6 «r ist nervi»». „Er ist nervös, der gute Herr Doc« tor!" so habe ich mehr als einmal seine Bekannten sagen hören. Im Grnnde genommen war er weder das Eine noch das Andere. „Doctor" nannten sie ihn nur aus schuldiger Hochachtung und seine Nervosität war wirtlich nichts als ein eingebildetes Leiden. Doch ich will meine kleine Geschichte ordnungsmäßig beginnen und dem Leser vor Allein meinen Helden vor stellen. Es ist Herr Konrad Ulrich oder Wal demar Mnther, unter welchem Schrist stellernaincn er seinen Freunden und Bekannten als gefeierter Epiker sattsam bekannt war. Das große Publikum freilich hatte von Konrad Ulrich ebenso wie von Waldemar Günther nicht die leiieste Ahnung, obwohl er schon vier äußerst elegant ausgestattete Werke im Selbstverlage hatte erscheinen lassen, zur Freude seines Anhangs, zum Schrecken der Kritiker. Denn Konrad verfehlte nicht, den letzteren jedes neue Buch pflichtichiildigst zuzusenden. Daß sich aber keiner der gestrengen Herren Recensenten entschließen konnte, Wal demar Günthers seltenes Talent begei stert anziicrkcmic». daß sie sich vielmehr alle iiiinicr von Ncuem übcr sein Ge schreibsel witzelnd belustigten, das war es, nur das. was unseren guten Konrad nervös gemacht hatte. Er ward zer fallen mit sich und der Welt, aber er dichtete weiter. In dem Hause, das ihm sein Vater neben einem hübschen Vermögen erbt hatte, hatte er sich, sernab vori dem Lärm der Slraßc, aus den Hos hinaus ein Studirzimmer Herrichten lassen und Niemand durste ihn stören, wenn er dort über seinen Versen brütete. Daß dieses sein Allerheiligstes vom Professor unten im Parterre „Konrad's Blech schmiede"genannt wurde, ist dem gottbe gnadeten Dichter glücklicher Weise nie zu Ohre» gekommen, ich glaube, er wäre im Zorn gestorben, wen» er eS erfahren hätte. Das, was der nervöse Epiker vor allem beanspruchte, war die peinlichst« Ruhe in der Umgebung seines Studir zimniers. Mielher mit Kindern nahm er grundsätzlich nie in sein Haus und sollten ihm auch sämmtliche Wohnun gen lcer stehen. Einmal freilich ist er mit diesem Grundsatz arg hineingefal len. Da war nämlich der Regierungs rath Bötticher gekommen, um die Woh nung im zweiten Stockwerk zu besichti gen. „Haben Sie Kinder?" hatte ihn Konrad Uliich gefragt und: „Neun!" hatte dcr RegierungSrath geantwortet. Konrad hatte: „Nein!" verstanden und der MiethSkontralt war vollzogen wor den. Wer aber schildert des HauswirthZ Schrecken, als der RegierungSralh mit neun mehr oder weniger unerzogenen Rangen in das stille HauS einzog! Und der Kontrakt lies aus süns Jahre! Ter Nervöse wähnte, das wurde ein Nagel zu sciiicm Sarge werden. Mit größe rein Eiscr denn je sorgte er nun. daß die gestrenge Hausordnung von allen Paltcien pünltlich eingehalten wurde. Ta war jedcS Teppichtlopfe» im Hör, jedes Gehen auf den Hintertreppen in Holzpantoffeln und dergleichen mehr auf da-Z Ausdrücklichste untersagt. Im Hausflur aber war mit machtigen Buchstaben zu lesen: „Jedes Singen, Musiciren und Ausrufen im Hof isl verboten!" Zu alledem war der Haus nraiiri ein pensionirter Wachtmeister, dcr. wenn ia einmal gegen die Vor schriften gerehlt wurde, mit donnernde, «Stimme Ordnung schaffte. „Dei Herr Toctor ist ja so nervös!" Nun trat eines Tages ein Ereignis ein. welches von weittragendster Bedeu tung werde» sollte. Ii: seiner „Blechschmiede" saß Wal demar Günlher an seinen, Schreibtisch. Er sann und >c»,n und war nervösei als je; denn just an der wichtigsten Sicllc seines neucstcn Epos versuch!