Ein verbrechen. (3 Fortsetzung.) Dort erhielt er nur eine negative Austunst. Billetverkäuser, Gepäckträ ger, StationSchef und ihre Assistenten schienen in diesem einen wichtigen Puukte sich in vollkommener Uebereinstimmung zu besinden. Es war in der vergange nen Nacht keine Person gesehen worden, welche dem Signalement der gehcim nißvollen Fremdcn oder der Ermorde ten entsprach. Auch nachher war keine groß gewachsene Frau mit einer Reise tasche und einem Mantel bemerkt wor den darüber war kein Irrthum möglich. Der Passagierverkehr ist in Sandbank gcgcn Ende Oclobcr nicht bedeutend: »m jene Zeit erscheinen ge wöhnlich nur wenige Reisende, welche mit Leichtigkeit einzeln beobachtet wer den könne». UeberdieS war in der Mordnacht und am folgenden Morgen ouf beide» Bahnhöfe» der Verlehr aus nahmsweise schwach gewesen. Alle- dies war in einer Beziehung sehr günstig. Sergeant Power kam dadurch zur Ueberzeugung, daß. wohin auch Madeleine Faure gegangen sei» mochte, um mit ihrer „Freundin" zu sammen zu treffen, sie jedensalls nicht aus eine» Bahnhof gegangen war. und dav ferner diese Freundin sich noch im mer in der Nähe befinden mußte. Aber wo war sie? Wer konnte die ses lebendige Räthsel sein? „Was habe ich gefunden?" fragte sich Robert Powcr. „Zuerst ei» junges Weib mit durchschnittenem Halse, er mordet durch eine starke Hand, wie sie nur selten bei dem zarten Geschlecht zu finden ist. Dann entdeckte ich, daß die That mit großer Kaltblütigkeit verübt worden ist, ohne Uebereilung und Ueberstürzung. Der Thäter wusch sorgfältig seine Hände, brach das Ge päck aus und kramte alles heraus, um zu suchen, was er zu erlangen wünschte, nnd das war nicht Geld oder Kost barkeiten, und als er damit fertig war, erinnerte er sich noch daran, daß sckn Opfer ein Muttermal oder der gleichen besitze, welches besser beseitigt wurde. Er war sogar im Stande, das Stück Fleisch auszuschneiden, ehe die Leiche noch erkaltet war, und nachdem er alles das gethan, eiitsernte er sich mit der Reisetasche aus dem Hause durch einen Aufgang, welcher nur durch vvr herige, sorgfältige Studie» gefunden werden konnte. Er entkommt und ver schmäht es sogar, das gewöhnliche Hilss mittcl der Mörder, den Schnellzug, zu benutzen." „Was, zum Teufel, soll ich aus alle dem machen?" suhr de:- junge Sergeant fort, „die Ermordete war eine fremde, eine Französin, wie es scheint, und ganz unbetannl, darüber ist kein Zwei fel möglich. Aber sie kannte eine Per son, welche hier lebte, uud hatte ihre Gründe, diese Thatsache zu verheimli chen. Wenn sie nicht etwa der alten Dame in Bezug auf die Freundin, mit der sie zusammen treffen sollte, und welche kam, um bei ihr zu wohnen, eine dicke Lüge aufgebunden hat, so war doch immer in ihrer Geschichte etwas schief und fragwürdig." „Und dann dieser Papierschnitzel, den ich sand. Was hat dieser mit dem Ge heimniß zu thun? Ich kann daraus schwören, daß ich die Handschrist er kann! habe; in der ganzen Well gibt es keine andere, welche ihr ähnlich wäre! Was, zum Teusel, konnte jener Mann mit dieser grau zu thun haben? Ich weiß, daß er längere Zeit in Frankreich gelebt hat, ist er dort mit ihr belannt geworden? Jetzt aber befindet er sich m Manchester, und Manchester ist weit vo» Saudbank entfernt. Vielleicht war es anch ein Stück von einem alten Brief, welcher mit den andere» Sachen, die zur Eiubeckung führen lonnteu. zu sammen zerrissen und vernichtet worden war." „Aber sonderbar, daß dies das einzig übrig gebliebene Stück ist und daß ich der Erste sein mußte, der es erblickte. Es ist eine sonderbare Welt, nach so vielen lahren sehe ich du seltsame Handichrist dieses Mannes wieder! Ich glaubte, sie nie wieder zu erblicken, nachdem ich Manchcsier und alle m.iiie Bekannten dort sür immer verlassen hatte. Es ist nicht nur eine seltsame Welt, sonder» auch enge Welt, in der wir leben, wenn alte, geisterhafte Ha»d schristen aus so unerwartete Weise wie der austauchen." Mit Gewalt entriß sich Sergeam Power diesen Träumereien, die aus ihn ein stürmte». Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen, und diese ersorderte es, überall »ach der groß gcwachic»en, dunleln Frau zu forschen, welche einen Mantel und eine Reisetasche trug, als sie zum letzten Mal gesehen worden war. Diese ver wegene und gewandte Verbrechen» interessirte den jungen Beamten in hohem Grade, sie erschkn ihm wie eine Art von Schicksal. ES war ihn:, als ob sein Schicksal mit dem ihrigen ver bunden sei, und als ob ihn« ausschließ lich das Vorrecht zukomme, dieses Ver brechen bis zu seiner Quelle zu ver folgen. Die oeheimnißvolle Fremde hattc Sandbank »och nicht verlassen, und jetzt war es zu spät dazu, einen solchen Schritt zu wagen, außer vielleicht mit Hilfe einer vortrefflichen Verkleidung. Schon waren durch den Telegraphen alle Eisenbahnstationen und Hasen be nachrichtigt worden, Alles war wach sam und scharfe Augen beobachteten jetzt alle Reisenden. Robert Power vertausch!? die Uni sorm mit einer alltäglichen bürgerlichen Kleidung, entschlossen, die HotelS und Pensionen zu durchsorschen. Er begann mit dem Hotel Royal, da er dort sowohl über die Ermordete, als über die Besucherin Erkundigungen ein ziehen konnte. Mister ParkinS, der Eigenthümer, war ihm wohl bekannt und er hatte keinen unangenehmen Em pfang zu befürchten, wie er allzu neu gierigen Polizeileuten von Seiten der störrische» britischen Steuerzahler ge wöhnlich zu Theil wird. Mister Parlins, ein jovial aussehen der Mann, konnte ihm zum Unglück nur wenig Unterstützung gewähren, obgleich er de» besten Willen dazu hatte. Sein Gasthaus war vom dritten Rang und wurde hauptsächlich von wohlha benden Bürgersleuten aufgesucht, sür welche die Billigkeit bei ihren Vergnü gungsreisen von Wichtigkeit ist. Im October war die Saison und die Zahl der Gäste war schon sehr zn samme» geschmolzen. Er konnle mit Bestimmtheit angeben, daß »nter seinem Dach Niemand einge kehrt war, dessen Aeußeres im Entfern teste» zu der Beschreibung der dunkeln, großen Frau paßte. Er hatte die Namen aller Gäste, welche während der Woche in seinem Hotel wohnten, in seine Bücher einge tragen. Er legte dem Sergeanten Power das Verzeichniß vor und theilte bereitwillig seine , persönlichen Beobach tungen über Lebensweise und Charak ter der Gäste mit. Mister Parkins war schon seit vielen Jahren im Geschäst und konnte auf einen Blick einen Londoner Geschäfts mann mit seiner Frau von einem Hand werker unterscheiden, und in der That erfuhr er auch in wenigen Stunden be deutend mehr über seine Gäste, als diese sich träumen ließen. Ueber die Ermor dete war Mister Parkins jedoch besser unterrichtet und konnte einige Angaben über dieselbe machen. „Lassen Sie sehen, Nummer 33." sagte er, in seinem Buch blätternd, „ah, hier ist eS, Nummer 33. Ange kommen mit der südöstlichen Bahn von London und zwar mit deni Abendzug. Ich erinnere mich dessen, weil einer meiner Leute, der den Zug erwartete, sie hierher brachte. Sie war ganz fremd und kannte kein einziges Hotel der Stadt, mein Diener redete sie, hierher zu kommen. Es war an einem Sonntag, ich erinnere mich des armen Tinges sehr wohl, sie fiel niU besonders auf, da es eine Frau und ganz allein war. Sie blieb über Nacht und früh stückte am anderen Morgen. Ich hatte ein kleines Gespräch mit ihr, in welchem sie mir sagte, das Leben im Hotel sei zu theuer sür sie, und da sie vielleicht einige Zeit hier bleiben werde, wünschte sie eine billige, ruhige Wohnung zu miethen. Ich dachte an Frau Gregory und wies sie an diese. ES war eine niedliche Erscheinung, aber es schien sie irgend ei» Kummer zudrücken, sie zahlte ihre Rechnung, ohne eine Bemerkung zu machen, und benahm sich sehr ruhig uud sein. Ich kann nicht genau sagen, wofür ich sie hielt, jedcnsalls war sie eine Fremde, aber ich glaube, sie war durchaus respektabel. Meine Frau wird Ihnen auch nicht mehr sagen ton nen, denn sie hat kaum mit ihr gespro chen, das Dienstmädchen aber, das ihr auswartete, könnte Ihnen vielleicht noch einige Auskunft geben; ich werde es rufen. Das Mädchen erinnerte sich sehr gui der Dame, welche am Sonnabend Abend angetommc» war. Sie war ihr sehr melancholiich erschiene» n»d hatte nicht viel gesprochen. Das Zimmermädchen erinnerte sich, daß die Fremde sie nach den verschiedenen Hotels der Stadt ge sragt habe und besonders danach, wel ches das theuerste und vornehmste sei. Es schien ihr däran zu liegen, dies zu wissen, uud als sie erfuhr, daß das Marinehotel das größte sei, wiederholte sie den Name» zweimal, als ob sie ihn ihrem Gedächtniß einprägen wollte. Diese Thatsachen noiirte Sergeant Powcr sorgfältig. Die Unglückliche war nach Sandbank gekommen, um Jemand zu suchen, das war bereits fest gestellt! die AuS age des Zimmermäd chens deutete darauf hin, daß Madeleine Fa»re aiigelommen war, ohne den Auf cuthalt dieser unbekannte» Person ge nau zu kennen, aber mit der Vermu thung, daß die Person wahrscheinlich in dem feinsten und theuerste» Holet der Stadt wohne» werde. Diese Erlnndigung von Seiten der Ermordeten siel Robert Power beson ders aus. Was war daraus zu schlie ßen? Sollte es bedeuten, daß die ge hcimiiißvolle Freundin, die dunlle, hochgewachsene Frau, welche eine Reise taiche trug, welche so kaltblütig und verwegen ein so brutales Verbrechen aussühre» konnte, den höheren Dreisen angehöre? Verschiedene Umstände schienen dar aus hinzudeuten, die Art nnd Weise, wie der Mord ausgeführt war, die