Ei» Verbreche«. (N. Fortsetzung.) „Ich habe mir immer gedacht." sagte Pr, daß Saint Alban der Mann war. Aber was veranlaßte ihn. Sie und Ihre Frau gegen mich zu Hetzen? Ich habe ihm niemals BöseS gethan." „Können Sie das nicht errathen?'' sagte dcr Sträfling. „Ich bin gleich daraus Versalien, als er zu mir kam und sagten Jakob, es ist ein Vermögen zu gewinnen, und Du mußt mir dazu verHelsen." „Ich habe einen Verdacht." erwiderte Power, „aber ich möchte die Wahrheit von Ihnen selbst hören." „Nun, es handelte sich um seinen Freund, den reichen Menschen, mit dem er so eng bcsreundct war. und dessen Wittwe er später heiratheie." „Sie meinen Mister Gallo?" „Richtig! Aber Sie waren im Wege und ich und meine Frau sollten wi> beseitigen. „Ich war im Wege?" „Ja, es ist eine schändliche Ge schichte!" flüsterte der Sträfling, „der Reiche starb sehr plötzlich, nachdem Sie fort waren." „Woran starb er? Haben Sie ge hört, wie man seine Krankheit genannt hat?" fragte Robert, in kalten Schweiß ausbrechend, bei dieser Bestätigung sei nes schwärzesten Verdachtes. „Unterleibsentzündung nannte man es. Es besiel ihn eines Tages plötzlich: am nächsten Tage war er todt." „Richtig, das war das Arsenik." murmelte Robert vor sich hin. „Was für ein Dummkops war ich doch, daß ich nicht gleich von Anfang an daran dachte. Wer hat ihn behandelt, als er tra»t war?" fragte er. ..Ter alte Arzt derselbe, bei dem Sic gewefe» waren." „Toctor Merritt. Und hatte dieser keinen Verdacht?" „Nicht im Geringsten, er fand Alles in Ordnung. Ter ToÜtenschein wurde ausgestellt, die Beerdigung sand statt. Stlle's in Ordnung, wie ein Uhrwerk! Aber ich kannte Eharley. und erinnerte mich daran, was er von uns verlangt hatte. Ich wußte Alles besser!'^ Robert Power hörte mit klopfendem Herzen zu und verfiel in Nachdenken, iillles war so klar, wie der Tag: hun dert kleine Einzelnheiten, welchen er lein Gewicht beigelegt hatte, sielen ihm jetzt wieder ein. Saint Albans häu fige Besuche in Mr. Gallos Haus, seine heuchlerische Freundschaft sür denselben, während er im Geheimen jenen ver hängnißvollen Einfluß aus die Frau gewann, die sich von diesem Anbeter mit der sanften Stimme, der glatten Zunge und dem hübschen, dunklen Ge sicht bethören ließ, die lügnerische Sorg fält, mit welcher er in Gegenwart von Fremden seine Pläne zu verhüllen wußte, indem er hingebende Freund schaft sür den Mann zeigte und sich der Frau gegenüber aus die gewöhnlichste Höflichkeit beschränkte. Und hatte Robert Power nicht schon rine genügende Erklärung sür jene That, auf welche Stanley hinwies? Mr. Gallo war plötzlich an Unter leibsentzündung gestorben. Tie Symp tome waren die einer Arfenilvergiftung. und gerade über die Wirkung des Ar seniks hatte Saint Alban sich mehrsach bei Power erkundigt. Air. Gallo war ein kräftiger Mann, er litt an der Gicht, aber im Uebrigen waren feine Gesundheit und seine Körperbeschaffen heit tadellos: er gehörte nicht zu den Personen, von denen man hätte glau ben können, das sie in wenigen Stun den sterben. Robert hatte als Gallo's Hausarzt keine Beforgniß für ihn gehabt und ge than. was für sein beionderes Uebel nothig war. ohne für seine allgemeine Gesundheit Befürchtungen zu hegen. Einem Arzt, der keinen Verdacht hegte, tonnte es wohl entgehen, daß bei dem Tode Arsenik eine Rolle gespielt hatte. Es war nur natürlich, daß dcr Aben teurer bei Ausführung scincr Pläne die Anwesenheit Roberts in Manchester fürchten mußte und ihn zu entfernen wünschte. Robert, als Mr. Gallas Hausarzt, hätte leicht argwöhnisch wer den können, Toctor Merritt dagegen kannte Air. Gallo sehr wenig und tonnte ohne Schwierigkeit getäuscht werden. Ter schlau angelegte Plan, welcher die Lausbahn des jungen Arztes vernichtete, war jetct vollkommen klar zu durchschauen. ..Welch' gewissenloser Schurke!" dachte Robert. Aber er hatte noch andere Fragen zu stellen. „Wie trafen Sie mit diesem Saint Alban zusammen?" sragte er. „Es war in Manchester, am weißen Montag," anlwortete der Zigeuner, „eine Bande dcr Unfrigen war zu ciiiem Wettrennen gekommen, um zu sehen, ob wir nicht bei dieser Gclcgcnhejt etwas erwischen könnten. Ich ging umher und sah »ach den Schaubuden. a!S ein voranehmer Herr vorbeiging und mich schars ansah. Tann flüsterte er mir leise zu: „Kosch Tobak." Das find Worte aus der Zigeunersprache, und andere folgten nach. Ich wußte so gleich, daß er einer von den Uni'rigen