6 Alte uns moderne tsastfreund, schaft. Vor graueu Zeiten galt als eine de> viel geübten und hochgeschätztesten Tu genden die Gastfreundschaft. Sic wurdi gleich den heiligsten religiösen Pflichten in Ehren gehalten und ihr gcwcihte- Band umschlang Staaten, Geschlechte, und einzelne Persönlichkeiten. Jede: wandernde Fremdling fand eine traute Heimstälte, cin gastliches Haus, das ihn mit Hintansetzung der eigenen Bequem lichkeit sreundlichst aufnahm nnd es an Ehienbezcugungen aller Art nicht feh len ließ. Ein duftendes Bad zur Er frischung und Labung der müden Glie der wurde alsbald bereitet, krustige Speise nnd würziger Trank kredenzt, sogar die eigene Schlafstelle, bedeckt mit dem feinsten Linnen, ihm opferfreudig überlassen. Schuhsnchcnde, Hülssbedürftige unt Schuldbeladene, sie Alle vermochlen Taut dieser srommen, menschenfrcnnd lichen Sitte Schirm und Obdach zu fin den. selbst stnen Eleudeu, welche ichwere Blutthat ruhe- und freudlos umher trieb, erschloß dic hehre Tugend dci Gastsreundschast ihre Thore. Ei» wahrhaft großartiges Beispiel solch' gastlichen Schutzes wird uns aus der Zeit der Völkerwanderung von un seren germanischen Vvrsahren berichtet, Wahrend der langwierigen Kämpfe, welche die Langobarden mit dcn benach barten Gepiden führten, geschah es, daß der junge Longobardenprinz Albion den Sohn des GepidenkönigS im erbit terten Zweikampf erschlug und dadurch über'' die entmuthigtei: Feinde einen vollständigen Sieg errang. Die hoch crsrcntcn, danlbaren Unterthanen wünschten dem tapferen Sicgcr eine be sondere Ehre zn crweiscn nnd baten dcn Herrscher, seinen hcldenmüthigen Sohn nun an der Königs- und Rittertafel thcilnehiuen zu lassen. Dieser verwei gerte jedoch dic Erfüllung der Bitte, bis Aldion von einem auswärtigen Fürsten wehrhaft gemacht worden sei. Der lüugliug ciltc an dcn Hos des Ge pidenkönigS, dessen Sohn cr im Kamps« getödtet, wurde freundlich uud ehren voll ausgenommen, d.irste beim Mahl an der Seite dcS besiegten Fürsten sitzen, der chu nicht nur wacker gegen seine wüthendcn Gcsolgslculc beschützte', son dern schließlich noch, geschmückt mit der Rüstung des Erschlagenen, nngekränkt und unversehrt nach seiner Heimath ent ließ. Von vielen ähnlichen edlen Beispie len singen und sagen Geichichte und Poesie, uud unsere freundlichen Lese rinnen sehen gewiß die idealen Gestal ten manch' altdeutschen, wackerui oe d.u Wanderer willkommen! So w>r >n der guten, alte» Zeit. Auch heute noch gilt die Gastsrennd scha t namentlich in diesem Lande als e.n s der belebenden Elcmcntc des ge je.l ge.i Verkehrs, anch heute noch haben wi altdeutsche Gaststuben u»id Trink ge äß-, iclbst die Sprüchlein an der c')lcn nicht, aber dic Seele, der al>e, biedere Geist dcr Gastsreundschast ist mil Menschen ein andcrcr ge worden. Lcidcr muß constatirt wer dui, daß je mehr wir von dcr Eultui bclcctt werden, jc mehr die Einsachheil der Sitten verschwand, .desto mehr sich anch die urwüchsige, herzliche, gastsreie Hilssbereitschajt in eine unwahre, er heuchelte, unsrcic. erkünstelte, leere Förmlichkeit verwandelte. Hic und da mögen wir noch Ueber blcibselu der guien alten Zeit begeg nen, aber die moderne Form läßt kaum noch das antike Muster erkennen, z. B. die in Amerika noch bis vor einigen Jahren allgemein geübte, unbegrenzte Gastsreundschast am NcujahrStage. Jedcm Porübe.gchenden war in der Sylvesteniacht Haus, Küche und Keller geöffnet, und am NcujahrSlagc stand es einem jed.'n Bekannten des Hauses frei, einen ganzen Schwärm von Gä sten und Gratulanten mitzubringen, die alle auf's Beste bewirthet wurden. Tan namentlich diese letztere liberale Gastlichleit te n kleinen egoistischen Ne benzweck dient, das Renommee der Töchter des Hauses zu steigern, ihre von to zahlreichen Verehrern bewuudü teu Reize und Vorzüge vor dm neid losen Schwestern in s