Vor sicht. mit welcher Alles vorher angeord net zu sei» schien, wiesen aus eine In telligenz hin, welche der eines gewöhn lichen Verbrechers weit überlegen sein mußte. Welchen anderen Grund konnte Madclcine Faure gehabt haben, nach dem theuersten und voriiehmstcn Hotel zu srngen. wenn sich diese Frage nicht aus d>e seltsame Besucheri» der Villa Rob Roy beziehen sollte? Wenn dem aber so war, so versprach das Geheim niß eine baldige Lösung. Sollten die Leute im Marinehotel nicht im Stande sein. Angaben zu machen, welche so gleich zu einem bestimmten Schluß füh ren mußte»? Robert Power hoffte, wenn nicht mehr, so doch allerminde stens von einigen Fragen zn hören, welche die Ermordete dort in Bezug am ihre geheimnißvolle Freundiii gestellt halte. Und vielleicht konnte ihm das ilück noch günstiger sein, vielleicht tonnte die Schuldige, so hoch auch ihr» Stellung sein mochte, entdeckt und der Gerechtigkeit überliesert werden. Nur mil Mühe konnte der junge Ser geant seine Auslegung soweit beherr 'chen, um das Anjehen ossizieller Ruhe and Gleichgilligkeit anzunehmen nnd sich von dem gefälligen Herrn Parkins zu verabschieden. „Der erste, wirkliche Anhalt!" rief er ans, als er das Royal-Hotel verlie, nnd die Richtnng nach der Ostllippc ein chlug. wo das Marinehotel stand. dessen prachtvolle Front einen weilen Blick über den Ocean gewährte. „Die erste, wirkliche Spur, bei Gott! Das ist ein glücklicher Tag." Uebri gens hatte der Inspektor vielleicht Recht. eS ist möglich, daß, wenn die Detektivs kommen werden, sie die Arbeit bereits gethan finden. v. Ein gleicher Empfang, wie bei dem dienstfertigen Mister ParkinS war jedoch im Marinehotel nicht zu erwarten. Die ses bedeutende Unternehmen stand unter der Leitung eines Verwalters und hatte einen ganzen Generalsiab von Bcamlcn und sonstigen Angestellte». Es ging das Gerücht, der eigentliche Besitzer des selben sei ein Geldmann, der in der Hauptstadt wohnte und sich mit allen möglichen Geschasten besaßte. von Ho tels bis zu Eisenwerken und bis hinab zu einem gelegentlichen Leihgeschast mit einem jungen Sprößling der vorneh men Welt, welcher, wie man in Eng land sagt, „auf eines todten Mannes goldene Schuhe wartct". Dieses Ge rücht tras mehr oder weniger das Rich tige: aber der ginanzmaiin war in dem Marinehotel nicht zu sindcn. außer viel leicht in der Eigenschaft cincS Privat mannes, der wie alle Ucbrigcn kam, um die Seeluft zu genicßcn. Die ganze Leitung war, wie schon gesagt, einem Verwaitcr übcrgcben, und an diesen, einen hartlöpsigen Schotten, mußte sich Robert Power wenden. Der junge Manu erschien in ein facher. aber gut sitzender Kleidung im Holel;' man hatte ihn für Alles eher, als für einen Polizisten gehalten. Er trug nicht die plumpen Stiesel von Ge fangnißarbeil. an welchen man sosor! den (lonstabler erkennt, und vergaß auch nicht, eine bequeme Haltung an zunehmen. anstatt des steisen, militäri schen Wesens, wie es sich sür cincn Be amten in Unisorm schickt. Robert Power konnte etwa sür cincn jungcn Koinmis aus cincr Bank gehalten wer den, der sich einen Feiertag machen wollte, oder sür eine» reisende» Künst ler, der i» Sandbank Mnrinebildcr aiifiichmen wollte. Von feinem wah re» Beruf war lein Anzeichen an ihm zu bemerken. Als der junge Sergeant die polirtt Haupttreppe im Marinehotel hinauf stieg, begegnete ihm Niemand. Dieses große Etldlisjeinciit hat »icht weniger als süns verschiedene Eingänge. Außer cinem Labyrinth von Gangen und schlaf,zinimern, von PrivalsalonS, von össcutlichen Speisesälen, Lese-, Rauch lind Billardsälen ist es mit türtischen Badern, mil Friseurläden, cinem Post burean und vielen anderen Bequemlich keiten auSgcstatlcl. Mit Hilsc eines vorübergehenden Aufwärters erhielt Robert Power leicht Zutritt zum Zimmer des Verwalters, 'Mister MacGregor, eines älteren Herrn niit einer gewaltigen Glatze. Der junge Polizist erklärte kurz und höflich, wer er sei und was er wünschte. „Sicherlich habe» Sie nicht die Ab sicht, zu behaupte», daß wir hier Ver brecher beherbergen?" sagte der Verwal ter sichtlich uuangenehm berührt, in breitem Schottisch. „Natürlich nicht," erwiderte Robert Power besänftigend, „so etwas ist mir niemals in den Sinn gekommen. Ich denke, Sie werden- aber zugestehen, mein Herr, daß dieses Hotel, so kostbar und so vortrefflich verwaltet es auch ist, den noch Allen offen steht, welche Geld genug in der Tasche haben, um diesen Luxus bezahlen zu können." „Wenn Sie damit sagen wollen," erwiderte der Verwalter trocken, „daß Personen, welche des Verbrechens, von dem Sie rede», verdächtig seien, in die sem Haus zu finden 'ein könnten, so habe ich weiter nichts zusagen." Augenscheinlich hatte Power die Ge fühle deS alten