« er vergebens de» rechte» Rein, zu fin den, trotz des RciinlexikonS. welchcS e, imincr zur Hand hatte. Td aus einmal „entsetzlich! himmel schreiend!" ertönten unten im Hof die krächzenden Töne eines verstimm» tcn Leierkastens. „Tie blaue Donau!" rief Konrad! „o. übcr solche Unverschämtheit!" sprang auf und stürzte zur elektrischen Klingel, seinen dienstbaren Geist hcrbeiznruscn. Und Friedrich kam. „Der Hausmann soll komme» aber i» Eile!" herrscht« ihn dcr Nervöse an, und schon war Friedrich auch wieder draußen, den Besehl seines Gebieters auszuführen. Diesem ober zuckte es in allen Gliedern, wenn er die Töne des Marterinstru ments vernahm. Inzwischen war der Hoskünstler sehr sinnreich von der blauen Donau zur kleinen Fischerin übergegangen. Unser Held raste. „Mir das mir!" ries er ein über das andere Mal und durch maß iu langen Schritten sein Zimmer. Ter Hausmann aber kam und kam nicht. „Pflichtvergessener Söldling! Ich werde ihn hinausjagen, wenn er nichl aus seinem Posten ist!" so begann Konrad einen inhaltsschweren Mono log. indes der Leiermann im Hose fein Repertoire weiter verfolgte und die all beliebte Kreuzpolka intonirtc. „Will denn gar keine Ruhe werden heute?" rief der Dichter und fügte gleich darauf hinzu: „hat sich denn Alles gegen mich verschworen?" Denn er hörtc von zwei weiblichen Stimmen den geistreichen Tert der Polka fröhlich mitsingen: „Siehst Du wohl, da kommt er!" „Ihr werdet von mir hören!" don nerte Konrad und rührte wohl eine ganze Minule lang die elekrische Klin gel. Aber weder Friedrich noch dcr HauSmann kamen. So schnitt d?r Nervöse denn zur Selbsthilse. Es wußte dem grausame» Spiel ein End« Hemacht werden! Er stürzte an d aber bald von d» Landstraße ab, kreuzte Wiesen und Felder und erreichte endlich einen einsamen Fichtenwald: Tort streckte er sich in'S dustige Moo»« und lauschte dcm Brausen der Wipfel, welches wie Geistergelispel die heilige Slille durchklang. Unbeweglich lag er da. bis in den Wolken da» Abendrolh erlosch: dann schritt er weiter. Einmal blieb er mit ten aus einem fremden Felde stehen und betrachtete lange einen Stern, der groß und glänzend am westlichen Hori zonte stand. Heller Lampenschimmcr strahlte ihm aus den Fenstern der Wohnräume und Küche des geräumigen Bauernhöfe»« entgegen, von der Tenne klang Tanz musik und fröhliches Stimmengewirr. Unbemerll erreichte er vas Kämmerchen. worin er srüher mit einem Knecht zu sammen geschlafen hatte. In einem Spinde hingen noch die Kleidcr. Hastig vertauschte er die Uniform mit einen, starten Arbeitsanzug und entfernte sich so unbemerkt, wie er gekommen- war. Tie Unisorm verscnktc cr. mit Stei ne» beschwert, in einen Teich. Nun war cr srci, jctzt hinaus in die weite Wclt! Unter manchcrlci Strapazen und« Entbehrungen erreichte cr Rotterdam. Von dort kam er als Matrose nach Rcw-Aork. Hicr im