er aus Karl Ritters neuem Werte erfahren, daß in Bengalen die Kauris zehnmal billiger seien als im afrikanischen Sudan, wo» bin die Engländer im letzten Jahre ge gen zweitausend Eentner Kauris über Guinea durch fremde Handelsleute ha ben gelangen lassen und für diese Mu scheln dem Sudan seinen Goldstaub abkauften. In Bengalen kosten 24t)V Kauris einen Shilling Sterling, indeß im Sudan 251) Stück zehn Shilling drei Pence werth seien. „Wenn also," schloß Roberts sein» Auseinandersetzung, „die Engländer es der Fracht werth halten, die Kauris von Bengalen, wo sie sie kaufen müssen, nach Guinea zu bringen, wie viel mehr kann ich ein Aehnlichcs thun? Aus der letzte» Rcise nämlich ward ich mit Schiffe, dessen Kommando mir als Obcrstcucrinann nach dem Tode dcS Kapitäns zufiel, von einem furchtbaren Eyklon im Indischen Ocean »ach Nord west geworsen, und als der Sturm vorbei war, habe ich an der Ostküste von Asrika zwei Bänke gesunden, die ganz voll von Kauris liegt», sodaß man diese nur einzuschauseln braucht. Kein Mensch außer mir scheint die Bänke zu kennen, die bei niedriger Ebbe kaum einen Fuß unter Wasser sind, aber ich weiß ihre Stelle ganz gcnau. Tort also habe ich die Kauris umsonst, daher billiger, als die Engländer sie in Bengalen haben, das überdies um die ganze Breite des Indischen Oceans weiter nach Osten liegt. Nicht wahr?" Der alte Herr hatte gut zugehört, nauchmal den Kops geschüttelt, auch ein Wort dreingeworse», aber schließ lich sah er den jungen Mann, der cner gischdastand, mit aufmerksamen Blicken an. Dann schüttelte er wieder den Kopf. „Muschclgeld," sagte cr, „mit so 'n Geld hab ich mein Lebtag noch nix zn thun gehabt. Das muß ich mich doch ein wenig überlegen." „O, die Sache hat ihre Nichtigkeit," /agte Roberts; „ich möchte eS wohl un ternehmen; aber mein Platz als Schiffs kapitän bei meinem Rhederhause, das ist eine verdammte Geschichte !" „Bei Ihrem Rhederhause " sagte Herr Heine, „junger Mann, kommen Sie übermorgen am Vormittage mal zu mich in meinem Kontor, das ist am Jungscrnstieg, da will ich Ihnen was sagen." Roberts war nicht wenig erstaunt, uls er zwei Tage darauf ani Jungfern stieg vor einem prächtigen Hanse stand, das offenbar einem sehr reichen Mann gehörte. Er trat ein und ward, als er nach Herrn Heine fragte, durch eine Reihe großer Zimmer gesührt, in wel chen schreibende Menschen emsig beschäf tigt waren. Es herrschte dort eine solche Stille, daß man nichts hörte, als das Kreischen der Gänsefedern. Als man ihm die Thüre des letzten Zim mers geöffnet hatte, fand er drinnen den unscheinbaren alten Herrn mit der Rose im Knopfloche, den Herrn Salo mon Heine. Nach einem freundlichen Gruße sagt, dieser: „Hören Sie mal, ich will Ihnen was sagen, aber es bleibt unter uns. Ihr Rhederhaus hat in letzter Zeit Un glücksiälle gehabt, und ich glaube, es wäre froh, wenn man ihm das schiff, das draußen iu Altona auf der Dolck schen Werst liegt, »nd dessen Kapitän Sie sein sollen, ablausen möchte." Roberts war recht verblüfft über diese Mittheilung. „Nun habe ich," fuhr Herr Heine fort, „über den Plan, von dem Sie mir vorgestern erzählt haben, nachgedacht; er gesällt mich. Ich selbst treibe keine Rhederei und mache auch keine Geldgeschäste in Muscheln, aber ich will Ihnen was sagen. Sie schei nen mir ein besonnener und unterrich teter und unternehmender junger Mann zu sein, und da Sie selbst wohl nicht über die nöthigen Mittel verfügen, so biete ich Ihne», rückzahlbar nach drei