6 Christoph Columbuö. Am Morgen des dritten August 1492 mag es im Hasen der kleinen andalusi schen Küstenstadt Palos lebhast genug hergegangen sein. Obwohl noch die letzten Nebel der Nachtsich seucht und kalt «us die Stirnen legten, war die Volks menge groß und stark bewegt. Aller Augen waren aus die drei Fahrzeuge gerichtet, deren Ankerketten soeben ras selnd über die Winden liefen. Die Schiffchen waren ziemlich winzig, und -nur das größte, die „Maria galante", hatte ein vollständiges Verdeck, aber vom Mast aller wehte stolz die Flagge Kastiliens mit den. Initialen Ferdi nands und JsabellaS und dem grünen Kreuz in der Milte. Und die vielen Leute am Hasenufer sprachen erregt hin und her, ob das Schiffsvolt dort den Rückweg zum hei mischen Gestade finden möchte, und ob sich die Bretter von den Lasten edlen Metalls und duftiger Gewürze biegen würden, wie eS der Fremde, der Ge nuese Christosoro Colombo, versprochen ha:te. Der aber stand hochgereckt und ruhig auf dem Deck der „Maria galante" und gab feine letzten Anord nungen. Als sich dann das Wasser um den Kiel der Schiffe zu kräuseln begann, und der Wind sich in den Segeln sam melte, ergriff er mit kühner Gcberde die königlicheFlagge und schwang sie hin und her zum Abschied von den Küsten seines selbstgewühlten Vaterlandes. Und die Frühsonne brach durch den Nebel und tauchte verheißungsvoll Menschen und Schiffe und Wellen in rothflüssigen Goldglanz. Tie unsterbliche Fahrt nach dem Goldlande hatte begonnen; Columbus zog aus, den Seeweg nach Indien zu suchen und Amerika zu finden. Heute, vier Jahrhunderte nach jenem Tage, seiern zwei Welten das Andenken des Mannes, der, von einem starken Instinkt und einem zähen Glauben mehr getrieben, als von selbstständigem Denken und klarem Wissen, einer neuen Zeit gemeinsam mit den drei Deut schen Berthold Schwarz, Johann Gil lenberg und Martin Luther, vielleicht gemeinsam mit seinen italienischen Landsleuten, den Medicis, die Wege wies. Es hat gewiß seinen Grund, daß all' diese Größen in eine kurze Spanne Zeit zusammengedrängt er scheinen. Im schwülen Dunkel des Mittelalters Hatien die ewigen Feuer des menschli chen Geistes unter der Asche geglommen, die Kräste hatten sich gesammelt und verdichtet, und nun brachen auf einmal, hier und dort, die glühenden Ströme hervor und einer vultanifchen Eruption des Ingeniums folgte die andere. Noch fand, was aus der Nacht hervorquoll, kein ebenes Bett mit sicheren Usern; ungestüm und unklar suchte es seinen Weg, stürzte, was vielleicht erhalten bleiben konnte, fand aber auch, was zu finden gar nicht in seiner Hoffnung war. So entdeckte der Mönch die furchtbare Kraft des Schießpulvers bei alchymistischen Spielereien, so entdeckte der genuesische Webersohn einen neuen Kontinent, wo er nur aus vage Berech nungen hin einem bequemeren Wege nach schon bekannten Gestaden nach spürte. Man hat diese Entdeckungen Zufall genannt. Aber sie sind nur logisch be gründete Glieder in der Entwicklung des Menschengeschlechts, und so ist. gleich den Anderen, auch Columbus recht und voll nur aus seiner Zeit zu verstehen, wenn diese Zeit auch schwarz eingehüllt jetzt hinter ihm verschwindet, Wie das Flachland im Schatten eines noch lange sonnenbeschicnenen Ricsen berges. Es war so recht die Zeit des Mißbehagens an der Vergangenheit, des Ungcnügcns an der Gegenwart, des Hoffen- von der Zulunst, und das zu mal im südlichen Europa. Die katho lische Christenheit lag im schwankenden Kampfe mit den Mauren und hielt den Blick sehnsüchtig auf das heilige Grab geheftet, dem ein neuer Befreier erstehen sollte, —im Dienste desselben Glaubens drangen Lendlinge der Kirche, mit ihnen auch Söhne reicher Handelshäu ser, in die Wildnisse Jnner-Asiens und, sandten, wie Marco Polo, merkwürdige Reiseberichte nach der Heimath, der Kompaß war ersunden und hatte Gele genheit zu Versuchen gewährt, die kleinliche Küstenschiffsahrt auszugeben und die Geheimnisse des unendlichen Weltmeers zu untersuchen, —was Wun der, daß da in jedem Herzen der Wunsch -brannte, den Goethe dem etwa gleichzei tigen Faust aus die Lippen legt: wäre nux ein Zaubermantel mein, klnd trüg' er mich in fremde Länder, Mir sollt' er um die köstlichsten Gewän der, Nicht feil um einen Königsmantel fein." Und so hat wohl auch der junge, mk üppigster Phantasie begabte Christoph geträumt. Wenn