Schotten stark verletzt. Die bloße Andeutung, daß Jemand, der mit dem Verbrechen in der Hamil tonstraße in Verbindung stand, mög licherweise in dem großartigen Gasthos, der unter seiner Leitung stand, Zuflucht gesunden habe» könnte, genügte, um s.'iiien Zorn zu erregen. „Ich wollte Sie nicht beleidigen," sagte der jnnge Sergeant, d-.'n die be leidigte Würde des alten Schollen be lustigte, gutmüthig, „Jedermann kennt den hohen Riis, dessen sich das Marine hotel erfreut. Ich bin hier, wie Sie ohne Zweifel sehr wohl verstehen, nur, um meine Pflicht zu erfüllen, und meine Fragen sind rein förmlichcr Natur. Sie sehe», ich kam so unauffällig als möglich uiid bi» bestrebt, alles Aussehen zu vermeiden. Niemand außer Ihnen weiß, wer ich bin, oder warum ich Sie besuchte." „Nun, was wollen Sie eigentlich?" fragte Mister MacGregor etwas besänf tigt, „aber bemerken Sie wohl, ich weiß nichts davon, daß ich verpflichtet wäre, Ihnen irgend eine Antwort zu geben. Sie sind ein Polizist, sagen Sie, aber Sie haben sich nicht legiliniirt, ich habe nnr Ihr Wort dasür, junger Mann, daß Sie die Wahrheit sprechen." Dies war richtig. Der Inspektor ließ dem jungen Sergeanten unbe schränkte Freiheit in der Verwendung seiner Zeit, aber nachdem er einmal die Uniform abgelegt hatte, besaß er lein Mittel, sich solchen Personen gegenüber als Polizeibeamter auszuweisen, die ihm so fremd waren, wie Mister Mac- Gregor. Er besaß kerne Vollmacht, mit der er den vorsichtigen Schotten hatte nöthigen können, ihm irgend wel chen Beistand zu leisten, wenn er nicht wollte. Seine Stellung war somit in der That etwas bedenklich. Es giebt Rechte und Vorrechte, welche nicht so leicht verletzt werden dürsen; Polizei und Publikum befinden sich fortwäh rend in Unfrieden mit einander. Der Verwalter des MarinehotelS war im Recht, und der junge Polizist mußte vorsichlig sein. Sergeant Powers Gesicht verlängert» sich, er mochte schwerlich ein« so unbe dingte Abweisung erwartet haben. „Sie haben gegenwärtig keine ausländische Dame im Hotel, aber vielleicht erinner» Sie sich einer Persönlichkeit, auf welche meine Beschreibung paßt und die in den letzten zwei Tage» hier gewesen ist?" „Nein, nein, junger Mann, ich erin nere mich sehr genau, eine solche Person war nicht hier. Während der letzten drei Wochen ist kein sremdes Weibervolk gekommen, alle Dame» und Herren, welche in letzter Zeit das Marinehotel mil ihrem Besuche beehrten, sind alte, wohlbekannte Gäste, Leute, deren Cha rakter und Stellung außer Frage ste hen. Sie können mein Wort daraus nehmen. Sie verlieren nur Ihre Zeit mit nutzlosen Nachsorschungen. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen." Nachdem der Verwalter die Unter redung in dieser Weise beendigt hatte, nahm er seine Stelle am Schreibtisch wieder cin und cS blieb dem Sergean ten nichts übrig, als sich zu verbeugen und zu gehen. Seine Begegnung mit dem schotti schen Verwalter war nichts weniger, als besriedigend anSgesallen.' Ter junge Sergeant konnte Mister MacGregor's Alissagen nicht bezweifeln. Obgleich dieser Herr ziemlich eigensinnig und entrüstet war bei dein bloßen Gedanlcn, daß zwischen dem Verbrechen nnd den vornehme» Besucher» des MarinehotelS irgend welche Beziehungen bestehen könnten, so hatte er doch augenscheinlich keineswegs die Absicht, die Polizei zu täuschen und irre zu sichren. „Tie Sache ist vo» großer Dringlich keit," sagte er, „und uuglücklichcrWcise habe ich mich nicht mit weiteren Bewei sen versehen, wie Sie richtig bemerkten. Jedoch, wen» Sie zweisel», so können Sie sich später leicht überzeugen, der Inspettor der Polizei wird für mich einstehe». Inzwischen aber, obgleich ich zugestehe, daß die Form nicht voll ständig gewahrt ist, und daß eS ganz in Ihrem Beliebe» liegt, mich ohne Wei teres sortziischicken, bitte ich Sie doch um Ihre Hilsc, da Sie als Ehrenmann natürlich wünschen müssen, der Gerech tigkeit zn helfen, um den Verbrecher, der sich einer so entsetzlichen That schul dig gemacht hat, zur Strase zu ziehen." „Nun, wenn Sie die Güte haben wollen, mir zu sagen, wie ich Ihnen Helsen soll, so will ich Ihnen nicht im Wege stehen," erwiderte der Schotte, auf welche» die geschickte Beredtsamkcit des Sergeante» eine» günstige» Einflus auSgeübt hatte. „Ich will ganz aufrichtig gegen Sie sein, mein Herr. Die Person, die wir im Verdacht haben, ist eine Frau, und obgleich wir sehr wenig von ihr wisse», habe» wir doch einigeii Gru»d z» glau be», daß sie eine Fremde ist. und daß sie sich allem Anschein »ach in gute» besindet. Wir haben ser »e Grund zu der Annahme, daß sie S.'ndbank noch »icht verlasse» hal, und daß sie in einein der Gasthofe gesunden werden wird." „Wirklich?" sagte MsterMacGrcgor, indem er seine buschigen Augenbraue» herabzog und Roben Power höhnisch anblickte, .