Jahren, eine Summe an, für die Sie das Schiff lausen und befrachten kön nen. Sollten Sie wegen Unglücksfäl len nach drei Jahren nicht zahlen kön nen, so macht es auch nix. Meine Mittel erlauben mich das. Aber das sage ich Ihnen: Sagen Sie nur keinem Menschen was von die Muschel», den» wen» es nix damit is, blamiren wir uns fürchterlich." Roberts war noch verblüffter, als zuvor, faßte sich aber bald und nahm unter vielem Danke das großmüthige Anerbieten an, das nur ein Mann wie Salomon Heine machen konnte. Mitte December 1823 lag der „Kart Kilter" so hatte Kapitän Roberts sei» Schifs getauft im Hamburger Hasen und nahm eine Fracht von aller lei Werkzeug, Glasperlen und Nürn berger Waaren ein, die an der Küste von Guinea willige Käufer finden. Von dort war der „Karl Ritter" unter Ballast nach dem Indischen Ocean be stimmt. wo Roberts sein Geheimniß waren, aussuchen und ab schaufeln wollte. In der- Weihnachts woche holte das Schiff aus dem Hasen und machte die Segel los. Als es un ter Neumühlen vorbeikam, standen der alte Roberts und seine Fran vor der Hausthüre und wehten mit weißen Tüchern, und weiter stromabwärts wehte noch ein weißes Tuch aus einem bereif ten Parke hervor. Die es schwenkte, war Klara van der Zuyde», welcher Roberts, seitdem er getroste Aussicht auf Wohlstand hatte, nicht mehr aus dem Wege gegangen war; vielmehr hatte er sich mit ihr zur Treue versprochen, nnd Klara, die im Sommer vor lauter Gram über Roberts' Bescheidenheit sast krank war, stand nun blühend da, mit rosigen Wange» in der Kälte, und um ihren schönen großen Mund spielte ein Lächeln, wie ein Gemisch von Glückselig keit uud Trauer über den Abschied. Tann entschwand das Schiff den Blicken derer am Lande. « » » Der unternehmende Seemann hatte sich nicht geirrt. Er suchte an der ein samen Küste von Südafrika die Bänke aus und sand sie noch dick von Schlan genköpschen, die er in sein Schiff schan seln ließ, bis der Raum voll war. Nach mehrmaligen Fahrten zwischen den Bänken und Guinea hatte er sie gründlich abgeräumt mit einem Gewinn von über zehntausend Psund Sterling. Am frühen Morgen des 24. December 1824 erschien er bei Nordwest mit einer Ladung Elsenbein und Goldstaub aus dem Sudan vor der Mündung der Elbe, und im Laufe dcS Tages segelte er den Strom hinaus. Als er die Villa oan der Znyden in Sicht halte, löste er drei Salutschüsse und dann noch zwei. Tics war das verabrede Zeichen zwi schen ihm und Klara, die schon den ganzen Monat mit Sehnsucht darauk gewartet halte. Roberts' Rechnung auf eine Abwesen Heid von zwölf Monalen, wenn Wind und Wetter ihn begünstigten, stimmte. Das war ein Weihnachten! Klara, die alten Roberts, der alte Herr van der Zuydcu, der natürlich sofort die ganze Geschichte erfuhr man mag sich das Glück denken. Solomon Heine war ganz selig; da war ihm einmal wieder ein Stück nach seinem Geschmack gelun gen. RohertS' bot ihm, nachdem das Schiss bezahlt, die Hülste des Reingewinnes an, aber der alte Herr sagte: „Gehen Sie man zu Haus; ich mache nicht in Muschel»; Sie haben viel gelernt und haben de» Muth gehabt, in Muscheln zu machen; darum gehört Ihnen der Reingewinn allein; vertragen Sie ihn mit Gesundheit." Dieser Gewinn aus der Unterneh mung mit den Schlangenköpschen bil dete das Stammcapital des Hand lungShauses, das hente noch reich dasteht unter der Firma Robert? ck Söhne. Die Söhne sind von Klara Roberts, geb. van der Zuyde». Mit der Zeit entwickelte sich eine innige Freundschaft zwischen