er am User die Fi scherböte sich schaukeln sah oder am Webstuhl des Vaters das Schiffchen herüber und hinüber schießen ließ, da mag er in Gedanken an andere Schiffe geschwelgt haben, die im ausregenden Spiel init Wind und Wellen in die Weite streben, bis oben vom höchsten Mast da! Gnadenwort „Land!" ertönt und das Gefilde der Seligen sich aus thut. Wie ihn diese brünstige Lust nach Abenteuern trieb, die Heimath zu «erlassen, weil jede! Büblein auf der Schulbank, und der Bakel würde ihm in bedrohlicher Weise nahe kommen, wüßte es nicht zu erzählen, wie langes .Harren und Bangen der kühne See fahrer dulden mußte, ehe sein Fuß das Teck der „Mariagalante" betrat, wie er dann nach mancherlei Kreuz und aus gestandenen Leiden am 12. October »riit dem Eiland Guanahani, von ihm «San Salvador getaust, das Ziel seiner Sehnsucht, die Ostküste Indiens, er «cicht zu haben glaubte. Und nicht. minder gut steht in gar schbn illustrir ten Büchern zu lesen, wie er, heimge kehrt, der höchsten Ehren theilhastig ward, zuerst unter stürmischer Begeiste rung, dann unter sinkender Antheil nahme des Abendlandes noch drei wei tere Male auszog, Enttäuschungen er litt, Undank erntete und schließlich sein stolzes Leben in Armuth und Berges senheit beschloß. Uns intcressirt hier füglich mehr, aus der sattsam bekannten Historie des Co lumbus ein Charakterbild des merkwür digen Mannes zu gewinnen. Die her vorstechenden Merkmale seiner Art und die Wurzeln seiner Großthaten sind eine starke Sucht nach Ehr' und Herrlichkeit der Welt und ein starrer Glauben an sich und seine göttliche Mission. Wenn man aus diesen Erscheinungen den letz ten Schluß zieht, so hat man in dem Genuesen nur einen großen Egoisten zu sehen, den günstige Umstände als Welt beglücker legitimirt haben, einen Theil von jener Kraft, die zwar nicht gleich Mephisto das Böse will, jedoch das Gute nicht allein um des Guten willen schafft. Diese Charaktereigenschaften des Co lumbus sind so scharf ausgeprägt, daß wir ihren Zeugnissen immer wieder aus allen Blättern seines Lebensbuches be gegnen. Wie ein kluger Agent noch vor dem Beginn eines Geschäftes die Provision feststellt, welch? er beim even tuellen Gelingen bezieht, so forderte ColumbuS zu einer Zeit, da sein Plan noch aller Welt eine wesenlose Utopie schien, den Zehnten am Gewinn von allen Produkten und Waaren und an dere Vortheile mehr, und dem Matro sen Rodrigo de Triana, der vom Mast korb aus den hellen Strand Guana hanis gewahrte, machte er mit Erfolg die verhältnißmäßig kleine Belohnung streitig, welche Jsabella dem ersten Ent decker der gesuchten Küste zugesichert hatte. Gold ist ihm nicht Chimäre; seine Fahrten werden nach der Auf findung der ersten Insel immer nur von der Hoffnung aus das blinkende Metall b'stimnit, das von jeher Viele glücklich und noch Zahlreichere elend ge macht hat. Seine erste Frage an die Eingeborenen ist stets nach dem Gold lande, und er hatte die beiden Riesen kontinente vielleicht bewußt entdeckt, wenn die Magnetnadel seines Kompas ses nicht trügerisches Gold gewesen wäre. Am Strande von Euba bricht er in die säst gotteslästerlichen Worte aus: „Möge der Herr nach seiner Barm Herzigkeit mir beistehen, daß ich diese Goldininen finde," und sein erster Ge danke beim Betreten Haitis ist, das Sa lomonische Goldland Ophir gesunde»' zu haben. Columbus ist trotz alledem arm ge storben; wenn er aber seinen Nachkom men den ewigen Klang eines berühmten Namens hinterließ, so lag das nicht nur an der Größe seiner Erfolge, nicht nur an der Gerälligkeit und Gutgläu bigkeit der Völker, die so leicht und ur theilslos die Gloriole des Uebernatür lichen um die Stirn ihrer Lieblinge windet es lag auch an seiner Eitel keit, die klüglich jene Schwäche auszu nutzen verstand. Neuere Geschichts schreiber haben nachgewiesen, daß es hart, aber gerecht ist, wenn man ihn schon zu seiner Zeit einen twmsi» k»U»- 6or s einen ruhmredigen Schwätzer nannte. Sie haben festge stellt, daß Columbus, der Isnsrio cls Qsllu», der genuesische Weber, seine bürgerliche Sippe aus naheliegenden Gründen verleugnete und so Anstoß zu der ihm sehr genehmen Mythe gab, er stamme von dem römischen Prokurator ab, der den Mithridates im Triumph nach Rom geführt habe. Er nannte sich ebenso gern „ein Werkzeug Gottes", wie er der Wahrheit entgegenschreibt: „Ich bin nicht der erste