„und Zie sind daz» hergelom men, um »ach ihr zu suche»?" Nu», ich werde Ihne» »icht dabei h'lsen, Ihre und meine Zeit zu verschwenden, ich kann Ihnen nur sagen, daß. wo sie auch sein mag. Sie sie niemals unter diesem Dach finde» werden. W:r ha ben keine ausländische Dame hier, cS ist jetzt keine Seele im Hanse, die niir un bekannt wäre, nnd welche nicht schon früher einmal hier gewesen ist. Ich kann sür Alle die Veranlmort.lng üter nehmen, wie sür mich selbst/ Dennoch konnte sich Robert Power nicht dazu entschließen, das Feld zu räumen, ohne noch einen Versuch zu »lachen. Die merkwürdige Mittheilung des Zimmermädchens aus dem Royal- Hotel über Madeleine Faure's Frage »ach dem vornehmste» Hotel kam ihm nicht aus dem Sinn. Es schien ihm unmöglich, daß der prachtvolle Palast, an dessen Treppe er jetzt stand, nicht das Geheimniß in sich bergen sollte, das er so eisrig zu enthüllen suchte. In dem Hotel nmhcr zu schleichen, schien ihm jedoch nicht gerathen zu sein: der Ver walter halte ihm höflich den Abschied gegeben, und es wäre nicht klug gewe sen, sich von diesem reizbaren und wil den Sohn Schaltlands ertappen zu lassen. Er ging langsam die Treppe hinab durch den Hausflur bis au das stattliche Eingang-lhor, von wo er die breite Terrasse und in der Ferne die graue, träumerische See überblicken konnte. „Halloh, Zergeaut!" ries ciueZtimme haldlaut. „Was giebt's? Ist etwa? »icht in Ordnung?" Robert Power blickte sich um und er kannte in der Person, di: ihn «»geredet hatte, zu seiner Verwunderung einen Mann, welcher vor kurzer Zeit der Po lizei wegen Trunkenheit und Lärmens in den Straßen in die Hände gefallen war. Robert Power hatte damals mit leidig seiner Bitte um Entschuldigung Gehör geschenkt, da er als Familien vater Gefahr lief, sein tägliches Brot zn verlieren, wenn fein Benehmen öffent lich bekannt geworden wäre. Deshalb hatte der Sergeant sich damit begnügt, ihm mit allen Strasen des Gesetzes zu drohen, ohne jedoch die Drohung aus zusühren. „Was ist loS?" wiederholte der Mann. „Ich sah Sie herauskommen u»d er kannte Sie im Augenblick, trotz Ihrer .bürgerlichen Kleidung. Ich bin hier ver zweiie Hausknecht, und ich ver daute es nur Ihnen, daß ich nicht mei ne» Abschied erhielt, Sie wissen warum." Das war ein glücklicher Zufall. Ter Sergeant hatte wähl daran gedacht, daß die Ticnerschast des Hotels zugänglicher sein wcrdc, als der Berwaller. Erhalte sich in der That vorgenommen, beim Verlassen des Hotels noch einmal einen Versuch zu machen, und zunächst mit einem oder zweien der Ticnstleule eine Verbin»ung anzutnupsen. Tieier Mann, der ihm Dank schuldete, war hier oer zweite Hausknecht, und daher im Stande, ihm ohne alle Schwierigkeit AuStunst zu ei theilen. Das wa, eine vortreffliche Gelegenheit und belebte sei nen sinkenden Muth wieder. .ES sreut mich, Sie wieder zu sehen. - erwiderte Robert Power freundlich, „Sie find gerade der Mensch, de» ich brauche, ich werde Sie um eine Gefäl ligkeit bitten." „Nun. nur zu!" erwiderte der Haus knecht mit seinem VollmondSgesicht, „einen Gesallen iür den anderen! Und alles, was ich thun kann, daraus ton nen Sie rcchncn." „ES ist nicht viel nöthig." erwiderte oer Sergeant, „ich war oben und habe mit dem Verwalter gesprochen, aber er war beschäftigt, und ich habe nicht die Hälfte von dem erfahren, was ich zu wissen wünschte. Aber hier können wir nicht gut mit einander sprechen, haben Sie eiwaS Zeit übrig?" „O ja, ich glaube, man wird es nicht bemerken, wenn ich auf einige Minuten verschwinde, und überdies stehe ich mit dem ersten HauSknccht ganz gut; er würde im Nolhsall wohl irgend eine AuSrede zu meiner Entschuldigung fin den." „Dann kommen Sie mit. einige Schritte von hier ist ein warmes Nest, wo wir gemüthlich spreche» können." Wenige 'Augenblicke später besand sich Robert Power mit seiner wichtigen Be kanntschast in dem warmen Nest, in der kleinen Wirthsstube des „Lord Nelson", eines elwas herabgelommen aussehen den Gasthauses alter Art, das sich ganz in der Nähe des MarinehotelS besand. Dieses große Etablissement hatte den „Lord Nelson" seiner früheren Blüthe beraubt, doch hatte der Letztere noch eine klcine.Stammkundschaft von einfacheren Leuten und Schiffern behallen. die sich einmal an das Gasthaus gewöhnt hat ten und den Lurus verachteten. Tiefe erschienen jedoch erst gegen Abend, so daß die Gaststube jetzt ziemlich leer war. „Haben >sie viele Gäste im Hotel?" begann Sergeant Power, nachdem der Wirth die bestellten Getränke selbst ge bracht und sich diskret wieder entsernt hatte. „Ziemlich viele." antwortete der Hausknecht, „sür die jetzige Jahreszeit." „Sie