mar. Nun, wir kamen in- Geiprach, und ich fand, daß er zu unserm Stamm gehörte, und daß sein Vater dcr alte Horser war, welcher vor drei ßig lahren an den Pocken gestorben ist. Jetzt erinnerte ich mich des Herrn wie» dcr, denn es sand sich, daß wir als Kin der ?iit einander gespielt hatten," Die Erinnerungen schienen den Sträfling so auszuregen, daß er große Schwierigkeit hatte, sich des Gebrauchs seiner Nationalsprache zu enthalten. „Darauf," fuhr cr fort, „sprachen wir lange Zeit, ich erzählte ihm. wie schlecht es mir gehe, wie ich krank ge worden fei und »»! der Polizei Unglück habe. Er fchicn aber in glücklichen Umständen zu fein, gab mir auch etwa» Geld und versprach, mich wieder treffen." „Er hielt natürlich sein Versprechen?" fragte Robert. „Gewiß!" erwiderte Stanley. „Ich glaube nicht, daß cr damals in Bezug aus mich böse Pläne im Kopf hatte. Was er sür mich that, that er aus freiem Willen. Er wußte eine Stelle als Portier und sragte mich, ob ich die selbe übernehmen wolle. Ich war im Gefängniß gewesen und noch schwach von meiner Krankheit, deshalb griff ich zu. Ich kam nach Manchester, bald daraus lernte ich Beß kennen, heirathete sie, und dcn Rest wissen Sie." Robert zweifelte nicht daran, daß Stanleys Aussagen dcr Wahrbeit ent jprächen. Stanley schien der Meinung zu sein, daß Saint Alban, als er ihn unter seinem Schutz nahm, zunächst auS Mitleid und Gutinüthigkeit gehandelt habe. DaS mochte so sein. Robert wußte bereits, daß auch der Schlechteste gelegentlich eines guten Antriebes sähig ist. Bicllcichl hatte Saint Alban Mit leid sür seinen früheren Spielkameraden gesühlt und da er im Stande war. ihm init einigen Worte» zu Helsen, hatte er dies gethan. Dennoch war cS klar, daß er cS späterhin verstaube» hatte, de» Zigeuner sür sich nutzbar zu machen und sür seine Wohlthaten sich mit Zin sen bezahlt zu machen. „Wie kam es, daß Sic wiedcr in Schwicrigkcitcn geriethen?" fragte cr nach einer Weile. „Das kam von dem üppigen Lcbcn," crwidcrtc Stanlcy finster. „Er bezahlte nicht schlecht für unsere Dicnstc. aber ich wurde dadurch von der Arbeit ab gezogen. die allen Gefühle erwachtcn wieder, ich traf mit meinen früheren Genossen zusammen, verlor meine Stel lung wegen Vernachlässigung meiner Pflichten, und da ich wünschte, daß Beß wie eine seine Dame aussehen sollt?, siel ich der Polizei in die Hände und wurde hierher gesandt. Ich war cs nicht, der den Waldhüter erschossen hat, aber ich war mit dabei, und das war gcrmg. Als ich in's Gefängniß kam, versprach Eharley. daß er sür Beß sor ge» werde, und er hat sein Wort nicht gehalten." „Aber ich werde daS.meinige halten," erwiderte Robert. „Wenn Sit mir gegenüber thun, was Recht dann soll Ihre Frau nicht Mangel leiden." „Ich werde cS thun." sagte dcr Sträfling. „Beß hat einen Brief von ihm, und ich sagte ihr, sie solle idn sorgsällig ausbcwahrcn, dcnn es ist ein Bcweis. daß cr die Hand in der Sache gehabt hat. Aber Sie werde» eine» scierlichcn Eid leisten, daß ihr nichts geschehen soll, wenn sie das eingesteht? Sie war immer dagegen, aber ich zwang sie dazu; das arme Ding hätte Alles gethan, a»S Liebe zu mir." „Daraus habe ich mei» Wort gege ben. und Sie können mir glauben. Aber jetzt ist es spät, und ich muß ge hen. Wollen Sie morgen diese Ge schichte, die Sie mir erzählt haben, in Gegenwart des GesangnißdirectorS wiederholen?" .Des Gefängnißdirectors?" rief Stanlcy entsetzt. „Ja, ja. Sie müssen ihm Ihr? An gabe machen, das ist nothwendig." „Ich glaube nicht, daß ich mich dazu entschließen kZnnte," murmelte der Sträfling. Robert zuckte mit den Achseln. „Ich sche, ich habe mich in Ihnen geirrt," sagte er. „Nun. es ist gut, dann schweigen Sie. w:e bisher. Aber mit unserm Handel ist eS aus, erinnern Sie sich daran." Der Zigeuner drückt? dcn Brief, den er von seiner Frau erhalte» hatte, an die Brust und stöhnte. „Könnte den» nicht sie das Alles machen? Ich werde ihr eine Botschaft sende», welche sie veranlassen wird, die reine Wahrheit auszusagen." Robert schüttelte den Kops. „DaS genügt nicht," erwiderte cr fest. „Die Sache muß erst von Ihnen ausgehen: Ihre Frau kann Ihre An haben nachher unterstützen und ihre Be weise anbringen, aber Sie müssen zu erst sprechen." „Ich glaube nicht, daß ich dazu im Stande bin," sagte Stanley zag hast. „Es soll Ihnen nichts geschehen." sagte Robert. „Ich veriprcche Ihne», daß Sie keine Unannehmlichkeiten ha ben