Admiral, den wir in unserer Fa milie zählen." Und hier kann zum Kummer mancher Tertianerherzen ein gefügt werden, daß ihm vielleicht ebenfalls durch eigene schuld nur fälschlich die Urheberschaft an der im mer wieder packenden und täglich citir ten Geschichte vom „Ei des Columbus" zugeschrieben wird. Bereits ein halbes Jahrhundert vor dem Entdecker hat, wie schon Voltaire erzählt, der Florentiner Baumeister Bruneschelli gesagt: „So wie dies Ei wird meine Kuppel (die des von ihm erbauten Domes von Florenz) stehen." Wenn sich Christoph ColumbuS selbst als „ein Werkzeug Gottes" be zeichnet, so legt dies Zeugniß ab ebenso von seinem stark entwickelten Selbstge sühl, wie von dem blinden Glauben an eine höhere Macht, die gerade ihn er wählt habe, Ideen zu verwirtlichen, welche im letzten Kern doch irdischen Zwecken dienten. Columbus war überhaupt ein Mensch des unbeschränkten Autoritätsglaubens. Wie er in seiner nautischen Wissenschaft durchaus in den Spuren Anderer wan delte und schließlich nur aussührte, was der berühmte florentinische Natursor scher Paolo dal Pazzo Toscanelli lange vor ihm in Briefen und Karten em pfohlen hatte, so gab er selbst alle wis senschaftlichen Ueberzeugungen auf, wenn er die noch höhere Autorität des Himmels über sich zu fühlen meinte. Als ihm an der Mündung des Orinoko neue unerklärliche Erscheinungen begeg nen, ist er, das „Wertzeug des Htm mels," überzeugt, dem Paradiese nahe zu sein, und stellt dieser die Ewigleit versprechenden „Thatsache" zu Liebe die Hypothese aus, der Erdball müsse an jener Stelle eine starte Anschwellung haben. Daß er mit der Ableugnung der Kugelgestalt der Erde an dem wis senschaftlichen Fundamente seiner gan zen Unternehmung rüttelt, muß Jedem einleuchten. Diesem nie wankenden Bewußtsein seiner Gottgesandtheit, diesem festen Vertrauen, zur Ausführung der Pro phezeiung des JesaiaS: „Ich schaffe seinen neuen Himmel und eine neue Erde" bestimmt zu sein, verdankt die alte Welt ihre jüngere Schwester und die Geschichte der Menschheit'eine ihrer folgenschwersten Wandlungen. An jenen Eigenichasten, die sonst das Merk mal schwacher Naturen sind, aber in ihrer Größe und Bestimmtheit bei Co lumbus nicht anders als imponiren können, hangt, was wirklich bedeutend und bewunderungswerth an ihm ist. ES ist die Zähigtei, mit der er allen Enttäuschungen vor und während der Ausfuhrung seiner Riesenpläne trotzte, die glühende Lcrcdtsamkeit, mit der er jedes Bedenken gegen sich und sein Wert niederwarf, die sichere Kaltblütigkeit, die ihn in Stunden höchster Gesahr auszeichnete, schließlich auch die etwas mystische, aber hochpoetische Naturan schauung und Beschreibung, die jeden Leser seiner Schiffstagebücher innig erfreuen muß. Freilich, Ranke hat Recht, wenn er sagt: „Niemals hat ein großartiger eine großartigere Entdeckung hervorgebracht," indessen stehen wir, die !durch dauernde Gewöhnung mehr die Resultate als die Beweg gründe seiner That im Auge haben, nicht ohne Gefühl der Dankbarkeit vor dem Erinnerungsbild de- Mannes, das auch dunkle Züge aufweist, aber im lGanzen das Bild einer geschlossenen Individualität ist. Auch Wehmuth mischt sich hinein, wenn wir dieses wech selvolle Leben überblicken, oas mit Mcht vielfach dichterische Verwerthung gefunden hat, wenn wir den unsterb lichen Mann zwischen den Polen höch sten Glanzes und tiessten Falles schwan ken und ihn wie durch eine ironische Laune der von ihm so vertrauensvoll geliebten höheren Gewalten um seine größte Ehre verkürzt sehen: sein Riesen tind „Amerika" trägt nicht den Namen des Vaters. In diesen Tagen freilich spricht man nicht von Amerigo Vespucci, sondern von Christosoro Colombo. In den Tiefen des Weltmeeres ruhen jetzt die Kabel, die von Continent zu Continent die Kunde seiner Feier blitzen werden, und in viel weniger Tagen, als sein Schiff einst Wochen brauchte, werden bald die dampsathmenden „Marigalan ten" unserer Zeit hinüber eilen, um Schätze und Menschen zum gastlichen Strand von Chicago zu bringen. eclbstvcrraty< A . ' Dame: Nun gut, ich lasse mich von Ihnen malen, hoffe aber, daß Sie Ihr Möglichstes leisten! Geck: Bei meiner Ehre, Sie sollen sehen, was ein Pinsel vermag! Praktisch verwerthet. Potz Blitz, Sie tauchen Ihr Kindchen in die große Suppenschüssel? Ja, die Köchin hat die Suppe total versalzen, und der Kleine soll doch »ach ärztlicher Vorschrift Salzbader ge brauchen. Idylle. Mer saßen ganz schdille beisammen. Mei' ileener Dackel und ich. Ich drank een ganz srisches Tebbchen— Ob's mehr werd'n, wußt' ich noch nich. Und wie mer so ruhig saßen Und dachten an dies und das. Da war mer's halt blötzlich uf eenmal G'rad so, als fählte mer was. Und richtig! Ich gucke in'S Dedbchen, Das rechts gleich nitben mer stund, Und weil keen Drobben mehr drin war— Da schaut' ich blos steenernen Grund! Gleich winkt ich 'mer eenen Källner Mit 'nein neien Tebbchen herzu; Mei' Waldmann, där srei't sich unbändig Und schivanzelde immer derzu! So fählte mer wohl noch zehnmal G'rad wie das erste Mal was. Und zehnmal noch schwänzeld' mei' Dackel ES machte ihm Merklich viel Schpaß!-. Nu' dhat aber nischt mehr mir fahlen, Und eS schwänzeld' mei' Dackel nich mehr. Und da sind mer halt heimwärts ge gangen. Als wenn gar nischt gewäsen wär'! P. Vaith. > —Zur Strafe. Dame (zu Besuch): „ Sie selbst lochen wohl nie?"— Hausfrau: „Doch! Aber nur. pienn ich meinen Mann recht ärgern ! Gar oft beneiden wir Leute, die uns beneiden. WebeehanS. Ein Haus in Torgaucrstra>'e, in be ster Lage Berlins, und halbleer i Wie ist das möglich? Gewiß sehr sonderbar, antwcirtete mein Gewährsmann; auch die untere Wohnung ist gekündigt. Niemand will in dem Hause bleiben; es ist unheim lich; eS spukt. Der Herbst 1876 sah gute Zeiten im Suhler Land. Tie Gewehrfabriten hatten flott zu thun, die Ernte war reich lich gewesen, Bürger und Bauern hatten Geld. Auf den Kirchweihen war Leben «ind Lust, die Leute konnten was drauf gehen lassen und thaten es auch. So war es an einem schönen September- Sonntag aus der Odilenberger KirmeS hoch hergegangen. Im Tanzsaal vom Weißen Roß verlöschten die Lampen, die jungcn Paare machten sich aus den Heimweg oder stiegen hinab in die Gast stube. die voll sröhlicher, lärmender Menschen war. In dem Dunst der Ge töse ward eS kaum bemerkt; wenn einer der Gäste durch die Hinlerthür pochte, die ihm nach dreimaligem Klopfen ge öffnet und hinter dem Eintretenden rasch wieder zugezogen wurde. Tort war die Herrenstube. Heute aber diente sie an dern Zwecken. Ter rothe Tieter aus Fellbach hielt die Bank, ein halb Dut zend Bauern saßen um den Tisch und spielten mit wechselndem Glücke. Andere standen umher, sahen zu oder setzten auf eine Karte wie es grade kam. Wederhans, geh' weg. du bist ein Rittmüller, sagte Tieter zu einem schlan ken. dunkeläugigen Manne, der starren, unverwandten Blickes dem Spiel folgte. Laß ihn doch, hast heute Glück genug gehabt, wars der dicke Heinzmann ein, der gerade gewonnen hatte. Und ich sage, wir brauchen hier keine Musitanten und Maulassen! schrie der Dieter und schlug mit der Faust ar>i den Tisch. Was gibt'S, Tieter? Wer ist hier zu viel? Hast Furcht vor einem Aufpasser? Ilaug es durcheinander. Der rothe Dieter hatte eine giftige Antwort auf den Lippen, doch Weber-- hanS kam ihm zuvor und rief: Einen Thaler auf den Herzkönig! Das Spiel ging weiter; die Karten wurden gedreht; der Herzkönig kam nicht und der Thaler war fort. HanS, das war ein Leithammel, meinte Heinzmann. Er hatte recht; es traf ein, wie er sagte; denn Alles, was Weberhans an geniiinziem Gethier bei sich führte, folgte dem ersten treulich nach. Er ver lor Alles. Tu spielst zu hastig, Hans Steiner, redete ihn jetzt sein Nachbar an, ein langer, hagerer Mann, und klopfte ihm niit knochiger Hand auf die Schulter, zu hastig, Hans; keine Ruhe, kein Glück! Hans antwortete nicht. ES war Christian Benz, der zu ihm sprach; er nannte sich Kaufmann, aber sein ei gentlich Geschäft war der Wucher. Er fehlte nirgends, wo es lustig herging und das Geld den Herrn wechselte, auf keinem Markt, auf keiner Kirmes; er kannte alle Menschen auf zehn Meilen in der Runde, ihre Laster, ihren Leicht sinn, ihr Geld. Die Hälste der Namen waren ihm durch die Finger gegangen, ,iucrgeschrieben, oder stand in seinem Buch. Er wußte, wer dem dicken Heinzmann das Geld gab, das er nach lässig und wegwerfend auf die Karten schob. Er tonnte sagen, für wen der rothe Tieter die Gewinne einstrich, sich erhitzte und fluchte und stritt. Für ihn war alles Komödie, und die glühenden, heißathiiuMdcn Menschen waren sein/ Schauspieler. Weberhans rührte sich nicht; seine Augen waren wie festgebannt. Wenn ich nur einen Thaler hätte, am den Treffbuben