Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 02, 1892, Page 3, Image 3

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    Ei« verbreche».
(S. Fortsetzung.)
„Ist es erlaubt, zu fragen," sagte
Robert Power, „wie jetzt die Sachen
in Bezug auf Fräulein Duvivier ste
hen?"
„So viel ich sehe, ist alles noch beim
Alten," erwiderte oer Ches, „Sie wissen
ohne Zweifel, daß die gestrige Verhand
lung eine reine Formsache war. Die
Anklage ist aus eine Woche vertagt wor
den, und ohne Zweifel ist in diesem
Augenblick die Verhastete in das KreiS
gefängniß abgeführt worden. Alles das
haben Sie gewiß aus den Zeitungen
erfahren?"
„Ja, ich habe die Verhandlung gele
sen," sagte Rodert, „ich dachte jedoch,
Sie wären vielleicht im Besitz genauerer
Ziachrichten."
„Ich habefeiiun osiciellen Bericht,"
erwiderte Mr. Norfolk zögernd, mit
einem Blick auf Monsieur Duvivier,
„aber ich muß sagen, daß er nicht sehr
ermuthigender Natur ist. Die Anzeichen
geaen das junge Mädchen scheinen ziem
lH stark zu sein."
Zum Glück für den Franzose» ver
stand er kein Wort von dem Gespräch,
das it, englischer Sprache geführt
wurde; die entmuthigende Nachricht
machte daher keine» Eindruck auf ihn.
Als Mr. Norfolk dies bemerkte, fuhr er
ungezwungen fort:
„Erstens dieser unglückliche Shawl —
er gehörte ihr, daran ist kein Zweiscl,
Lady Hunter hat ihn erkannt, und jene
Frau Frau —"
„Frau Gregory," ergänzte der junge
Sergeant.
„Richtig, Frau Gregory, hat densel
ben als jenen Shawl erkannt, den sie
an jenem Abend sab. Und was noch
merkwürdiger ist. sie ist bereit zu be
schwören, daß Fräulein Duvivier in ih
rer Gestalt und ihrer ganzen Erscheinung
der Frau gleiche, welche am Abend vor
dem Mord in ihr Haus kam."
„Das ist in der That seltsam!" sagte
Robert Power gedankenvoll.
„Ja, das ist es," fuhr Mr. Norfolk
fort. „Das einzig Günstige dabei ist,
daß Frau Gregory nicht bestimmt über
zeugt ist, es ist nur ihre Meinung."
„Und niemals in ihrem Leben hat sie
sich in einem tolleren Irrthum befun
den, die alte Närrin," fagte Mr. Bru
sel, welcher im Eifer vergaß, daß er sich
in Gegenwart seines Chefs befand.
Aber der Letztere lächelte nur gut
müthig.
„Bei all' den Gründen und Gegen
gründen," sagte er, „welche ich während
der letzten vierunzwanzig Stunden an
gehört habe, weiß ich kaum, wie man
die Sache anfassen soll. Ich habe reif
lich überlegt und bin endlich zu einigen
Schlüssen darüber gekommen, was zu
nächst geschehen muß."
Mr. Norfolk wollte seine Meinung
aussprechen, blickte aber zuvor nach fei
ner Uhr.
„Meine Zeit ist kurz," sagteer, „und
ich hundert andere Dinge zu
beachten. Aber diese Sache muß sorg
fältig behandelt werden und dazu wün
sche ich mir Ihren Beistand zu sichern.
Sie Doktor, sind der Erste gewesen, drr
in der Sache gehandelt hat, und wenn
ich mich nicht irre, glaube ich, daß die
ganze Sache Sie persönlich interef
sirt."
Detektiv Brusel blickte Robert Power
an, als ob er sagen wollte:
„Sehen Sie, war es nicht klug von
mir, zum Chef zu gehen? Ist er nicht
der richtige Mann für uns?"
Monsier Duvivier saß inzwischen un
beweglich auf seinem Stuhl, aufmerk
sam und geduldig.
Er »erstand nichts von Allem, was
gesprochen widrde, aber Mr. Norfolks
ernstes und intelligentes Gesicht flößte
ihm Vertrauen ein und er war über
zeugt.daß die Angelegenheit feiner Nichte
in guten Händen fei.
23.
„Eine Vermuthung," sagte Mr.
Norsolk. seinen Schnurrbart streichend,
ist keine besonders gute Grundlage,
aber mir müssen Uns mit derselben be
gnügen. Nehmen mir also an, dieser
Mr. Saint Alban sei der Mann, der
Madeleine Faure ermordet hat,
Brusel behauptet die», und Sie, Doktor,
glaube ich, sind derselben Meinung.
Nehmen wir also an,er sei unser Mann.
Er kann unser Gespräch hier nicht hören
und c? wird also seine Gefühle nicht
verletzen. Nun kommt die natürliche
Frage: Welchen Grund hatte er zu dem
Verbrechen? Wer war diese Madelein'
Faure?"
Als Mr. Norfolk schwieg, machte de»
Detektiv eine Bemerkung.
„Ich habe einige Nachforschungen in
Paris anstellen lassen, Sir," sagte er,
„aber sie ergaben nichts. Der Name
Fkure war wahrscheinlich ein angenom
mener. oder vielleicht war die Ermordete
gar nicht aus Paris, obgleich sie dies
behauptete. Soweit es sich feststellen
ließ, vermißt man dort keine Person
dieses Namens."