werden. Diesem Schurken sind Sie nichts schuldig, er Hai Sie ebenso betrogen, wie cr Andere bctrog. Aber Sie müssen ja oder nein sage», ich habe keine Zeit mehr, also überlegen Sie sich die Sache sorgfältig." Ter Gedanke an den Verrath an feinem unglücklichen Weibe brachte Stanley zum Entschluß. „Gut, cs soll morgen geschehen," sagte er, „Beß soll sich nicht zu Tode arbeiten oder verhungern! Sie werden Ihr Wort halten, nicht wahr? Lassen Sie mich Ihr Gesicht schcn. dort beim Licht ja. ich glaube, ich kann Ihnen trauen! Wenn incine Aussage Ihnen nützen tonn, so werde ich sie machen." Tie Stille und Ruhe der Nacht senkte sich bald nachher aus das düstere Gesängniß herab, doch keiner war so ruhelos in dieser Nacht, als der Ge sängnißwärter Robert Power, in dessen Traume sich die schönste» Zutunfls bilder Mischten, während der Sträfling No. 37,542 stöhnend den Brief seiner Frau an sich drückte. 30. Sir John Hunter. Herr Tuvivier und der Deteetiv Tem Brusel gelang ten ohne Ausentball oder Abenteuer von London nach Fallestone. nach Boulogne und nach Paris. Tort blie ben sie über Nacht, weil es zu spat war, um an demselben Tage nach Tours weiter zu reisen, und außerdem, weil die Reisenden Erholung nöthig hatten. Früh am Morgen waren sie jedoch wieder aus, und nach wenigen Stunden sührte sie der Zug dem fernen Tours zu. das in einem lachenden, prächtigen Zhale liegt, durch seine alte, gothische Kathedrale, seine grsßen Seiden»! Fabriken, seinen schönen Fluß und durch noch viele andere Dinge berühmt ist, die mit dieser Geschichte nichts zu thun haben. Das Erste, was Monsieur Tuvivier in Gesellschaft seiner Begleiter that, war, daß er sich nach dem RathhauS begab, um dort Erkundigungen einzu ziehen. Er brauchte sich nur der Stadt behörde vorzustellen, um mit großer Höflichkeit enipsangen zu werden. Bertin, der Bater dcr hübschen, jungen Fra». welche Duvivier als Madame Courtin gekannt und welche so rührend sür ihren Mann gebeten hatte, war vor Kurzem gestorben. Ties wußte Dnvivier. denn Bertin war ein Geschäftsfreund von Duvivier gewesen, und sein Tod war ihm nach Rouen ge meldet worden. Aus dem Rathhause wurde zunächst festgestellt, daß das Geschäft des ver storbenen Bertin jetzt den Namen Fer ron trug. Ein Herr Ferron hatte die ältere der beiden Töchter Bertin's ae heirathet, und da keine Söhne vorhan den waren, wurde er der Nachsolger im Geschäft. Letzteres wurde noch in dem selben Laden, gegenüber der Kathe drale betrieben, nur die Veränderung im Namen war eingetreten. Nach diesem Hause in der Nähe der Kathedrale lenkten daher die Fremden ihre Schritte. Hier mußten sie eine Antwort auf ihre Nachforschungen er hallen. Von ailßen hatten das Haus und daS Geschäft ein gedeidlicheS Aus sehen. Duvivier, ein erfahrener Ken ner in solchen Sachen, betrachtete es mit beifälligem Ernst, Alles sah sauber und solide aus, augenscheinlich wurde es von jungen Leuten geleitet, denen Fleiß und Energie nicht fehlten. ES war eine stille Tageszeit, und in dem Laden besanden sich keine Kunden. Madame Ferron saß am Zahltisch. Sie war eine hübsche Frau von fieben vdcr achtundzwanzig Jahren, mit einem niedlichen, freundlichen Gesicht und glühenden, dunklen Augen. DaS Erscheinen der drei Fremden versetzte sie in begreifliches Erstaunen. Der imposante Sir John, vom Kopf bis zu Füßen ei» echter, englischer Landedclmann, war keine alltägliche Erscheinung, ebensowenig Mr. Brusel mit seiner langen Nase und seinen bu schigen Augenbrauen. Duvivier je doch. mit seinem Schnurr- und Kinn bart und dem rothen Bande im Knopf loch war ohne Zweifel ein Franzose. Zuvorkommend fragte Madame Fer ron nach den Wünschen der Herren. Monsieur Duvivier. mit dem Hut? in der Hand, übernahm es, die Unter haltung ernst, aber höflich einzu leiten. „Wir sind in einer etwas delicaten Veranlassung hier, Madame." begann er, „es wäre vielleicht besser, wenn wir persönlich mit Ihrem Gemahl. Herrn Ferron sprechen tönnten." Ein Blick des Erstaunens folgte die-- sen Worten. Welche Täuschung für die Herren: Monsieur Ferron war unglücklicher weise abwesend und wurde vor Ablauf einiger Tage nicht zurückerwartet. Ma dame Ferron ersreute sich jedoch des vollen Vertrauens ihre» Gatien und fragte daher, od sie nicht seine Ztelli einnehmen könne. „Gewiß!" erwiderte der frühere Bür germeister mit seiner ernsten Höfiichleit, „nur um Ihnen vielleicht einen Schmerz zu