Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 24, 1892, Page 6, Image 5

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    6 Die Grbschast.
Es war Abend. In dem Hose des
Haus-und Mühlenbesitzers T in
der Vorstadt hielt soeben ein Fracht
wagen. leer und mit einem schweren
Segeltuch überspannt. Mühsam sprang
der Knecht von seinem Sitze herab,
spannte die Pferde aus und schickte sich
an, das Tuch von dem Wagen zu zie
hen. als er mit einem Male verdrossen
ausrief:
Da liegt er im Wagen!
Wer? fragte die draußen stehende
Magd.
Laß deine Neugier. Hanne, gab er
zur Antwort, und hole lieberden Herrn
heraus, er mag selbst sehe», was zu
thu» ist.
Wenige Augenblicke später standen
sechs Hauslente, Männer und Frauen
vor dem Wagen.
Da drinnen liegt er! wiederholte der
Knecht.
Wer? wer? fragten die Umstehen
den. Jemand brachte ei» Kerzenlicht,
und nun drängten sich alle an d.n Wa
gen heran.
Doch entsetzt wichen die Frauen zu
rück, denn o Schrecken! im Wogen
lag ein unbekannter alter Mann mit
eingefallene., und geschlossenen Augen,
zusainmc»gcka»crt uud regungslos.
Der Arme! Er ist ja krank und liegt
im Sterben! bedauerte eine Frau.
Ja freilich, murrte der Knecht.
Wo hast du ihn aufgegabelt, Jo
seph? fragte der Hausherr.
Ein Windstoß löschte das Licht und
alle wiche» nun scheu vor dem gespen
stige» Wagen zur Seite.
Der Knecht erzählte. Er habe auf
seinem Rückwege den unbekannten
kränklichen Manu an dem Straßengra
ben liege» sehen, »nd dieser hatte ihn
gebeten, ihn in die Stadt mitzunehmen,
da er sich krank fühle und nicht mehr
im stände fei, zu gehen. So habe ich
mich des armen Menschen erbarmt nnd
ih» mitgenommen, schloß er seine Er
zählung.
Den anwesenden Franc» fuhr ein
kalter Schüttelfrost über den Rücken.
Aber was jetzt mit ihm machen?
fragten alle.
Inzwischen wurde abermals Licht an
gezündet.
Das ist freilich sehr bös, jetzt um
diese Zeit! meinte der HauSeigenthü
mer, ein kleiner, untersetzter Mann.
Ins Spital ist es zu weit, und die Zeit
auch schon zu vorgerückt, als daß mau
sich da jetzt incommodiren 5011te....
meines Erachtens bleibt nichts übrig,
als damit bis zum Morgen zu warten
und dann der Polizei Mittheilung zu
machen, «ie, Frau Schumann! wandte
er sich an die Hausmeisterin, Sie haben
ja die Kammer leer, er mag dort die
Nacht über bleiben.
Frau Schumann erblaßte über die
sen Auftrag.
Der fremde unbekannte Mann wurde
aus deni Wagen gezogen und im be
wußtlosen Zustande vielleicht war er
todt sür die heutige Nacht iu besag
ter Kammer untergebracht. woselbst er
auf einem Bund Stroh ausgestreckt
ruhte.
Es war 11 Uhr.
Vor Angst, gleichzeitig aber auch von
Neugiede geplagt und getrieben, verließ
die verwittwete Frau Schumann halb
angezogen ihr Bett, zündete die Lampe
an uud machte sich durch die Küche in
die anstoßende Kammer, worin der todte
Fremdling lag.
Noch immer schwebte ihr der Moment
vor den Augen, wie sie den alten Mann
aus dem Wagen hoben und in die Kam
mer hinein trugen, wobei ihm die
Hände uud Füße so schlaff herabsanken
wie einem Todten, und wie er dann re
gnngs- uud athemlos liegen blieb wie
ein Stück Holz. Wer doch dieser Aermste
nur war? Ist er wirklich todt oder
nur in Ohnmacht?
Leise össne'e sie die Kammerthllr.
Ein feuchter, kalter Lufthauch strich ihr
plötzlich über die Stirn. Sie schauerte.
Krampshast preßte sie die Lampe in
ihrer Hand und blieb wie angenagelt
an der Thürschmelle stehen. Sie leuch
tete in die Finsterniß hinein. Ja,
dort lag er, unbeweglich nnd steif, und
gelb wie eine Leiche. Ein
Anblick! Bei der lebendigen Einbil
dungskraft und der ungewöhnlichen
Spannung ihrer Nerven spijrte sie
einen sonderbaren Leichengeruch her
aus.
D,is ist uumöglich! dachte sie sich
das kommt mir nur so vor, weil ich
mich sürchte! und plötzlich wurde sie
von einer solchen Angst ergriffen, daß
sie schon nahe daran war, aufzuschreien
und davon zu laufen. Doch faßte sie
von neuem Muth. Die Neugierde war
wieder erwacht. Sie stellte die Lampe
auf einen Stnhl neben der Thür
denn man mußte vorsichtig sein. Es
war ja nicht unmöglich, daß der ver
mummte Kranke ein verstellter Räuber
war, der darauf ausging, sie zu täu
schen, ihr dann das Licht aus der Hand
zu schlagen nnd sie in der Finsterniß
der Nacht zn erdrosseln! Sie sah schär
fer hin, aber der Fremde rührte sich
nicht, gab kein Lebenszeichen von sich.
Die hagere Nase warf einen lange»,
unförmlichen Schatten über sein blei
ches Gesicht, sodaß es nicht möglich war,
seine Gesichtszüge deutlich zu erkennen.
