2 »t« Trunksucht in d«r Thierwett. Ueber die Trunksucht in'der Thier« weit stellt Robert Habs-Randau in den «Münchener Neuesten Nachrichten" ein stehende Betrachtungen an. Wie leicht unsere vierbeinigen Hausgenossen wein geisthaltigen Stoff nicht bloß anneh men, sondern nach kurzer Zeit auch lieb gewinnen, ist aus sast täglicher Erfahrung zur Genüge bekannt. So weit ihnen dabei die Wahl bleibt, be vorzugen Schafe, Esel und Ziegen die Weintrester, deren Genuß ihnen einen Äußerst komischen Zopf anzuhängen pflegt, während Rinder, Pserde und Hunde dem Bier den Vorzug geben und sich in der Trunkenheit ziemlich ab igeschmackt geberden. Schweine fressen und saufen ohne Unterschied und blei ben auch im Rausche Schweine. > Einen unbezwinglichen Widerwillen Hegen Alkohol scheint nur die Katze zu hegen wenigstens schlugen Herrn Habs - Randau wiederholte Verfüh rungsversuche bei diesem Thiere voll ständig fehl. Dagegen ist vom Elefan ten bekannt, daß er eine tiefe und in nige Verehrung für seinen Landsmann, den echten ostindischen Arak empfindet sund somit schon dem Bären nahesteht, der ohne Umschweife als der vollendetst« Söffet des ganzen Thierreichs bezeichne! werden darf. Stuckenberg, der den Meister Braun in Rußland Jahre lang gründlich beob achtet hat. berichtet darüber: „Wenn er «s irgendwie haben kann, ist der Bar «in ganz wüster Trunkenbold doch mur in gemeinem Branntwein. Mei nem eigenen Zögling wurde in den Bauernhäusern bisweilen erlaubt, auf Diskretion zu zechen, wonach er jedes mal tüchtig benebelt, aber doch, wenn noch irgend möglich, auf den Hinterbei nen nach Hause kam." Der Bär ge hört mithin zur Classe jener biederen Zecher, die im Nothfalle durch ein« möglichst stramme Haltung wenigstens den äußeren Schein zu retten suchen. Am menschlichsten freilich benehmen sich wie bei andcrer. so auch bet dieser Ge legenheit jederzeit die Affen. Brehm berichtet als Augenzeuge, wie der Pavian sich durch starkes Hirse bier ködern läßt und dann kanonenvoll den lauernden Jägern in die Hände sällt, um am anderen Motgen neben dem Schmerze der Gesangenschast auch noch alle Schrecken des Katzenjammers erdulden, und Darwin sügt zusam menfassend hinzu: „Viele Affenarten haben eine ausgeprägte Vorliebe für Kaffee, Thee und Spirituosen; sie kön nen sogar, wie ich selbst gesehen habe, mit Vergnügen Tabak rauchen." Mehr ist sicher von keinem Thier zu verlan gen. Daß aber die Gänse schlau ge nug sind, sich Rauschmittel und Rausch selbständig und energisch zu verschaffen, beweist Habs-Randau aus einem Vorkommniß, das er selbst in seiner Kindheit erlebt hat. Er erzählt: „Ich versah damals zeitweise das Amt eines Mnsejungen und erfüllte als solcher meine Obliegenheiten mit all dem Eifer oder richtiger all der Nachlässigkeit, die diese untersten' Funetionäre des Ge- flügelhoseS auszuzeichnen pflegt. Daher kam es, daß meine Gänse «ines Nachmittags, als ich gerade in die Amtsgeschäfte eines Indianerhäupt lings vertiest war, in ein benachbar tes Mohnfeld brachen und sich bereits stattliche Kröpfe angefressen hatten, bevor ich den Schaden gewahrte und mit Hilfe meiner Krieger diesem Un wesen zu steuern vermochte. Damit war die Sache für diesimil abgethan. Am folgenden Tage aber sollte ich an meinen gefiederten Untergebenen eine recht traurige und und völlig uner hörte Erfahrung machen. Kaum hat ten wir nämlich gewöhnlichen Schrit tes den Weideplatz erreicht, als ur plötzlich die ganze Heerde mit wildem Geschrei aus das Mohnfeld einstürmte und mit unglaublicher Gier zu fressen begann. Vergebens strengte ich alle Kräste an. um die Thiere zurück zu treiben: sie ließe» sich schlagen und mit lebensgefährlicher Gewalt zu Bo den schleudern, ohne anch nur einen Augenblick von ihrem Attentate abzu sieben. In meiner Herzensangst— denn an. gefichts der angerichteten Verwüstung erschien mir eine Tracht imgebrannter