ersparen, haben wir nach Monsieur Ferron gesragt." „Einen Schmerz?" rief Frau Fer ron erregt aus. „Mein Gott, sollte Alcide etwas zugestoßen sein? O nein, wie surchtsam bin ich doch, dann hatten Sie nicht nach meinem Manne ge fragt." „Erregen Sie sich nicht." fuhr Mon sieur Duvivier fort, „wir bringen leine schlimmen Nachrichten über Monsieur Ferron. Wir haben vielleicht über haupt keine schlimmen Neuigkeiten, ich sragte nur aus Rücksicht, und weil wir nicht wünschen, Sie unnothigerweije auszuregen." „Um was handelt es sich denn?" fragte die Französin, noch immer ver wundert, und blickte bald Tuvivier, bald den Baron und den Deteetiv an. „Wir haben wenige, einfache Fragen zu stellen," sagte der Bürgermeister. „Wollen Sie die Güte haben, Madame, sie zu beantworten? Sie betreffen Ihre Familie, vor Allem aber muß ich Ihnen sagen, daß wir nicht aus leerer Neu gierde getommen sind. Erlauben Sie mir. zuerst mich vorzustellen. Ich bin Monsieur Emilie Duvivier, Kausmann in Rouen. Mein Name ist Ihnen vielleicht nicht unbekannt, Ihr Herr Vater. Monsieur Bertin, der mich mit seiner Freundschaft und seinem Ver trauen beehrt, hat ihn vielleicht z>" weile» erwähnt." „Gewiß," erwiderte Madame Fer ron mit liebenswürdigem Lächeln. „Ihr Name ist mir sehr wohl bekannt, er steht auch in unseren Geschäfts büchern. Erst neulich hat Alcide davon gesprochen, die Beziehungen mit Ihrer werthen Firma, welche durch den Tod meines VaterS unterbrechen wurden wieder auszunehmen." Ter Bürgermeister verbeugte sich. „Ich werde stolz aus diese Ehre fein." sagte er. „Tiefe Herren." fuhr er fort, „sind Engländer, wie Sie ohne Zweifel bemerken. Sir John Hunter, aus den Kreisen der vornehmen Welt." sügte er vertraulich binzu, „und Mi ster Brusel, sein und mein Freund " Madame Ferro» verbeugte sich tief. Tic Erwähnung der hohe» Stellung des Barons haue Eindruck gemacht. „Womit kann ich Ihnen dienen?' fragte sie. „Wir sind von England herüber ge. kommen " suhr Monsieur Tuvivier sort. „um einige Fragen o» Sie zu richten: Sie können dorouS aus die Wichtigkeit schließen, welche wir den Antworten beilegen, die Sie uns ge ben tönnen." „Seien Sie überzeugt, daß ich mir Vergnügen thun werde, was ich kann." erwiderte Frau Ferron. welche ahnt«. daß ei» wichtiger Zweck die Fremden hicrhergeführt Hasen mußte. „Die Nachforschungen, welche wir mit Ihrer freundlichen Hilfe anstellen wollen, beziehen sich auf Ihre Frau Schwester, Viadame Courtin denn so heißt doch Ihre Schwester, nicht wahr?" „Madame Courtin? Allerdings!" erwiderte Frau Ferron verwundert. „Ist ist Madame Eourtin noch am Leben?" fragte Tuvivier zö gernd. „Am Leben?" rief Madame Ferron, „Madeleine am Lebe»? Gewiß!" Ganz mit dieser Frage beschäftigt, Halle die Franzosin den eigenthümli chen Eindruck nicht bemerkt, weichender Name Madeleine sowie ihre Antwort aus Duvivier und seine Begleiter her vorbrachte. Der Burgermeister war bleich gewor den. Sir John ging ruhelos bin und her und selbst Mr. Brusel zeigte einige Anzeichen von Erregung. „Sie wissen bestimmt, daß sie am Leben ist.... und gesund?" fuhr Du vivier fort. „Ja,." erwiderte Madame Ferron mit wachsendem Erstaunen, „aber wa rum sragen Sie danach?" „Entschuldigen Sie. wenn ich Ihnen eine andere Frage stelle, anstatt die Ih rige zu beantworten." sagte Duvivier. ..Ihre Frau Schwester, Viadame Eour tin, sagen Sie, ist am Leben und ge sund. Befindet sie sich gegenwärtig in Tours?" Madame Ferron blickte auf. „Nein, mein Herr, sie ist nicht in Tours, sie hat uns vor einiger Zeit verlassen," fügte die Dame zögernd hinzu, als ob es ihr widerstrebte, von Familienangelegenheiten mit Fremden zu sprechen, welche die Veranlassung zu ihren Fragen noch nicht genügend er klart hatten. „Wenn sie nicht in Tours ist, befin det sich Madame Eourti» dann noch in Frankreich?" fragte Tuvioier beharr lich. „Warum inlerefsiren Sie sich so seh» für Madeleine?" sagte Madame Fer ron. „Diese Herren, Ihre Freunde, kommen von England, wie Sie sagen, was haben Sie und dieselben mit mei ner Schwester zu thun?" „Ich bedauere sehr, daß ich mich sür den Augenblick nicht besser aufklären kann, Madame." sagte Duvivier, äu ßerst bewegt, „ich muß Ihre Nachsicht in Anspruch nehmen. Ich bin ein al ter Mann alt genug, um Ihr Vater zu sein, und ich bm Ihr Landsmann. Glauben Sie mir. daß meine Beweg gründe ehrlich sind; wir sind nicht Leute, welche sich aus Neugierde in die