Lande der Freiheit, boten sich ihm genug Gelcgcnheiten zu einer erfolgreichen Laufbahn, aber die innere Zerfahrenheit mit sich selbst raubte ihm de» Sinn für Beständigkeit. Immer wieder zog er weiter, und ein rollender Stein setzt bekanntlich lein Moos an. S» vergingen süns Jahre, und noch hatte er eS zu nichts gebracht» befand« sich in St. Louis, seine Mit tel waren erschöpst und zum ersten Male konnte cr keine Arbeit finde». Als kr null eines TageS an einem Relrutsii- Aiiwerbc-Bureau vorüberlam und sich »nlernchtea ließ, daß der Soldat in Amerika für seine Dienste gut bezahlt und wie ein „Gentleman" behandelt würde, kam ihm der Gedanke, fich an werben zu laffen und sich selbst hindurch >u zwingen, süns Jahre lang beständig zu bleiben. Gedacht, gethan. Sechs Wochen war er jetzt Soldat und schon hatte er den raschen Schritt wohl hundert Mal bereut und ver wünscht. Zwar die Disciplin war hier nicht so stienge wie in Te»tschlnnd. die Willkür aber eben so groß, welches ihr» um so unerträglicher war. weil er »wartet hatte, als srcicr Mann und aichi als Sklave bchandclt zu wer >cn. Ein Geräusch von Triltcn weckte nn seren Helden aus seinen Betrachtungen. DiinlleGestalte» tauchten aus;cr wurde abgelöst. Am folgenden Tag gab e» Löhne. Hermann Förster erhielt noch nichts, denn der Lohn des ersten Monats »urde den Rclruten zurückbehalten. Da er auf Wache gewesen, wurde er heute nicht zur Aushülfe im Garten oder zum Reinigcn der Wege und An lagen kommandirk, welches ihm, dem .Dutchman". sonst oft seitens seiner irdischen Vorgesctzlen passirie. Nachdem cr da» schlechte Mittags mahl verzehrt hatte, welches »ur aus Kartoffel», dicken Bohnen, Brod und Kaffee bestand (der Fetzen Fleisch, den eS noch gab. war nicht z» genießen) be gab er sich zu den Schlassalen hinaus, iim ein wenig zu lefen und sich auf die Nachmittags- „Dreß Parade" vorzube reiten. Oben bot sich ihm ein überraschender Anblick. Mitten in, Saale stand ein Theil der Manufchaften in einer dichlci, Gruppe zusammen, in deren Mute er bei». Näherkommen den «Sergeanten O'Leary gewahrte, der die Deutschen und besonders Hn nicht leide', konnte und den auch er von ganzem Herzen haßte. Er saß auf einem hoben Swbl. Bor ihm stand ein Tisch, mit grünem Tuche behängen, woraus eine WachS tuchdecke mit rotbcn und schwarzen Fel dern lag. kurz: ein Spieltisch. Herrmann wollte seinen Augen nicht kauen. War eS denn möglich? Der Sergeant hielt eine Ssklbank «nd nahm in Rouge et noir »er, armen Soldaten den kargen Gehalt «b? Kein Zweifel, so war es. Bald entdeckte er noch mehr. Oder war es nur Zufall, daß eine gewisse Elique von Landsleuten des Sergeanten die meisten und größten Gewinne zogen, die gezogen wurden? Die übrigen Mitspielenden, meistens harmlose Re kruten, schienen dies gar nicht zu be merke«. und wenn, mochten sie wohl lieber ihr Geld verlieren, als wie die Feindschaft des gefürchtet«», Vorgesetzten herauszufordern. DaS Rechtsgefühl empörte sich in dem Deuitschen und als er sah, wie ein gutmüthiger Schotte seinen letzten Dol lar setzen wollte, flüsterte er ihm zu: „Sei vernünftig, gib doch diesem Schwindler nuht Alles!" In seiner Erregung hatte er ziemlich