Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 17, 1892, Page 7, Image 7

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    »««tfche L»cal«achrichte«»
Provinz Brandenburg.
' Der verduftete Prokurist dcr falliken
Firma Schleicher. Kaufmann Ernst
Büsing, dcr in Amsterdam ergriffen
werden ist. wurde in Moabit eingelie
fert. Beschuldigt ist Büsing, die Bücher
seines Chefs gefälscht und circa eine
Million Mark iinterschlagen zu haben.
Die „Million" ist aber arg zusammen
geschrumpsi, den» bei der Einlieferung
lieferte dcr begleitende Transporteur
nur einc» Betrag von 300 Mark ab,
die nach Deckung dcr Transportkosten
von dcm bci Büsing im Augenblick dcr
Verhaftung beschlagnahmten Vermögen
übrig geblieben sind. Vom Schwur
gericht wurde die Telephonistin Barne
witz in Berlin, die auf ihren ungetreuen
Liebhaber ein Attentat mit einem glück
licherweise blind geladenen Revolver
ausgeführt hat, zu 6 Monaten Gefäng
niß verurtheilt. Wegen Soldaten
mißhandlung ist gegen die ehemaligen
vierjährigen Gefreiten dcr 3. Schwa
dron vom Regiment des Gardes du
Corps «schramm und Hamann, welche
jetzt Civilftellungen einnehmen, - ein
Strasversahre» eingeteilet. D?r Miß
handelte, ein Rekrut Körber, befindet
sich mit Schäden an Gehör, Sprache
und Gehirn in dcr Irrenanstalt -n
Dalldorf. In Pförten ist die Jesq
ke'sche Brauerei total niedergebrannt.
Während dcr durch ein Gewitter ge
störten Einweihung dcS Kriegerdent
mals schlug der Blitz in den Kirch»
tliurm zu Oberberg. wobei ein zwölf
jähriger Knabe, welcher beim Festlän
ten Dienste leisten sollte, getroffen wurde
und starke Brandwunden erlitt. Ans
Licbenwalde meldet man, daß zu glei
cher Zeit ein Blitz den Kirchthurm auf
Rittergut Liebenberg traf und zündete.
Die Kirche wurde ein Raub dcr Flam
me». Wegen großer Bestellungen
für die Artillerie wird das Arbeiterpcr
sonal dcr Geschoßwerkstatt in Spandau
bedeutend vermehrt; es sind in den letz
ten Tagen zahlreiche Arbeiter cingcstcllt
worden; demnächst wird die Nachtar
beit eingeführt. Noch in diesem Jahre
sollen für die Geschoßwerkstatt neu'
eingeführr werden.
Pr o v i n z Oft p r e u ße n.
Die Unterschlagungen des Rendänten
der Kreissparkasse und der Kteiskasse,
Hauptmann a. D. Wenghöfer in Gum
binneu, der sich im Wildpark bei Pots
dam erschossen hat, werden auf 150,000
Mk. geschätzt. Bei einer kürzlichen
Revision der Kreissparkasse hatte sich
ein Deficit von 19,000 Mk. hcrausgc
stellt. W. behauptete, es müsse ei»
Recheiifchlcr vorliege». Da er nun
fürchten mußte, daß bei der in Aussicht
genomiiicucn gründlichen Revision seine
Unterschlagungen doch an den Tag
komme» würden, zog er cs vor, zu ent
fliehen und sich durch Selbstmord dcr
Gerechtigkeit zu entziehen. In Folge
anhaltender, starker Regengüsse ist dos
Memeldelta zwischen Rnß und Gilge
überschwemmt. Nur einzelne, erhöht
angelegte Straßen ragcn aus dein
Wasser hcrvox. Erhängt hat sich in
Lyck dcr Bnrcaudiencr Glukowski von
dcr ostprcußischcn Südbahn. Das
in Tilsit garnisonirendc litthauische
Tragoncr-Regt. „Prinz Albrecht von
Preußen" beging die 175 jähr. Jubcl
'eier seines Bestehens.
Provinz Westpreußen.
Ter zu 2 lahren Gefängniß verur
lheilte ehemalige Landcsdireetor Dr.