glänzendste Licht zu sctzcn, das wissen wir Froren ja ani allerbesten, und das verdunkelt in unseren Augen die geübte Gastsrcund fchaft. Neben diesen NcujahrSleiuchcn ist es noch eine ganz besondere Art von „Ealls", in welchen die Ueberbleibsel der alten Sitte und Gastfreundschaft uns modernen Frauen übcrl « ert wor den. Obgleich über die Entstehung des „Hol»- lix" noch keine Geschichte geichrie ben worden, so glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß ihr Ur sprung an den sranzösischen Hösen bei gcPuderien Alonge-Pcrücken und schön bcpslästcrlcu Damchen zu suchen war. ebenso die Kaffcclranzchcn uns als ans Franlrcich importirt gcschilderl melden. Wie dem auch immer sei, Eincs steh! fest, daß heutzutage eine Dame, welch« auf die stereotype Frage: „Wann ist Ihr EmpsangStag?" nicht mit Ueber reichuilg cincr bedruckten Karte ant worten kann, daß eine solche Frau wahrscheinlich als nicht ans der moder nen Höhe der Situation stehende Per son etwas über die Ach el angesehen wer den dürste. Und doch ist dieses elegante Kärtchen tiaentlich ein sei» lithographirtes Ar- imuthSzeugniß, welches die Damen ihre, Hausfrauentiichtigkeit, ihrer ganzen Ullhrung des Hausstandes ausstellen. Unfcrc deutschen Urahninnen, die sich !weder ihrer Schürze noch ihrer harten Hände zu schämen brauchten, deren Bänke, Stühle, Tische und Dielen stets blank gescheuert waren, die dachten noch nicht daran, an einem befondcrcn Tag« ganz ausnchmend laciylills und t»stlic>nakls vor der Frau Nachbarin nnd Base erscheinenjzu müssen. Damals konnte es noch nicht paffiren wie heute,daß man nur um angenehme Eindrücke und Empfindungen heimbringt, wenn man den kühnen Versuch machte, außerhalb der Zeit der glänzenden Jourevorberei tungen ein Frenndeshaus zu bctretcu. Dem Klingeln folgen gewöhnlich zuge worfene Thürcn, cin dienender Geist in zweifelhafter Toilette, begleitet von einem schreienden, reinigungsbedürf tigen Kinde, erscheint und die Frag« nach der Dame des Hauses wird etwas unsicher bejaht. Eilige Schritte wcrdcn über unserem Haupte hörbar, nervöse Stoßseufzer und raffelnde Schubfächer kündigen di« rasche Vervollständigung der Toilett« an. Einige sehnsüchtig nach dcn Knopf partnern hinüberfchiclcndc Knopflöcher, ein neugieriges Zopfende, vorwitzige Puderspurcn im holden Antlitz lassen uns die Hast unangenehm nachempfin den und strafen die von Liebenswürdig keit überströmende Bewillkommnung Lügen. Wir fühlen das gerade Gegen thcil von dem, was uns versichert wird, und seicn cS nun Schneiderinnen ode» gesellschaftliche Vorbereitungen, welch« die Dame gerade heute so jehr beschäf tigten, wir fühlen, daß wir seh» unwill kommen, durchaus überflüssig sind. Zerronnen ist unsere Hoffnung auf ein angenehmes Plauderstündchen, de, Wunsch nach einem freundschaftlichen, anregenden Gedankenaustausch hat sich nicht verwirklicht, und verstimmt, ja fast schmerzlich berührt, verlassen wir das HanS der uns vielleicht lieben Freundin mit dem festen Vorsatz, es außer an officiellen, spiegelblanken, hocheleganten EmpfangStagen so schnell nicht wieder zu betreten. Unwillkürlich denken wir über den Fall nach und fra gen uns, woran liegt die Schuld, daß unsere moderne Gastfreundschaft an be stimmte Tage gebunden, in bestimmte Stunden hineingezwängt werden muß. Ist cs blos Mangel oder liegt es in dcn Verhältnissen, die ein Schein leben, eine glänzende, nur an gewissen kurzen Empfangsmomenten vorgesteckte Maske bedingen, gegen welche das nüch terne Alltagsgesicht so furchtbar reizlos absticht? Von all' zenen Damen, welche die Vortheile und Lichtseiten der mo dernen „Jour-Gastfreundschaft" besser zu schätzen wissen, wie ich alte Groß mutter, würden wir eine solche Beleh rung dankbar annehmen. Piraten nnd Räuber in »lsrika und Asien. Seit mehr als zwei Jahrtausenden waren die Räuber und.Piratenhorden