Asche so sicher wie das Amen in der Kirche begann ich laut zu heulen «nd lockte dadurch einen Feldarbeiter herbei, mit besten Hilfe die Gänse end lich abgetrieben wurden. Die Thier beruhigten sich nun aber keineswegs, sondern nachdem sie eine Zeit lang durcheinander getobt hatten, erhob sich plötzlich der ganze Schwärm und flog unter gellendem Geschrei querfeldein dem Dorfe zu. „Potztausend! Die Biester sind ja wohl reinweg besoffen!" äußerte mein Helfer kopfschüttelnd. Die Gänse waren durch den Genuß des MohnkrautS in eine Aufregung gera then, die nur als Rausch gedeutet wer den kann, und die vorhergehenden Um stände beweisen, daß dieser Rausch ein absichtlicher, eine Folge natürlicher Trunksucht war." Die Frau verzeihtdir «iel eher, daß du ihre Fehler siehst, als daß du gegen ihre Fehler blind bist. Mancher kommt aus die Nachwelt, auf den die Mitwelt nicht ge kommen ist. Einer, der'S satt hat. Gläubiger: Wollen Sie nicht wenigstens diesen Wechsel acceptiren, H«rr Baron, damit ich doch eine Sicherheit habe? Baron: Ich aceeptire überhaupt nicht mehr! Der letzte Wechsel, den ich accep" «irt habe, war der labreSwecksel! Immer schneidig. Erste, iSardelieutenant: Wie heißt doch kleine« Frühlingilied von Heine? Zweiter: Ah, werd'« gleich sagen, warten Sie mal —„Leise tiraillirt durch Gemüth verteu felt samoseS Geläute. Klinge, minutiö se« Frühlingilied, marsch, marsch! hin» au« in'« Weite l Kling' hinau« bi« an'« Hau«, wo millo üo»r» sprießen, wenn «ose schaust, sofort Meldung machen, last' Grüßen, auf Taille I lvte Geschichte «i««r Posaun«. ES ist nicht zum Aushalten!" sagte ich zu dem Besitzer des großen düstern LogirhauseS in der oberen Stadt. „Mit meiner Nachtruhe ist's aus, und Tags über werde ich gleichsam auf die Folter gespannt, und dies Alles durch das Getute eines Herrn. Das Blasen die ser Trompete über meinem Haupte ist wahrlich schlimmer für mich, als das des Engels Gabriel für die Seelen der Verdammten. Wenn es Ihnen beliebt, bringen Sie mir gesälligst die leerste hende Wohnung in Anrechnung, aber entweder dieser Mann mit seiner Frau verläßt zas Haus oder ich gehe." „Beruhigen Sie sich, Herr van Tas. sel," sagte der Wirth, „die Leute sollen ausziehen, wenn der Monat umist." Ich suchte mein Zimmer aus und zählte, wie viel Tage von der Vier zehntägigen Frist noch übrig blieben. Tage der Pein sür einen jungen Schrift steller, wie ich eS war. Als ich von meinem Fenster z» dem Stückchen Him mel aufschaute, welches zwischen der Faktorei und dem Wohnhause sichtbar wurde, nahm ich wahr, wie ans dem über dem meinigen gelegenen Fenster brette ein ganzer Schwärm Sperlinge herumspazierte, gierig erpicht, eine Menge hingestrcuter Brosamen auszu picken, welche eine zarte schlanke Hand ihnen freigebig austheilte. Ein tleiner Knabe aus dem gegenüberliegenden Hause schwenkte seine Krücke »ach de» Vögeln hin, während seine bleichen Lip pen ein mattes Lächeln umspielte. Diesen Abend blieb mein Nachbar oben, ganz gegen seine Gewohnheit, zu Haus, und trotz der geschlossenen Fen ster und des hestigen Windes draußen drang Ton für Ton einer alten Hymne von Weber und ein französisches Lied an mein Ohr; der Refrain des letzteren, s-im-tis!" welchen eine klare, süße Fraueiistimme sang, schien die Hoffnungslosigkeit der armen Sterb liche» wiederzugeben, die von ihrem Gesänge bezaubert wurden. Erst um Mitternacht trug mir der Wind die letzten gezogenen Töne dcS messingenen Ungeheuers zu. Als ich eines Morgens an meinem Schreibtisch saß, hörte ich ein leises Geräusch an meiner Thür, und plötz lich tauchte vor mir ein Lockenkops mit glänzenden Augen und süßen vollen Lippen aus. Die Feder entglitt meiner Hand. Ich erhob mich- „Ich muß mit Ihnen sprechen." sagte sie. „Wir »sollen von hier vertrieben werden, weil Sie sich über uns beim Wirthe beklagt haben. Es ist nicht um meinetwillen, aber