kennen sie wohl Alle?" „O ja, ich kenne sie Alle! Aber han delt sich's denn darum, Sergeant?" fügte d?r Hausknecht hinzu, indem er hn'moristisch die Augen zusammen kniff. „Suchen Sie vielleicht nach Jemand?" „Das weiß ich noch nicht," erwiderte Power nachlässig, „aber gleichviel, es kann nichts schaden, wenn Sie mir sa gen. wen Sie jetzt im Hause haben, ich habe Ihnen nur ganz unschuldige Fra gen zu stellen." „Gut, gut, ich weiß. Sie gehen nicht darauf aus, einen armen Teusel in s Pech zu bringen." „Allerdings nicht! Nun, können Sie mir ungefähr sagen, was für Leute da sind?" „Das ist leicht gesagt. Zuerst ist da cin Baron, Sir John Hunter, der alle Jahre im Oktober kommt, so regel mäßig, wie eine Wanduhr. Seine Frau ist auch da und ebenso ihr kleines Töchterchen mit der Gouvernante. Das sind Leute, die unbändig viel G'ld ha ben, sie halten sich einen Privatsalon, speisen seilen,an der 'lsbls 6'liots und halten sich von aller Welt zurück." Robert Power ermunterte ihn durch cin Kopsnicken, fortzufahren. „Da sind noch zwei Familien aus London, ebenfalls regelmäßige Besu cher. Der Eine ist ein Brauer. Mister Cotta», von dem Sie wohl schon gehört haben, und dann cin Advokat, Mister Ballon. Beide sind reich und haben ein ganzes Regiment von Knaben und Mädchen bei sich. Oft wundere ich mich über diese Leute, daß sie cin so heidenmäßiges Geld bezahlen, um im Holel zu wohnen, während eine Privat wohnung doch um so viel angenehmer und billiger wäre aber über de» Ge schmack läßt sich nicht streiten. Tann ist da auch ei» aller Herr, der Besitzer ei»er Zeitung in London, welcher zu weilen aus eine Woche oder zwei hierher kommt, Mister Vavasour. und dann sind noch zwei Parlamentsmitglieder da, gleichsalls mit ihren Frauen." Ter Hausknecht fuhr fort, seine Liste an den Fingern herzuzählen. Die Per sonen und Namen, die er nannte, wa ren Robert Power zum größeren Theil bekannt. Im Herbst wurde das Ma rinehotel von reichen und vornehiiieii Leuten besucht; Staatsmänner. Land edellcute, Schriftsteller, Börscnleute und Fabrikanten allcr Art kamen ans Lon don dorthin, um die frische Seeluft zu genießen und vor dem Getriebe der Weltstadt Ruhe zu suchen. Für viel beschäftigte Leute war eS von Wichtig keit, daß Sandbank so nahe bei London lag, daß sie zu jeder werden konnten, denn der Schnellzug brauchte höchstens zwei Stunden bis London. Sandbank war auch länd licher. als Brighlon und wurde von manchen wegen seine? belebenden Luft vorgezogen. Aber nnter all' den Personen, welche der Hausknecht mit einer Genauigkeit beschrieb, w lche die Findigkeit und Schlauheit be veist, mit der die Tienst leute Beobachtungen machen, erkannte Sergeant Power niemand, der mit dem Zwef. der ihn hierher führte, in Ver bindung gebracht werden konnte. ES schien, als ob der Rath des alten Schot ten, die kostbare Zeit nicht mit Nachsor schungen zu verschwenden, vollkommen gerechtsertigt gewesen wäre. „Ich finde nicht, was ich suche." nn terbrach Robert Power seinen redseligen Freund. „Können Sie sich einer Fran erinnern, welche allein, vielleicht aber auch in Gesellschaft von Andere» gelommen ist. einer hochgewach senen, brünette» Ausländerin? Konncn Sie mir übcr eine solche Dame etwas sagen?" Der Hausknecht dachte nach und schüt telte den Kopf. „Ein großes, brünet tes Frauenzimmer, und eine Auslän derin?" wiederholte er langsam. „Nein, von einer solchen Person weiß ich nichts. Die Gouvernanle von Lady Hunter ist ein groß gewachsenes, brünettes Mäd- chen, aber ich glaube nicht, baK St» diese meinen können. Auxeroem lommt sie mit der Familie schon seit drei Jah ren hierher, ist überhaupt eine ehren werthe. junge Dame und spricht vor züglich englisch, wiewohl sie aus Frank reich kommt." Sergeant Power dachte nach. „Konnte wohl Lady Hunter's Gou vernante die geheimnisvolle Fremde der Villa sein? Nein. Wie sollte das zu gehen? Es war höchst unwahrschei?ilich. Leute wie Lady Hunter haben eine Menge von Ausländerinnen in ihren Diensten, es gab genug achtungswerthe Fremde, auf welche diese Beschreibung paßte, und gerade im Marinehotel konnte man sie zu Dutzenden finden. Außerdem war diese Gouvernante dem Anschein nach wohlbekannt, und wieder Hausknecht sagte, eine sehr ehrenwerthe junge Dame. Dennoch schrieb er sich die Sache in's Gedächtniß. „Ich glaube, ich habe Ihnen fast alles gesagt, was ich von den Fremden, die bei uns wohnen, weiß," bemerkte der Hausknecht. Er näherte sich dein Fenster und sah hinaus, ob er vielleicht ein Anzeichen bemerken könne, daß seine Gegenwarl nöthig sei. „Eine solche Person, wie die. nach der Sie sragen, ist nicht bei uns, unsere Gäste scheinen lauter Engländer zn sein, auszenom men vielleicht der eine, und das ist