der nordasrikaiiischen Kaste die Geißel und der Schrecken der Mittelineer- Schifffahrt. Roms Seemacht konnte sich erst zur Blüthe entfalten, als end lich in dcn Punischcn Kriegen-Scipi? Africanus die alte Phönizierstadt Kar thago, die furchtbare Rivalin Roms um die Mittelmeer-Herrschaft, dem grausa men, aber weisen Rathe des alten Eato gehorchend, von Grund aus zerstörte und ihre Seemacht auf immer vernich tete. Die Nachkommen gründeten neue Kolonien, weitab von der Trümmer stätte an der westlichen Küste, aber stctZ noch unter dem Schutze des mächtigen GebirtMialles, der das Gebiet des heu tigen Algier und Marokko von dem glühend heißen Tiefbecken der Sahara wüste trennt. Ein neues Reich entstand, Maure tanien, gleichfalls feindlich gegen Rom gesinnt, bis endlich nach langen und blutigen Kämpfen sein letzter ehrgeiziger KönigJugnrtha gefangen und von den Schergen Ciceros in dem alten Könige» kerket Roms erdrosselt wurde. Doch der ungebäudigte Freiheitsdrang und der Haß gegen Fremdherrschaft über lebte ihn. Dann kam die Völkerwan derung. Unter König Gciferich fetzten sich die Vaudalen, einer der kräftigsten und gesürchtetsten teutonischen Stämme, aus den Trümmern des alten Karthaga sest und gründeten eine neue Herrschaft. Spurlos sind sie verschwunden. Zwei fellos sind sie durch Vermischung mil den einheimischen Stämmen in diesen völlig aufgegangen. TinregZ der Wüste. In den heutigen Bewohnern der un zugänglichen Gebirgsthäler des Kleinen und Hohen Atlas, den Berbern, glaubt man das Product dieser zahlreiche» Völlermischung wiederzuerkennen. Von ihren Urvätern, den phönizischen kar thagern, haben sie die Liebe zu See fahrten und Abenteuern ererbt; von den römischen Veteranen, die auf den alten Stätten der besiegten Punicr an gesiedelt wurden, von den vandalifchen Kriegern wnrde ihnen das Erbtheil der Unerfchrockenheit und Tapferkeit. Das germanische Blut zeigt sich auch in der «uffallend weißen Hautfarbe und dem Blondhaar, ja, die Gewohnheit de, Berbern, zerstreut in einzelnen Dörfern unter unabhängigen ScheikS zu woh nen, mahnt auffallend an die alte Gau verfassung der Germanen, von der Ta citus'berichtet. Dem Islam schloffen sie sich merk würdiger Wcisc ohne Widerstreben an, obwohl ihr Gottesdienst noch heute eigenthümlichcZügc ausweist, dic aus fer ner vorinohammedanischer Vergangen heit stammen. Unähirlich dem Araber, welchcr das Gebot der Gastfreundschaft über alles heilig hält und selbst dem Feind, der Obdach begehrt, niemals das einmal gegebene Wort bricht, ist der Berber treulos und hinterlistig, getreu den Traditionen der alteu Punicr; „punische Treue" war bei dcn Römern sprichwörtlich in ironischem Sinne und gleichbedeutend mit Falschheit und Wortbrüchigkeit. Wegen ihrer Grausamkeit, Treulosig keit und räuberischen Gesinnung bieten die Berberstämme dem Forscher nnd Reisenden unüberwindliche S».,.Gierig keiten. Doch gelang es dem deutschcn Forscher Dr. Lenz, i, I 1379 in der gelungenen Verkleidung eines türlischcn Kausmannes, wichtige Beobachtungen über ihre Lebensweise, Sitten und Ge bräuche zu sammeln. Auch der Fran zose de Foucauld, der Engländer Wal ter B. Harris waren i d. I. 1883 und 1883 so glücklich, unerkannt unter ihnen zu verweilen, ohne Verdacht zu erregen und später durch werthvolle Beschrei bungen unsere Völkerkunde zu berei chern. Wahrend die Berbern der Küstenlän der meist Secräubereien betreiben, wid men sich ihre Vettern, die berüchtigten Tuaregs, dein RäuberHandwerk, zn Lande, indem sie die Karawanen der vahara - Wüste , brandschatzen. Ein schöner krästigcr Menschenschlag, zeigen sie überall da, wo sie sich nicht mit Ne zern vermischt haben, rein kaukasische Züge. Hand in Hand mit ihrer Beute 'zier geht ihre Mordlust. Die hollän , »ische Reisende Frl. Alexine Tinns ist ihnen in neuester Zeit zum Opfer ge