Angelegenheiten Anderer mischen." Der Ernst de- alten Franzosen ver fehlte feine Wirkung nicht. Madame Ferron S Verdacht schwand etwas, und sie milderte ihre lainpfbereitc Hal tung. „Ich kann nicht an Ihnen zweifeln," sagte sie. „als Freund meines VaterZ würden Sie nicht so grausam und un ehrenhaft sein, uns auszuspioniren. Ich will Ihre Frage beantworten. Madeleine ist gegenwärtig in Enz land —" , AH, in England! Haben Sie Nach richten von ihr?" rief Duvivier. „Gewiß: Madeleine war immer eine tüchtige Briesschreiderin." „Und wann erhielten Sie die letzte Nachricht von ihr?" „Erst gestern." erwiderte Madame Ferron mit vollkommener Ruhe. Der Baron, der Tetecliv und Tu vioier zeigten das höchste Erstaunen. .Gestern?" riesen sie aus. „Gewiß, gestern!" wiederholte Ma oame Ferron und starrte die Fremden erstaunt an. Sie hatte keine Ahnung von der Aufregung, welche diese unerwartete Antwort bei ihren Besuchern hervor rief. Wahrend der Reise von London nach Frankreich war die Geschichte jenes Courtin, d?n Duvivier kannte, eisrig besprechen worden. Als Brusel Nähe res über die militärischen Erlebnisse des Bürgermeisters crsuht, theilte er natür lich iotorl die Ueberzeugung, daß Eour tin nnd Saint Alban dieselbe Person seien. Er hatte einige Kenntniß über Zigeuner und Zigeunerleben, und als er die Abstammung Saint Alban s er fuhr, sprach er die seste Ueberzeugung aus. daß vourlin oder Saint Alban in Wirklichkeit mit den Zigeunern an der Loire verbündet gewesen und nach seiner Ergreifung nur durch seine un gewöhnliche Gewandtheit und List ent kommen war; Monsieur Duvivier hatte sich augenscheinlich täuschen lassen. Mister Brusel war zu der seste» Ueber zeugung gelangt, daß sie nach Befra gung der Madame Ferron aller Wahr scheinlichkeit noch dem Gchelinniß von Sandbank aus den Grund kommen würden, und daß Saint Alban s fran zösische Frau das Omer gewesen sei. AIS jctzt in ihrer Gegenwart Madame Ferron den Namen Madeleine als den ihrer Schwester genannt hatte, verwan delte sich die Vermuthung in Gewißheit, denn die Ermordete hieß Madeleine. Ihre Enttäuschung aber, als sie nun börten, daß noch am gestrigen Tage Nachricht von Madeleine eingetrossen sei, war kaum zu beschreiben. „Sie haben gestern von Madame Eonrtin Nachricht erhalten?" ries Du vivier, als er sich von seinem Erstau nen etwas erholt hatte. „Sie haben in der That gestern einen Brief von ihr erhalten?" „Nein, das habe ich nicht gesagt, ich sagte nur. daß ich über sie Nachricht er halten habe." „Bon wem erhielten Sie diese Mit telung?" srogte Duvivier gespannt. Madame Ferren zögerte. „S>e werden mich entschuldigen, mein Herl, ober ich halte mich nicht für berechtigt, dies» Frage zu beant worten." „Ich bitte, Madame, die Sache ist zu ernst, um Redensarten abzuwägen," sagte der alte Franzose ungestüm. nachdem er einen sprechenden Blick mit' seinen Begleitern gewechselt hatte. „Ich und meine Freunde hier haben Grund zu glauben, daß Sie in Bezug auf Ihre Frau Schwester grausam ge täuscht worden sind. Beantworten Sie diese Frage, ich bitte Sie ernstlich da rum! Wie lange ist es her, daß Sie von Madame Courtin selbst einen Brief erhalten haben?" Atadame Ferron blickte erschreckt auf. „Es ist —es ist viele Tage her. seit Madeleine mir selbst geschrieben hat." „Das wußte ich!" ries Duvivier. „Mein armes Kind, bereiten Sie sich auf eine ernste Mittheilung vor. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, sind Sie grausam getäuscht worden." „Getäuscht? Was ist Madeleine zu gestoßen? O. sagen Sie es mir. mein Herr, ich bitte Sie. lassen Sie mich nicht in solcher Spannung." „Ihre Schwester ist todt!" murmelte Duvivier heiser. „Todt? Ich kann es nicht glau ben!" „Sie ist ermordet worden." Madame Ferron legte die Hände auf die Brust und stöhnte. „Was sagen Sie. mein Herr? Es ist nicht möglich! Gewiß. Sie irren sich! Madeleine ist«»« Leben und wohl uns glücklich, ihr Mann, welcher jetzt bei Aleide ist. hat es mir gesagt." In diesem Augenblick trat Mister Brusel langsam und feierlich vor. „Ich habe etwas hier," sagte er. und zog aus seiner Brusttasche ein Pa pier, das er entfaltete, „was allen Zweifel lösen wird, Haben Sie Muth, Madame! Seien Sie stark! Sie werden vielleicht alle Ihre Kraft nöthig haben. Sehen Sie hier! Erkennen Sie darin Ihre Schwester?" Der Deteetiv hatte eine Photogra. phie der schönen, jungen Frau mit gebracht, welche in der Villa Rob Roy