Ob er noch athmet? dachte sie. Nein,
er athmet nicht, war kalt, also wirklich
todt.... eS lag also nur eine Leiche vor
ihr. Jetzt wich die Furcht. Die Tod
ten morden nicht! Keine Gefahr also.
Sie befühlte ihm die Brust, um die
ganze Ueberzeugung von seinem Tode
zu gewinnen. Als sie mit ihren Hän
den da so nmhcrtappte, fühlte sie unter
seinem Rocke einen harten Gegenstand
heraus. Vou unsagbarer Neugierde
getrieben, hielt sie jetzt einen Augen
blick inne nnd überlegte. Jetzt setzte
sich ihre Haud abermals in Bewegung,
der harte Gegenstand auf der Brust
unter dem Rocke fiel ihr abermals ein
nnd reizte sie mit doppelter Macht.
Sie wollte sich Gewißheit verschaffen.
mußte sich überzeugen, und sie that eS
auch. Behutsam knöpfte sie den Rock
der Leiche auf, das grobe Leinwand
hemd kam darunter zum Vorschein.
Ihre Finger berührten die kalte Brust;
jetzt ein ganz leichter Griff, und aus
einer inwendigen Seitentasche zog ihre
Hand einen schweren Beutel hervor.
Metall, dumpfer Goldklang klirrte aus
dem Beutel heraus, dazwischen ein
Rauschen wie von Papier.
Das ist Geld! flog es ihr durch den
Kopf. Gold und Banknoten! Ueber
rafchung, Angst, habsüchtige Leiden
schaft, Empfindung, die sie zuvor nie
mals gekannt, erfüllten plötzlich ihr
Inneres, und dem war eine mächtige
Versuchung gefolgt. Er brauchte es
ja nicht mehr! war ihr erster Gedanke,
und das Blut begann in ihren Schläfen
mächtig zu hämmern. Hastig knöpft«
sie den Rock abermals zu. ergriff die
Lampe und eilte, am ganzen Leibe zit
ternd, aus der schaurigen Kammer hin
aus. die Thür hinter sich zuschlagend.
In der Küche versteckte sie den Beutel
in die Asche unter den Herd, schlich in
ihr Zimmer, löschte das Licht aus und
legte sich zu Bett.
Aber ihre Aufregung war zu groß,
die Dunkelheit ängstigte sie, beständig
schwebte ihr das wachsgelbe Gesicht des
alten Fremdlings vor Äugen, die her
vorstehende Nase mit dem langen,
schwarzen Schatten über das Gesicht.
In Schweiß gebadet, von Angst über
wältigt, suchte sie umsonst de» Schlaf.
Wiedcr stand sie auf und machte aber
mals Licht. Unablässig währte der
Kampf in ihrer Brust: sollte sie dcn
Raub zurückstellen oder nicht? Nur
zurück damit, trag es zurück! forderte
eine innere Stimme sie auf. Zurück
tragen, zu ihm! Dieser Gedanke war
schrecklich. Ich will bis zum Morgen
warten... .dann gebe ich eS zurück;
jetzt, in der Nachi ein zweitesmal zu
ihm, nein, nicht um die Welt!
Aber die abscheulichsten Gespenster
marterten ohne Unterlaß ihr aufgereg
tes Gehirn. Am nächsten Morgen hatt:
sich die Gerichtscommission eingefunden
und stand allein in der Kammer.
Typhus...., sagte der Arzt, alle
Merkmale sprechen dafür.
Man knöpfte der Leiche den Rock aus,
um nach etwaigen Schriftstücken zu for
schen. In dem Rockfutter faud man
«in Notizbüchlein. Es bestand aus
wenige» Blätter», abgenutzt und
schmutzig. Der Beamte blätterte da
rin. Plötzlich wurde er stutzig, sein
Auge nahm einen fragenden Ausdruck
an und blieb an dem Todten in dcn
alten herabgekommenen Kleidern haf
ten. Hierauf schüttelte er bedenklich'
den Kops und winkte bedeutungsvoll
dem Arzte.
Was sagen Sie dazu, Herr Doctor?
Dieser Bettler hat viertausend Dollars
bei sich !
Nicht möglich! was Sie sagen!
staunte ungläubig der Arzt.
Es ist wirklich 50...., hier hat er sie
eingetragen; gewiß war er ein besonde
rer GeizhalS; sieht wie ein Bettler aus
und trägt Gold unter den Fetzen.
Der Doctor blickte in das B»ch und
fand wirklich ganze Zifferreihen vor,
große und kleine Beträge, Einzelrech
nunge», Daten und zum Schluß die
Summe: Dollars. Dabei die
'Anerkennung : „Mein Erfparniß."
Sonderbar! staunte er verwundert.
Als mau aber die Kleider des Verstor
benen untersuchte, war von Geld keine
Spur zu sinden.
Es wurden nun die sämmtlichen Zeu
gen des gestrigen Borfalls zur Berueh
mung gerufen. Ueberall wurde nach
dem verschwundenen-Gelde geforscht
umsonst, niemand konnte Ausschluß ge
ben, niemand wußte dar-uni. Auch die
alte HauSineisterin hatte sich eingestellt,
eine blasse Frau, die infolge der schlaf
los verbrachten Nacht und des ausge
standenen Schreckens ganz verstört aus
sah. Aber auch sie hatte nichts verra
then, wußte nichts denn sie verstand
sich zu beherrschen: Ich? Da möge
mich bewahren! Ich weiß gar
nichts, gar nichts war keinen Schritt
bei ihm. Woher denn auch iu der
Nacht und dazu »och zu eiuem Tod
ten! Ich müßte Wahnsinnigwerden vor
Furcht! Und erst einen Todten berüh
ren! Davor behüte mich Gott!