Wehr iu Elbing ist sofort in Hast be
halicu worden. Die von dem Kafsirer
des CredilvereiuS, Posthalter Gaull in
Dt. Eylau, verübten Unterschlagungen
betragen über 65,000 M. Das Besitz
thum des Genannten soll aus 77,000
Wart gerichtlich taxirt sein. In der
russischen Grenzstadt Dobrzyn ist der
s?lccktnph»S ausgebrochen. Mehrere
Todesfälle sind bereits eingetreten; man
fürchtet die Einschleppuug der Seuche
in Preußen. Von der Strafkammer
würd.' der früher in Könitz als Bureau-
Vorsteher beschäftigt gewesene Schreiber
Theodor Häscke, wlch'r in 20 Füllen
etwa 1000 M. unterschlagen hat, zu
24 Jahren Gefängniß verurtheilt.
Dem Hochschlosse in Marienburg ist
eine sehr werthvolle Zuwendung ge
macht worden. Geheimrath Dr. Jac
quet in Berlin hat eine sehr reichhaltige
Miinzsammlung, kie einen Werth von
40.000 M. repräscutirt, zur Aus
schmückung der Marienburg geschenkt.
Die Sammlung enthält etwa 4000
Münzen, darunter ca. 800 OrdenS
müiizen und 700 Goldmünzen.
Provinz Pom m e r n.
Tie Untersuchung gegen den wegen
Urkundcnsälschuug verhafteten Spar
kasscn-Koutroleur Held in Stettin hat
ergeben, daß er sich noch weiteren Fäl
len der Fälschung von Sparkassen
büchern schuldig gemacht hat. Auch
hier handelt cs sich in den einzelnen
Fällen um Beträge von 500 bis 600
Mark. In Scheune ist die im Jahre
1883 mit einem Kostenaufwand von
1.200,000 Mark erbaute Zuckerfabrik
ein Raub der Flammen geworden. Der
durch das Feuer verursachte Schaden
wird auf etwa 600,000 Mark veran
schlagt. Innerhalb 14 Tagen hat es
im Kieise Bütow viermal gebraunt,
und zwar in Neuseld, Tangen, Bütow
und Morgenstern. Das Feuer in Mor
genstern nahm in der Schenne des
Stellmachers Lawrenz seinen Ainring
und legte etwa 5 Gebände in Asche.
Unter Anderen hat der Baucrhossdc
fitzer Neinhold Polzin sämmtliche Ge
bäude verloren. Der Lehrer a. D.
NikolaS feierte in Lübzin mit feiner
Gattin das Fest der 60jährigen Hoch
zeit.
Provinz Schleswig»
H o l st ei n.
In Betreff des BranduuglückS be>
dem Hofbesitzer Jeppe Grue in Malr
beck bei Foldingbro, wo sämintlich-
Gebäude eingeäschert wurden und drei
ßig Stück Rindvieh in den Flammen
umkamen, hat jetzt eine Dienstma^d
eingestanden, daß sie das Feuer absicht
lich angezündet habe. Ein originel
les Denkmal soll dem ersten deutschen
Kaiser von den Bewohnern des Kirch'
dorfes Barlt geweiht werden. Man
hat nämlich in der Nähe einen mächti
gen, annähernd 100,000 Pfund schwe
ren Felsblock bloSgelegt und will ihn
im Dorfe als Gedenkstein für Kaiser
Wilhelm den Ersten aufstellen.
Ueber das Vermögen des flüchtig gewor
denen Bankiers P. Burmeister in Heide
ist der Concurs verhängt. Die Schädi
gungen, die viele Landleute und kleine
Leute in Dithmarschen durch den.Krach
erleiden, sollen über eine Viertelmillion
betragen. Der Rechtsanwalt von
Alten in Rcinbeck ist nach bedeuten
den Unterschlagungen man spricht
von 100,000 Mark fluchtig ge
worden.
Provinz Schlesien.
Der Locomotivführer Tyrenner in
Kohlfurt wurde wegen fahrlässiger
Tödtung, Körperverletzung und Ge
fährdung eines Eisenbahn-Transports
zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt.
In Soppar zerstörte eine Feuersbrunst
19 Gebäude. Das Feuer ist durch
Spielen von Kindern mit Streichhöl
zern entstanden. Hauptmann Keh
lau vom 80. Jus.-Reg. in Neisie, com
mandirt zur Kriegsschule daselbst, hat
sich erschossen. Einem scheußliche»
Verbrechen ist die Wittwe Breuer aus
Heinzendorf beim Holzlesen im herzog
lichen Walde zum Opfer gefallen. Sie
wurde von einem Manne zu Boden ge
schlagen, vergewaltigt und mit einem
Messer mehrfach der Leib aufgeschlitzt.