laut gesprochen. Unheimliche Stille folgte. Plötzlich sprang der Sergeant auf und stürzte mit den Worten : „Von cl l)otl!l>m»o!" vorwärts und stieß dem jungen Manne so hesiig mit der geballten Faust vor die Brust, daß er rückwärts zu Boden taumelte. So gleich sprang er aber wieder aus. Seine Wangen brannten,, seine Augen giÄh ten, die Lippen hatte er sest zusammen gekniffen. Vier Mann sprangen ihm entgegen, aber mit, cfnem gewaltigen Stoß schleuderte er sie von sich. Aber schon kamen dem Sergeanten einige von seinen LandSleuten zu Hilse. Er wurde von dcr Ucbermacht überwältigt und« zur Wache abgeführt. Sechs Tage strenger Arrest wegen: Widersetzlichkeit gegen den Vorgesetzten«,, lautete das Urlheil, welches, am sagen den Morgen über Herrmann Förster gesällt wurde. Er wurde mit den ein-- gesangenen Deserteuren zusainmenge-- sperrt, mußte ihr elende» Lager theilen, unter Aussicht der Wache in den Stein brüchen arbeiten und wurde behandelte wie ein Verbrecher. Schweigend, im finster m Trotz ließ er Alles über sich er gehen. Sein Entschluß war gesaßt, sobald er srei war, wollte er deser tiren. Der Tag, seiner Entlassung au»« dem« Arrest kam. De» Abends beim „Roll Call" antwortete er krästig sein „Hier!" und begab sich gleich zur Ruhe. Die« Lampen in den Sälen wurden ausge löscht. Hier und da wurde noch halb laut gesprochen, welches ober bald ver stummte und einem Schnarchconcert? Platz machte. Draußen singen die? Wipfel an zu brausen, grelle Blitze zuck te» durch die Nacht und serner Donner rollte. Nicht lange, so rauschte ei» hestiger Regen nieder. Leise erhob sich Herrmann nun und schlüpste in seine.« Kleider. Das Tosen des Sturmes« verschlang das Geräusch seiner Tritte. Unbemerkt gelangte er in s Freie, war tete unter einem Schuppen bis der Re gen nachgelassen hatte und besand sich« iiald aus der Straße nach Earondelet., Dort bestieg er einen Straßenbahnwa gen nach St. LouiS. Er crin»erte sich, daß ein Bekannter aus seiner Hcimalb, seines Zeichens ein Schneider, vor zehn Jahren mit seiner Familie nach Ame rika ausgewandert war und sich in St. Louis niedergelassen hatte. Wenn er diesen sand, war ihm geholfen. Richtig sand er im ..Directory" die Adresse und stand daraus bald vor einem hohen Tenementhause. Der gute Schneidermeister, dcr sich eben mit seiner Gemahlin zur Ruhe begeben wollte, war höchlichst erstaunt, als so spat noch an die Thür ge klopft wurde und ein Soldat herem trat. „Kennen Sie mich nicht mehr, Meister Bügeler?" sragte Herrinan. Jener schüttelte verdutzt sein Haupt. „Ich bin dcr Herrmann Förster vorn Haidbauernhose!" AIS das Ehepaar sich von seiner Ucbcrraschung erholt hatte, begann er, von seinen Schicksalen zu erzähle», von seinem festen Entschluß zu dcserti re», erbat sich zum Schluß zu diesem, Zwecke eine» abgelegten Anzug. Dieser wurde ihm gerne bewilligt. Während er im Nebengemache seine Kleider wechselte, bereitete die Schnei derSsrau einen kalten! Ausschnitt und, der Gemahl holte in einer Blechkanne Bier herauf. Der junge Man» mußte sich hinsetzen, essen »rrd trinke» »iid dabei wurde von alle» Zeilen gcplau-- dert. ~D« schreibst dsch auch zuweilen« nach Hause?" fragte ver