würde ich setzen; der muß kommen, sagte er halblaut vor sich hin. Und er kam wirtlich; doch da der rothe Tieter die Vorsätze nicht martirte, so hatte Hans von seinem guten Gedanken nicht mehr als viele andere Menschen in gleichem Fall, nämlich gar nichts. Er sah sich um nach seinem Nachbar; der saß aus einer Bank, hinten am Osen, den lauernden Blick nach dem Tische gerichtet, einer Spinne gleich, die auf ihr Opfer wartet. Hans ging auf ihn zu. Christian, leih mir was, begann er. Habe selbst nichts, tcinen Pfennig, war die Antwort; frage den Leonhardt, ich habe leinen rothen Heller bei mir. Ich geb' dir s morgen wieder, Benz, drängte Hans; morgen bin ich in Ho? henmarkt. das Geld ist dir sicher. Bei meiner Seligkeit, ich habe nichts bei mir, betheuerte Benz. Nach einer Pausesuhrerfort: Draußen hab'ich ein Kalb stehen. Kauf inir's ab. Bist du verrückt? platzte HanS he'» aus. Kauf mir'Z ad. sprach jener gelassen. Tu zahlst es mit einem Wechsel und verkaufst es an den Leonhardt. —Geld- geschäfte mache ich nicht. Das Kalb war nicht theuer; sechzig Mark unterschrieb Hans, und dreißig gab ihm der Leonbardt dasur. Hans tonnte weiter spielen, setzen und ver lieren. Aber Benz half noch einmal. Dies mal war eS ein Rind. Leonhard lauste es wieder. Ein Tutzend Mal im Ver lauf des Abends hatte er die beiden Thiere erstanden, die draußen an der Kette zerrten und so wenig wußten, was mit ihnen geschah, als die thorich' ten Menschen, was sie thaten. Beim dritten Mal aber blieb Benz unerbittlich. Bei Ehr' und Seligkeit, er hatte nichts mehr zu verlausen, und Geldgeschäste machte er nicht. Alle, Zureden, alles Versprechen war um onst. Hanz sah noch ein paar Augen blicke den Spielern zu, dann ging er. langsam und zögernd. Er warf noch einen Blick in die Ecke, wo Benz und Leonhardt saßen; die beiden rechneten ab, zwischen ihnen lag ein Haufen Wechsel. Benz nahm sie an sich, sie verschwanden in seiner braunen Leder tasche. Die kühle Nachtluft brachte HanS zum Bewußtsein. Was hatte er ge than? Zweihundert Mark in drei Mo naten— wo sollte er das Geld herneh men? Hans war gelernter Weber; doch mit der Weberei ging es immer schlechter, immer erbärmlicher. Da kam ihm sein Geigenspiel zu statten: eS brachte ihm einen schönen Verdienst ausKirchweihen und Tanzmusiken: ja. seit einem Jahre lebte er davon ausschließlich. Wie sein Weib auf das Geld wartete, das er heute bringen sollte! Und jetzt' O, was sollte das werden? Er blieb stehen und sah sich um, als ob von irgendwo Hilfe kommen müßte. Hinter ihm tönten Schritte. Er er kannte die lange, hagere Gestalt des Christian, der ihn bald eingeholt hatte. Eine Weile gingen sie schweigend neben einander her. Hast heute kein Glück gehabt, HanS, begann endlich Christian, dem dicken Heinzmann ist'S nicht besser gegaagen. Heute so, morgen so. HanS blickte seinem Begleiter in die grauen, stechenden Augen. Was war es, das sich mit einem Mal in ihm regte? Kaum wußte er, wie's geschah; jetzt hatte er den Wucherer an der Kehle gefaßt und mit einem Schlage der Faust zu Boden geworfen. Ich will dein Geld nicht, meine Wech sel will ich, Hund, verfluchter! schrie Weberhans. Tie hab' ich nicht, Hans, bei meiner Seligkeit, ich hab' sie nicht. Ter Leon- Hardt hat sie! preßte sein Opfer her vor. Mit einem Ruck hatte Hans Chri stians Mantel aufgerissen, die Klappen flogen auseinander, ein Griff, und er hielt, was er suchte. Eiligen Laufs rannte er davon und hielt nicht inne, bis er vor der Thür sei ner ärmlichen Wohnung stand. Leise schlich er durch die Stube, wo sein Weib schlief. > Er zündete die Schnipsel und Späne an, die sich den Sommer durch im Osen angesammelt hatten: der flackernde Schein beleuchtete sein fieber hastes Gesicht, als er die Papiere aus einander faltete. Peter Karbatt, am 15. November, 80 Mark; in's Feuer. Jörg Hochstein, am 20., 72 Mark;Zha, wie es flackert. Martin Unterberg, am 24. December, 105 Mark; fröhliche Weihnacht. Karl Roth, am 10. Ja nuar, 90 Mark. Und jetzt der letzte. Anton Waldschmidt, am 10. Januar, 40 Marl. Benz hatte die Wahrheit gesagt, seine Wechsel waren nicht dar-- unter. Hans leugnete nicht, als man ihn am anderen Morgen verhastete. Die Richter hatten Mitleid mit ihm und sandten ihn nur aus zwei Jahre in'S Zuchthaus; unser Herrgott hatte Mit leid mit dem armen Weib und nahm es nach einem halben