Als die Frau trotz dieser schweren Ver
wundung wieder zu sich kam, bearbeitete
sie der Unhold noch mit einem Knüp
pel, welcher Schädel- und Armbrüche
verursachte, schleppte sie dann ein Stück
Weges fort, verübte hier weitere bestia
lische Scheußlichkeiten an dcr halb
todten Frau und warf sie schließlich in
rine mit Torngestrüpp bewachsene
Grube. Hier wurde die Aermste noch
lebend aufgefunden und konnte einzelne
An>«>en machen, die hoffentlich zur
Aussindigmachung des Mörders füh
ren.
Provinz Pose«.
Durch öffentliche Aufforderung wer
xn die nächsten Verwandten des Ren
tiers Carl Julius Briese aufgerufen,
dcr in Filehue mit Hinterlassung eines
Vermögens von mindestens 90,000
Mari gestorben ist. Es handelt sich in
erster Reihe um den Vater des Erblas
sers, dcr vor Jahren nach Rußland
ausgewandert ist, eventuell aber um
Stiefgeschwister des Erblassers. Bis
her find nur entferntere Seitenver
wandte desselben festgestellt. Beim
Angeln ertrank in der Weichsel der Ar
beiter Vahr aus Dt. Fordon. Vor
'inigen Jahre» fanden auch zwei seiner
Kinder in der Weichsel ihren Tod.
In Liliendorf starben der Besitzer und
Händler Kanter uud bald darauf ein
Kind desselben an den schwarzen
Pocken. K. war kurz vor seinem Tode
gefchüftshalber in Russ.-Polen und hat
die Krankheit von da eingeschleppt.
An Labischin beging das AleranderLipp
inann'sche Ehepaar das Fest der golde
nen Hochzeit. Auf dem Gute Maro
lowo hat sich in der Wohnung des dor
tigen Jnfpectors dcr Postbote Mittel
stadt erschossen. In Gutowy starb,
102 Jahre alt, die Wittwe Barbara
Logocka.
Provinz Sachsen.
JmAmtsgerichtSgesängnißzuAschers
leben erhängte sich der wegen Todt
schlags inhastirte Franke aus Wilsle
ben. Das goldene Hochzeitssest feier
ten der Rentier I. Heinemann und
Frau in Genthin. Auf der Braun
lohlengrube „Bismarck" erstickte der
Hauer Lehmann aus Rothstein. In
Rohrbach wurde beim Umbau eines
Hauses ein Gefäß mit 50V Kronentha
lern gefunden. ,
Provinz Hannover.
Der feit mehreren Wochen von Han
ivver verschwundene Kaufmann Franz
Heine ist jetzt in der Gemarkung Dien
heim im Großherzogthum Hessen als
Leiche aufgesunden worden. Celle
trifft zur Zeit umfassende Vorbereitun
gen zur Feier ihres 600-jährige» Beste
hens. Pfingsten (25. Mai) 1202 er
theilte Herzog Otto der Strenge Wen,
welche sich in seiner neuen Stadt Celle
ansiedeln wollten, Abgabenfreihcit, Er
laß von Grundzins, und sonstige Vor
theile. Außerdem verlieh er dem neuen
Gcmcindcwcsc» das Recht der Stadt
Lüneburg. Die Festlichkeiten werden 3
Tage in Anspruch nehmen. Geplant ist
riu Festspiel, ein großer historischer
Festzug und ein Festkommcrs. Der
öaurath 80ß in Emde» hat bis jetzt
l> Könige über sich gehabt; geboren
ist derselbe 1812 unter dem Könige Hie
ronymus von Westfalen, nach dessen
Bertreibung 1813 der König Georg
tll. die rechtmäßige Regierung wieder
antrat. Ihm folgte 1820 Georg IV.,
dann 1830 Wilhelm IV., 1837 Ernst
August, 1851 Georg V., 186?j Wil
helm 1.. 1868 Friedrich 111., 1883
Wilhelm 11. In Göttingen versuch
ten die Frau des früheren Musikdirigcn
ten Kohrfsen und deren 14jähriger
Sohn sich mittelst Kohlendunstes das
Leben zu nehmen, was Ersterer auch
gelang. Der Sohn ist jedoch nicht er
ßickt und liegt schwer erkrankt darnie
»er. Die Veranlassung zu dieser trau
rigen That sollen Nahrungssorgen ge
messn sein. Im Stadtsorst zu Goslar
liegt das Schleifsteinthal. In demsel
ben bestand vor mehreren hundert lah
ren ein Bergwerk, welches aber später
verlassen wurde. Dieses Werk ist nun
don dem „Eommcrner Berg- und Hüt
lenverein Goslar" wieder ausgenommen
worden. Die Hoffnung des Vereins
um reichliche Ausbeute ist um so mehr
berechtigt, da die Grube „Großfürstin
Alexandra" besond.'rS reich an Blende
tind arfenik- und nickelhaltigen Erzen
sein. s In Hameln der freiconfer
dative Landtagsabgeordaete Spangen
> i>erg.