Die Vernehmung der Zeugen blieb
also fruchtlos. Lächelnd trat der Be
amte auf dcn Arzt zu uud sagte: War
das ein Einfall von mir! Aber wissen
Sie, Doctor, nicht selten wittert der
Mensch irgendwo ein Geheimniß her
aus und sucht dann umsonst Gold in
den Fetzen eines Bettlers. Weiß Gott,
wo er das Buch wohl herhaben mag!
Gesunde» oder gestohlen!
Ma» kehrte zu der Leiche in die Kam
mer zurück. Durch die halbgeöffnete
Thür drängten sich die Neugierigen
hinter der Eommissivn nach. Der Ver
storbene lag ausgestreckt auf dem Stroh
lager; fein gelbes Gesicht mit dein
graueu Barte und den gespenstig geöff
neten Augen sah jetzt ungemein häßlich
aus. Ali der Spitze dieser Neugieri
gen stand die alte Hausmeistcrin. In
ihrer Aufregung beobachtete sie den
Todten jetzt näher und dachte zurück an
die vergangene Nacht. Endlich blitzt
> eine Erinnerung zu ihrem Geiste auf
eine schreckliche Borstellung blitz
schnell arbeitet das Gedächtniß sie
beginnt zu zittern. Als sie so jetzt die
Gesichtszüge des Verstorbenen im Lichte
des Tages betrachtet, ruft sie plötzlich
aus: Das ist ja Schumann!
Alle blicken überrascht auf die Frau,
wie sie jetzt so ganz entsetzt dasteht.
Und nun. wenn auch mit Mühe, hatte
ihn auch der alte Obermüller erkannt.
Kein Zweifel er war es, der Rauf-
und Trunkenbold von ehemals, der ge
wesene Maschinist Schumann, der sei
nem Weibe entfloh und es mit ihren
drei Kindern in Elend und Noth allein
zurückließ—und jetzt nach zwanzig Jah
ren wiederum zurückkehrte. Mau hatte
ihn längst für todt gehalten, auch die
! Kinder lebten nicht mehr, und fein
Weib wohnte feitoem als Hausmeiste
rin in diesem Hauje.
Der Beamte nahm die Enthüllung in
das Protokoll, und sich nun an Frau
Schumann wendend, sagte er scherzhaft:
Sehen Sie, Frau Schumann! Hier
in diesem Büchlein steht das Verzeich
niß Ihrer Erbschaft, die er Ihne» hin
terließ; aber Gott weiß, welcher schlechte
Mensch Sie darum gebracht haben mag!
Schon wollte die Frau niit der Wahr
heit heraus aber die Scham hielt sie
zurück. Nein, nein—den Leichenraub
durfte sie nie und nimmer eingestehen !
Man würde mit Fingern auf sie zeigen!
Sie setzte also die Verstellung fort.
Sie weinte und fluchte dabei dem unbe
kannten Diebe, der fi« um ihr letzte?
bestohlen hatte!
Seit dem Begräbnißtage ihres Man
nes ging die alte Hausmeifteriu wie
besinnungslos umher. Der Gedanke,
einen Todten beraubt zu haben, war
schrecklich. Mit Schrecken gedachte sie
jener Nacht, in der sie.kein Auge schlie
ßen konnte und wiederum behaup
tete sie ganz fest: Es war ja doch mein
Eigenthum mein war es! Aber sie
mochte ihre Schuld, wie immer, beschöni
gen, die Scheu vor dein Gelde wollte von
ihr nimmer weichen. Sie fürchtete sich,
den schmutzigen Beutel anzurühren,
nnd als sie trotzdem einmal das Geld
vor sich auf den Tisch herausschüttelte,
was natürlich nur bei geschlossener
Thür geschah, als sie die fremde» Gold
stücke, die große» unbekannten Bank
noten mit deni Bilde eines fremden,
unbekannten Herrn erblickte, als sie den
Reichthum sah, der ihr und ihr Eigen
thum war, da verfluchte sie sich
selbst.
Wozu war ihr dieses Vermögen, da
sie eS nicht genießen konnte, nicht ge
nießen durfte!? Sofort wäre die Ge
fahr bei der Hand, daß alles an'S Ta
geslicht herauskam. Mau würde sich an
alles erinnern, an die vergebliche Ver
nehmung, ihr beharrliches Leugnen
und würde sagen: „Diebin!" Hier war
keine Ausrede möglich, daß sie das Geld
nur bloß darum sich angeeignet hatte,
weil es von Rechts wegen ihr Eigen
thum war, ihr gesetzlich gehörte als der
rechtmäßigen Erbin ihres verstorbenen
Gatten. Denn als sie den unbekann
ten Landstreicher bestohlen, hatte sie ja
doch gar nicht gewußt, daß sie damit
ihre eigene Erbschaft in Besitz nahm.
Niemand würde es ihr glauben. Nie
mand ihre Handlungsweise Hutheißen,
bis an ihr Lebensende würde man
sie ja doch immer nur die „Diebin"
heißen. Fluch jener unseligen Nacht,
die sie zur Diebin gemacht hatte! Sie
getraute sich nicht, das Geld anzurüh
ren, ja, auch nur ein einziges Stück
davon umzuwechseln, aus Furcht, da?
Gericht könnte davon erfahren.