fallen. Hinrichtung -ine? Piraten. Die Franzosen sind eifrig bemüht, »ein Räuberunwesen an der Küstc so wohl als im Innern von Marokko zu steuern, indem sie den Berbern und TuaregS iu ihren befestigten Felsen aestern beiznkommen suchen. Einen ebenso schweren Stand haben die Fran zosen in Tynkin gegen die dortigen Piraten. Tönkin ist die wahre Hei math der chinesischen Seeräuber, welche Zie asiatischen Gewässer auf viele hun dert Meilen unsicher machen. Doch nicht allein auf Raub und Plünderung haben es diese Piraten abgesehen. Sic schleppen auch die Frauen und Kinder ser Küstenbewohner mit sich in die Sklaverei. Oft genug hat die chinesi sche Regierung Razzias in großem Um hange gegen die Piratendörfcr veran staltet und mit den gefangenen Uebel- Tätern kurzen Proceß gemacht, indem man Hunderte mit dem Schwert hin richtete. Doch schien das Uebel unaus rottbar, wie die Köpfe der Hydra. Vielleicht haben die Franzosen mehr Erfolg. Lebensweisheit. Willst du die Menschen verbessern, lobe an ihnen Die Tugenden, dis sie nicht haben; Willst ihre Achtung du erringen, so lobe An ihnen ihre Geistesgaben. Doch willst du ihr Vertrauen erzwingen, Mußt du das Lob ihrer Schwächen sin gen! ' ' Offen. — »... .Nun bist Du ja ein glücklicher Ehemann und hast Dein eigenes Heim!.... Wie kommt Dir s denn so vor?" „Etwas un heimlich!" Gut Wort besser als Widwort. Dt« unverwnnddarrett der Faktr«. Ueber das Geheimniß dcr „Unvcr wundbarkcit oer Fakirc" bringt das Agramcr Tageblatt aus dcr Fcder des SchuldireetorS Dr. I. Koch in Petrinja (Kroatien) lehrreiche Enthüllungen, wclchc für alle Leser von Interesse sind. Herr Dr. Koch war srüher Director des Gymnasiums iu Sarajewo und bereitet« als solcher untcr dem Protectorate des Herzogs Wilhelm von Württemberg ein Maifest für die Schuljugend vor, bei welchem noch eine kleine Theatervorstel lung stattfand. Bei dieser Gelegenheit gab ein sechzehn Jahre alter Schüler, Namens Leon Lewi, cin sogc». „Spa> niola"-Falirkunststück zum Besten, nach, dem cr vorher vor dem Director Proben seiner Kunst abgelegt hatte. Uebei diese Probevorstcilung berichtet Heri Dr. Koch nun wie folgt: „Leon Lewi zog eine größere Anzahl von Nadeln aus der Tasche, die unseren dickeren Stecknadeln nicht unähnlich waren, einige dieser Nadeln hatten an dem eincn Ende eine Oese. Kaum, daß ich die blanken Nadeln näher be sichtigen konnte, hatte Lewi eine dersel ben schon ergriffen und durch dieWaug« gestochen, so daß das eine Ende aus dem Munde herauZragte. Gleich daraus nahm cr cinc zweite Nadel und stach mit ihr auch die zweite Wang« durch und heftete flink auf die Oefen der Nadeln zwei kleine Glocken an, welche cr mit dcm Kopfe schüttette. Ich schaute verblüfft drcin nnd fragte ihn nur, ob ihm däs nicht wehe thue, denn ich sah deutlich, daß dic Nadeln wirklich durch die Wangen gingen. Lewi antwortete mir mit einem Lä cheln und schüttelte verneinend den Kops, wobei die Glocken abermals ertönten und ich noch mehr verwundert war, da ich mich aus dem Lächeln dcS Knaben überzeugte, daß die Sache ihm wirklich nicht wehe that. Gleich darauf ergriss Lewi cinc größere Nadel und stach si< übcr dem Kehlkopfe durch die Haut. Da konnte ich mich nicht enthalten, zu fragen, wieso es komme, daß kein Blul fließe? „O, entgegnete mein Zanberer, wollen Sie,dal; Blut fließe? Gut. Uud er ergriff die Nadel, zog sie hin und hei nnd richtig, veritables Blut bespritzt« den Hals und die Hände. Nun zog Lewi den Rock aus, stülpte die Aermcl anf nnd nach einigen Augenblicken hatt« er beide Arme mitNadcln bcspickt.welch« zwci bis drei Eentimctcr lang und an derthalb bis cin Eentimctcr tief quer durch die Haut und das Fleisch gingen. Ich faßte mit eigenen Händen die Na del» an und bewegte sie in dem Fleische hin und her nnd überzeugte mich, daß dem Knaben die Prozedur thatsächlich nicht den