Herrn Salomon Heine lind Roberts und ward immer fester, bis wieder einmal Weihnachten herankam. ES war zwanzig Jahre später. Salo mon Heine hatte sich schon mehrere Wo chen nicht wohl gesühlt. Roberts ging oft hin, ihn zu besuchen. So kam er auch am Nachmittag des 23. December in das Haus am Jungfernstieg. um sich nach dem Befinden des alten Herrn zu crluudigc». Er fand dort Alles in Bestürzung. Ein Diener sagte: „Herr Heine ist vor einer Stunde verschie den...." Am 24. December 1844 lag dieser edle Mensch auf der Bahre, nnd am 27. December haben sie ihn aus dem Friedhose zu Ottensen begra ben. In ihm verlor Roberts den Be gründer seines Glückes, die Bedürstigen in Hamburg und Ottensen einen Vater nnd die Hansestadt selbst einen ihrer größten Bürger. Thierfreundschaft. Ueber das rührende Freundschafts verhültniß zwischen einem Kanarien vogel und einem ruppigen Spatz be richtet ein Thiersrcuno: Im Sommer sanden meine Kinder im Garten einen jlingen Sperling, der, noch nicht flügge, aus dem Nest gefallen war. Sie nah men ihn mit in's HauS und wollten versuchen, ihn großzuziehen, was ihueii aber schwerlich gelungen wäre, wenn nicht einer unserer Kanarienvögel, ein Männchen, sich des Findlings ange nommen hätte. Der Kanarienvogel saß fast den ganzen Tag vor seinem Futternapf und stopfte dem Nimmer satten Pflegling ohne Aufhören den Schnabel voll. Tie Kinder halsen mil eingeweichtem Weißbrot, und so gelang es, den Spatz am Leben zu erhalten. DeS Nachts laß er in einem Bauer, dessen Thüre immer ossen stand, nebet dem Bauer des Kanarienvogels. Bei Tage nmzirpte er das Bauer sei nes Pflegevaters, der ihn durch das Gitter sütterte; bald aber flatterte er selbstständig durch's offene Fenster aus nnd ein, und wir konnten ihn beob achten. wie sorgfältig er die Blumen auf den Beeten nach Jnfecten und Raupen durchsuchte; gegen Abend kehrte er regelmäßig in seinen Käsig zurück. Beim Frühstück saß er bald dem Einen, bald dem Anderen von uns auf der Hand und fraß uns ganz ungenirt die Butter vom Brot weg. Als feine Flügel kräftiger wurden, machte er weitere Ausflüge und blieb erst einen, dann mehrere Tage ans; endlich blieb er längere Zeit ganz weg. —Um die Weihnachtszeit trat ich eines Tages in s Eßzimmer; das Fenster war zum ten geöffnet worden. Da saß der Spotz wieder auf dem Bauer des Kanarienvogels, kam mir auf die Hand geflogen, als ich ihm ei »ige Körner hinhielt und aß sich satt. Dann flog er wieder zum Fenster hin aus und ward nicht mehr gesehen. Die sen Sommer aber stellte er sich wieder ein, und zwar konnten n>>r bald demcr ten, daß er Familie halte. Das ein geweichte Weißbrot, das wir ihm hin stellten, schleppte er in unglaublichen Massen fort, um gleich darauf mit lee rem Kropf und Schnabel zurückzukeh ren. Bald kamen auch seine Jungen mit aus den Hos und auf die Fenster bank, in s Zimmer hinein aber getraute sich keines der Jungen. 'Nachdem unser Spatz seineJungen herangesüttert hat, ist er jetzt wieder häufiger unser Gast. Um diese Jahreszeit aber sitzen wir na türlich nicht mehr beim offene» Fenster nnd können auch nicht immer darauf achten, ob Jochen (so heißt er) am Fen ster sitzt oder nicht. Das haben mir aber auch gar nicht nöthig, denn der Kanarienvogel meldet sogleich durch eigenthümliche, schrillt Töne, daß sei» Freund am Fenster ist und Einlaß be gehrt. Wen» wir dann das Fenster behutsam öffnen, schtüpft er herein, wie eine MauS, frißt sich satt und hält da nach aus dem Dach seines