Mit dem schlechte» Gewissen und dem
Gedanken, daß sie eine Diebin sei, hatte
sich auch bald die Furcht vor einer mög
liche» strasgerichtlichen Verfolgung uud
dem Gefängniß eingestellt. An Körper
und Geist gebrochen, jammerte sie ohne
Unterlaß, schlug sich an den Kopf,
wenn sie zusammengekauert an ihrem
Bette saß. und meinte doch wieder, daß
sie unschuldig sei und nur das Schicksal
ihr das alles bereitet habe. ES war
dies ein feines, zähes Gewebe, in wel
ches ihre alte Seele sich hineinverstrickt
hatte, ohne sich darüber einen Rath zu
wissen.
Je langer das Geld ohne Verwen
dung und unvermindert in ihrem
Hause lag. desto schmerzlicher wurde es
ihr ums Das eben marterte sie
langsam dahin und nagte an ihrer
Seele. Sie konnte den Reichthum
nicht genießen, und wiewckhl das Metall
gut und gut auch die Papiere waren,
mußten sie doch nur liege» bleiben,
gleich Spielmarken, vielleicht jahrelang,
bis zu ihrem Tode. Dann wird viel
leicht ein ganz Fremder sich ihr Geld
aneignen, während sie, die unglückse
lige rechtmäßige Erbin, gleich einem
Bettelwcibc dahinsieche» muß., bei ärm
licher Nahrung, ohne sich auch nur die
geringste Zubefferung vergönnen zv
dürfen.
Dieses Bewußtsein durchwühlte ihr
Gehirn, der wilde, gereizte Egois
mus. der noch überdies von der Angst
genährt wurde, daß dieser elende fremde
zukünftige Erbe etwa bei Nacht durch
ein Fenster oder das Schlüsselloch sie
beobachte uud aufpasse, bis es mit ihr
zu Ende sein werde, hatte sie in wenigen
Monaten gebrochen und um deu Ver
stand gebracht. In den finsteren Näch
ten auf ihrem Bette fitzend, preßte das
reiche Bettelweib den Kopf in die Hände,
betete und weinte und flüsterte sich
dann zu:
Ha! dort paßt er auf er paßt
aus mich!
Eines Tages fand man sie todt in
ihrem Stübchcu.
Wie Jeder, zeigte„a»ch
Scheffel wohl einmal Hang zum Küchen
personal". I» Schrufs Hotel „Zur
Post" in Mürzzuschlag. einem in den
Siebzigerjahren von Künstlern gern
besuchten Hause, wird ein Küchenbuch
aufbewahrt, iu welchem der Dichter sich
mit folgendem Verschen verewigt hat:
„Fürwahr, gefährlich ist's in der
„Post"
Wie in den Wäldern von Polen;
Zwar wird den, Wanderer nicht das
Geld.
Doch wird ihm das Herz gestohlen.
Juli 1873. Victor Scheffel."
—ln der Soiree. Herr: Sie
sind wohl musikalisch, mein Fräulein?
Fräulein: Ach nein! Herr: Dann
besuchen Sie gewiß häusig das Theater?
Fräulein: Auch das nicht. Herr:
So malen Sie vielleicht? Fräulein:
Ja. Herr: Wohl Aquarell?
Fräulein: Ach nein, nur Kaffee!
Beim juridischen Exa
men. Professor: Herr Eandidat, was
ist das: eine Haussuchung? Eandi
dat: Wenn man Nachts bekneipt nach
Hause gehen will und sein HauZ nicht
finden kann!
Modern« Handschellen.
Ein milderer Geist herrscht heute in
der Criminaljustiz. Harte und grau
same Strafen haben aufgehört; man
bemüht sich, nicht allein dem Verbrecher
für seine Strafthat ein entsprechendes
Uebel nach den Grundsätzen der Ver
geltung zuzusügeu, sondern ihn zu bes
sern und womöglich als nützliches Mit
glied in die menschliche Gesellschaft zu
rückzuführen. Man lernt den Werth
und die Bedeutung der Seelenkunde für
die Kriminalistik immer mehr schätzen,
untz regulirt das Strafmaß nicht mehr
bloS nach der Schwere des begangenen
Verbrechens, sondern auch nach der be
sondere» seelischen Beschaffenheit des
Verbrechers. Damit im Zusammen
hange ist man beinüht, auch alles, was
mit der Strafrech!spflege im Zusam
menhang steht, entsprechend umzuge
stalten. Man vermeidet daher alle
überflüssige Härte; man verbessert die
Gefängnisse, sorgt für Reinlichkeit,
Lüftung, gesunde und einfache Kost
und hinreichende Bewegung im Freien.
Das erste Mal, wo der Verbrecher
mit der verhaßten und gefürchteten Ju
stiz Bekanntschaft macht, ist der Mo
ment seiner Ergrcisuug. Damit ist
sein Spiel wenigstens vorläufig verlo
ren. WaS Wunder, daß er alle erdenk
lichen Anstrengungen macht, um sich
dem festen Griff des ihn verhaften
den Polizisten zu entwenden und durch
eilige Flucht die verlorene Freiheit
wieder zu gewinnen? „Jetzt oder nie",
denkt er im Hinblick auf die düsteren
Mauern des Zuchthauses, hinter denen
keine Hoff.iung wohnt.
Während früher oft genug der der
Flucht verdächtige Häftling beim ersten
auffallenden Zeichen von dem Polizisten
mit einem wuch
ttgen Knüitel
/M' hiebe nicht nur
besinnungslos
öu Boden ge
streckt, sondern
auch oft genug
! maufetodt ge-
l schlagen wurde,
Min macht jetzt der
Polizist durch fo
fortiges Anlegen
Towers K.wchclhal.er der Handfesseln
nicht nur jeden Fluchtversuch uiimög
lich, sondern auch jede grausame Be
handlung überflüssig. Sehr praktisch
sind die Handschellen, welche der Detec
tiv John T. Power erfunden hat uud die
namentlich in New Bork gebraucht wer
den. Der Polizist hält einen Griff,
.chlingt die Kette um das eine Handge
lenk feines Arrestanten und packt den
zweiten Griff, der in den ersten paßt.