ermordet worden war. Diese Photo graphie war bald nach ihrem Tod an gefertigt worden und Mister Brusel hatte ein Bild erhalten, das er bestän dig bei sich trug. Es war ein vortreff lich gelungenes Bild der Ermordeten, wie sie aus ihrem Bett gesunden wor den war, mit losen Haaren und weit ausgerissenen Augen; schwarze Strei fen bezeichneten die Wunden aus der linken Seite des HalieS, düster erschien die Wand, von welcher die Gestalt und das Gesicht der Ermordeten sich lebhaft abheben. Madame Ferron starrte das Bild an. „Es ist Madeleine. meine Schwe ster!" schrie sie aus und fiel bewußtlos in Duvkvier'S Arme, der ihr rasch na her getreten war. 31. Al» Madame Ferron sich erholt hatte, brach sie in heftiges Weinen aus, dann aber ergriff sie plötzlich eine Wulh, »in Turst nach Rache. „Das Unzeheuer!" rief sie, „das grausame, abscheuliche Ungeheuer! O, meine arme Madeleine. meine arme, arme Schwester, Tu sollst gerächt wer den!" „Wir sind gekommen, um Ihnen da bei zu helfen, mein unglückliches Kind," sagte Tuvivier. „er soll der Gerechtig keit nicht entgehen." „Ach, und jetzt ist er mit Alcide zu sammen." sagte Madame Ferron mit einem Schauder, „ich zittere bei dem bloßen Gedanken." „Seien Sie unbesorgt um die Si cherheit Ihres Mannes! Jener Elende wird nicht! gegen ihn unternehmen, dazu hat er zum Gluck keinen Grund. Beruhigen Sie sich und leihen Sie uns Ihre Unterstützung! Es ist wichtig, daß wir Al!?s wissen, was vorgefallen ist." „Ich bin dereit, zu sprechen." sagte Madame Ferron. „Madeleine muß gerächt werden, daS ist Alle», was ich verlange!" „Von welchem Tage war der letzte Brief, den Sie von Ihrer Schwester erhielten, datirt?" fragte Duvivier. „Ich habe alle die Briefe von ihr oben," erwiderte Madame Ferron, „kommen Sie mit mir, Sie sollen sie sehen." Sie ließ den Laden unter dcr Obhut einer Dienerin und sührte ihre Besucher in einen kleinen Salon im ersten Stock, dessen Fenster aus die Straße gingen und einen prächtigen Anblick der-alten Kathedrale boten. Tann nahm sie aus einem Schrank ein Packet Briese. „Hier sind sie alle," sagte sie, „ich habe keine Geheimnisse mehr vor Ihnen, Sie und diese Herren müssen sie lesen." Die Herren setzten sich, und Duvi vier übernahm eS, die Briese der Er mordeten laut vorzulesen. Sie waren in zärtlichem Tone ge schrieben, wie das zwischen Schwestern natürlich ist, welche sich ihre geheimste» Gedamen. ihre Hoffnungen und Be jürchtuiigen mittheilen. Ter erste Brief war datirt vom Charing-Croß-Hotel in London, den 17. October. Er war kurz: „Ich bin wohlbehalten angekommen, meine liebste Marianne, und fester, als je in meinem Entschluß. Du kennst besser, als irgend Jemand, meinen Geisteszustand, seitdem Monsieur Ro quetle uns mitgetheilt hat. er habe Eharles in London gesehen. Monsieur Roquette kann sich nicht getäuscht ha ben, er kennt Eharles zu genau. Es ist schade, daß er weiter nichts hat er fahren können, als daß Charles den Namen angenommen hat. welchen er. wie Tu weißt, getrogen hat. ehe er sich als Franzose naturalisiren ließ. Ader alz Saint Alban werde ich ihn finden, eS ist mein Schicksal, ich fühle es, mit diesem Manne noch einmal zusammen zutreffen. der mich so grauiam verlassen hat. Tas ungeheure London erichrcckt mich, aber ich habe Muth. Tos we nige Englisch, das ich in früheren, glücklicheren Tagen gelernt hatte, um Charles zn gefallen, hat mir wunder voll geholfen. Bete für mich, theuerste Schwester! Du bist so glücklich mit Dei nem guten Alcide, und ich so elend!" „Sie wünschen vielleicht zu wissen, wer der hier erwähnte Monsieur Ro auette ist?" fragte Madame Ferron, die Thränen zurückdrängend. „Er ist ein Handelsreisender, der mit unS in geschäftlichen Beziehungen steht und mit diesem Ungeheuer, dem Manne meiner Schwester, wohl bekannt ist." Monsieur Duvivier suhr sort: „Der zweite Brief, gleichfalls aus London, ist vom 19. October datirt. Er lautet: „Endlich eine Nachricht, meine theuerste Marianne. O, ich hatte Recht, nicht aus Dich und Alcide zu hören. Du wünschtest, ich solle bei Euch zu Hause bleiben, und nicht mehr an ihn denken. Aber, wie konnte ich das? Wie war mir das möglich? Ich eine Frau und doch keine Frau! Er ist und bleibt mein Mann, so schlecht er auch gegen mich gehandelt hat. Würdest Du einwilligen, Dich aus solche Weise für immer von Alcide zu trennen? Nein, ich kenne Deine Natur besser. Tu würdest ihn auf der ganzen Welt