Pflegevaters sein Nachmittagsschläschen. Dieser läßt vann ein zärtliches Gezwitscher ertönen, während er gellende Töne ausstößt, so bald sein Freund wieder zum Fenster wird. Bedingt. .Liede» Männchen, liebst Du mich wirklich treu und wahr?" „Gewiß, süßes Weibchen! Verlangt Leweis Kis zum Betrage von hun» sert Marli" Heldinnen von Mordprocefl«» Der hochscnsationelle Doppelmors proccß gegen Frl. Lizzie Borden in Fall River, Mass., hat wieder die all gemeine Aufmerksamkeit auf andere Evastöchter alter und neuer Zeit ge lenkt, welche die Hauptfiguren Hochnoth peinlicher Processe bildeten. Zugleich hatte der Bordcn-Fall, wenigstens im Vergleich zn den anderen berühmten Fällen dieser Gattung in den letzten fünf Jahren, verschiedenes Eigenartige auszuweisen. Man hat häufig gesagt, daß die LieblingSwaffe des Weibes, das die Mordlausbahn betritt, das Gift, und ihr wichtigster Anwalt ihre Schönheit sei; im Borden Fall aber hat man es mit den rohesten Männerwasscn zu thun, und daß Lizzie schön sei, wird sicherlich auch ihr aufrichtigster Freund nicht behaupten wollen, auch ist dies seit langer Zeit der erste hervorragende Fall, daß nicht ein Gatte oder Geliebter oder „Geschästssreund" das Opfer war, sondern Bater und Stiesmntter. Be züglich der angewendeten Waffen, sowie auch des bescheidenen Maßcs von Schön heit bot der Proceßfall der Rorolane Druse im Staat New Aork das letzte bekannte Seitcnstück zu dem vorliegen den. Frl. Borden hat aber alle Aussicht, nicht das Loos der Druse zu erleiden. Im Allgemeinen von einigen be rühmten AuSiiahmen abgesehen kommen Frauen in Processen um Le ben und Tod äußerst gelinde weg, nicht bloS in unserem Lande, und die Ga lanterie bleibt nicht vor der Thüre des Gerichtssaalcs stehen. Darauf ver trauend, hat das verbrecherische oder zügellose Element unter dem zarten (oder manchmal auch blos verzärtelten,) Geschlecht uustrcitig schon stark daraus IoS gesündigt. Die Strafanstalten jedes Staates haben wenigstens einige Personen aufzuweisen, deren Geschlecht allein sie davor bewahrte, Verbrechen durch Henkershand büßen zu müssen. Von dem allgemeinen Zug unseres Zeitalters betreffs des Weiblichen ist auch den Mordprozeß-Heldinnen etwas zu Gute gekommen. ES läßt sich aber nicht verkennen, daß die Sympathie für die mehr oder weniger schönen Mörderinnen im Ab nehmen ist. Entschieden gilt dies von der alten Welt, und auch bei uns macht sich stetlcnwcise ein starkes Gefühl des Ueberdrusscs an der moralischen Süß holzraspelci geltend, die nur eine Carri catur des wahren Zartgefühles ist. Bon den Mörderinnen, welche aus der Berufsverbrecher-Klasse komme», wie die Benders im „wilden, wolligen Westen," die Eroisettes in Paris, die Lichtenbergs in Berlin, eine Reihe in teressanter Verbiccherinnen in New ))ork u. s. w.. sei in dieser Skizze ab gesehen. Frisch im Gedächtniß ist noch der Fall der vornehmen Frau Mon tague, der Tochter eines englisch-irischen Edelmannes, ivelche jetzt eine Zucht hausstrafe wegen grausamer Ermor dung, resp. Todtmißhandlung ihres Kindes abbüßen muß.und in der näch sten Zukunft teine Aussicht auf Frei lassung hat. LM ' V z --5 > MMR Witt ve Mcchbrilk, Ueber die Amerikanerin Mayknlck, welche überführt wurde, ihren Gatun, den reichen Baumwollhändler Jcui es Maybrick, in Liverpool vergiftet zu hu ben, ist viel Papier verschrieben wor den, und das letzte Wort scheint noch lange nicht gesprochen zu sein. Ihre Freunde, an deren Spitze Gail Hamil ton, die Schwägerin des