Durch eine kaum merklich« Drehung der
Hand kann der Polizist den Druck ver
stärken oder nachlassen.
Verschieden construirt sind die von
Thomas angegebenen Handschellen.
Dieselben kom
men mehr im
Westen, beson- // Xi
ders in San //
Francisco, zur
Anwendung.
Hier ist es keine .
Kette, sondern VX / /
zwei zangensör- ' l I
mige Stahlglie- >,. s s .
der, welche das (
Ar"refkmten mi? H°»dsch°ll-n
eisernem Druck einschließen. Sie sind
je nach der Stärke des Armes verstell
bar und werden mit einem Schrauben
ichlüssel geschlossen. Wie man sieht, ist
ser Proceß etwas umständlich und zeit
raubend. Doch einmal geschlossen, ist
es sür den Gefesselten unmöglich, selbst
wenn er noch so gelenkig ist, seine
Hände aus dem eisernen Griff zu be
freien.
Handschelle» mit Querstaiige.
Sehr praktisch hat sich auch eine an«
zere Vorrichtung erwiesen, bei der die
beide» Handsesjeln durch eine stählerne
Stange verbunden sind. Diese Fesse
lung macht den Gefangenen noch viel
unschädlicher und machtloser, als die
vorigen Methoden.
Bekannt ist die einfache Art, Gefan
gene am Fußgelenk zu fesseln, indem
iduen eine
K-tte m.t einem
schweren Ge
k »I wicht daran an
legt. Eine an-
dere Erfindung
>! » / rührt von einem
k S / gewissen Linin
> » '» / ger her, und we»
A / gen ihrer prak-
tischen Brauch
barkeit hat ma»
. Lininn-r's sub'<M. sie in Loliisiana
»nd überall im Westen eingeführt. Wie
sie Abbildung zeigt, besteht diese Fuß
'essel aus einem Steigbügel, an wel
hem oben ei» schweres Gewicht befind
llch ist. Ruht der Fuß. an dessen
Fohle der Steigbügel ist, auf dem Bo
sen. so ist das Gewicht nicht fühlbar.
Sobald der Gefangene den Fuß heben
!vill, übt das Gewicht seine Wirkung.
Zur Fesselung von tobsüchtigen Pa
iicntcn in Irrenhäusern bedient man
sich der obigen ---
Muffe aus Leder,
>a man hier der
Ziatur der Krank
yeit entsprechend
und der Neigung
)er Patienten, Lunch's Fess-Imich'-
zegen sich selbst sür Rasende.
>u wüthen, Eisentheile sorgfältig ver
meiden muß. Die Hände werden hier
»inächst in Pulswärmer-ähnliche Leder-i
utt?rale gezwängt und dann in die!
Russe gebracht, welche mit einem star-'
!en Riemen am Körper befestigt wird.
Heimgegeben. Dichter: Wie
.önnen Sie sich wagen, meine Gedichte
o schlecht zu machen? Ich! Sie ha-'
>en es selbst doch gethan!
Bäum« auf eine» Thurmspitz»»
Ein seltsamer Anblick bietet sich dem
Reisenden in dem Stadtchen Greeus
bürg im Staate Indiana dar. Hoch
oben auf dem Thurme des Gerichts
haufes, dort, wo das Gemäuer anfangt,
sich zu verjüngen, um schließlich in ein«
schlanke Spitze auszulaufen, sprosse»
mehrere junge Ahornbäume empor.
Die Erscheinung ist einzig in ihrer
Art. In der luftigen Höhe von 133
Fuß, in kau», sichtbaren Ritzen des
Sandstein- und Mörtelgemäuers, ha
ben diese Bäumchen, von Regen und
Sturm gepeitscht, Wurzel gesaßt, und
sind bereits bis zu etwa acht Fuß Höhe
gediehen. Der städtische Baumeister
untersuchte neulich das aus Sandstein
und siegeln sehr solide hergestellte Ge
bäude aus seine Festigkeit, nnd bean
tragte niit Rücksicht auf die Sicherheit
des Thurmes, die jungen Ahorne aus
zurotten. Doch erhob sich dagegen ei»
Sturm der Entrüstung in der Bürger
schaft, welche auf dies eigenartige städ
tische Wahrzeichen sehr stolz ist, und sc
stehen die jungen Ahorne heute noch.
Wahrscheinlich haben körnerfressende
Vögel die Samen aus den Thurm ver
schleppt.
Die Geheimnisse der Ballet-Gar
derobe.
Daß die Moral nicht auf der Probe,
tasel des Corps de Ballet zu stehe»
pflegt, wußte man längst, der Anblick
aber, den eine Gerichtsverhandlung, die
in Wien stattgefunden, in die Geheim
nisse der Ballet-Garderobe eröffnet hat,
war denn doch überraschend und er
schreckend. Ein junger bartloser Mann,
der Graf Jean Orlowsli, verlangte
Sühne sür eine Verletzung, die seiner
Ehre dnrch eine vieruudzwanzigjäh'rige
Antonie Biener, zugefügt
worden sein soll.