„Sie sehen also," sagte Mr. Nor
folk, „wir sind noch nicht aus den
Grund »er Sache gekommen. Bis
jetzt können wir noch nicht die geringste
Beziehung zwischen dem Manne, den
wir für den Mörder hallen, und sei
nem Opfer nachweisen. Zum Glück
für das junge Mädchen, welches jetzt
des Verbrechen» angeklagt wird, haben
wir Monsieur Duvivier hier, welcher
uns wahrscheinlich etwa? Aufklärung
geben kann."
Er wandte sich in französischer
Sprache zu Monsieur Duvivier.
„Wissen Sie. ob Ihre Nichte. Made
moiselle Duvivier irgend einmal eine
Dame. NamenS Madeleine Faur»
kannte?"
Der alte Herr schüttelte den Kopf.
„In Frankreich nicht, dessen kann ich
Sie versichern. Meine Nichte wurde
Ul einer Pension iu Roucn erzogen und>
als sie dieselbe verließ, lebt sie in mei
nem Hause, bis sie mit meiner Erlaub
niß nach England ging, mit Sir Hun
ter und seiner Frau. In Rouen kenne
ich keine Madeleine Faure, darin kann
ich mich nicht irren, ich kenne dort Je
dermann."
„Aber in der Pension? Oder viel
leicht unter ihren SchulfreundinNn.
Der Frgnzosc lächelte.
„Man si?ht," sagte er, „daß Sie mit
den Gebräuchen meines Heimathlandes
nicht sehr belannt sind. Dort kennt
man Jedermann, selbst die PenfionS
fräuleiu. Charlolte hatte verschiedene
englische Schutfreundinnen, die meisten
jungen Damen aber waren aus dem
wohlhabenden Bürgerstand der Stadt
und einige waren aus anderen Gegen
den Frankreichs gekommen. Aber
meine Nichtehirt mir alle die kleinen Er
lebnisse des Pensionslebens erzählt und
ich weiß bestimmt, daß sie niemals den
Namen Madeleine Faure genann»
hat."
„Kann sie eine solche Person in Paris
kennen gelernt haben?"
„Meine Nichte hat wohl zu verschiede
nen Zeiten die Hauptstadt besucht,"
erwiderte Monsieur Duvivier, „aber
immer in meiner Begleitung. Wir
kennen keine Madeleine Faure, alle
Bekannten von Charlotte sind auch mir
bekannt, selbst in ihrcn zahlreichen
Briefen aus England erinnere ich mich
nicht, diesen Namen je gelesen zu ba
den."
Mr. Norfolk sah, daß durch weitere
Forschungen in dieser Richtung nichts
zu gewinnen war.
„Ich hielt es für gut, wenigstens
danach zu fragen, da Sie gerade hier
sind, Monsieur. Nach allem aber ist
dieser Punkt unwichtig. Wir gingen
von der Voraussetzung aus, daß Mr.
Saint Alban der Verbrecher s«. und
wenn dies der Fall ist, so ist
aus nicht nothwendig, daß Fräulein
Duvivier mit der Ermordeten bekannt
gewesen, weder unter dem Namen
Faure, noch unter irgend einem ande
ren. Miß Duvivier sagt aus, daß sie
ihr ganz unbekannt sei. Ihre Ant
worten stimmen damit überein, und wir
wollen sie also annehmen. Aber wer
ist Madeleine Faure? Bevor wir dies
nicht wissen, wird das Dunkel sich nicht
lichten."
.Dafür habe ich einen Plan," be
merkte Mr. Brusel.
„Nun, sprechen Sie," erwiderte der
Chef.
„Man muß Mr. Saint Alban über
wachen. Man sagt, er sei in Paris,
ich möchte wissen, warum er dahin ge
gangen ist."
„Mr. Saint Albanist nicht in Pa
ris," erwiderte Mr. Norfolk, „er hat
England nicht verlassen und defindet
sich in diesem Augenblick in London."
„In London?" rief Robert Power
erstaunt.
„Wir haben doch gestern sein Haus
gesehen, und es war dort alles geschlos
sen," bemerkte der Detectiv.
Mr. Norfolk lächelte.
„Es scheint, daß ich besser unterrich
tet bin. Mr. SaiM Albanist bestimmt
in London, meine Nachrichten darüber
sind vollkommen sicher. Aber ohne
Zweifel wünscht er dem Zusammen
treffen mit seinen zahlreichen Freunden
auszuweichen. Sein Grund dafür ist
nicht schwer zu errathen nach dem, was
ihm vor Kurzem begegnet ist."
„Gut, aber es überrascht mich wirk
lich." sagte der Detectiv.
„Das braucht Sie nicht davon abzu
halten, diesen Herrn zu beobachten,"
fuhr der Chef fort. „Wenn Sie forg
fältig zu Werke gehen, können wir da
durch vielleicht etwas erfahren."
„Wenn wt. Alban der Schuldige ist,
so wird er wahrscheinlich irgend etwas
unternehmen, was ihn verrathen wird.
Er muß überwacht werden. Ich weiß
zufällig feinen jetzigen Aufenthalt.
Frau Saint Albanist in Manchester
und er in London, er wohnt ein Hause
seines Clubs „Die Pilger". Seine
Geschäfte halten ihn wahrscheinlich hier
zurück. Man muß also zwei gewandte
Leute ausstellen, und ich glaube, ich
werde im Stande sein, einen meiner
eigenen Leute als Diener im Club
anzubringen. Thun diese ihre Schul
digkeit. so werden wir bald über ihn
vollständig aufgeklärt sein. Aber nun
diese Frau Stanley?"