suchen. Ich hatte nicht so weit zu suchen, ich bin selbst noch nicht mehr, als durch eine Straße von London gekommen. Wo glaubst Tu, daß ich seine Adresse fand? Nun. in einem große», dicken Buch in rothem Einband» auf dessen Deckel gedruckt steht: „Adreßbuch von London". Ich fand seinen Namen mit sehr tvcnig Mühe. und, theuerste Marianne, ich bin bis zu seinem HauS gegangen. Tenke Tir. er hat sein Wort gehalten! Als er mich verließ, schwur er. er werde sei» Glück machen und dann mich ab holen. Ach, er kam nicht zurück, aber er hat sei» Glück gemacht. Er wohnt in einem großen Hause, mit. einem mächtigen Portier an der Thüre, wel cher zweimal so groß ist, als Alcide. Ich kann Tir nicht sagen, wie mein Herz klopfte und zitterte, ich wagte kaum zu spreche», denn ich erwartete jeden Augenblick die Stimme Charles' zu hören und sein Gesicht zu erblicken. Er ist von London abwesend und bringt den Herbst in einem Seebadeort, Na mens Sandbank, zzi, das war Alles, was ich von dem großen Manne erfah ren konnte, denn natürlich wollte ich nicht sagen, wer ich sei, aus Furcht. eS könne CharlcS mißsallen. Ich brauche Dir nicht zu sagen, daß ich nach Sand bank gehe, aber ich sürchte mich ein we nig vor meinem vornehmen Herrn! Alles, was ihn umgibt, ist so großar tig. wie kann ich hoffen, daß er mit mir armem Wesen zusrieden sein wird? Ich kenne ihn zu gut, als daß ich ihn inmitten seiner vornehmen Freunde überraschen möchte. Deshalb habe ich für jetzt den Namen unserer lieben, verstorbenen Mutter angenommen und werbt mich ihm vorsichtig nahern. Ich kann noch nicht sagen, wohin Du-Tn nen nächsten Brief adressiren sollst, aber, wenn Du schreibst, so schreibe an Mademoiselle Madeleine Favre. Du wirst sehr bald von mir weitere Nach richt erhalten." Der Brief schloß mit Ausdrücken schwesterlicher Zärtlichkeit. . Ungeduldig und mit tiefem Interesse griff Duvivier zum nächsten und letzten Brief. Mit gleicher Spannung er warteten der Baron und Brusel die Erklärung des Geheimnisses. Der dritte Brief war von der Villa Rob Roy ge schrieben und datirte vom 22. Oe toder. (Fortsetzung folgt.) Unter der Ueberschrist: »Ter Apfel de» Paris" erzählt der »Bär" folgende kleine Hosgeschichte. Zu Lebzeiten des seligen KaiierS Wil helm sand einst eine Theater-Auffüh rung feiner Urenlel in Gemeinschaft mit gleichaltrigen Kindern des Hoftrer-- fes statt. Tie Bühne war klein, aber allerliebst, ein passender Schauplatz für die Leistungen der reizenden kleinen Schauspieler-Gesellschaft. Die Herr schaften. sowie andere Väter und Müt ter, Onkel, Tanten und Geschwister der Tarsteller hauen Ursache, Gutes zu er warten, denn die Mtnialur-Göiiinnen Juno. BeuuS und Minerva waren von der Wichiizkelt ihrer Ausgaben ganz durchdrungen, und der kindliche Paris, dargestellt von dem Prinzen Eitel- Frikdrich. zeigte eine so großartige Ruhe, daß Niemand zweifeln durste, er sei der rechte „Mann", um mit Würde der .Schönsten" den Apsel der EriS zu reichen. Tie Auffuhrung begann und gespannt lauschten alle Zuhörcr, als der entscheidende Augenblick herankam, wo dcr moderne Paris den verhangniß volicn Apiil der Schönsten überreiche» follle. Welch ein stürmischer Beisall ober wurde unserem kleinen, resoluten Weiberseinde dargebracht, als er nach einigem Besinnen ohne Rücksicht auf die Heiligleit der uralten Mythe die Frucht veripeiste, statt durch Ueberrci chung derselben an die rosenbetränzte BcnuS unter den Himmlischen die nöthige Zwietracht zu säen ! Hätte im grauen Allerthum dcr schöne Sohn desPrianiiiS und der Hetuba gehandelt wie der Hohenzollernsprosse, so wäre den Göttinnen manches neidische Herz klopfen, mancher grausame Rachcac» erspart geblieben! AuszüglicherVerqleich. Bezirksamtmann (auf Visitation): „..Tas ist wahr, liebe Leute, plagen müßt Ihr Euch schon; aber wir Be amte habcn'S anch nicht leicht wir haben Kopfarbeit: die ist noch schwerer davon versteht Ihr nichts!" Bauer: „Ja. 