geringsten Schmerz verur sachte. Darauf nahm Lewt noch eine Nadel, die cinen Griff hatte, zog mit der eine» Hand die Znnge heraus, stach sie durch und drehte die Nadel herum, so daß die Zunge wie eine Schraube aussah. Hicrauf zog der Knabe die Nadeln aus dem Fleische heraus und bat mich um eine Eigarrettc. Als ich ihm eine solche gereicht und cr sie angezündet hatte, zog er den Ranch cin, schloß den Mund, hielt sich dic Nase zu und blies die Wan gen auf. Und siehe, der Rauch ent strömte durch die Wangen, an den Stellen, wo früher die Nadeln steckten, in langen Strömen. Bevor ich den Knaben entließ, bat ich ihn, mir doch erklären zu wollen, wie er das mache. Und darauf erzählte Lewi mir ganz offenherzig Folgendes: „Mein Vater war „LKim", d. Arzt. Als er starb, war ich drei Jahre, mein Bruder fünfzehn Jahre alt. Als mein Vater sah,' daß er nicht mehr lange le ben werde, und wir dann dem größten Elende anheimfallen würden, da cr kein Vermögen hatte, ließ er den Bruder (Leistenmacher) werden, mir abcr wollte cr ctwas vermachen, was mich, wcnn ich herangewachsen sein würde, cruahrcu sollte. Zu diesem Zwecke stach cr mir nacheinander mit einer silbernen Nadel die Wangen, den Hals, die Zunge nnd die Arme an meh reren Stellen durch und führte in die Löcher Seidcnfädcn ein, so wie man dies beim Ohrenstechcn zu machen pflegt. Die Fäden wurden jeden Tag hin und her gezogen, die Wunden gesalbt, bis sie verheilten und überall cin Loch zurückblieb. War cin Loch vcrhcilt, stach er ein zweites, drittes n. f. w. Vor dem Todc trug cr meinem Bruder äuf, von Zeit zu Zeit Nadeln durch di« Löcher zu stecken, damit sie nicht ver wüchsen. nnd zuletzt mußte ich das selbst üben, bis ich darin eine solche Fertigkeil erlangt hatte, daß ich, ohne viel zu pro bircn, mit den Nadeln in die Löcher traf. Wenn Oesterreich nicht okknpirk hätte, und ich nicht' ins Gymnasium aufgenommen worden wäre (der Junge war sehr aufgeweckl und scharfdenkcnd), hätte mich mein Bruder schon an cinen Circusinhabci'i» Kvnstantiiiopel angebracht, wo ich nach kurzer Ausbildung mein sicheres Brod gehabt hätte". Jetzt war mir AllcS klar. Es wcn keine Zauberei, sondern einfach das, was wir bei unseren Frauen täglich be obachten können, wenn sie Ohrringe in die Ohrläppchen stecken. In Betreff des Blutvergießens zog mein Leon zur Erklärung auch dieses „WundcrS" ein kleines, längliches Säckchen, ähnlich ei ner kleinen Wurst, hervor; dieses, aus einem Stückchen Dünndarm eincs Schafes gefertigte Würstchen war mit Ochsenblut gefüllt und hatte einige Stecknadellöchcr. Das hielt Lewi in der Hand versteckt und als ich Blut ver langte, gab er Blut, indem cr die Wurst drückte. Nun war mir die ganze „Zau berei" klar. Das ist in der That eine sehr an. nehmbarc Exklärung für die „Unver wundbarkeit des FakirS und diese Er klärung deckt sich auch noch mit de« Beobachtungen, welche an dem im Ber liner Panovtikum aufgetretenen „Ja- Nr" gemacht worden sind. An de? Stellen, an welchen dieser Wunder mann sich durchbohrte, sind bekanntlich knoplichc Verdichtungen wahrgenom men worden, welche eben die „Bohr löcher" enthielten, die der „Fakir" zu verschmieren pflegte, um sie zu ver decken. Nachwirtuug. Dem Studiosus Bummel haben sie neulich, als ihm bei der Pauterci dic Nase so vcrlMieii worden ist, Blutegel angesetzt; die Ludersch sind aber alle abgefallen, weil sie gleich besoffen wurden! Wie man den Schneider corrigirt. „Prosit, Herr Doctor!" „Aber, Herr Gerichtsrath, das ist jetzt schon die sechste Maß! Früher haben Sie doch nie mehr als drei getrunken!" „Ja, wissen Sie, der verfluchte Schneider hat mir meinen neuen Anzug zu weit ge macht. und da sauf' ich jetzt die Fallen 'raus!" Wie man Häuser stiehlt. Zu tHii zum Stehlen besonders geeig neten Gegenständen pflegte man Hänser bisher nicht gerade zu rechnn, doch scheint