Jahre zu sich. Als die zwei Jahre vorbei waren, dachte niemand mehr an den Weber hans; er war vergessen, verschollen, über's große Wasser, aus der Welt. Nur einer hatte Ursache, an ihn zu denken. Als Christian Benz am Mor gen nach Hans' Entlassung seine Wohn stube betrat, sant er todtenbleich gegen die Wand: sein Schreibtisch war erbro chen, Papiere und Ichriststücke lagen umhergestreut. Er raffte zusammen was am Boden lag, ordnete alles in fiebernder Hast, verglich, zählte und rechnete. Ja, das war's. Zwanzigtau send Mark bairische Obligationen fehlten. Vorsichtig sah Christian sich um. dann ging er nach seinem Schlaf zimmer. Wenige Augenblicke darauf tam er zurück, zufrieden und vergnügt. Esel, brummte er vor sich hin. Benz verwahrte stets die Zinsscheine von den Wertpapieren getrennt. We berhans, in dessen Familie sich solche Objecte selten vererben mochten, hatte zugegriffen, ohne lange zu prüfen. Sein Raub war werthlos. Esel, wiederhol'.e Christian, und brachte ruhig alles wieder an seinen Platz. Sollte er den Diebstahl anzeigen? Weshalb? Noch drei Jahre, vier Jahre Zuchthaus, und wenn er dann heraus tommt, dann hat er ausgelernt; dann dann war er ein Mörder. Christian schauderte bei dem Gedan ken. Er hatte Furcht vor seinem Feind, unsägliche wilde Furcht. Lange Jahre hatte er ungestraft seinen schändlichen Lüsten genügt und keiner hatte es ge wagt, gegen ihn auszustehen; dieser war der erste. Er hatte namenlose Angst vor ihm, der Bestie gleich, die raubt und würgt und scheu züfammen kriecht vor dem Blick des einen, der sie bändigt. Somit erfuhr die Welt von dem ganzen Porgang nichts weiter, als eine „Bekanntmachung und Warnung vor Ankauf", wonach die abhanden gekom menen Obligationen Nr. V23,35l bis 024,370 der vierprocentigen bairischen Staatsschuld sür werthlos erklärt wur den mit dem Bemerken, daß nach Ab lauf eines Jahres neue Stücke verab folgt werden sollten. Christian hatte noch einen zweiten Grund, über den Vorfall zu schweigen. Er wollte nicht gern mit der Polizei zu thun haben oder, richtiger gesagt, er hatte schon mehr mit ihr zu thun, alz ihm lieb war. Der Leonhard» saß in Untersuchungshaft und er selbst war schon mehrmals zu Protokoll vernom men worden. Seit der Fellbacher Brandstiftung stand es bedenklich. Der allgemeine Unwille nahm unange nehme Formen an. Der Boden brannte Ben, unter den Füßen. Die Fenster waren ihm eingeworfen worden; man hatte ihm hundert schlimme Streiche gespielt. Er wollte fort, er mußte fort. Doch wohin? Er wußte es. In dm großen Teich, wo alle Fische schwim men. kleine und große, Hecht und Aal. schlanke und plumpe, dorthin nach Berlin. Er hatte seine Vorbereitungen schon lange getroffen und seine Angelegen heiten geordnet. Eines Morgens ging er wie gewöhnlich über Land, nach Hohenmartt, bestieg den Zug und fuhr davon. Und wenn er diesen Umweg wählte, anstatt in Altroda zur Bahn zu gehen, so geschah es gewiß, um sich in seiner bescheidenen Weise den herzlichen Abschied-Wünschen seiner Landsleute zu entziehen. Erst am andern Morgen erfuhren die braven Altrodaer, daß ein guter Mitbürger sie verlassen habe zu einer Stunde, als Benz bereits an seinem Ziele in Berlin angelangt war. Freund, weißt du. welchen Troß von Marodeuren wir mit unS umherschlep pen? Die Statistik meldet nichts da von. Indeß, man darf vermuthen, daß dieser streifende Haufe der regulären Truppe an Zahl nahezu gleichkommt. Ja, ich glaube, diese Schnapphähne hätten die ehrlichen Leute längst aufge fressen, wenn sie nicht uutcr sich in Zünfte zerfielen, die es für recht finden, sich gegenseitig die Beute abzujagen und einander zu bestehlen, Dieb, Hehler, Trödler, Schwindler, Wucherer, einer braucht den andern, einer prellt den andern, und der Schuft muß immer einen Schurken ernähren. Somit bleibt dem einzelnen nicht zuviel, und das ist gut; eine gerechte Vertheilung unter den Spitzbubengilden findet statt, und das ist ein Glück und Trost. Von dieser langen Kette bildete Chri stian Benz nunmehr ein Glied. Er hatte es im Laufe von zehn Jahren zu Ansehen gebracht. Sein Geschäst blühte, er lauste und verkaufte alles, das Unscheinbare wurde werthvoll unter seiner Hand. In seiner Wohnung. Torgauerstraße, ging es zu bestimmten Tageszeiten lebhaft zu. Um 7 Uhr früh tan, Frau Meißner, die Aufwär terin. Schon um 8 Uhr fanden sich die ersten