„Das ist nicht schwer," unterbrach
ihn Mr. Brusel, „wir können einige
Leute in dem Hause selbst unterbrin
gen; ich habe die Zimmer gemiethet,
und wenn wir wollen, können Sie
heute bezogen werden. Man darf sie
nicht aus den Augen verlieren."
„Das wäre also erledigt. Dann
haben wir noch ihren Mann, den
Sträfling. Er kann sich nützlich erwei
sen, er muß im Stande sein, uns et
was über Saint Alban mitzutheilen.
Wenn wir nur zu ihm gelangen uud
ihn zum Sprechen bringen können;
keine noch so unbedeutende Spur dar'
vernachlässigt werden."
„Wenn ich mit ihm in Berührung
kommen könnte," rief Robert Power,
„so würde ich gern den Versuch machen,
diesem Menschen die Wahrheit abzurin
gen. Er iuteressirt mich sehr."
„Sie. Doctor?" sagte Mr. Norfolk,
„aber das ist ja unmöglich!"
„Warum?" fragte Rodert. „Stanley
befindet sich >n Darlmoor im Gefäng
niß. Dort sind Gefängnißwärter und
da ich als Polizist gedient hckbe, könnte
ich für einen solchen Posten geeignet
erscheinen. Bin ich einmal dort, so
habe ich reichlich Gelegenheit, ihn zu
sehen und mit ihm zu spreche«."
„A?er er.kennt Sie. nicht wahr?"
„Ja. Doch um so besser, das ist
ein Grund mehr, daß ich den Versuch
machen sollte."
Der Chef überlegte einen Augen
blick.
„Gut, gut, die Sache kann gemacht
werden," fagte er; „ich werde Ihnen
eine Stelle in Dartmoor verschaffen.
Der D rector des Gefängnisses wird
mein Verlangen nicht abweisen, wmn
ihm die Gründe auseinandergesetzt
werden. Sie haben dann die beste Ge
legenheit, zu handeln, so weit es die
Vorschriften des Gefängnisses zulassen.
Ich werde noch heute an den Director
schreiben."
„In nächster Zeit werde ich in Sand
bank als Zeuge nöthig seiu," sagte
Robert, „aber sobald Fräulein Tuvi
vier entweder oder »cm
Geschworenengericht überwiesen wird,
je nachdem sich die Sache gestaltet, bin
ich frei bis zur Eröffuung des Geschwo
renengerichts. Tie Zwischenzeit kann
ich in Dartmoor nützlich verwenden."
.Gut, mag es so sein, da Sie cs
selbst wünschen," erwiderte Mr. Nor
folk. „Wir können dadurch etwas ge
winnen, obgleich ich Sie nicht um Ihre
Aufgabe beneide. Dartmoor ist ein
trauriger Aufenthalt."
„Darauf wurde ich nicht achten,
wenn ich dadurch die Beziehungen
Saint Albans zu diesem Manne an s
Licht bringen könnte. Ich werde nicht
ruhen, bis es bewiesen ist, daß ich
Recht hatte, diesen Menschen des Mor
des in der Villa Rob Roy zu beschul
digen."
„Und ich kann nur wiederholen."
erwiderte der Erbiirgermcistcr, „daß
mein gan;cs Vermögen zur Verfügung
der Gerechtigkeit steht, kein Opfer für
mich zu groß ist."
„Fräulein Duvivier hat bcreils ei
ne» mächtige» Freund in Sir John
Hunter. cr kämpft aus aller Kraft sür
sie, uud er versteht zu kämpfen, wenn
er will. 'Aber Sie, Doctor, vergessen
Sie nicht. Jack zu besuche», bevor Sie
die Stadt verlassen, sonst macht cr mir
Vorwürfe. Was Dartmoor betrifft,
fo werden Sie von inir hör?n, fobald
die nöthigen Vorbereitungen getroffen
sind."
Nach einem herzlichen Abschied stiegen
die Drei die Treppe hinab.
2!.
Einige Stunden nach seiner Unter
redung mit Mr. Norsolk kehrte Ser
geant Power nach Sandbank zurück.
Er hatte nicht die Absicht gehabt,
Londoir so bald wieder zu verlassen,
aber Herr Duvivier hatte ihn um seine
Begleitung gebeten.
Letzterer hatte natürlich den dringen
den Wunsch, sogleich mit seiner Nichte,
sowie mit ihren treuen Freunden,
dem Baron Hunter und dessen Frau,
zu spreche».
Ter Franzose hatte England zuvor
nie gesehen, war der englischen Sprache
ganz unkundig »nd daher hilflos. Auf
fein? Bitte entschloß sich Power, ihm
als Vermittler zu dienen und ihm in
seinem Kummer beizustehen.
Sosort nach ihrer Ankunft suchten
sie Sir John Hunter im Marinehotel
auf.
Er empfing seinen alten Freund aus
das Herzlichste und bewillkommnete
auch vcn jungen Sergeanten, als er
von Duvivier hörte, welche Dienste ihm
dieser leistete.
„Mein lieber Freund," sagte er zu
dem Exbürgermeister, „glauben Sie.
daß ich sür Charlotte akles-gethan habe,
was ich konnte. Mr. Tremayne. ein
ausgezeichneter Advokat, ist sür die
Vertheidigung gewonnen, ich habe alle
Thatsachen zu Gunsten der Vertheidi
gung gesammelt, die ich erfahren
tonnte, aber Jedermann scheint gegen
uns zu sein."