Provinz Westfalen.
Jüngst ist das Bender'fche Wohnhaus
zu Kraftsholz niedergebrannt und jetzt
,st der Bruder der Besitzerin, der Mili
tär-Invalide I. G. Bender, wegen
vorsätzlicher Brandstiftung verhaftet
worden. Man glaubt, er leide an Gei
stesstörung. Aus unglücklicher Liebe
hat sich in Bielefeld ein ILjähriger
Gymnasiast erschossen. —Wie verlautet,
ist das Verfahren gegen den Commer
zienrath Baare in Bochum wegen
Meineids aus dem Grunde eingestellt
worden, weil cs sich nicht mehr mit
Sicherheit konstatieren ließ, was Baare
als Zeuge im vorjährigen Proceß ge
antwortet hat, als er nach seiner Mit
wissenschaft an den behaupteten Betrü
gereien gefragt wurde. Den Lehrper
fonen im Amte Bottrop sind seitens der
Gemeindevertretung Teuerungszula
gen von 100 bis 180 Mk. gewährt
worden.
Rheinprovinz.
Der Kölner Männcrgcsangvcrein be
ding den 50sten Jahrestag seiner Grün
dung in Anwesenheit des Erzbischoss,
sowie der Spitzen der Civil- und Mili
tärbehörden, und einer gewaltigen
Menschenmenge mit Aufführung eines
Requiems in der Domkirchc zum Ge
dächtniß seiner verstorbenen Mitglieder.
Zum Direktor des kgl. Gymnasiums
iu Coblenz wurde der Gymnasial - Di
rektor Dr. Weidgen in Düren, zum
Direktor der letzteren Anstalt der Ober
lehrer vom Gymnasium zu Koesfeld,
Professor Dr. Schwering, ernannt.
An der Jnflueuza erkrankten in der
Woche vom 10—16. April im Regie
rungsbezirk Düsseldorf 175 Personen.
An Diphtheritis wurden innerhalb des
Bezirts 83 Erkrankungen und 24 To
desfälle festgestellt.
Königreich Sachsen.
lieber die Strumpffabrik von Gebr.
Berger iu Colditz ist der Konkurs eröff
net worden. ln Oberhäslich wurde
der bekannte Gasthofspcchter Hochau von
dem Schuhmacher Hamann und dem
Waldarbeiter Kästner ermordet. Die
That soll im Einverständniß nnd Bei
sein dcr Unglücklichen voll
führt worden fein. Hamann, Kästner
und die Frau des Pächters find verhaf
tet. Handarbeiter Oettel von
Eibenstock wurde im Walde erhängt
aufgefunden. In Großhartmanns
dorf hat sich die Ehefrau des Wirth
fchaftsgehilfen Emil Schmidt durch Er
hängen selbst entleibt, zuvor hat sie ihr
einziges Söhnchen umgebracht.—f Geh.
Medicinalrath Prvf. Dr. Braune in
Leipzig. Beim Brande des Malzge
bäudes einer Brauerei in Ottenhain
wurden zwei Feuerwehrleute, die Mau
rer Semig und Wündrich, von einer
nnstürzenden Giebelwand in die Flam
me« geschleudert und getödtet. Semig
hinterläßt eine Frau und 7 Kinder,
Wündrich 4 Kinder.
Thüringische Staaten.
Der Lederfabrikant Paul Sänger in
Pößneck hat sich auf dem Boden feines
Fabrikgebäudes erhängt. Nach einer
Untersuchungshaft von 185 Tagen
wurde der Arzt Dr. med. Majer, früher
in Rodach, von der Strafkammer in
Coburg von der Anklage wegen Be
trugs und Meineids freigesprochen.
Der Konkurs über das Vermögen des
ttitmündigteii früheren Millionärs
Georg Petz in Sonneberg liefert eine
große Anzahl von Betrügereien zu
Tage, welche von hiesigen Geschäfts
leuten dem leichtgläubigen Verschwen
der gegenüber verübt tvorden sind.