Besuche ein. Bis 10 Uhr war „Sprechstunde". Dann ging Christian aus. Gegen 5 Uhr kam er zurück und hielt Sprechstunden bis sieben. Dann ging er wiederum aus, nicht in Geschäften, nur zum Vergnü gen. Wie mochte es wohl bei dem Krä mer gehen an der Ecke? Er hatte ihm zweihundert Mark geliehen auf Wechsel, als Krankheit die Familie zurückge bracht hatte. Das Geschäst ging leid lich, es waren Käuferinnen im Laden, gewiß, die fünfzig Mark zum ersten waren sicher. Schrägüber, bei dem Goldarbeiter, war das Geschäft noch auf. Die Fa milie saß in dem kleinen Nebenzimmer beim Abendbrot, man konnte sie von der Straße aus sehen. Ueber dem Sofa hing ein Bild, ein Seestück, von einem unbekannten Meister. Benz kannte ihn. Er wußte genau, was er dem schwindsüchtigen Albert Thießner dafür gezahlt hatte, und wie hoch er eS dann dem Goldarbeiter angerechnet hatte, als er ihm den letzten Wechsel diScontirte. Gemälde, Armbänder, Geschmeide —und Wechsel. O Narr heit des UeberflusseS! In der Havelstraße, dem Neubau gegenüber, stellte Christian sich auf. Das Haus war sein. Die Handwerker werden keinen Psenuig bekommen; der Ziegler, der Maurer, der Tischler, der Schlosser, der Glaser alle nichts; der Bauherr war bankerott. Er war es von Ansang gewesen, schon als Benz die ersten dreitausend Mark vorschoß. Ein gutes Geschäft, wird sich lohnen, wahrhastig. Benz hatte lange dagestanden: ein schwerer Entschluß kämpfte in ihm auf und nieder. Sollte er nach der Neu märkerstraße gehen? Viel zu verdienen, viel Geld, ein großer Schlag, etwas anderes als die ewigen Bcttelsachen; ein Staatsstreich. Aber nein, ich mache das Geschäft doch nicht, endigte er und ging weiter, mechanisch, ohne zu wissen, wohin. Plötzlich befand er sich in der Neu mai kerstraße; er erschrak, als er es be merkte und an dem großen Hause hinaufstarrle, nach dem zweiten Stock werk, wo die Fenster erleuchtet waren. Tort wohnte ein Weib, das er gut kannte; sie hatte ihm manchen guten Kunden zugeführt, alte und junge, leichtfertige und besonnene; er hielt viel von ihr. Aber diesmal thu' ich's doch nicht, murmelte Benz; sie hat sich einen Nar ren gefressen an dem Amerikaner, Musiker, Zigeuner, ein Satanskerl! Ader das Geschäft mache ich nicht. Benz ging weiter, und nach ein paar Schritten zurück; zum zweiten Mal vorüber; dann kehrte er wieder um. So hatte er es schon zwei Abende ge trieben, bald an die Thür saftend, dann wieder unschlüssig umkehrend. Heute aber trat er endlich ins Haus und stieg rasch die Treppen hinauf. Ernestine öffnete. Was willst du? fuhr sie den Ein tretenden an. Mach, daß du fort kommst! Ich erwarte Besuch. Nur ein paar Worte, Ernestine, bat Christian. Nur ein paar Worte. Willst du mir wieder vorjammern? Pack dich fort! Der Hirschberg wird'S recht machen. Wir brauchen dich nicht. Pack dich fort! Sei vernünftig, Ernestine; eS ist ver dämmt viel Geld. Zwölftausend Mark. Die Papiere tännen falsch sein. Waren die Dollars echt, die du ge wechselt hast? War die Marylander Uhr und Kette echt? Gut und echt, aus Ehr und Selig keit, bestätigte Benz. Eine Pause folgte, während Erne stine nach dem Fenster ging. Wo sind die Papiere her? begann Christian wieder. Narr, gestohlen! rief das Weib. Von wem, von wem? Das muß ich wissen. Geh' hin zur Polizei, Schuft; die werden dir s sagen. Christian antwortete nicht. Er starrte nachdenklich vor sich hin. Erne nne betrachtete ihn ein paar Augen» ! blicke, dann trat sie auf ihn zu und packte ihn an der Schulter. Ihre > Augen funkelten wild: Leidenschaft, Bewegung war alle». > Höre. Christian, stöhnte sie hervor, > ich will den Mann für mich haben. Ich liebe ihn; ich will ihn für mich ha . den. Du kennst mich. In zwei Ta gen hab' ich's erreicht. Du oder ein anderer, mir gilt's gleich. Und dann )fort in die Freiheit, in ein anderes Land. Morgen kommt er zu dir. Be sieh dir den Plunder, prüfe alles, frage ihn aus, forsche nach und setz' ihm die Schrauben an. Abcr halte das Geld bereit. Ich will den Mann haben und ihn halten, langezeit. Ich will'S. Hörst du. Hallunke? Es war wieder Abend geworden. Seit einer Stunde saß Benz an seinem Schreibtisch. Er tonnte nicht lesen, nicht arbeiten. Oft nahm er ein Schriftstück zur Hand, sah lange darü ber hin und legte es wieder weg. Tann öffnete er eine Schublade und holte ein Packet heraus. Es waren Banknoten, zwölftauseud