das jctzt in Paris andcrs wcrdcn zu sollen, da im Zeitraum von ctwa zwei Wochen zwci Häuser nach allen Regeln der Kunst gestohlen worden sind. Der erste Fall kam im Stadtrath zur Sprache und erregte nicht geringes Er staunen. Einer der Stadtväter stellte nämlich dic Fragc, was aus cincm Hause geworden wäre, das sich auf ei -sem kürzlich von der Stadt angekauftcn Äelände befunden habe. Die Baube hörde schüttelte erheblich den Kops nnd »klärte, daß i>r von dem Abhanden kommen bcsagleii Hauses nichts bekannt sei, mußte aber.in einer zweiten Sik >ung zugeben, daß die Sache ihre Rich tigkeit habe. Nach Ankauf des in Rede stehenden Grundstückes habe man dem Miether gekündigt, und dieser, der ne benan ein anderes Grundstück besaß, sei nun nicht nur mit seinen Sachen auf dieses übergesiedelt, sondern habe auch langsam das Haus abgetragen und auf seinem Grundstück wieder auf gerichtet. Er habe das so allmälig und lang sam gemacht, daß es Niemandem aufge fallen sei und das Unglück sei auch nicht groß, da das HauS doch zum Abbruch bestimmt war und die Abbruchskosten jedenfalls den Erlös aus den Materia lien übersteigen würden. Der Stadt rath wunderte sich zwar sehr, daß ein städtisches Gebäude so ohne Wissen der Verwaltung verschwinden könnte, nahm aber dic Sache humoristisch auf und ver zichtete auf eine Verfolgung des Häu scrdicbcS, der ja eigcntluch durch kosten lose Abtragung des Hauses der Stadt einen finanziellen Vortheil zugewendet habe. Der andere Fall ist nach der „Köln, Zeitung" Verfolgende: Ein Herr hatte begonnen, sich auf dem Montmartre ein Haus zu bauen, zu dem wegen schlechten Untergrundes große massive Steinquadern benutzt werden mußten. Nachdem das Haus zu einem Viertel beendet war. mußte der Erbauer aber wegen Mangel» an Geld den Bau un terbrechen. Als er nun einige Zeit da rauf ihn wieder aufnehmen wollte und sich seinen Neubau ans«h. fand cr zu seincm Entsetzen, daß derselbe verschwunden war. Die Anwohner erzählten, daß Maurer gekommen seien, die ruhig am hellen, tichtcn Tage den Ban abgetragen und die Quadern fortgefal'.ei hätten« Im Glauben, daß sie im Austrage des Eigenthümers handelten, habe Niemand daran gedacht, sie in ihrer Arbeit zu stören. Nun kann der Eigenthümer, ein Schnster, seinen« Hause nachlaufen! Ein Gegen stück hierzu bietet folgende Geschichte: Auf einem öffentlichen Platze im Osten der Stadt richteten vor einigen Monaten Arbiter einen großen Mast bäum auf, der mit Fahnen und Flag gen reich geschmückt wurde. Dieser Mastbaum blieb ruhig stehen, und mit der Zeit, als dic Flaggen unter den Unbilden der Witterung verblaßten, fragten sich die Anwohner, was dieser Mast wohl zu bedeuten haben könne. Auch die Polizei nahm sich der Sache an, aber alles Bemühen war vergeblich, denn es gelang nicht', den Eigenthümer des Mastes zu ermitteln, und es konnte auch nicht festgestellt werden, zu wel chem Zwecke er wohl errichtet worden war. Schließlich blieb der Polizei nichts anderes übrig, als ihn auf ihre hosten entfernen zu lassen. ReligiSse Vmpstndungen tn Rußland. Wclchc Rohheit des religiösen Em pfindens untcr dem russischen Volke herrscht, tritt bei dcn Gerichtsverhand lungen fast täglich an's Licht. Im Kijcw'schen Gouvernement stand ein Bauer wegen einer Schlägerei mit tödtlichcm Ausgange vor dcn Geschwo renen. Sein Gegner hatte behauptet, der Herrgott sei doch noch größer und mächtiger, als der heilige Nikolaus, der russische Hanpthciligc. Wüthend dar über, stürzte der Andere sich auf ihn. denn der heilige Nikolaus war sciu Schutzpatron, nnd mit dem Tone lci dcnschastlichcr Ueberzeugung versicherte er, eine solche Beleidigung seines Heili gen nicht haben dulden zn können. Bei einer anderen Verhandlung im Westge biet hatte cin Baner falsches Zeugniß abgelegt. Vom Richter zur Rede ge stellt, entschuldigte er sich damit, daß