Er-Staats lecretärs Blaine, steht, versuchen gerade jetzt wieder alles Mögliche im Interesse ihrer Freilassung, doch ist eS ihnen bei nahe unmöglich, beim Secretär des In nern auch nur Gehör zu erhalten; der politische Herrfchaftswechsel in England scheint daran gar nichts geändert zu ha ben. Desgleichen hat auch die Bom pard, welche den Eyraud von Poris bei der Aussübrun.g seiner greulichen V«r-> brechen behilflich war od«r sie gar ver anlaßte, keine Begnadigung zu er hoffen. . ! Wltlwe Wharton. Großes Aufsehen erregte Hierzuland« u. A. der Giftmordproceß gegen MrS. Wharton in Baltimore, die nahezu 50jahrige Wittwe eines Armee-Offi ciers, welche 187 l angeklagt wurde, den General W. S. Kctchum, ebenfalls einen Ofsicier der Bundesarmee, durch Gift beseitigt zu haben, Sie war mit dem General intim befreundet und stand bei ihm schwer in Schuld. 1871 tras sie Vorbereitungen zu einer Reise nach Europa, uud am 23. Juni kam der General aus Washington, um ihr Lebewohl zu sagen und nebenbei die Schuldverschreibung eiiizuiassircn. So wie cr das Haus verlassen hatte, er krankte cr. und am 28. Juni starb cr. Gleichzeitig erlraukte auch Ban Nces, welcher die Finanznngclcgcnhcilen der Wittwe gcnau kannte, nnd er entging dem Tode nur mit knapper Noth. Es wurde bewiesen, daß General Ketchum an Vergiftung gestorben war. Auch wurde seine Weste vermißt, in welcher die Schuldverschreibung der schönen Wittwe steckte. Letztere wurde indeß von der Anklage, General Ketchum ver giftet zu haben, freigesprochen, und du Klage wegen Gistmordvei suchcs an Van NeeS wurde niemals weiterversolgl. In diesem Proceß waren mehr als hun dert Sachverständige für und wiedei vernommen worden, und die Verthei digung hatte behauptet, daß Ketchi»» an Hirn- und Rückeumarlhaut-Eiit zündung gestorben sei. In mancher Beziehung noch sensatio neller ivar der große Prozeß gegen Laura D. Fair. Hier hatte einmal zur Abwechslung der Revolver das Mordwerk verrichten müssen. Ihr Opfer war A. P. Erittendeii, ein Mit glied der berühmten Kcntuckyer Familie dieses Namens und damals hervor ragender Anwalt in San Francisco. Frau Fair, ein starkgeistiges Weib, im klebrigen gerade keine Schönheit ersten Ranges, ivar schon viermal vcrhcirathct gewesen; sie verliebte sich in Erittenden und verlangte stürmisch, daß dieser sich von seinem Ehcgespons scheiden lasse und ihr Fünster werde. Bon einem solchen Schritt wollte aber Erittenden nichts wissen, und er ließ schließlich seine Gattin kommen, die sich z»r Zeit im Osten besand. Er tras mit ihr am 3. November 1870 aus dem Fährboot „El Eapitan" in der Bai von San Francisco zusammen. Sowie er die Arme um seine Gemah lin legte und ihre Lippen berührte. da trachte ein Schuß, und Erittenden sank todt nieder, während Laura mit dem Revolver in der Hand austauchle. Die Mörderin wurde mit dem Wahn sinnsargument vertheidigt, doch wurde sie im ersten Proceß des Mordes im ersten Grade schuldig besunden; indeß wurde aus einen bloßen Formfehler hin das Urtheil umgestoßen und ein zweiter Proceß endete mit Freisprechung. Kaum weniger nusjehencrregend war vor mehreren Jahren der Mordproceß gegen die berüchtigte Beichler von Eleve land wegen Erschießung Kings von Nebraska; hier wurde die Mörderin ohne viele Umstände sür „wahnsinnig" erklärt, und sie konnte unmittelbar da raus Engagements mit Dimc-Museen abschließen. Die romantisch veranlagte Frl. Ward, die Mörderin ihrer „intim sten" Freundin, sitzt >etzt iu einem süd lichen