ein sonderbarer Fisch! Ich vergesse immer seinen Namen, obgleich ich weiß, daß er ansängt mit Saint Saint DingSda! Ten Rest habe ich vergessen. Er wohnt hier mit seiner Frau, man sagt, er habe eine Menge Geld in diesem Hotel stecken, und er wolle noch cin Grundstück in der Nachbarschasl kaufen und bei den näch sten ParlamenlSwahlen für unsereGraf schasl candidiren. Das ist ein reicher Geldsack, ich habe gehört, er will das Hotel vergrößern und verbessern und richtig, wenn man den Teufel an die Wand malt, so kommt er! Da ist er und geht spazieren." Sergeant Powcr näherte sich gleich giltig dem Fenster, um die Person zu betrachten, von der der Hausknecht sprach; aber beim ersten Blick stieß er einen leisen Ausruf aus und trat rasch zurück, um nicht erkannt zu werden. Inzwischen war der Herr, von dem die Rede war, auf der anderen Seite der Straße langsam weiter gegangen, ohne zu ahnen, daß nian ihn beobachte. Der Hausknecht hatte ihn einen sonder baren Fisch genannt und dem äußeren Anschein nach war diese Bezeichnung nicht ganz unzutreffend. Es war ein Mann, dessen Erscheinung als unge wöhnlich auffallen mußte. Er war von mittlerer Größe und seine Gestalt wohl proportionirt; er trug einen vortrefflich sitzenden, leichten Ueberrock, wie man ihn lrägl, wenn das Wetter anfängt, frostig zu werden. Elegante Patciit .icdersticsel umschlossen seine kleinen Füße, uild seine Hände bedeckten tadel los? Handschuhe. Kurz, es war ei»« elegante Erscheinung, welche sich der Vorzüge der Toilette wohl bewußt war, die. wie ein Philosoph bemerkt hat, bei allen Leuten viel gilt und bei vielen Leuten alles ausmacht. Aber das Merkwürdigste an ihm war das Gesicht. Diese» war glatt rasirt und zeigte eine bräunliche Gesichtsfarbe. Das Kinn war breit und stark geformt, der Mund mit schönen, weißen Zähnen besetzt, welche sich dem Beschauer beständig zeig ten, seine Nase war von schöner griechi scher Form. Seine Augen aber waren verschieden von denen der meisten Men schen, sie waren schwarz und durchdrin gend, zeigten aber viel Weiß, was ihnen eine» fast starren Ausdruck verlieh. Hauptsächlich dieser seltsame, starre Blick erregte die Aufmerksamkeit der Leute, welche demselben zum ersten Male begegneten. Außerdem war auch noch der Anblick seines dicken, schwarzen HaareS ungewöhnlich; er trug dasselbe sehr lang, fast bis zu den Schultern herab, wo es sich dann nach oben kräu selte, aber nicht in kleinen Ringeln oder Locken, sondern in einer breiten, wuch tigen Masse. Sergeant Power blickte vorsichtig durch das Fenster des „Lord Nelson" hinaus und folgte den Bewe gungen des Mannes mit den seltsamen Augen, bis er in das Marinehotel ein trat und so seinem Blick entschwand. „Beim Himmel, es ist Saint Alban!" rief der Sergeant. „Daran ist kein Zweisel. WaS, in des Teufels Na n eil, hat das Alles zu bedeuten?" 10. Es war am Morgen des 25. Okto ber, als die Dame, welche als Made leine Faure bekannt war, in ihrem Zimmer ermordet gefunden wurde. Am folgenden Morgen wurde von dem Lei cheubeschauer Mister Barter die voin Gesetz vorgeschriebene Untersuchung der Leiche vorgenommen. Die Verhandlung fand auf dem Ralh hauS statt, und schon am frühen Mor gen war das Gebäude von einer u»rn higen Menge belagert, welche neugierig war, Näheres über daS traurige Ereig »iß zu erfahren, das so großes Aufsehen erregte. Diejenigen, welche in das Ge heimniß eingeweiht waren, wußten jedoch, daß die Verhandlung nur eine Formsache sei, daß das Gericht die Leiche an dem Thatorte besichtigen, einige Zeugenaussagen ausnehmen, und daß dann der Polizeiinspektor Gadd vor schlage» werde, die Verhandlung zu vertagen, damit die Polizei weitere Nachforschungen anstellen könne. (Fortsetzung folgt.) —ln der Küche. Bettler-, ..Bitt' recht schön um a bisserl 'was! Vier Tag' is's schon her, daß i nix Worms g'gessen hab'." —Köchin: „Da haben S' was." Bettler: „Ui Je» gerl! D:>s is heut' schon die fünfte Brotsuppen!" Die Vergnitgungsreif.e. A.: „Nun. auch verreist gewesen, letz ten Sommer?" B.: Kleine Ver gnügungsreise gemacht." A.: »So? Wohin denn, wenn man fragen dars?" B>: „Habe meine Schwiegermutter nach ihrer Öeimath luriicktrauSvortirt.. «»man au» »«« Auf einein holsteinischen Gute, s« erzählt die Kieler Zeitung, ereignet« G sich vor elf Jahre», daß ein Storch mU einem eifersüchtigen Nebenbuhler de»« maßen verletzt wurde, daß« flügellahm vom Neste herabpurzelte. Trotz sorg« samster Pflege, die dem armen Inda! Lide»: zu theil wurde, gelang es nichH ihn soweit wieder herzustellen, daß er seine Schwingen gewohntermaßen ge brauchen konnte. Vielmehr wandert« Meister Rothbein von jetzt ab trübselig auf dem Hofe herum und schien an sei« nein Schicksale schwer zu