Mark, ehrliches, deutsches Geld. Er wollte aufstehen, doch die Knie versagten, er sank zurück. So saß er. das Kinn auf die Hand gestützt, die Augen starr in's Leere gerichtet. Draußen wurde es dunkel, Benz ach tete nicht darauf. Er hatte andere Ge danken, seltsame, große, schwindelnde sogar. Jetzt mit einemmal fuhr er auf. Tritte kamen die Treppe heraus. End lich, endlich, das war er. Es klingelte; Frau Meißner nahm die Kette ab, öff nete und ließ den Fremden herein. Er grüßte nicht, als er eintrat, und schritt gerade aus Christian zu, der sich halb erhoben hatte. Er nahm den brei ten Hut nicht ab und schien die Anrede zu erwarten. Fräulein Ernestine Becker schickt Sie, begann der Alte. Ja, klang es zurück. Haben Sie die Papiere? frug Benz wieder. Der Fremde holte ein Paket hervor und breitete es auf den Tisch. Gierig beugte sich Benz darüber. Doch was war das? Ein Blendwerk, eine Teufe lei! Die gothischen Lettern traten her aus, wie Stahl und Eisen standen sie spitz empor. Der Wittelsbacher Löwe reckte sich, er wuchs und seine Augen glühten. Jetzt streckte er die Tatzen hervor, lang und länger, dorthin, w» die Banknoten lagen. Jetzt hatte er sie, eingeschlossen in mächtiger Kralle—> fest, lebendig, wirklich. Weberhans! schrie Benz auf und sah dem Fremden in's Gesicht. Ich bin's, antwortete dieser. Du willst mich ermorden. Hans, jammerte der Wucherer; thu's nicht sag', wie viel du haben willst, ich will dir's geben. Ich habe genug, sagte Hans und wandte sich nach oer Thür. Mein Geld, mein Geld! fuhr Chri stian jetzt auf und klammerte sich ver zweifelnd an den Weggehenden. Der aber brauchte beide Arme, ein Griff und er war befreit. Er lachte laut auf, als Benz taumelte und rücklings zu Bode? fiel. Die Leute im unteren Stockwerk hör ten den Fall und das Lachen; es drang durch die Mauern, durch Mark und Bein. Die Nachbarn auf dem gleichen Flur hörten es und liefen zusammen. Frau Meißner hörte es und sank schrek kensdleich gegen die Thür. Aber Nie mand trat dem Mann entgegen, der raschen Schrittes die Treppen hinab stieg und in der Dunkelheit verschwand. Eine halbe Stunde später stellte Frau Meißuer das Abendbrot aus den Tisch und verließ eilig und zitternd die Wohnung; sie wagte es nicht, sich nach dem einsamen Mann umzusehen, der starr und unbeweglich dasaß. Ihr ahnte ein Unglück, als am ande ren Morgen aus ihr Klingeln nicht ge öffnet wurde. Der Schlaffer hatte eine schwere Arbeit, bis er die doppelten Riegel und die Kette zersprengt hatte. Vor seinem Schreibtisch saß Christian Benz regungslos, Er Hatte sich °ne Kehle durchschnitten. Wieviel verkannt eDich ler werden nun zu Ehren, wie viel ver» iiachlässigte Theater zu starkem Besuch, vie viele langweilige Patrone zur Gel tung kommen das Gähnen ist Heil mittel geworden. Ein Denlmal sür den Dr. O. Naegeli in Ermatingen, der im für Schweizer Aerzte sich mit der therapeutischen Verwerthung >es Gähnens beschäftigt und dem „Tief- Gähnen" mannigfachen Heilwerth zu» spricht. Er schreibt: „Das Gähnen ift> HS physiologisches Tiefathmen die na», türlichste Lungengymnastik. Da da»! >roße Publikum kaum je dazu zu brin gen sein wird, nach Schiebers System -in» und doppelseitig tief zu athmen, 112» sollen wir Aerzte Jedermann den Aach, :rtheilen, unbekümmert um sogenannten, Anstand, Morgens und Abends so oft» mal als möglich durch Gahiren und kecken die Lungen tüchtig auszulüften und dieAthmungsmusculatur zu Zs wird dadurch vielleicht manchem chro-, irischen Lungenleiden vorgebeugt werden, können. Gestützt auf die weitere Er fahrung. daß beim Tiefgähnen die SchlundmuSculatur sich hebt und streckt lind die knorpelige Ohrtrompete auSge» zuetscht wird, habe ich versucht, Gähnen auch therapeutisch zu verwer» then... .In allen Fällen von Aachenkatarrh, Entzündung der Gau menbögen nnd beginnenden Tuben»! latarrh habe ich die Gähncur verordnet, fast ohne Ausnahme mit dem Erfolg.! saß Hals- und Ohrenschmerz rasch sich besserte nnd bald verschwand. Es wurde! sen Patienten nicht schwer, nach mein«»» Angaben durch schlürfendes Einathmen, »urch einfache Autosuggestion, wenn siei für sich allein waren, oder durch Jmi» lation, wenn ich es ihnen vormachte, zr» jeder Zeit zu gähnen. Ich ihnen, so oft im Tag als möglich, we» nigstenS sechs- bis zehnmal nach ein» ander dies zu thun und gleich nachhev zu schlucken-"