Schneider bei läufig. „In den fünf Jahren, seit ich hier bin. habe ich nichts von draußen veo? nomine»!" ..Ist's möglich? Dann wcißt Tu.'» wohl »och gar nichl,!" „Was?" ~Ja, weißt? DusK denn nicht? Ter alte Haidbauer und seine Frau sind vor vier Jahren kurz nacheinander ge storben und da hat der Franz Lindholt, der die Gertrud geheirathet hak den Hos übernommen, der aber ganz: un glaublich verschuldet gewesen 'ein soll, so daß der Franz ihn nicht lange hat halten können und, da ist er mit sei»»!! Frau u»d einem Kinde herübergekommn nach Amerika.." ~Wa»," ries Herrmann? erregt, „Franz Lindholt ist mir seine: Frau in AmeriM?" „Ja., nun warte mal, da,» ist noch nicht Alle», der Franz hat sich nämlich in Missouri oben, nichi weil« ?o» Wood ville, eime kleine Farm gelaust und soll auch ganz gut auZgcmacht haben, da hat er sich oder, im Marz, i.st's ein Jahr geworden, sehr staik erkaltet, hat sich hinaelegt und ist gestorben." Hertmann war ganz bleich geworden t»io starrte den Sprecher mit großen, glühende» Augen an. Allinalig stieg eine dunkle Röthe in seine Wange» «iid mit einem tiefen Athemzuge mur melte er: ..Wer hätte das gedacht!" Er schien auf einmal von einer gro ßen Unruhe desallen zu sem und ver abschiedete sich bald daraus mit herzli chen DankeZworten van den brave» , Leuten. Imi»er Merk kr wcmd«!te ei', irl West« licher Richtung, durch d?e stillen Stra ßen. Mitternacht mochte eS sein, al» er die Normte erreichte. Rechts zeigten ihm die griwen und rothen Signcilla krnen einen Güterbahnhos. In dun keln Reihen stinden die Wagg,nS auf dem Netzwerk der Schieneiiyeleise. Torthin lenkt? er seine Schritte, schwang sich in einen leeren Wäger», zog die Thür hinter sich zu. streckte sich auf den harten Boden nieder und war bald, von großer Müdigkeit übermannt, ent schlafe». Ein dumpfes Rol?m und Rüttelt weckte ihw. Verwundert rred er sich vi» Augen und gewahrte, Vau sein Nacht quartier sich bewegte. Durch die Ritzen strahlte dnu helle Tag. Als er die Thüre aufschob, gewahrt? »r. daß der Zug mit vvtlein Damps in'» Land hi nausfuhr. Bei der dritten Hallestelle wurde er van einem Bremse» entdeckt. Dieser drückte ihm, nachdem er erfahren hatte, daß da» Städtchen Woodville 60 Meilen weiten« derselben Bahn, liege, sein letztes in die Hand unk? durste mitfahrew. Al-Z der Zug,um die Vüttagszeit an einer kleinen Station hielt, erkundigte sich Herrmann, wie weit es noch. di» WoodoiUe sei. Zehn Meilen, hieß, s». Statt wieder den Zug zu besteigen.rorfte :r zu Fuß aus den Landweg weiter. Mit plötzlicher Angst war ihm oer Ge zanke in die Glieder gefahren, er könne ,u früh in Woodville'ankommen. I», oas wollte er denn eigentlich dort? War ie nicht die Wittwe eines Andere,?? Mußte er ihr nicht-eim Fremder sein? Welches Recht hatte er» vor sie hinzntre-- ien? Er blieb erschrocken stehen und sanr» irach. Wäre es doch nicht besser, wenn? e.r weiter reiste? Wozu die alten Mün zen wieder ausreißen?' Aber das heiße? Verlangen seines Herzens siegte über die' lalte Verminst. Er wollte sie ja nur? fragen. ob sie damals seinen Bries er»- halten habe. Nach verschiedenen Erkundigungen, erreichte er das lieblich von Obstbäu men