meinem armen Vater wird es das Herz brechen. " „Ihrem Vater!" stammelte ich, „so, das ist etwas Anderes." „Was ist etwas Anderes?" wieder holte sie. „wir haben das Zimmer so nett mit neuen Tapeten hergerichtet. Ach, mein Herr, ich weiß mir nicht mehr zu Heise». W>e kommt es nur, daß die Leute etwas so Herrliches wie die Musik nicht zu würdigen verstehen. Wir sind von einem zum andern Orte getrieben worden, und nur unserer ge liebte» Posaune halber." „Posaune." sagte ich, „o. das ist et was Anderes." „Etwas Anderes," wiederholte sie. „»nd stets etivas Anderes. Was mei nen Sie damit? Mein Vater muß üben, sonst genügt er nicht den Anfor derungen dcS Kapellmeisters. Ich hoffte wirklich, daß wir das Hinterzim mer, welches so hoch und so entfernt vom Verkehr der übrigen Welt gelegen ist, behaupten dürfte». Wie kommt es, mein Herr, daß Sie unserer gelieb ten Posaune halber mit uns unbarm herzig verfahren wollen?" „Sie sehen, es ist etwas Anderes." sing ich an. Die Rothe stieg mir un ter meinem Barle allmälig bis zur Stirn Ich senkte meine Augen vor dem offenen Blick dieses jungen WeibeS. Ihre einfache Klage rührte mein Herz. „Mein Herr," sagte sie, dreimal ha ben Sie wiederholt: das ist etwas An deres. Ja. in aller Welt, was wollen Sie damit sagen?" „Es will sagen." entgegnete ich, in dem ich Muth gewann, mich ihrer Ge genwart zu erfreuen, „daß ich, als ich mich über Ihr Ihres Baters Instru ment beklagte, glaubte, dasselbe sei ein Waldhorn, und ich verabscheue das Waldhorn." „Das ist Unrecht, mein Herr." „Ja Vielleicht, aber manche Leute ha be» eigenartige Idiosynkrasien, die mcinige ist der Haß g-gen das Wald horn—alle andere Musik schütze ich sehr --- und was die Posaune anbetrifft, so gibt es nichts Köstlicheres sür mich. Den letzten Abend und alle vorherge henden war es mir ein wahrer Genuß, dem Spiel Ihres guten Vaters zuzuhö ren, und der süße Refrain Ihres Lie des ~.litm»is!" füllte meine Augen mit Thränen." „Tann brauchen wir nicht auszuzie hen?" fragte sie. „Nein, nie." sagte ich, indem ich bei dem Gedanlen daran zusammenschan derle. „Ich will die Sache gleich in Ordnung bringen. Fräulein. Fräu lein—" „Therese, mein Name ist Therese und bei meines Vaters Rigaud." Ihr guß war schon auf der Schwelle. „Vielleicht." sagte ich mit einer Art von Verzweiflung, „wird Ihr Vater mir gestatten, manchmal zu Ihnen zu kommen und seiner Posaune zuzuhö ren. Ein halbes Lächeln stahl sich über ihre Lippen. sie nickte zustimmend un» enisloh über den Eorridor. Sosort begab ich mich zu dem HauS wirth und nahm meine Klage wieder zurück. „Sehen Sie." sagte ich, „ich glanbie, es sei ein Waldhorn, und ich hasse dasselbe so sehr, daß ich mit ihm nicht unter einem Dache sein mag. Mi) einer Posaune ist es anders." „So, so.' sagte der Wirth, den Unterschied verstehe ich nicht, „aber eines weiß ich. dieser alte dicke Franzose be sitzt eine hübsche Tochter. Sie ist so stolz wie Luciser. aber da-Z thut nichts, ich liebe eS, wenn ein Weib den Kopf hoch trägt." Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, schien eS noch der Hauch von vergange ner Glückseligkeit zu durchwehen. Ich tonnte nicht schreiben, denn Theresens Antlitz lächelte mir von dem Papier entgegen. Einige Tage darauf machte ich dem Vater der holden Therese meinen Be such. Er war ein dicker alter Herr mit fleischigen Händen und fettem, geröthe tem Gesicht. Wie ein Träumender athmete ich den Wohlgeruch ein, den die Blumen auf dem Fensterbrett aus strömten. Klares, strahlendes Son nenlicht ergoß sich durch die blitzblanken Scheiben, es streifte Theresens Lotten- Haar, das jetzt fast dunkelgelb wie das meinige schimmerte. Die hellen Strah len munterten die Psauenschweise im Muster der Zitzmöbel aus und mischten sich Mit dem Feuerschein im Kamin; vor Allem aber glühten und flimmerten sie aus den metallenen Windungen der dicken Posaune, ivelche