tragen. Gleich« wohl blieb er an, Leben, und als sein! Kameraden sich im Spätsommer aufj machten, um ihre Winterheimath ans Nilstrom auszusuchen, sah Peter s> hatte man den Verunglückten getauft— ihnen sehnsüchtig traurig nach, fanh sich aber schließlich in das Unvermeid liche. Der Winterausenthalt wurde ihm von dein Hofbesitzer nach Möglichkeil erleichtert: um sür Peter die erforder liche Nahrung allezeit bereit zu haben, ließ man Fische von einem benachbarte« Küstenorte kommen und so gewöhnt« sich der rothbeinige Invalide im Lauf« der Jahre so sehr an seine Lage, daß e» ganz zahm wurde und seinem Herrn, freilich auch nur diesem, überall hin folgte. Die traurigste Zeit während der els Jahre war sür Peter nur immer dieje nige, wenn im Frühjahr seine Kamera« den ans Afrika heimkehrten und sich aus de» Dächer» im behagliche» Nest bequem machten. Dann stand er in der Regel auf dem höchsten Punkte des Gehöfts, dem Mistberge und blickte traurig und liebeskrank zu den Glücklicheren seines Geschlechts empor, die auf dem Dach« ihre Zurllstungen zu». Ehe- und Fami lienleben trafen. Vor zwei Jahren nun sollte auch sür Peter eine glücklich« Zeit anbrechen: ein freundlicher Son nenstrahl siel in das Einerlei seines ver' kümmerten Daseins. Ein junges Storchensräulein schwebte an eine», schönen Frühlingstage aus die > Einsamkeit deS Misthaufens hernieder und mitleidig, wie gute Mädchen nun einmal sind fand sie Gefallen an dem Krüppel und kam feinem Lie beSwerben freundlich entgegen. Ja, die barmherzige Storchenlady ließ sich sogar bereit finden, entgegen ihrer Ge wohnheit, 'auf dem Dachfirst zu nisten, mit einem Bau auf ebenem Boden in der Nähe eines Lusthauses fürlieb zv nehmen. So verlebte denn Peter an der Seite eines geliebten Weibes einen glücklichen Sommer, wurde Vater mehrerer Kin der; und alles wäre in beste'' Ordnung gewesen, wäre nicht der Herbst gekom men. Als die Zugzeit herankam, siegt« auch in Peters Gattin das Heimweh über Liebe und Treue, und eines schö nen-Tages flog sie sammt ihren Kin dern,davon, ihren Peter in der alten Einsamkci zurücklassend. Der arm« Storchenwiltwer war den Winter übel mehr denn je in sich gekehrt und wai schier untröstlich, als im nächsten Frühj jähr seine junge Frau nicht zu ihm zu> rückkehrte. ' Hatte die Ungetreue ihn so schnell vergessen? Eisersucht vergrößerte di« Qual seines Herzens. Doch was Hals's? Er mußte sich in sein Schicksal fügen. Und der Sommer verging, und wieder kam der Winter und nach ihm der neu« Frühling. Wie alljährlich, stand Pe ter vor einigen Wochen auf seinem Mist und verfolgte den Flug der heim kehrenden Freunde. Da! wer beschreibt seine Freude? kommt's rauschend herabgeflogen, und vor ihm, nach an derthalbjähriger Trennung, steht frisch und gesund die verloren geglaubte Gattin. Alles schien in bester Ord nung, nur auf dem flachen Erdboden schien das wiedervereinigte Paar nicht wieder bauen zu wollen. Der Hofbauer merkte das an Peters vergeblichen Ver suchen, auf das Dach deS Lusthauses zu gelangen und ließ sofort eine bequeme Leiter baue». Diese wurde von Peter auch richtig benutzt, und heute nistej das Paar einträchtiglich auf dem Dache des Pavillons. In der-Umgegeiid aber gehen die Leute jetzt schon Wetten ein, ob die Storchenmadame ihren Peter auch in diesem Jahre wieder Verlasien lird oder nicht. —lm ewigen Zweifel. In einer Eyescheiduugssache findet vor dem Berliner Gericht Termin statt. Zur Linken steht der klagende Ehemann, rechts die beklagte Ehefrau: der Vor sikende versucht vergeblich, eine Ver» s ün'ngung zwischen den Parteien her. B izusühreu. Der Kläger geht jedoch a> j nichts ein. „Nein, Herr Präsi dent," erwidert er, „ich wünsche mir eine unverhältnißmäßige Ehe. aber meine Frau ist sür Verhältnisse, und ich zweifle, ob sie ohne solche glücklich scin kann. Erst habe ich ein Auge zu gedrückt, aber noch zweifelte ich, dann drückte ich sogar beide Augen zu, trotz dem aber blieb mir nun kein Zweisel mehr, denn ganz blind dars man doch nicht sein oder man verdient es zweisel los, überhaupt gar nicht mehr noch ge» schieden werden zu können." Nach der Berathung des Gerichtshofes ver kündet der Vorsitzende das aus Tren nung der Ehe lautende Urtheil, aber beide Parteien haben offenbar den Sinn der Verkündigung nicht recht verstan den und bleiben unbeweglich stehen. Der dies wahrnehmende Vorsitzende sagt deshalb erklärend, indcm er sich zur beklagten Ehesran wendet: „Sie sind nun gtichieden!" Daraus tritt der immer noch zweifelnde Ehemann zaghast vor und fragt: „Entichuldlgen Sie, Herr Präsident, ich auch?" -- „ZweiselloS!" entgegnet ihm tachelnd ''er Vorsitzende. H' Udler: „Ich lasse Ihnen dieses H.!>>> »>» füiis Äta.t!" —Kauser: „Ich auch!" 3