Zur Bestätigung der incriminirten
Aeußerungen, die selbst ein alter Dra
goner nicht ohne Erröthen wiedergeben
könnte, war auch eine,— zwölfjährig'
Ballet-Elevi», Marie Schrejer. vorge
laden. lleb'rdies aber erschienen als
Zeuginnen die Solistinnen-Schülerin
nen der kaiserl. Hosoper Amalie Nowak,
Ernestine Zchießwald nnd HeleneKrauß,
ferner die b'orpstänzerinnen Swoboda
und Gisela Schreier, die gegenwärtige
„Geljebte" des Herrn Grafen. Schau
platz der Ehrverletzung soll eine Ballet-
Garderobe der Hofoper gewesen sein.
Die Gerichtsverhandlung, die kein
Ehrenblatt in der Geschichte des Wiener
BalletS bildet, mußte naturgemäß mit
Ausschluß der Oeffentlichkeit durchge
führt werden. Die Zeugenvernehmun
gen nahmen einen peinlichen Verlauf.
„Es ist ein Graf zu vergeben, aber
was sür einer!" Mit diesen Wor
ten hatte die Angeklagte die incriminir
len Aeußerungen eingeleitet, über welche
die Klageschrift bemerkt: „Die Feder
sträubt sich, sie wiederzugeben!" Die
AusgleichSversuche wurden vom Kläger
nur deshalb zurückgewiesen, weil seine
derzeitige „Flamme", gleichfalls eine
Ballerine, sich gegen den Ausgleich er
klärte. Er ließ diese Balleldamc iu den
GerichtSsual rufen uud erst, nachdem er
ihre Meinung eingeholt hatte, wies er
den Ausgleich zurück. Diese „Danie"
bemerkte unter Anderm: „Es ist offi
ciell, daß ich mit dem Grafen gehe."
Der Klagevertreter zögerte oft mit der
Fragestellung an die verschiedenen Zeu
ginnen, indem er ausrief: „EsistscaiU
dalös!"
Den allerpeinlichsten Eindruck aber
mußte es machen, daß die unsittlichen
Aeußerungen in Anwesenheit einer
zwölfjährigen „Elevin", der Schwester
der augenblicklich in der Sonne der
gräflichen Guust stehenden Tänzerin,
vorgebracht wurden. Der Staatsan
walt behielt sich anch ans diesem Grunde
ein besonderes Einschreilen vor. Schließ
lich ließ der Kläger sich doch herbei, eine
Ehrenerklärung der geklagten Bal
lerine entgegenzunehmen, so daß der
Richter in die Lage kam. die Freispre
chung der Geklagten aus Grund eines
erfolgten Ausgleiches zu verkünden.
Die „Wiener alte Presse" bemerkt bei die
sem Anlaß: „Der Leitung des kaiserli
chen großen Opernballets kann die Um
gangssprache, die in einzelnen Räumen
des TheatergebüudeS herrscht, nicht
ganz gleichgiltig sein. Es giebt eine
Effecten- und eine Fruchtbörse iu Wien.
Muß es auch eine Börse gebe», an wel
cher von uud für BaUeriuen der Marlt
vreis vou Grafen, die „zu vergeben"
sind, abgeschätzt wird? Und ist es nicht
zu verhindern, daß volkswirthschastliche
Erörterungen dieser Art in der rohesten
und unfläthigsten Sprache, die iiber
>aupt denkbar ist, geführt werden?
Bor allem aber ist zu bedenken, daß es
i» dem großen Balletkörper auch un
mündige Kinder giebt. „Elevinnen" im
zartesten Alter." Das Extrablatt er
fährt, datz die General-Intendanz der
Hoftheater ähnliche Fragen aufgewor
fen hat und hält es für wahrscheinlich,
daß einige Pcrsonalverändcrungen
eintreten werden.
Unser eigenes Genie ist
.er Felsen, auf dem wir unsere Luft
schlösser aufbauen müssen.
»t« Kapitel zum Lobe der Kraue«.
Ein ebenso geistreicher, als galanter
Franzose und Schriftsteller meinte, daß,
wer über die Frauen schreiben will,
möge die Feder in Regenbogenfarben
tauchen und sein Silber- oder Gold
papier mit Streusand bestreuen. Er
hatte auch nicht so unrecht.
Wir mögenden Act der Erschaffung
der Welt und ihrer Bewohner wie im
mer annehmen, so ist es jedenfalls ge
wiß, baß die Erschaffung des Weibes im
Universum die erste Stelle einnimmt:
ohne Frauen wäre ja dem Manne die
üppigste Landschaft eine Wüste, öde und
leer; er könnte in Wohlgerüchen schwim
men, schwelgen im Genusse der köstlich
sten Speisen und Getränke, die hiinln
liichsten Tö-e hören, sie würden ihm
keinen Genuß verschaffen, wenn er dies
nicht in Gesellschaft des geliebten Wei
bes, feiner Gefährtin, feiner Trösterin
im Unglück, der Theilnehmcrin seiner
Freuden genießen dürfte. Sein Herz
würde sich mit einer Steinkruste über
ziehen und er müßte zum Selbstmörder
werden. Ohne Weib läßt sich eben
keine Existenz denken, und es verdiente
daher auch so gut eine Stelle in unse
rem Gebete, als das tägliche Brot, um
welches wir unseren Schöpser bitten.
Robert Burns schildert daher in einem
seiner schottischen Lieder in richtiger Er
kenntnis', des Werthes des Weibes auch
deren Schöpfung iu folgendem, schönen
Verse:
„In ihnen schwur Mama Natur,
Ihr Meisterwerk zu bauen;
Im Manne versuchte sie sich nur.
Und dann schuf sie erst die Frauen".
Es ist wohl wahr, durch das Weib
ist die Sünde in die Welt gekommen,
aber anch die Tugend in ihren liebens
würdigsten und segensreichsten Erschei
nungen. Ging schon durch die Sünde
des Weibes der Menschheit das Pa
radies verloren, so macht doch wieder
das Weib mit dem Zauber ihrer Liebe
die ganze Welt zum Paradiese.