„Gegen uns?" erwiderte Duvivier.
„Wie kann das sein? Da Sie doch
ebenso gut als ich wissen, daß Char
lotte unschuldig ist? Soll ich meinen
Ohren trauen? Gibt es hier denn keine
Gerechtigkeit?"
„Gewiß." erwiderte Sir John,
„aber es gibt auch Nichtswürdigkeit und
Thatsachen gelten als Beweis. Wir
müssen das Beste hoffen, aber, wenn
nicht etwas Ueberzeugendes zn ihren
Gunsten entdeckt wird, so wird das
arme Mädchen sicherlich vor Gericht ge
stellt werden."
„Ach, welch' abscheuliches Land!"
rief Mousieur Duvivier in Verzweif
lung über die traurigen Nachrichten des
Barons. „Warum habe ich Charlotte
erlaubt, hierher zu gehen, wo man
Schuld und Unschuld nicht zu unter
scheiden versteht?"
„Nun, nun, seien Sie vernünftig,"
sagte Sir John, „wir sind nicht so
schlimm! Dasselbe hätte ebenso gut
auch in Frankreich vorkommen können,
und dort wäre Charlottcs Lage noch
viel schlimmer, wie Sie wissen. Sie
würde hin und hergezogen, verhört und
gequält und, Gott weiß wie lange, im
Gefängniß gehalten werden."
Monsieur Duvivier, welcher, die in
in seinem Vaterlande übliche Methode
bei Untersuchung von Verbrechern
wohl kannte, senkte den Kopf und
fchwitg.
„Hier wird im Gegentheil,' fuhr
Sir John fort, »jeder Umstand zu
ihren Gunsten zur Geltung gebracht
werden. Es wird nicht von ihr ver
langt. ihre Unschuld zu beweise», son
dern die Anklage muß ihre Schuld be
weisen, das ist ein Unterschied."
„Ich hoffe, man wird mir wenigstens
erlauben, meine Nichte zu sehen," sagte
der Onkel.
„Gewiß! Dafür habe ich bereits ge
sorgt. Sie werden Charlotte sehen,
ich habe mit der Behörde darüber ge
sprochen »nd es wird keine Schwierig
leit machen."
.Wann kann ich sie sehen?"
„Noch heute, wenn Sie wollen. Aber
es ist schon etwas spät, ich fürchte, wir
kommen nicht zur rechten Zeit nach dem
Gefängniß. Es ist besser, wir warten
bis morgen!"
.Sie haben sie schon gesprochen?"
„Ja, mehrmals, auch meine Frau ist
dei ihr gewesen."
„Wie trügt meine arme Charlotte
ihr schreckliches Schicksal?" sragte Du
vivier.
„Seit unseren Besuchen ist sie wun
derbar gesaßt. Das arme Kind
furchtbar erschreckt durch jene Leute in
Dover."
»Die Schurken!" knurrte Duvivier.
,warum war ich nicht da, um sie m»»
serzuschlagen?"
..Aber jcht ist sie viel standhafter,"
fuhr Sir John fort, „das Mitgefühl
meiner Frau hat eine gute Wirkung
auf sie gemacht. Sie weiß, daß sie von
ihren Freunden nicht verlassen ist, und
das tröstet sie."
„Ach, das ist sehr gütig von Ihnen!"
sagte der alte Herr. „Mein schmerz
ließ mich dm Tank vergessen, den ich
Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin
schulde."
Der Baron zuckte mit seincn breiten
Schaltern. ES war ihm unbehaglich,
wen» man ihm dankte oder ihn an eine
gute That erinnerte.
Robert Powsr, oer schweigend im
Hintergrund geblieben war, hatte den
dringenden Wunsch, einige Fragen zu
stellen, und jetzt ergriff er die Gelegen
heit dazu.
„Die Anzeichen müssen sehr stark ge
gen Fräulein Duvivier sprechen," sagte
er. „wenn man ihren Fall so zaghaft
ansieht."
„So ist es in der That," erwiderte
Sir John, „man hat etwas gesunden,
was, wie der Advokat sagt, verhängniß
voll sein kann."
„Und was ist das?" fragte Robert
gespannt.
„Ich verließ mich auf die Thatsache,
daß Fräulein Tuvivier am Abend des
24. Oclobers das Hotel nicht verlassen
konnte, ohne von irgend Jemand gese
hen zu werden, jetzt hat sich aber her
ausgestellt, daß dies dennoch möglich
war."
„Wirklich? Und auf welche Weife?"
„Nun. eine der Thüren auf der Rück
seite des Hotels bleibt sür den Gebrauch
der Dienerschaft immer offen, und dort
ist kein Portier. Dahcr konnte jede
Person, die im Hotel wohnte und die
Gelegenheit kannte, die Treppe hinab
gehen und in einem günstigen Augen
blick das Haus verlassen, ohne oemerkt
zu werden."
„Aber wird diese Thüre bei Nacht
nicht geschloffen?" fragte Power, „das
Hinausgelangen ist ja noch nicht Alles,
es handelt sich auch darum, wieder
hereinzukommen, und wie Sie wissen,
muß der Mord zu später Stunde be
gangen worden sein."
„Ja, das weiß ich. Gewöhnlich
wurde die Thüre geschlossen, aber jetzt
hat man entdeckt, daß der Schlüssel
verschwunden war."
„Wirtlich? Hat man ihn wiederge
funden?"