mit ihren mäch tigen Tönen das Zimmer durchhallte. Äx mochte die Wände beinahe erzit tern, die Ratten stoben aus ihren Ver stecken und flohen mit gesträubten Haa ren und vor Angst auswärts gekehrten Schwänzen in die Löcher der hölzernen Wandbekleidung. In dieser Zeit ward ich mit dem mes singenen Ungethüm wie verwachsen. Sein Mundstück befreundete sich mit meinen inneren Gehörgänizen, und die Schallwellen der donncrahnlichenKlänge übertönten alle Sinne, außer dem des GehörS. Theresens schönes Gesicht schwebte vor ineinen Augen und die Wangen RigaudS kamen mir wie un ermeßliche Ballons vor. Mein Kopf sank mir aus die Hände. „Genug, genug, mein Herr!" ries ich. mein« Hände zitterten, meine Knie schlotterten, und Thränen entströmten meinen brennenden Augen. Er setzte das in Bann gethane In strument ab und reichte mir die Hand. „Ihr seid nach meinem Herzen, Ihr liebt die Musik, wie ich, bis zur Vet> götlerung." „Ja." stammelte ich. „aber ich kann nicht zu viel davon ertragen. Tie Erregung ist zu groß, sie übermannt mich." Dann sing er an, von Therese zu sprechen »nd erzählte mir, daß sein ge liebtes Kind ihm versprochen habe, nie mals zu hcirathen, daß sie. so lange er lebe, sich bei ihm glücklich fühle, und wie er dafür gesorgt, daß sie nach sei nem Tode in ein Kloster gehen und bei den gnten „Schwestern" den Rest ihre? Tage verbringen könne. ..Wir haben dafür schon das noth wendige Geld zurückgelegt, Herr van Tassel. Sie können sich nicht vor stellen. welche Freude es mir gewährt, so ihre Zukunft sichergestellt zu wissen". Als ich es wagte, meine Blicke auf Theresens vorgeneigte Gestalt zu rich ten, meinte ich, ihre Lippen zucken und ihre langen Augenwimpern von Thrä' nen erglänzen zu sehen. Er legte eine seiner feisten Hände auf die Brust und blickte gen Himmel, wäh rend mein Herz laut klopfte. Wir sprachen wenig mit einander, denn selbst wenn Vater Rigaud ein nickte, erschien es uns. als ob das blin kende Uiigelhüm an seiner Seite noch gierig auf jedes Wort lauerte, welches unseren Lippen entschlüpfte. Während einer kalten Märznacht wach im Bett liegend, hatte ich über meine Lage nachgedacht. Sollte denn Monsieur Rigaud dauernd seinen Wil len haben? Sollte mich die Posaune unaushörlich quälen und ich mich doch nur mit der Freude begnügen, mit Therese unter einem Dache zu leben? Und schließlich käme doch das Ende, Therese ginge zu den Schwestern und ich „ich ginge zum Teufel!" rief ich wild. O. wie diese Gedanken mich schmerzten! Als ich mich im Bette aufrichtete, sah ich, wie das Zimmer sich plötzlich mit Rauch stillte, welcher durch das kleine Fenster drang, das auf den Vorflur hinausging. Ich sprang auf, warf hastig die Klei der über und eilte zur Thür. Ein dicker heißer Qualm drang mir von draußen entgegen, ein eigenthümliches knistern des Geräusch machte sich bemerkbar, welches sich mit dem rascher Fußtritte und eines Gewirrs von Stimmen über mir vermischte. Durch das HauS, durch die Straße gingen plötzlich Lärm Schrecken, Betäubung. Ich flog zu Theresens Thür, und mit übermenschlicher Kraft stieß ich sie ein. Durch den Korridor schoß eine hohe Feuersäule. Mein Athem wurde durch die An.gst um Therese und durch den entsetzlichen Rauch fast erstickt. Da war ich ?» ihrem kleiu«n Schlosst» b chen. Ich riß sie vom Lager und wickelte sie, trotz ihres Strärtbcns, in nn warmes Tuch. Ter einzige Gedanke des armen Kin des war der an seine» Vater. Dieser stand zitternd, vom Schrecken wie ge lähmt. inmitten des Flures, mit der einen Hand zog er sein weites Beinkleid herauf, während er mit der andern wild in der Luft herumfuchtelte. „Heilige Muttergottes!" schrie Mr. Rigaud, „wir sind verloren!" „Mein Vater, rettet meinen Vater," stieß Therese hervor, indem sie ihn zu erreichen strebte. Wie tonnte sie nur denken, während in mein»», Herzen die Liebe zu ihr ebenso heiß