Stürzte Eva die Menschheit ins Ver
derben, so brachte Maria die Erlösung,
und mit Beziehung darauf sagt auch
Gottfried von Straßburg:
„Von allen Dingen in der Welt,
Die je das Sonnenlicht erhellt,
Ist keines so selig wie das Weib."
Das gebeimnißvolle Band der Ge
schlechter, es ist die süße, lose Fessel, die
die getrennten Schönheiten und Kräfte
der Menschheit zum herrlichsten Segens
bande vereinigt.
Ten Mann drängt es hinaus in den
Kumps des Lebens. Bescheslust und
Ehrgeiz spornen seine Seele zu rastlosem
Streben und Ringen. Alle Tiefen der
Erkenntniß durchforscht er, alle Höhen
menschlicher Thatkraft erstürmt er.
Aber mitten im lautesten, verworrensten
Getöse seines Lebenskampfes vernimmt
er die leise Mahnung seines sehnenden
Herzens. Die unbändigsten Wünsche
und Leidenschaften verstummen vor
diesem Himmelsrufe und willig folgt
der gewaltige Erdengott dem zarten,
süßen Triebe, um im Heiligthume der
Häuslichkeit seinen Himmel zu finden.
Slm Herzen feines Irenen WeibeS um
fängt ihn dann die süßeste Ruhe und
Labung; ihr Kuß ist ihm der schönste
Lohn seines Strebens, ihre Theilnahme
heilt die Wunden, die ihm das Leben
schlug, und ihre Bewunderung begei
stert ihn zu neuen Thaten, und Er
quickuug bringt ihm die freudige Blüthe
der Sprößlinge feines alternden Le
bensbaumes.
Die Wunderblume der Weiblichkeit
erblüht im Schatten stiller Zurückgezo
geuheit, geschützt, gepflegt und veredelt
vom Engel der Jungfräulichkeit, ent
knospet sich in der Liebe zum Manne
und entfaltet sich sodann in ihrer vollen
Pracht. In dieser Liebe preiset das
Weib das schönste nnd höchste Ziel ihrer
irdischen Bestimmung. Für ihn schmückt
sich dann die liebliche Gestalt in stiller
Freudigkeit. Er ist ja der Stolz ihres
Herzeus, der Leitstern ihrer Gedanken,
die Lichtgestalt ihrer Träume! Und für
ihn schafft und wirkt sie mit jener zar
ten, allfehenden Emsigkeit, deren Früchte
so unendlich wohlthuend sind. Für
ihu opfert sie sich auf, duldet und leidet
mit freudigem Muthe und mit unbeug
samer Stärke; sein Streben unterstützt
sie mit ihrem glaubensstarken Gebete
und ihn segnet sie, wenn sie mit heiliger
Mutterfreude den Säugling an ihren
Busen druckt! „Geschäftig für sein
Wohl, liebt still das Weib!" wie Grill
parzcr kurz uud treffend sagt.
Ja, noch mehr! Das Weib, es hadert
mit dem Schicksal und grollt ihm, wenn
es nicht vermag. Andere, die ihr theuer
sind, glncklich zu machen, und ist über
glücklich und dem Geschicke dankbar,
iveun es, wenn auch nicht selbst glück-'
lich, doch nur in ihre Hand gegeben ist,
Andere zu beglücke» und sie zu er
freuen.
„Der Blick in eine Frauenseele, er ist
ein Blick in s Himmelreich!"
Es hat eben jede Frau eiu Lächeln
für jede Freude, eine Thräne für jeden
Schmerz, einen Trost für jedes Elend,
ein Gebet sür jedes Unglück und eine
Entschuldigung für jeden Fehler. Die
Gefühlswelt ist ihr eigentlichster Ort.
wo sie schrankenlos herrschen und ihre
segensreichste Thätigkeit zum Wohle der
Menschheit entfalten kann. Wo eS aus
schließlich aus Herz und Gemüth an
kommt, wo es gi!t, Schmerzen zu lin
der», Trost uud Hoffnung zil spenden,
da ist auch die eigentliche Wirkungs
sphäre, der cigeiitliche Ledensberuf der
Frauen gegeben. In» Herzen des laster
haften Weibes gibt eS noch immer einen
Winkel, welcher unentweiht ein selig
Geheimniß verbirgt, unerreichbar sür
das Laster, ein Schrein, so heilig und
versteckt, wie ein Rcliqnicntastchen in
der Satristei. Ei» jedes Weib gleicht
daher auch dem Monde, dessen mildes
Licht der Man» erst sieht, wenn ihm
die Sonne eines Glückes unterging.
Selbst der verbissenste aller neuere»
Weiberhasser, der Begründer des moder
nen Pessimismus, muß zugestehen, daß
ohne Weib der Beginn unseres Seins
beraubt wär' der Hilfe, die Mitte ohne
Vergnügen und das Ende ohne Trost.
Aus all diesem ist daher auch das
Weib der Auszug und Inbegriff alles
dessen, was in der Natur reizend ist;
das lieblichste, begehrenswertheste und
unentbehrlichste aller Dinge: „die Perle
aller Werke des Schöpfers", wie der
volksthümlichste unserer Dichter, Schil
ler, sagt. Und tiefes Unrecht läßt sich
zu schulden kommen Jeder, der dies«
Perle begeifert, denn :
„Wie Marmor ist der Mann, wie Wachs
die Frau;
Dem harten Marmor muß das weich«
Wachssich fügen;
Dem unterdrückten Weibe prägt sich ge
nau
Des Mannes Stempel auf in Form
und Zügen,
Nicht die Mittel, die Stempel nur be
trügen.