umgebene, zwischen blühenden Feldern liegende FarnrhauS. Sein herz klopfte, hestig, als er sich aber der Thür nahte, kam eine stltfame Ruhe übrr ihn. Die Magd, bei welcher er sich nach MirS Lindholt erkundigte, sührte ihn in's Wohnzimmer, wo erPlatz nahm. Sobald aber aus dem Nebengemache dev Klang der geliebten S>u»me an sein Ohr drang, die er seitJahren nicht vernommen hatte, war et um seine Ruhe geschehen. Er sprang aus und stützt sich mit den Händen aus die Tifchkanle, denn seine Knie bebten. Tie Thür ging auf. Sie war e». Schöner »och war sie geworden und weiblicher. Ein Zug stiller Schwermutl» um die Lippen verlieh dem Gesichte et was rührend Liebliches. Sie stutzte, erblaßte und starrte ihn an» als sahe sie ein Gespenst. ~Mrs. Lindholt ich>bin'S" stotterte er. Sie starrte ihn noch immer groß an: sank dann auf eincn. Sluhl und murmelte: ~Du, Herrinann?" Ihre Fassungslosigkeit gab ihm sein« »alle Ruhe wieder. ..Verzeihen Sie, Frau Lindbolt." spnich er, „ich wollte Sie nicht er» ichrecken, nur fragen wollte ich hast Du damals meinen Brief nicht er» hotten?" Sie blickte ihn in maßl'ösem Erstau nen an, sprang plötzlich aus. ergriff seine Hand und sragte eindringlich cr» regt: .Sag' mir die Wahrheit. Hermann, hast Du damals in der Residenz ein Verhältniß gehabt mit einer Wirths-- tochter und hast D» aus meine letzten drei Briese einmal geantwortet?" „Was sagst Tu? Dreimal hast Di» geschrieben und keine Antwort von mir erhalten? Um Gotteswillen, svrick» wer hat die Briese an Dich in Em pfang genominen und die Deinen be» fördert?" „Mein Vater!" „Und wer hat gesagt daß ich mit» einem anderen Mädchen ein Verhältnis? hätte?" „Elans Waldmann schrieb es, der bei Deinem 'Regiment stand!" „Der Freund Franz, Lindholt' S— ? nun ist mir Alles klar! Ger trud," suhr er nach siner Pause mit funkelnden Augen sort und ergriis ihre Hand, „man hat UNS betrogen, schänd lich betrogen um unser Glück! Ich schwöre es Dir. Gertrud, nie hat ein anderes Bild in meinem Herzen ge wohn!. wie das Deine—man hat i»nS schmählich belogen! und betrogen! " Allmälig legten sich die stürmischen Wogen der Erregung, sie vermochten mit Ruhe über die Vtrgangcnh»! zu reden, und Alles» «a» zwischen ihnen dunkel gewesen, klarte sich aus. Eine Stunde war im>N« vergangen, 5a off nete sich die Thür »nd ein dreijährige», blondlockiges Mädchen trat herein, stutzte aber beim Anbtuk des Fremden». „Komm nur, Gretel," sprach die Mutter lächelnd,. „und gib «m srem den Onkel Ins Hand!" Die Kleine, ganz das Ebenbild der Mutler, kam, zögernd näher und lie» ihre großen, Augen prüfend auf dem Fremden« harten. Er mzchte ihr wshl gefallen, denn vertraglich streckte sie ibm ihr Handchen entgegen. Samt zog er sie aus seinen Echooß und küßte sie »,uf dir Stirn. „Willst Tu den fremden Onkel auch ein, wenig lieb Hader»?" sragv er si» >«jf». l Statt der Antwort schlang sie zirtliA ihre Acrinchen «m seinen Nacken ual» schmiegte ihr Köpfchen an seine Wanze. Herrmann» leuchtende Augen begeg neten denen der eiröthenden jungen Mutter. In diesem stummen Blick lag mehr alz was tausend Worte sagen können, aus diesem Blick strahlte da» Moraenrotb einer alücilichtn Zeit. >