's sell lenn' i' scho' auch, daß dees hart is! D rum schuiiein auch unsere Ochs n allemal o' Köpf' wenn >' 'hna 'S Joch aufleg'l" Unerwartete Wendung. Er (am Bahnhof zu ihr): „Im ver gangenen Sommer hast Tu fast jede Woche aus (iarlsdad dringende Briese um Geld an mich gelichtet; nicht wahr, liebe Emmy. diesmal wirst Tu " Sie (cilljallcnd): „Tclegraphi. Ren!" Ein» theuere Eigarre» «Man schreibt aus Bayreuth: Eine, der beiden Wiener Meistersinger, de» zur Zeit als Stütze dcS Wagnerthcaterj hier seines Amtes waltet, wan' rte un längst von Angermanns Gasthaus für baß in fein Heim. ES war fast 3 Uh» Morgens, die Gassen einsam und dun kel. Da überkam unseren in der stillen Nacht eiiihcrschreitenden Sanger ein menschlich Sehnen nach einer Cigarre, bei dcren Dust und sanftem Glühen er den langen Heimweg sich abkürzen wollte. Ein Blick in die sonst wohlge füllte Cigarrentasche, sie war heute aus nahmsweise leer. Weit und breit aber keine Seele, die seinßühren theilenun» besriedigen tonnte. Mit einem Mal klärten sich des Sängers Züge. Einig« Schritte noch und er stand vor der Thür eines Tabakkrämers, freilich vor emei verschlossenen Thür. Die Sehnsucht nach einem süßen Glimmstengel kennt jedoch keine Hin dernisse, und so beschloß alsbald der Künstler, den Hüter der dunklen Pforte, die zu dem Eigarrenparadiefe führte, zu wecken. Unglückseliger Weise erfreut« sich der Pförtner eines allzugefundcn Schlafes. Wiederholte Schläge an di« Ladcnthüre vermochten den Krämer so wenig aus seinen holden Träumen zu wecken, wie des Sängers freundlich« Einladung, die er mit seines Basses Grundgcwalt an den müden Schläfer richtete. Der Bayreuther unmusikali sche Sohn wollte nicht erwachen. „Kommst Du nicht willig, so brauche ich Gewalt," recitirle jetzt der „Sänger- Erlkönig" und schoß gerade vor dem Schlüsselloch des Ladens einen Revol ver ab. den er stets zu seinem persön lichen Schutz mit sich trug. Dieser Weckruf verfehlte nicht sein« Wirkung, oder richtiger gesagt, er ver fehlte sie wieder. Denn statt des Bay reuther Krämers tauchte die Bayreuther Behörde auf in Gestalt eines uni die Nachtruhe dcr Stadt stets besorgten DienerS der öffentlichen Ordnung, den dcr Schuß aus seiner Morgcnrühe ge rissen. Die Worte variirend, „Es soll der König mit dem Sänger gehen", ging unser ciiatenreicher Sänger zu nächst in Gesellichast des Polizisten wei ter. um an zustündiger Stelle zu er fahren, daß er unter Berücksichtigung der außerordentlichen MilderungSum stände, welche sür die Mitglieder des Bayreuthcr MufentempelS ihre Geltung haben, für seine nächtliche Ruhestörung eine Buße von 20 Mark zu erlegen habe. Der Sänger zahlte auch den Preis sür die theuerste Eigarre seines Lebens, die er not» Kons gar nicht ge raucht hat. «ine Schönheit aus dem Dim«» Schmöker. .Die Jungfrau war von wahrhaft berückender Schönheit. Sternen gleich strahlte ihr Augenpaar, überschatte« von ebenholzschwarzem Rabenhaar. Ihre Lippen waren wie reife Kirschen und ihr Köpfchen wiegte sich graziös auj ihrem schlanken Schwanenhälse". Ein bekannter soc!ali> stischer Wanderredner hat die Gewöhn, heit, in seine Vorträge stets eine An zahl Citate aus den Reden und Bro- schüren seiner berühmten Genossen ohne ! Quellenangabe einzustechten. Im vori gen Sommer kam er in die Schweiz und hielt auch in St. Gallen einen längeren ! Vortrag. Ein älterer Bürger der Stadt. welcher ihn bereits wiederbolt reden ge hört und seinc Eigenthümlichkeit kannte, nahm, wie wir den „Gl. Nachr." nehmen, seinen Platz ganz nahe an de« Kednerbühne ein. Es dauerte nichtz lange, bis der Redner eins seiner ge-, liebten Citate von, Stapel ließ. „DaS ist von Cabet", schaltete der alte Herr, mit lauter Stimme ein. Dcr Sprecher stutzte, suhr aber in seiner Rede .Das ist von Lassalle", erklärte der Galler, als bald darauf der zweite fremde Gedanke folgte. Der Redner biß sich auf die Zähne, setzte aber diq Rede sort. „DaS ist von mußte cr bei einem dritten Ausspruch hören. Jetzt wurde er kreidebleich und warf dem lästige» Zuhörer wüthende Blicke zu, spann aber den Faden seiner Rede sort. „Das ist von Liebknecht", vernahm bald darauf das Publikum, Dies war nun dem Redner doch zu viel, er bückte sich nach dem alten Herrn hinunter und sagte in heftigem Tone: „Sie Unverschämter, wenn Sie jetzt das Maul nicht halten, fo werfe ich Sie aus dem Saale hinaus!" „Das ist jetzt von Ihnen", kam darauf ruhig aus dem Munde des Alten die Erklärung. Hin au s geg eben. „Mein Herr, Sie scheinen nicht zu wissen, was sich gehört! Ich habe zu HauseKniggeS „Uingang mit Menschen", ich will Ihnen das Buch aus acht Tage leihen!" „>i-ehr gütig! Können Sie es denn so lange entbehren?" Aus einem Theaterbe richte. In dem blondgelockten Haar sah die Kuiisttcrin geradezu Perücken» aus. In China lebe» gegen wärtig 1022 Bürger dcr Ber. Staaten davon 40V in Shanghai, 186 in Tsin und 75 in Canion. 3