Drum sind die Frauen nicht selber an
zuklagen.
Wenn sie das Gepräge eines Teufels
tragen."
Bei der Aushebung.
Vor dem ehemaligen Amtssitze des
Polizei-Präsidiums auf dem Berliner
Molkenmarkt sieht »ran jetzt an jedem
Vormittag eine Ansammlung junger
Leute, die sich der Prüfung zu unter
ziehen haben, ob sie für die Vertheidi
gung des Vaterlandes gebraucht werden
können. Viele von ihnen, denen die
Freuden des Exercierplatzes selige Vor
ahnungen erwecken, besiuden sich in ge
hobener Stimmung, andere wieder, die
sich, „der Noth gehorchend, nicht dem
eigenen Trieb", an diesem Orte einge
funden haben, sehen ziemlich trostlos
den kommenden Ereignissen entgegen.
Zu dieser Gruppe gehört ein ganz win
ziger Bürstcnmachergesclle. der gerade
nicht an übergroßer Intelligenz leidet.
Man hat ihm auseinandergesetzt, daß
die Aushebuiigskommissiou es in diesem
Frühjahr auf die kleinen Leute abgese
hen habe, dieweil sie nothwendig für
die „lenkbare Luftfchiff-Eompagnie" ge
braucht würden. Bei dem Aufruf
kommt er in die Nachbarschaft eines
jungen Mannes von inwonircnder
Körperfülle. Bei der Feststellung der
Personalien nennt der jugendliche Riese
seinen nordisch klingenden Vornamen
„LarS". „Machen Sie keine Witze-,
sagt der Amtircnde verweisend, „Sie
werden Louis heißen." Lars versi
chert. daß er wirtlich Lars l?ciße, und
nach Einsicht der Papiere wird diese er
freuliche Thatsache amtlich festgestellt.
In dem hierfür bestimmte» Zimmer
machen die zehn Ausgerufenen Toilette
das heißt sie entledigen sich dersel
ben. „Hören Sie mal", sagt der Ser
geant zu dem Dicken, „Sie könnten ein
paar Pfund von Ihrem überflüssigen
Korpus an Ihre» Nachbarda abgeben."
„Sehr gern," sagte Lars, ein schnei
diger Handlungsbeflissener, schlagfertig,
„aber was bezahlt man hier für das
Psund?" „Auf die Wage," ruft
der Sergeant. Lars sieht ihn etwas
verdutzt an. Sollte man den Scherz
wirklich so weit treiben, seine Offerte zu
acceptiren? —Er wird gewogen, nnd
dann kommt sein Nachbar an die Reihe.
„Religion? Beruf?" fragt der
Sergeant so nebenbei. „Evangeli
scher Bürstenmachergesclle," stotterte der
Kleine ängstlich. „Gewogen und zu
leicht besunden," ruft der Sergeant in
der Erinnerung au eine Bibelstelle.
„Mein Gott." sagt der Bürstenmacher,
dem eine Zentnerlast vom Herzen fällt,
„da haben die Kerls da unten mich mit
der „lenkbaren Luftfchiff-Eompagnie"
wohl nur gefoppt?" Lars tritt irr
das anstoßende Zimmer vor die
Eommiision. Der Arzt mustert ihn
wohlgefällig.
„Sehr gut," sagt er, „aber es ist
Ihnen zu rathen, erst eine Schwenin
gerkur durchzumachen. Wie viel Glas
Bier trinken Sie denn eigentlich pro
Tag?" „Na," meint Lars ver
schämt, „so viere ungefähr." „Vier?
Aber wie groß sind denn die Gläser?"
„Bon einem halben Liter bis zum
Maß." „Jnsanterie! Die
Schweningerkur können Sie sich übri
gens ersparen, die wird auf dem Erer
cierplatz besorgt werden." Einige Mi
nuten später kommt der „evangelische
Bürstenmachergesclle" freudestrahlend
aus dem Zimmer. „Denken Sie mal
an," sagt er zn Lars, „ich bin untaug
lich. ganz und gar untauglich! Welch'
ein Glück!"
—O r i gin el l e Rec l a ine. Da»
Stodtthcater in P. kündigt folgendes
an: Hentc Abend wird das weltbe
rühmte Trauerspiel „Othello" gigeben.
Das darin vorkommende vielgenannte
Taschentuch der Desdemona, um das
sich die ganze Handlung eigentlich auf
baut, ist aus dem Weißwaarenbazar des
Herrn Moritz Tulpenthal hier bezogen.
Die Direction.
Aus der guten alten
Militärzeit. General: Weshalb '
tritt denn die Wache nicht in s Gewehr,
wenn ich vorbeikomme, he? Korpo
ral: Ja sah n Se, hären Se, inei kuh
deste Exleiiz! Es is Sie blos, weil der
Bosten nich R—r—r—raus geschrie'n
hat. 'S Luderchen kann's R nich
ausschbrechen!
Resolut. Gigerl: Wenn ich
auch früher leichtsinnig gewesen bin,
mit Ihnen, Fräulein Ida, meine ich es
ernstlich! Ich weiß, Sie haben ein gu
tes Herz. O, Sie mich für
immer darin wohnen! Ida: Für
immer, ja aber nicht zur Miethe!
Verschnappt. Herr (zur
Maske beim Maskenball): Bist Du
eine Freundin von guter Küche, schön«
Maske? Dieustinagd: Freilich, sonst
schimpft ja der Herr!
Die Eitelkeit ist der
Panzer der Dummen.