loderte, wie drunten die Flammen, daß ich auch nur ein Haar ihres schönen Hauptes für ihttn abge lebten Vater opfern wiirde! „Mein Vater, o mem Vater!" rief Therese auf's Neue. .Meine geliebte Therese." sagte ich. „ich werde ihn retten, mag es mir auch das Leben kosten!" Nun drückte das geängstigt? Mädchen ihre Lippen auf die meinen und hing noch schluchzend an meinem Halse, als ich sieeinem Feuerwehrmann übergab. Wie sollte ich aber jetzt Mr. Rigaud retten? Der Korridor droben glich einem dampscnden Höllenschlunde. und der Musiker war eine gute Strecke von mir entfernt. Doch die Gefahr erhöhte meinen Muth ich dachte nur an Theresens süßen Kuß darum stürmte ich den Korridor zurück. Inmitten des dunklen Qualms tastete ich nach Mr. Rigaud; da stolperten meine Füße über seinen Körper, schnell erfaßten ihn meine Hände, mit starken Armen trug ich den betäubten schweren Mann hinaus. Schon Fenster erreicht! Gottlob! Eine LeUer stand da ran und der Feuerwehrmann auf de? Spitze derselben. „Schieben Sie ihn mir zu." rief mir der Mann mit der Lederkappe zu. Fast selbst betäubt und keuchend von der Anstrengung, raffte ich meine letz te» Kräste zusammen und hob den schweren Körper zur Fensterbrüstuno empor. Da plötzlich entrang sich mir verdicke Musiker, es schien neues Leben in ihn gekommen zu sein, und in höchster Angst schrie er: „Meine Posaune! Meine Po saune!" So stand der zweihundert Pfund schwere Koloß und wich nicht von der Stelle. „Werfen Sie ihn hinaus!" schrie der Mann aus der Leiter. Aber ich konnte Mr. Rigaud doch nicht morden! Und wie angenagelt standen seine Füße auf der Diele. „Meine Posaune," ries er. „ich will sie nicht dem Verderben weihen!" „Zur Hölle mit ihm sammt seinem Tuthorn!" schrie der Feuerwehrmann, noch stärkere Ausdrücke hinzufügend. „Lassen Sie ihn rösten und retten Sie sich selbst!" „In des Himmels Namen!" rief ich. zuletzt fast zur Raserei getrieben, „ge hen Sie, ich verpfände meine Ehre, Sie sollen Ihre Posaune bekommen." Schon mit seinen dicken Beinen die Sprossen der Leiter hinuntertlimmend, warf er mir einen Blick des Dankes zu. und ich stürzte mich durch den Qualm in seine Wohnung, wo mir im Feuer schein die ersehnte Posaune heiter ent' gegenglänzte. „Nun komm mit!" sagte ich, indem ich das messingene Ungeheuer beim Halse packte; „wir wollen unser Heil mit ein' ander versuchen." Als ich zurückkehrte, war die Leiter vom Fenster verschwunden. „Das Dach, das Dach!" stieß ein Mann aus seinem Horn hervor. Meinen Feind nachziehend, durch kreuzte ich mühselig einen sechs Fuß langen Gang, nur um hier neben mir das Zinkdach schmelzen und Alles um her in einem Flammenmeer zn sehen. Meines metallenen Feindes halber sollte ich nun den Feuertod erleiden! Ich rannte in das Hinterhans zurück, um dem schwarzgelben heißen Qualm zu entkommen—da erblickte ich das Dach in einer Ausdehnung von dreißig Fuß noch völlig unberührt von den Flam men. Wie eine Eingebung kam mir plötzlich ein Gedanke. „Du metallneS Ungeheuer," sagte ich zn der Posaune, „zum ersten Mal in Deinem Leben sollst Du eine edle That verrichten." ' ! Als ich die schon heiße Posaune nun in meine Hände nahm und das Ende so bog, daß es eine Kurve bildete, war es mir, als ob ich Mr. Rigaud ein Leid thäte, schien er doch mit diesem Instru ment wie verwachsen. Dann hatte ich das gebogene Ende der Posaune nuten in den Fensterpsoste» und rutschte über den gähnenden Abgrund zum niederen Stock; von hier aus noch einmal das selbe Manöver und ich hatte mein Zie' erreicht! Bald gewann ich auch den Hinteren Hof und gelangte in die Hauptstraße. Da« zerbogene Instrument hatte mir das Leben gerettet! Man sagte mir. daß Mr. Rigaud und seine Tochter im Polizeibüreau Un terkunst gesunden hätten—dorthin ging mein Weg. Noch einmal nahm ich das Instru ment und unterzog es einer genauen Besichtigung. Ich sand keinen Riß in demselben; eS