„Ja. man hat ihn wiedergefunden,"
fagie Sir John mit bedenklichem Ge
sicht, „man hat ihn in einer Ecke von
Charlottcs Zimmer gefunden, in der
Nähe des Kamins."
Sergeant Power fuhr entrüstet ans
und rief: -
„Welche Niederträchtigkeit!"
„Das Alles," fuhr der Baron fori,
„gibt der Sache ei» sehr widriges Aus
sehen. Da ist dieser verwünschte Shawl
und dieses höllische alte Weib, welches
behauptet, daß es sich nicht irren könne.
Aus mein Wort, ich gerathe außer mir,
wenn ich daran denke! Die Einzige,
pelche Fräulein Duviviers Unschuld
klar beweisen könnte, ist meine kleine
Tochter, doch ein Kind kann keine be
weiskräftige Aussage machen."
„Aber Eins kann die Anklage nicht
.'rklaren," sagte Robert, „nämlich den
Beweggrund zu dem Verbrechen. Ueber
die Ermordete ist auch noch gar nicht»
bekannt, man weiß nicht, wer sie sein
mag."
„Unglücklicherweise ist ein Beweg
gründ nicht nöthig," erwiderte der
Baron, „es ist nicht erforderlich, daß
die Anklage die Veranlassung für das
Verbrechen nachweist, sie hat dem Tha
ler nur das Verbrechen zu beweisen.
Wenn das alle Klatschweib, die Frau
Gregory, darauf besteht. Charlotte sei
die Frau, die jenen Abend in ihr HauS
kam, so ist das Schicksal des arme?
Mädchens beiiegelt."
„Aber die Frau hat das Gesicht de?
Fremden nicht gesehen."
„Nein, und das ist eben das Unglück
lichste an der Sache! Ich wünschte, sie
hätte es gesehen, dann müßte sie wissen,
daß es nicht Fräulein Duvivier war.
Sie hat nur die Gestalt der Frau ge
sehen und schwört darauf, es sei Char
lotte gewesen."
„Groß gewachsen und brünett," mur»
melte Power, „das stimmt."
„Das ganze Hotel ist durchsucht wor
den," fuhr der Baron fort, „kein Zim
mer ist unberührt geblieben, aber man
hat nichts gefunden."
„Ich möchte wissen, was er mit jener
Tasche und den Sachen darin gemacht
hat?" sagte der junge Mann nachdenk
lich.
„Wer?" rief Sir John. Meinvi Si»
Saint Alban?"
.Ja."
.Sie glauben alio wirklich, daß er
der Schuldige ist?"
„Ich bin mehr als je davon über
zeugt," erwiderte Robert.
Der Baron ging im Zimmer ans
und ab.
„In der That," sagte er dann, „auch
ich kann nicht anders, als ihn sür den
Mörder zu halten! Wenn ich nur den
Schurken auf eimge Minute» hier hätte,
ich würde ihn in Angst jagen, bis er di«
Wahrheit sagte."
„Ich glaube, das würde Ihnen nicht
gelinge»! Saint Albanist nicht so leich'
einzuschüchtern."
„Ich hielt ihn immer für einen ge
meinen Abenteurer."
„Habe» Sie ihn überhaupt nähe?
gekannt?"
„Nicht genau. Aber ich habe ihn
hier und in London getroffen, er gefiel
mir nicht, und meine Frau behauptete
sehr oft, daß er feine Frau schlecht be
handelte."
„Was veranlaßte Ihre Frau Ge
mahlin zu dieser Vermuthung?"
„O, Frauen haben dafür ein schar
fes Auge. Meine Frau sah. daß Frau
Saint Alban ein sehr unglückliches
Leben führte, und das wundert mich
nun nicht, da sie einen solchen Schurken
>um Manne hat. Aber kommen Sie.
Herr Duvivier. wir wollen ein Zinm«
sür Sie bestellen und Sie hinauffüh
ren. Sie werden natürlich hier blei
ben?"
Der Franzose befragte Robert durch
einen Blick.
„Ich würde den Rath dieses Herrn
befolgen," erwiderte der Letztere.
„Nichts würde mir mehr Vergnügen
machen, als Sie einzuladen, mein Gast
zu sein, aber es ist wohl überflüssig,
Ihnen zu sagen, daß das Marinehotel
comfortabler ist. als das Heim eines
arme» Polizeibeamtcn," fügte er la
chend hinzu.
„Auch ich." sagte Sir John, „könnte
nicht zugytlen, daß Sie uns verlassen.
Ihr Besuch ist uns schon lange ver
sprochen. wie Sie wissen. Allerdings
hätte ich gewünscht, Sie unter glück
licheren Umständen hier zu sehen. Aber
sprechen wir jetzt nicht weiter davon;
wir müssen das Beste hoffen."
Sergeant Power verabschiedete sich
und versicherte Duvivier, er
werde in turzer Zeit wieder bei ihm
sein.
Der Franzose hatte eine große Vor
liebe für Robert gefaßt und würde viel
leicht gern die bescheidene Wohnung des
junge» Mannes dem Glanz des Ma
rinehotels und der Gesellschaft des Ba
rons vorgezogen haben, aber es war
nicht leicht, Sir John zu widerstehen,
und es ging auch nicht gut an, seine
Einladung abzulehnen.
Robert Power begab sich nach seiner
Wohnung. Das Haus, in dem sich
dieselbe befand, war nicht weit vom
Polizeigebäude entfernt, und sein Weg
führte ihn über den Platz vor demsel
ben. Unvermulhet begegnete er zwei
Personen, die er kannte.