An Steiuach herrscht große Aufregung
über eine scheußliche Mordthat. Bertha
Matthäi, ein blühendes 19jähriges
Mädchen, wurde im Pfarrbrunueu todt
aufgefunden. Der Mörder hatte die
selbe erwürgt und durch Messerstiche
verletzt und sie dann in den Brunnen
geworfen. Der Kaiser hat dem Ober
förster Kullenbach in Wasungen, wel
cher dem Monarchen bei dem jüngsten
Jagdausflug in Thüringen assistirte,
.'in mit Brillanten belegtes Jagdgewehr
überreichen lassen.
Hessen-Darm st ad t.
Die vor Kurzem verstorbene Rem
,.erin Fritsche hat ihre sämmtlichen Lie
genschaften, welche einen Werth von
2— 300,000 Mk. repräfeutiien, der
Stadt Alzey testamentarisch vermacht. —
5,,-, Gernsheim soll in nächster Zeit ein
skrieger - Denkmal errichtet werden.
Bei den an der Mainspitze vorgenom
menen Baggerungsarbeiten wurde ein
vollständiges Schwert aus dem 16.
Jahrhundert mit goldenem Griff zu
Tage gesördert. Man überwies den
Kund demMaizer Museum. Inden
letzten 14 Tagen sind von Mainz vier
Mädchen im Alter von 16 bis 17
fahren spurlos verschwunden. 112 In
Nr. Rohrheim der Altbürgcrmeistcr
Äg. Heß.
Königreich Bayern.
Der Forstgchilfe Zehelein in Ober
chwarzbach hat sich erschossen. In
ilcheiihose» erhängte sich die 91 Jahre
11 Monate alte OekoiiomswittweKuni
gunda Schneider. Der Eonditor
pürner in Laus, der einen Mordver
such auf feinen Bruder machte und dann
auf sich selbst schoß, wurde nunmehr
aus dem Spital in Untersuchungshaft
gebracht. Die Frau des Pürner ist
inzwischen gestorben. Der Bauer
Martin Sonnleitner von Haarbachloh
drang, weil sein Sohn in der Feier
taaSschule nachsitzen mußte, in das
Schulzimmcr ein und packle den Lehrer
an, riß ihm die Kleider vom Leibe,
mißhandelte ihn und schleuderte ihn
schließlich mit solcher Wucht an die
Thüre, daß diese beschädigt wurde.
Vor das Schöffengericht Griesbach ver
viesen, wurde Sonnleitner zu I-t Ta
gen Gesängniß verurtheilt. Das Land
gericht in Passau hat jedoch die Strafe
»uf 2 Monate 8 Tage erhöht.
Königreich Württemberg.
Postexpeditor Rupp von Alfdorf, der
«eaen Unterschlaauna von amtlichen
Geldern MOO Mk.) sich geflüchtet hatte,
ist in Gmünd erwischt und verhaftet
worden. Er hatte sich nach Frankreich
begeben. Nachdem er dort alles Geld
durchgebracht hatte, kehrte er nach
Württemberg zurück. Der Inhaber
der in Concurs gerathenen mechanischen
Schnhsabrik in Backnang, I. Feigen
heimer, ist verhastet worden. Es dürf
ten etwa 80—100,000 Mk. ungedeckt
bleiben. Im Concurs des Cigarreu
fabrikanten Trunz in Ehingen, der mit
der Frau eines schlesischen Geschäfts
freundes durchging, beträgt der Massen
bestand 32,388 Mk., und stehen diesem
über 17,600 Mk. bevorrechte und über
69,000 Mk. unbevorrechte Ansprüche
gegenüber.—ln Feldstettcn begingen
die goldene Hochzeit Joh. Klaß auf
dem Berg uuD Zimmermann Joh.
Georg Reiber. Der Fischzuchtverein
in Hall hat neuerdings 15,000 Stück
Aalbrut, 1000 Bachsaiblings- utid
4000 RegenbvgenforcUeneier in den
Kocher eingesetzt. Außerdem werden
in Kürze 20,000 Zander eingelassen
werden. Die Saiblings- und Regen
bogcnforellcneier wurden erbrütet und
in Fischteiche verbracht. Ebenso wur
den Bachforellencier erbrütet und in die
Nebenflüsse des Kochers eingelassen.