hatte nur eine grausame Krümmung mehr bekommen. Als ich eS Mr. Rigaud übergab, erglänzte sein settes Gesicht in Hellem Freuden scheine. „Sehe ich sie wieder?" stieß er heraus, seine Hände ausstreckend, aber nicht nach mir, sondern nach der Posaun? aus meiner Schulter. Er »ahm sie in seine Arme, während dicke Thränen aus seinen Augen aus das beulige zerschlagene Metall herab tropste». Tann untersuchte er sie, und als er ihren Zustand erkannte, ries er ver zweifelt: „Meine Posaune ist verwundet ist todt!" Und sein breites Haupt fiel ihm auf die Brust. Als ich ko dastand, legte sich ein« warme Hand in die meine, voll pulsi renden Lebens und in Liebe erzitternd, ein leiser Freudenschrei drang an mein Ohr; aber ich wagte nicht, Theresen anzusehe», mein Herz war so übervoll, daß ich um sie hätte weinen können, wie Mr. Rigaud um seine Posaune. "Mr. Rigaud!" schrie ich voll Ver zweiflung, „sie ist nur verbogen, viel leicht ist sie noch nicht verloren!" Ein Ausdruck der Verachtung durch zuckte sein fettes, thränen- und rauch gefchmiertes Gesicht, als er zu mir hin überblickte. „Dummkopf", entschlüpfte seinen Lippen und mit einer überlegenen Miene sehte er das Mundstück an. Plötzlich fuhr der Feuerwehrmann zusammen. Die Frauen rangen Hände, die Kinder singen an zu wei- nen; Alles und jeglicher Sinn ward durch einen dröhnenden, aber seierlichen Klang gebannt, welcher der Posanne entquoll und zu den Herze» der Hörer drang. Sie lebte, unsere theure Po saune! Als der letzte Ton verklungen war, wendete sich Mr. Rigaud zu mir. „Ihr habt das Leben meines Kindes gerettet und das meiner geliebte» Po saune", ries er. gänzlich seine zweihun dert Psund Körpergewicht vergessend, die ich doch mit solchem Krastaüswand den Eorridor entlang getragen hatte. Diese seine Rührung benutzend, er zriff ich seine Hände nnd sprach muthig: „Geben Sie mir die Hand Ihrer Toch ter!" Es war wohlgethan, denn er spreizte seine fetten Finger zu einer segnenden Bewegung. „Am Ende wird es das Beste sein, meine Kinder", sagte er, „wir nehmen das Geld, welches ich sür die guten Schwestern zurückgelegt habe, und las >en uns ein Haus bauen, dessen Thü ren und Fenster alle aus das Erdge schoß hinausgehen. Es ist nicht weise, so hoch zu klettern, wenn der Dämon )es Feuers jeden Augenblick die Grund festen erschüttern kann, meint Ihr nicht Kinder?" „Wahrlich, Sie haben Recht!" er lviederten wir mit Enthusiasmus. Diesen Frühling wurde das Hau» gebaut, eine kleine Strecke von der Stadt entsernt, wo alle Vögel des Him mels singen nnd alle Blumen der Erde sür meine süße Therese blühen können. Was die Posaune anlangt, über de ren dröhende Laute sich in dieser Ab geschiedenheit Niemand mehr zu bekla. M hatte, so kann Mr. Rigaud ihr nicht mehr zugethan sein als ich. Theatcrseandale in Italien. Frau Fürstin Pignatelli hat in ihrer Heimath schlimme Erfahrungen machen müssen: Eiu solcher Theaterscandal wie er das Eden-Theater in Mailand durch tobte, ist selbst dort noch nie dagewesen. Man hat in letzter Zeit Miß Abbott, sie sieggewohnte Magnetdame, bei ihrem Austrete» auf derselben Bühne jämmerlich durchgeprügelt und zwar mit ihrem eigene» Billardqueue; Tom ljannon, dir Meisterringer, wurde von der Mailänder Polizei nach lärmenden Scenen an die frische Luft befördert: die mit Brillanten behangene Pigna telli aber wäre bei ihrem Auftrittsver fuch fast todtgeschlagen worden. Das Eden-Theater war lange vor Beginn der Vorstellung dicht gefüllt mit einer scha» lii st igen Volksmenge. Die Fürstin war, wie sie später ihrem Manager gestand, auf das Schlimmste gesaßt. auch gegen den Heiterkeitserfolg, den sie gewöhnlich einzuheimsen pflegt, war sie gehörig ge wappnet. aber daß man sie schier zu Tode liebkosen würde, das hatte sie doch nicht erwartet. Als die ehrwürdige und umfangreich? Dame aus das Po dium trat, ertönte ein allgemeines „Ah" und „Oh", das man ebenso gut als einen AuSrus des Staunens, als des Schreckens deuten konnte. Dann gings los. Die Fürstin schickte sich an, das schöne italienische Lied „Vorrsi inorir" zu singen: natürlich sang der größte Theil des Publikums mit. während andere Zuhörer oder vielmehr Mitspie ler, sich und andere damit uiitelhielten, den Gesang mit Locoinotivführcrpfei fen, Waldteufeln, Cri-Cris, Radan slöten und ähnlichen angesehenen Musik instrumenten zu begleiten, dazu kam noch ein Geheul. Gewimmer, Gewinsel und Gezisch, daß man sich in die Hölle versetzt glaubte. Mit einer wahren Todesverachtung haspelte die arme Fürstin ihre Lied stropbcn herunter nnd kam anch wirt lich »ach allerlei Fährnisse» unter andere», wurde ihr während des Gesan ges eine Branntweinflasche überreicht, damit zu Ende. Als sie aber ein zwei tes Lied, das mi» bsll» pc>li" beginnen wollte, brach ein Tu mult los, wie er in einem Theater wohl kaum jemals beobachtet worden ist. Alles schrie: »clllio", und da die Fürstin den deutlichen Wink nicht zu verstehen schien und sich nicht ent fernen wollte, stürmten gegen zweihun dert Personen aus die Bühne und zerr ten die erlauchte Dame hin und her, so daß sie für einige Minuten ganz in dem Getümmel verschwand und nirgends zu entdecke» war. „Sie habe» die alte Nachtigall todtgetrcten!" schrie» einige Herren ans dem Publikum, „Sie steckt wohl im Souffleurkasten!" riesen an dere. Plötzlich tauchte die Fürstin zer schunden, mit abgerissenen Gewändern, vorn an der Rampe wieder auf und deutete durch Zeichen an, daß sie eine Rede halten wollte, da kam sie aber schön an. Vier Hünengestalten luden die widerstrebende Tame ans ihre Schlit tern und trugen sie erst im Triumph durch den Saal und dann hinter die Coulissen, wo sie sie in eine Ecke setz ten. Die Vorstellung war zu Ende und M zweites Austreten hat die Frau Für stin nicht versucht. Ein brav Ki n d.— „Wo >ier kommst denn Tu, Lieschen?" „Fritz hat mich vor das Thor bestellt!" —„Was. vor s Thor bestellt?. Du bist hoffentlich nicht hingegangen!?" „Doch, doch, Papa! Ich bin hinge gangen und hab' ihm gesagt, wie un zassend es sei, mich vor das Thor zu bestellen!" Gefoppt. Bauer (zu seiner Hrau): „Tu, Alte, ich glaub', mirsan z'foppt! Da hab'n wir doch vorn am Eingang g'lese, daß hier heut nin vier Uhr General Versammlung ischt und steh n mir schon a' Stund im Re gen da und noch kein einzigen General Hain mer g'sehn!" Aus dem Leben. Schlechte Basthäuser sind die besten Heirathsver mittler. Variante. Das ist der Zluch der Concurrenz, daß sie. sortzeu zend, stets Eoncurse muß gebären. «in gelehrter Papagei, Als ich vor nunmehr 15 Jahren in einer mitteldeutschen Universitätsstadt mich angeblich der Philologie widmete, wohnte dort ein kinderloses, joviales Ehepaar, ein sehr behäbiger und lebens lustiger hoher Eiscnbahnbeamter mit seiner ebenso gemüthlichen Gattin. Die beiden hatten an Kindesstatt einen Nef fen bei sich, der einem studentischen Eorps angehörte, und neben ihm einen grauen, rothschwänzigen Papagei, schasten sich stets sreuten, wenn sie lusti ges junges Volk bei sich sahen, außer dem auch aus gute Küche und dito Kel ler hielten, wurden sie natürlich viel und gern von den Freunden des Neffen besucht, und durch die Studenten ward dann auch der Papagei zu einer Art von Stadtberühmtheit. In der That war dieses Thier äußerst hörenswerth und hätte verdient, nachträglich in Brehms Thierleben ehrenvoll'erwähn* zu werden. Torquato Tasso. so hatte man ihn getaust, ahmte eine Masse der verschie denartigsten Geräusche meisterhast nach nnd viele stets zur angemessenen Zeit. Beispielsweise pflegte derHauSherr nach der Mahlzeit ein Glas Wasser zu trin ken und sodann seiner Gattin drei Küsse zu geben. Sobald nun die Stühle gerückt wurden, begann der Papagei das Gluckern des in'ein GlaS fließenden Wassers ertönen zu lassen