cr kS für eincn Gcvattcr gethan habe, der ihm eine gute Bewirthüng zu Theil werden ließ. Natürlich wurde dem Manne vorgehalten, daß feine Hand lungsweise um so verwerflicher sei, da er gegen Bestechung, meineidig geworden. „Ach." bemerkte er gegen diese im Munde eines russischen Beamten aller dings ctwas bedenkliche Erklärung, „der Herrgott selber nimmt „Wie kannst Tn eine solche Gottes lästerung wagen?" „Ja," antwor tete der Biedermann, „wenn ich mei nem Nachbar Iwan Trosimitsch ein Schwein gestohlen habe, so stelle ich wieder in der Kirche ein Wachslicht auf und gebe so dem Herrgott feinen An theil, er still." Am bezeichnendsten ist aber ein kürz lich beim Bezirksgericht in Riga vorge kommener Fall, bei dem es sich nm die russische Geistlichkeit handelt. In ei nem der beständigen Anklageprocesse gegen evangelische Prediger wurde cin alter csthniicher Bauer als Zeuge vor geführt. Nach seiner Religion befragt, gab er an. es nicht zu wissen, welchcr er eigentlich angehöre. Zu Anfang der vierziger Jahre, alz eine der jetzigen ähnliche HungerSnoth den Nordwesten Rußlands hcinisuchtc, ließen die Behörden unter dem livländi schen Landvolk das Gerücht verbreiten, für den Uebertritt zur griechischen Kirche würde es vom Kaiser Brot bekc.mmen. Diese Mittheilung hatte den gewünschten Erfolg, und zahlreiche Popen durch streiften das Land, um die durch den Hunger willig Gemachten in den Schooß der „herrschenden" Kirche aufzunehmen. Ein Pope kam auch auf das Gehöft, in dem unser Bauer, damals noch ein Knabe, lebte, firmelte die Bewohner nach russischem Ritus durch cin auf Brust'und Stirn, mit dem Salböl ge machtes Kreuz und kam endlich auch zu dem Jungen. Der abcr kroch unterS Bctt und von dort, durch Schläge her vorgctricbcn, in den Backofen. Der Popc, ungeduldig geworden, packle den Knaben an den Beinen, die Höslein gaben nach und ließen das Fleisch sei nes rundesten Körpertheils sehen. Kurz entschlossen tauchte der würdige Prie ster seinen Finger im Salböl und machte das Kreuzeszeichen auf jene Stelle mit den Worten: „i tak olioros elio!" —cs ist auch so schon gut. Als der Alto diese Geschichte dem Gerichts hof zum Besten gab, entstand cin be denkliches Schütteln des Kopfes in solchen, wie den vorigen Fällen muß dann die Sache dem Gutachten der geistlichen Behörden unterbreitet wer ben. Leider ist cs uns nicht gelungen, den Ausgang dieser Sache zu erfahren. Ja dann! Tochter: „Aber, Papa, was hast Du nur gegen Edgar?" Vater: „Er spielt Skat!" Tochter: „Aber, lieber Papa, das thust Du ja auch!"- Vater: „Aber cr gewinnt!" eingeleitet. „Schauen Sie, Marie, den Spiegel hab' ich zerschlagen!.... Nun hab' ich sieben Jahre kein Glück!" „O mein, gnä' Frau, wegen so 'n kleinen Spiegel!,, , ,WaS soll dann Ich sagen? Ich hab' g'rad' den großen Spiegel im Salon eing'estoß'n!" Aneiserung. „LiebcrMann, Du solltes Dein schriststelleriiches Ta lent nicht so brach liegen lassen!» Sieh' nur Deine Eollegen an die haben bereits allen ihren Frauen eineSommer wohnung erdichtet!" EineDummheit gut ma, chcn wollen, heißt sie unterstreichen. ! A Modebetracliting vom alta Schtaudamoier. Cchtammt d'r-Mensch vom Affa hear? Fascht gar kö't mci's glauba. Guck iio uns'rc Weibsleut'a', . D' Kinder, und wia oft au' d' Ma', Kurz, guck na no wo ?a Witt' Alles macht halt d' Mode mit.' Jetzt wenn oi'S a Glotza kriagt, Des ka' jo passira. Wenn des au'net schea ischt grad, Jsch doch besj'r als ma hat, Wia jetzt d' Weilisleitt, Jerumle! Uf am Grent an Weltsjuhe. Ischt oi's eckig. 