Die erste war Jnspector Gadd. wel
cher seinen srüheren Untergebenen von
oben herab anblickte.
~Sie sind also wieder hier?" sagte
er zu ihm, ..wir dachten Alle, Sie hät
ten sranzösische» Abschied genommen
und seien zum Wohl des Vaterlandes
davongegangen."
„Ich glaube, das kann ich halten,
wie ich will," erwiderte der Sergeant,
„ich habe meinen Abschied eingereicht
und Sie selbst gaben mir sofort meine
Freiheit, indem Sie auf meine Dienste
verzichteten."
„Nicht so rasch, junger Mann,"
sagte Mr. Gadd, „sür's Erste sind Sie
noch als Zeuge nöthig! Die zweimal
vertagte Verhandlung wird nächstens
stattfinden, und Ihr Ausbleiben
könnte schlimme Folgen für Sie ha
ben!"
„Ich bin hier, um meine Pflicht zu
erfüllen, und habe auch keinen Grund
und durchaus nicht die Absicht, vor Ih
nen oder sonst Jemand zu fliehen."
erwiderte der junge Mann. „Ich er
laube mir aber. Sie darauf aufmerk
sam zu machen, daß ich daraus bestehe,
in anständigerem Tone von Ihnen an
geredet zu werden. In Wirklichkeit
habe ich den Dienst verlassen und bin
nicht geneigk, Ihre Impertinenz ruhig
zu ertragen."
Robert Power war ein Gegner, der
nicht zu verachten war. und augen
scheinlich hielt der Inspektor trotz seines
spöttischen Benehmens sich nicht für be
rechtigt. sein herrisches Wesen beizube
halten.
Noch ein anderer Grund dafür war
das plötzliche Erscheinen von Mr.
Kingsford, welcher soeben aus dem
Ruthhaus kam, das neben dem Polizci
gebäude lag.
Mr. Gadd begrüßte ihn sehr respekt
voll.
Sobald Kingsford den Sergeanten
bemerkte, rief er ihm zu:
„Hollah. Power, sind Sie wieder
da? Ich wollte mich eben nach Ihnen
erkundigen. Begleiten Sie mich einige
Minute», ich möchte Sie um eine kleine
Unterredung bitten."
Mr. Kingsfords Benehmen gegen
Power war sehr böslich, was Mr. Gadd,
dessen Gruß kaum bemerkt wurde, recht
bitter empfand.
Noch bitterer war es für ihn zu sehen,
wie der angesehen? Mann Robert ver
traulich am Arme faßte und ihn bei
Seite zog, damit der Jnspector nicht
höre, was er sagen wollte.
„Ich komme soeben aus einer Ver
sammlung des Polizeicomites," sagte
Kingsford, „auch Ihr Fall wurde be
sprochen. und ich brauche Jbne» wohl
nicht zu sagen, daß ich Ihre Partei
»ahm!"
„Sie sind sehr gütig, mein Herr,"
sagte Robert, „aber Sie missen wohl,
daß ich alle Weiterungen dadurch ver
mieden habe, daß ich meine Entlas
sung nahm?"
„Ja. das weiß ich, aber das ist nicht
die Hauptsache." erwiderte Mr. Kings
ford. «Wir wollen Sie nicht verlie
rer^"
Bedauere sehr," begann Robert.
„Ich glaube, die Sache ist bereits
abgemacht." unterbrach ihn der Stadt
rath, „ich habe mit Capitän Baker,
dem DistrictScommandeur der Polizei,
gesprochen, und eben habe ich Ihr Be
-nehinen vor dem Comite gerechtfertigt,
so daß nichts weiter zu sagen ist. Thun
Sie Ihre Pflicht und behalten Sie
Ihre gute Laune, und wenn Sie Je
mand beleidigt, so wenden Sie sich an
mich, ich werde die Sache bald in Ord
nung bringen."
Der junge Sergeant schüttelte den
Kopf.
„Halten Sie mich nicht für eigensin
nig," sagte er. „und glauben Sie. daß
ich Ihre Güte zu schätzen weiß, aber es
sind Ereignisse eingetreten, welche mich
nöthigt», Sandbank zu verlassen! der
grüßte und beste Dienst, den Sie mir
erweisen können, ist der. meine sofor
tige Entlassung aus dem Dienst zu er
möglichen. "
Mr. KingSford sah Robert erstaunt
an.
„Handelt es sich um etwas, was
mit dem Mord in Verbindung steht?"
fragte er.
Seit der Nacht des Einbruchs hatte
Mr. Kingsford so großes Interesse für
den jungen Sergeanten gezeigt, und
bleS noch kürzlich bewiesen, daß Rober!
nicht umhin konnte, ihn in's Vertraue»
zu ziehen. Er theilte ihm daher so
kurz, als möglich, alles mit, was gesche
hen war.
Mr. Kingsford, dem die Vergangen
heit des Doctors seit Mr. FordS Kreuz
verhör in der Gerichtsverhandlung kein
Geheimniß mehr war. hörte aufmerksam
zu.
„Das ist eine merkwürdige Geschichte,"
sagte er, „die Beziehungen Saint Al
bans zu Frau Stanley sind in der
That verdächtig. Uebrigens. das erin
nert mich an »och etwas, was ich Sie
fragen wollte. Wer ist dieser Saint
Alban?"
In wenigen Worten theilte ihm Ro
bert alles mit, was er über den Börsen
mann wußte.