und hierauf dreimal hintereinander de» Ton eines Kusses. Daß er auch da« Knarren einer schlecht geölten Thürangel und AelmlicheS meisterhaft vorbrachte, war freilich weniger angenehm. Redens arten, Sprüche u. s.' w. beherrschte er in Masse, und viele von ihnen brachte er gleichfalls stet» zur richtigen Zer? vor. So empfing er am frühen Morgen das zuerst bei ihm erscheinende Dienst mädchen unweigerlich mit den Worten: „Bertha, koch' Kaffee!" Später ries er der HauSsrau zu: „Guten Morgen, liebe Fran!" und den gewöhnlich sehr verspätet zum Vorschein kommenden Studio fragte er spöttisch: „Was macht der Kater. Herr Doctor?" War er allein, so siihrte er mit sich selbst lange Unterhaltungen und sprach dabei jede einzelne Redensart genau mit derselbe» Klangsärbung aus, wie sie ihm von Jemandem vorgesprochen war, daß man etwa vom Nebenzimmer aus glauben mußte, bestimmte Personen sprechen zn hören. Zum Entsetzen der Hausfrau ver fügte er über ein ganzes Register von Schimpfwo7tcn, das wir Studenten ihm heimlich beibrachten. Eines Abends in der Weihnachtszeit kamen Kurrende schüler in das Vorzimmer und sangen. Kaum hatten sie geendigt, da begann der im Schlummer gchörte Papagei aus seiner dunkle» Ecke heraus furcht bar zu schimpfen, derart, daß die'ar men Jungen entsetzt von bannen liefen, ehe wir einzuschreiten vermochten. Ein anderes Mal trug ein Herr, der sich mit großem Unrecht für einen gottbe gnadeten Sänger hielt, zur Verzweif- lung aller Gäste ein Lied vor. Als er geendigt, fragte er stolz: „Nun. hab' ich nicht schön gesungen?" Sosort schrie Tasso aus seinem Winkel: „Du Narr,Du!" Homerisches Gelächter be lohnte den Vogel, und der Sänger sani» in diesem Hause nie wieder. Der Vogel konnte aber auch ebenso liebenswürdig, wie grob sein. Znr Speisezeit z. B. lud er sich selbst als Gast mit den von seiner Herrin ihm Mittags regelmäßig zugerufenen Wor ten ein: „Komm, mein lieber Tasso, komm, komm doch, mein Liebchen." und beeilte sich dann, auf den Tisch zn fliegen. Höchst drollig war es, als eines Sonzitags auf Bestellung Herr Eohn, der Leibschneider des Haus herrn. bei diesem erschien und alsbald vom Papagei mit den durch den Stu dio ihm beigebrachten Worten begrüßt wurde: „Na Eohn, nn red Du." Wir Alle, die wir den Vogel kannten, waren nnd sind heute noch überzeugt, daß er bei Vielem eine gewisse Kennt niß von dem hatte, was er sprach und that. Das Merkwürdigste an ihm aber war Folgendes: Tasso war sehr mißtrauisch gegen Männer und ließ sich selbst von Bekannten nicht an fassen. mitunter biß er sehr heftig zu. Ferner entwickelte er gegen alte und häßliche Frauen, mochten sie ihn auch noch so oft mit Leckerbissen gesüttert haben, sogar eine abgefeimte Bosheit, derart, daß er sie mitunter mit Schiiieichelworten anlockte und dann plötzlich zu beißen suchte. Jungen, hübschen Damen aber, auch wenn sie ihm ganz fremd waren, flog er sofort auf die Schulter, rieb seinen Kopf an ihrer Wange, schmiegte sich an ihren Busen und girrte wie ein verliebter Täuberich. Leider ward der selten kluge Vogel mit seiner LieblingSspeise, Fischen und besonders fettem Fleisch, zu viel gefüttert. Er soll deshalb, wie ich kürzlich hörte, später lange krank gewesen sein nnd heute zwar noch lebe», aber so gut wie gar nicht mehr sprechen. Angenehme Aussicht. „Denkst Du denn auch manchmal an die zwanzig Mirrk, die ich Dir unlängst gepumpt habe?" „Ob ich daran denke, alter Freund.... Tu wärst der Erste, zu dem ich wieder ginge, wenn ich mich in Verlegenheit befände!" Vorbereitet. „Schwieger mutter: „Wenn Sie erst mal verheira thet sind, bann brauche» Sie sich keinen Knopf mehr selbst anzunähen." Schwiegersohn (in sp«j: „Ich weiß, dann kommt wohl die Schneiderin das ganze Jahr nicht mehr au- dem pause?" Druckfehler. Unter den Volksbelustigungen erregte besonders das WeltZausen für Damen allgemeine Heiterkeit! A