Irrenhaus und spielt Banjo. Man braucht übrigens bei Weitem nicht bis auf die Hexcnprocefst zurück zugehen, um Frauen zu finden, ivelche uaschuldigerwtife den Henkerstod ster ben mußten. Der größte Justizmords an einem Weib in unserem dert war die Hinrichtung der Eliza Fleming, welche zu den größte» Schön heiten in London gehörte. Sie stand kaum im Alter von 18 Jahren, als sie beschuldigt wurde, die Familie vergiftet zu haben, bei welcher sie Gouvernante gewesen. Obwohl überzeugend ge«ug bewiesen wurde, daß sie selber an dem vergisteleu Essen ercraakt war, und auch sonst alle Umstände sür sie spra chen, war der betr. Richter start gegen sie eingenommen und '»«struirte d«e Ge schworenen so einseitiA, daß sie die Un glückliche schuldig sprachen. JhreSchön heit hals ihr so wenig, wie der Marie Antoinette, der Esrday, der Roland und Anderen. Sie wurde zwi schen zwei männlichen LeidcnSgenos sen, zwei bekannten alten Verbrechern, hingerichtet und betheuerte noch im letz ten Augenblick ihre Unschuld. Noch ehe ihre Leiche beerdigt war, kam es heraus, daß ein Wahnsinniger der Ve» gister gewesen war, und etwa IV.OM Menschen suchte» daS HauS des Staats anwaltes z» stürmen und ih« zu lynchen ; nur das Aufbieten eine» star ken Militärmacht vereitelte ihre. Ahsichi. epttsch« Täuschung. „Merkwtirdig, die Frau Wurstel« mayer ganz uliein! Die geht doch sonst nie ohne ihre Familie aus!" —- »Oh, dt« ist auch hcule da inan sieht Ne nur von rückwärts nicht!" UnwiSerstchlich. Schneider: „Haben Sie einen fa mosen Brustkorbs Herr Lieutenant!" Lieutenant: ~Jst auch der einzige Korb, den ich in meinein Leben bekom men habe." Dclisale Slvleynung. Kandidat: ~Fräulein, erhören Sie meine Werbung, ich kann ohne Sit nickt leben! Fräulein: ..Wenn Sie schon ohne mich nicht leben können, wie wollen Sit? denn mit mir leben können, bei den Ansprüchen, die ich zu machen gewohnt bin?/ Gedankensplitter. Freunde sind wie ein edles Metall;: welchen Werth sie haben, ergibt erst der Probirstei» des Unglücks. Geschicklichkeit ist mehr werth, als Kraft. Von den Militär gewäh ren des vorigen Jahrhunderts erzählt der „Aar": „Im Jahre 1740 erfand der alte Dessauer den durch seine Schwer» wirksamen eisernen Ladestock, statt d»S zerbrechlichen, hölzernen. Prinz Fried rich von Braunschweig führte die cylin drischc» Ladestöcke. die das zweimalige Umdrehen der tonischen erspartem ein. Jetzt konnte der Soldat jede. Minute fünfmal schieben und das sechste Mal laden. Licutenanl Frevtag gab 1787 das trichterförmige Zündloch, cu« Ge wehr der Infanterie an. bei welchem lein Pulver aus >ie Pfanne zu, schütten nöthig war. Min mußte in der Mi nute sechsmal geschossen und das sie bente Mal oeladcn werden; auch setzte dieses Zündloch den Soldatei» in den Stand bei Nachtgesechten ebenso unge hindert wir b« Tage zu feuern. Er sindung de» Zündhütchens (1618), de» mit gezogenem Lauf (1828), des PeitussionSgewehre» (1840), des Zündhütchens (1841), >X« Chassepotgewehres (186 k), des Mau ser-, des tteintalibrsgeu Repetirgeoeh res! Wie die Hoit vergeht! Amtseichter: Sie find wegen wiederhol ter Bettelei in Hast genommen »orden. Das ist innerhatt» sechs Wochen nun schon das sünfteMal! —Vagabund: Da können Sie sehe«. Herr Amtsrichter, wie die Zeit vergeht! Xon pl«? uldr». A: „Ihr Herr Onkel scheint ein recht unzufriedener Mensch zu sein! ?" B: „Und ob! Ich sage Ihne», wenn s>em die gebratenen Taube« in den Münd fliegen, dann schimpft er noch, n->eil lein Salat dabei ist!«