„s-ie wissen nicht, woher er stammt,
oder sonst etwas über ihn?" fragte Mr.
Kingsford. „Saint Alban," wieder
holte er gedantenvoll. „das ist ein un
gewöhnlicher Name, ich erinnere mich,
daß ich einmal in London mit einem
Herrn dieses Namens in Gesellschaft
zusainmentraf."
„Sie kennen einen Herrn Saint
Alban?"
„Ja. Der Mann den ich meine,
schrieb seincn Namen nicht ganz so. er
war aus Italien und
nennt sich Saut Alba, nicht Saint;
Sant ist das richtige italienische
Wort!«
„Und was war dieser Sant Alba,
den Sie kannten?"
„Es sind viele Jahre her, seit ich
ihm begegnete. Er war damals ein
alter Herr. In seinen jüngeren Jah
ren war er, wie die Leute sagten, ein
Verschwörer, ein Carbonaro oder etwas
dergleichen gewesen, und hatte aus sei
nem Vaterlande fliehen müssen. Als
ich ihn kannte, war er ein alter Jung
geselle, der augenscheinlich in guten
Umständen lebte, etwas ercentriich.
hatte aber in der guten Gesellschaft Zu
tritt und war ein Freund der Malerei.
Ueberhaupt interefsirte er sich für alle
möglichen Dinge."
„Wenn er ein alter Junggeselle war,
so kann unser Saint Alban nicht sein
Sohn sein."
„Nein. Vielleicht ist er nicht einmal
mit ihm verwandt."
„Es wird wohl noch andere Saint
Alban in der Welt geben."
„Ich weiß nicht, was aus meinem
alten Bekannten geworden ist. Ich
glaube, er ging wieder in's Ausland
und jedenfalls muß er jetzt fchon todt
fein."
Robert schaute gedankenvoll vor sich
hin:
„Es ist mir doch angenehm, daß Sie
dies erwähnt haben; sie kann uns viel
leicht von Nutzen sein."
„Sie haben also diesen Mann in
Verdacht?"
„Ich bin überzeugt, daß er und kein
Anderer den Mprd begangen hat," er
widerte Robert mit Entschiedenheit.
„Sofort, als ich jenes Stück Papier
fand und als ich ihn nachher selbst sah,
war ich fest davon überzeugt, und ich
wurde meiner Sache ganz sicher, als ich
sein Gesicht bei der Verlesung der An
klage sah."
,/Aber was für ein Bewenden hat es
denn mit diesem Mädchen, das verhaftet
wurde?"
.Sie ist so unschuldig, wie Sie selbst.
Dieser Schurke Hai das Verbrechen ver
übt und dann den Verdacht ans das
arme Mädchen gelenkt.'
Roberts ernstes Wefen machte aus
Kingsford Eindruck.
„Ich hoffe. Sie haben Recht," sagte
er. „Persönlich habe ich es abgelehnt,
auf der Richterbank bei der Verhand
lung dieses Falles zu sitzen. Ich werd«
der Verhandlung nicht teilnehmen,
denn ich fühle, daß ich nicht frei genug
von Vorurtheil bin, um unparteiisch zu
urtheilen.' Nach dem, was Sie mir
gesagt haben, verstehe ich Ihre Stellung
vollkommen und werde dafür sorge»,
daß Sie völlige Freiheit habe». Ich
bitte Sie auch, auf mich zu zähle»,
wen» Sie bei Ihrem Unternehmen
Beistand nöthig haben. Ich habe
nicht vergessen, wie fehr ich Ihnen ver
pflichtet bin."
Mit einem freundlichen Lächeln
drückte er dem jungen Mann die Hand.
„Es ist am Besten, wenn die Sqche
gleich abgemacht wird, und da das
Comite noch versammelt ist, so werde
ich zurückgehen und das Nöthige ver
anlassen."
Nach dieser erfreulichen Begegnung
begab sich Robert Power nach seiner
in der Nähe liegenden Wohnung, wo
seine Wirthin, eine mütterliche, gut
müthige grau, ihn herzlich willkommen
hieß-
Robert hatte beabsichtigt, von der
Ermüdung dieses TageS etwas auszu
ruhen.
(Fortsetzung folgt.)
Alte Bekannte. Ein auf
fallend elegant gekleideter Herr trifft in
einem Badeorte eine ebenso auffallend
gekleidete junge Dame, die ihm bekannt
vorkommt. Er tritt auf sie zu, nimmt
nachlässig de» Hut ab und näselt:
Aeh mein Fräulein mir ist,
als hätten wir uns schon einmal ge
sehen! Stimmt! ist die resolute
Antwort. Im Hotel Munsch in
Wien; ich war dort Stubenmädchen
und Sie brannten mit der Hotel-
Zeche durch!
Schon genug. Herr: JH
habe mir erlaubt, Jh»e», liebes Fräu
lein. zu Ihrem heutigen Namcnsfeste
diese Torte mitzubringen. Allein noch
mehr! Ich habe auch einige
zugesügt. soll ich sie Ihnen vorlebe»?
Fräulein : Aber, ich bitte Sie, die Tort«
ist ja schon mehr als genug!
Ersatz. Dame: Ei, ei, Sie
haben gar zwei Verehrer! Dienstmäd
chen: Der Eine gilt nur, wcn» der
Andere krank ist.
Stählerne Eisenbahn»
schienen nütze» sich in ca. achtzehn Jah
ren ab.
Wie Herr Brie<che« fei«»« Dochte»
Zvaultne v«rh«irath»te.