'S sel ischt wiiascht, Neam»ds wird des b'schtreita; Doch jetzt thuat ma Müah sc gea', Was 'icacht wüascht, hoißt ma jetzt schea', Hanhe Achsla, lange Köpf, 'S fehlat jetzat no noh d' Kröpf. Guck an', hoißt's äls, dui ischt schlank, Hundertmol ka'sch haira. Aber guck d'rs Weibsbild a'. Was no an deam Scherba dra', Falsch isch's Herz und falsch d'r Leib, Prosit Mahlzeit zua deam Weib. Jetzt des G'fchlamp voll's und de? G'fchlepp, Moi', des g'schtand i offa, G'fällt m'r gar net, wan kommt'Z hear? Des z' verrothe, fällt net schmear, Dea' Fuß dear reacht net und klei', Wicklat ma in d' Schlepp net nei'. So sind d' Weibsleut, donder au', Ka's no anderscht komma, Als das; d' Kinder, dia he haut, Gradwcags als wia d' Affa gaut, O wia oft fehlt ner d'rzua, Als a Savoyardabua. Von de Buabe no net reif, Ja. was soll e faga; Dear net nach d'r Mode gaht, Net äll'weil vor m Schpiag'l fchtaht, Ischt koi' Gigerl obanaus, Doch domit isch rum und aus. D' Maua, o du liaber Gott! Sind toi' Härle besser; Denn, sind d' Weiber d' Ma' im HauZ, Ischt au' alles rum und aus. Und se sind's von jehear g'wea', Därscht no nach de Mod'na seah. Schtammt d'r Mensch vom Affa hear? Muasz ma währte Frau ga; Wenn ma noch d'r Mode guckt, Ischt beim Dond'r äll'S verruckt, Denn guck no an' wo da Witt, Wo a O'sinn, macht ma mit. ?robstum e,t. Studiosus Süffel kehrt spät AbcndZ vom Wirthshaus heim, findet das HauS fcbsn geschlossen und sucht, da er den Schlüssel vergessen, durch Klopsen an der Hausthür und den Fensterläden die Bewohner des Hauses auf seine miß liche Lage aufmerksam zu machen. Aber vergebens. Durch den Lärm wird ein Nachtwächter herbeigerufen, welcher Ruhe gebietet und schließlich mit Verhaftung droht. Süffel schleicht da von, tief bekümmert darüber, wohin er sein müdes Haupt zur Ruhe legen soll. Sein Weg führt ihn an dem Post- und Telcgraphenqebäude vorbei, und als er die hell erleuchteten Fenster sieht da kommt auch ihm ein leuchtender Ge danke. Rasch tritt er vor den Schalter und. gibt, nach Zahl der gesetzlichen Gebühren, eine Depesche an den Stu diosus Süffel auf, durch welche cr dem selben m.tth.ilt, cr werde ihn morgen be suchen. Dann eilt er in die Nähe seines Hau ses zurück und hat sehr bald die Genug thuung, den Telegraphenboten ankom men zu sehen. Derselbe klopft an dem Hause: der Nachtwächter kommt hinzu, wird belehrt, daß es sich um wichtige Angelegenheiten handle und hilft min selbst den nöthigen Lärm machen, bis endlich die Hausbewohner aus ihrer Ruhe geweckt werden und das Haus öffnen. Während nun der Bote die Treppe bis zum vierten Stockwerke, wo Herr Süffel wohnen soll, erklimmt, kommt Letzterer ganz gemüthlich durch die offene Hausthüre herein, stellt sich schr erstaunt, als ihm gesagt wird, oben erwarte >ihn eine D?pcsche, .nimmt die selbe dem Uebcrbringcr ab und legt sich, vergnügt über den bevorstehenden Be such, zu Bett. Zum Kapitel der ab sonderlichen Grabschriften liefert Cham ber Journal einige Beiträge. Auf :inem französischen Friedhofe findet sich Folgendes; „Dem dauernden Andenken von Mary Ferr. Das Gitter um diese Ruhestätte hat der schwer geprüfte Gatte. Pierre Ferry, Schmicdemcister, gearbeitet, der alle ähnlichen Aufträge prompt und billig besorgen Kecker noch macht sich die Reklame in einer amerikanischen Grabschrift breit, welche lautet: „Dieser Stein wurde >um Andenken an Thomas Lang, ver storben den 13. Juli 188 t), errichtet von feinem Sohne Ulysses G. Lang, der sein Geschäft jetzt mit gleicher Ener gie weitcrtrcibt in den Bonanza-Cyklo pen-Laden, Bond-Street, man sehe die Anzeigen in den Tagesblättern.'' Ein noch findigerer Amerikaner leistete sich einen Grabstein, auf dem zu lesen ist: „Hier wird dereinst Herr.JameS Jones liegen; gegenwärtig lebt cr noch nnd betreibt sein Schuhwaarcngcschäft in No. ISO Franklinstrcet." Und un ' gewollt ist die Wirkung der Inschrift, die auf dem Grabstein eines von seinem Diener ermordeten Missionärs prangt: „Geweiht dem Andenken Sr. Ehrwür den R. Smith, Missionärs, der von seinem Tschokadar ermordet wurde. Wohlgethan, Tu srommer und getreuer Knecht!" ! Der Kopf soll der Blitz, ableiter des L»r>e>iS ieta.