Ja, meine Herrens, noch vor so 'ner
Sticke drei Jahren hatte ich die Ange
wohnheit, jeden Freitag. Abend in der
.Grienen Laderne" ennen Schassgobl»
zu schbielen. EnneS Freitags Abend
nu siehlte ich geen Amiefemang nich bei
der Geschichte, ich nahm daher meinen
Jberzieh'r und machte mich uff de
Strimpe, um heeme zu latschen.
Als ich so nach 'ner Weile an meine
Dhiere angegommen bin, Heere ich ä
merkvärdiges Gemurmle von Stimmen.
So leise vie meglich schließe ich de Th»ere
uff un gomme ooch richtig uff'n Korri
dor, ohne daß ä Mensch dadervon vaS
merken dhat. Ich bin gaum eingetre
ten. da Heere ich enne unbegannte
Stimme, die von ennen Mann herrieh
ren mußte, und dazwischen Heere ich de
Stimme von meiner Dochter Bauline:
.O Edevard, is es denn värklich var?"
„Jawohl, es is Vahr, un geeneMacht
der Erde vird mich daran hindern, mei
nen Entschluß auSzufiehren. Ich hei
rathe die Gointeffe .... na, den Na
men habe ich vergessen, 's gommt ja
ooch weiter nischt druff an. Aber Se
gennen sich denken, meine Herrens, daß
jetzt meine Neijierde ihren hechsten
Gipfel erreicht hatte un ich mich gaum
halten gönnte, in de Stube 'neinzustir
zen. „O Edevard, habe Erbarmen mit
mir. verlaß mich nich. Hier zu deinen
Fießen flehe ich dich an". Heerte ich dann
wieder meine Bauline sagen, un nu
ging mir 'n Licht uff.
„Na varte, Schurke, dich voll'n mer
schon kriegen, du mußt das arme Mädel
beirathen." Un ganz außer mir vor
Wuth, sterze ich mitten in s Zimmer,
gucke weder nach rechts noch nach links,
sondern steire schnurftracksemang »ff den
Mann los, kriege ihn an'S Schlasfittchen
uud brülle ihn an: „Tu Laufevenzel,
ich bin der Vater von dem Mädel, un
nu gleich uff der Stelle erkläre, ob du
fe heirathen villst, oder ob de noch uff
deine Gomtesse bestehst, sonst soll dir
doch gleich—" Ich gönnte vor Wuth
nich mehr veiter sprechen, sondern schit
telte den saubern Badrohn nur hin un
her. daß er nach Lust fchnabte. als Venn
er im Wasser lüge. Uff den Lärm hin
gam nu ooch meine Garline angevackelt.
so schnell sie bei ihrer Ticklcibigkeit loo
fen gönnte.
„Herrjehmersch", rief se dann aus.
„mein Mann is ibergeschnabbt." De
Zumuthung, daß ich ibergeschnabbt
sein sollte, machte mich nu vollends
viethig, un ich drillte meinen fcheeneir
Edevard mit verstärkter Stimme anr
„Willst du meine Bauline heirathen.
he? Heraus mit de Sprache." und er
antwortete ooch endlich: „Mit dein
greßten Vergniegen. Es war schon
lauge me>n Wunsch —" weiter kam er
aber nich. Meine Garline hatte sich
mir um den Hals gewor'en un rief nu
wie besessen: „O Theodor, Dheodor
chen. Männchen, gonim zu dir!" un da
neben dhat se mich so fest umklammern,
daß ich mich nich riehren gönnte.
Nu gam oach meine Bauline wieder
herbei, die laut heilte un Meente zu
dem Edevard, den ich nu los gelassei»
hatte: „Ach. Herr Sechsenheim. holen
Sc doch emal 'n Arzt, ach, das Unglick!"
un de Plärrerei ging von neiem ioS.
Na, ums gurz zu machen, ich erfuhr»
daß de ganze Geschichte e»ne bloße Go
medie gewesen wdr un daß se in'n Ver
ein ä Theaterstick uffiehren vollten, un
damit ich nich vifsen sollte, daß meine
Bauline ooch mitschbielen dhäte, veil ich
een geschworener Feind von so vas bin.
da ibten sich die Beesen nu an meine»
Schafsgobbabenden die Solozehnen in.
Un ich hatte die ganze Zehne for Ernst
gehalten!
Na, es lceste sich ja ooch noch alles
recht hibfch uff, »»'s Ende vom Liede
war, baß mer alle recht lachten un ä paar
Flaschen Rothspoon anstachen, um uff
das Wohlsein von Bauline un den
scheenen Edevard anzustoßen.
Sehn Se, meine Herren», 's wurde
uff die Art allen» noch recht hlbsch. denn
meine Baulille is heile längst verhei»
ralhet, un ich bin glicklicher Großvater
von zwee reizenden g'eenen Krabben
aber» Theatcrschbulen habe ich gefressen
sor alle Ewigkeit.
Kurz gtfah«.
Man saßt den Edelstein
In Gold und Silber ein.
Daß er von Jedermann
Getragen werden kann;
So saßt man den Gedanken,
Erst in der Worte Schranken,
Bevor vom Hirn und Mund
Er fremdem Ohr wird kund.
Wenn prächtig ist der Stein.
Kann schmal die Faffung sein.
Hat Dein Gedanke Macht.
Braucht's nicht viel Wörterpracht.
Drum, wenn der Sinn ist gut,
Spar Deine Redewut HI 3