Der Familie Kühren in Heidenheim
sind innerhalb weniger Tage vier Kin
der an dcr Diphtheritis gestorben. Die
beiden letzten Kinder liegen ebenfalls
krank darnieder. Zwischen Herbrech
tingen und Gerstetten soll eine Pri
vatschmalspurbahn erbaut werden.
Das Gesuch um Anbringung
einer Gedenktafel am Schlosse zu
Lconberg, wo die Mutter Schillers in
den Jahren 1796—1801 gewohnt hat,
ist genehmigt worden. Lconberg darf
sich'rühmen, die Wohnstätte der Mütter
zweier dcr größten Männer aller Zeiten
gewesen zu sein: Keppler und Schiller!
In Grözingen und Wolsfchlugen
wurden Darlehenskassen mit je ca. 60
Mitgliedern gegründet. In Unter-
Hausen ist in der Nähe der Ricgcr'schcn
Kuustmühle eine neue prachtvolle Tropf
steinhöhle in jüngster Zeit entdeckt wor
den. Dieselbe soll sich hoch von der
Mühle aus unter dem Bett dcr Echatz,
die man in der Höhle rauschen hört, hir»
'iehen.
Großher zogthumßaden.
Der frühere LandtagSabgeordnete
Gfell - Emmendingen wurde vom Frei
burger Landgericht wegen Sittlichkeits
verbrechc» zu zwn Jahren und acht
Monate» Gefängniß (abzüglich drei
Monate Untersuchungshaft) und fünf
jährigem Ehrverlust verurtheilt.
Für die wissenschaftliche Ausstattung
des in Heidelberg zu errichtenden zoolo
gischen Instituts hat Dr. R. v. Erlan
ger, welcher früher in Heidelberg stu
dirte, 30,000 Mark zur Verfügung ge
stellt. Das durch seine herrliche Lage
bekannte, schon von Hebel besungene
nahegelegne Schloß und Gut Bürgelns
seit 30 Jahren im Besitze der Grafen
Kageneck, ist durch Kauf an einen
Pforzheimer Industriellen übergegan
gen, dcr das Anwesen zu einem Luft
kurort mit Naturheilanstalt einrichten
will. Der seit mehreren Tagen ver
mißte Bürgermeister Schweinle von
Köndrmgen wurde ertrunken im Mühl
kanal aufgefunden.—Der Rathsdiener
Kasper Stahl in Königshofen hat in
der Freiburger Tombaulotterie einen
Gewinn von 20,000 Mk. gemacht.
Aus der Rheinpfalz..
Für das Sieges- und Friedeusdenk
mal in Edenkoben sind nunmehr 11,-
300 Mark verfügbar; cs fehlen jedoch
zur Ausführung immer noch ungefähr
52,000 Mark. Die das Kufelthal
gegen Westen abschließende, malerisch
gelegens Schloßruine Burglichteuberg
wird eiueii wirksamen Schutz gegen
weiteren Vcrsall und Zerstörung erhal
ten. Die kgl. preußische Regierung ist
nämlich mit einer hiesigen Familie in
Ankaussverhandluug getreten, welcher
ein großer Theil der Ruine gehört.—
Der nene Hafen in Ludwigshasen soll
oberhalb der Stadt, zwischen dem Mun
denheimer Altrhein und dcr Sulzer
fchen Fabrik, angelegt werden. Der
Kostenaufwand ist auf 3,475,000 Mk.
veranschlagt, exclusive dcs von der
Gemeinde gegen eine jährliche Entschä
digung geleisteten Terrainauswandes.
Die bayerische Regierung geht energisch
vor, weil die badische ein Viereinhalb-
Millionen - Project mit einem Hafen
canal und Quaianlagen am offenen
Strom plant. In Mackenbach, hat
ten jüngst zwei vollständig erblindete
Mänuer zahlreiche Zuschauer bci ihrer
Arbeit; sie deckten nämlich zusammen
an einem HauS das Dach ab und rissen
das Gebälk herunter, ohne Beihilfe
eines Zimmermanns oder sonst einer
sachkundigen Person.
Anhalt, Braunschweig. Lippe,
Waldeck.
Unter Theilnahme des Hofes und der
Spitzen der Staatsbehörden wurde in
Dessau das vom Hosbankier Kaiser
Wilhelm 1., Baron v. Cohn, gestiftete
Kaiser Wilhelm - Denkmal feierlichst
enthüllt. Die Gedenkrede hielt Professor
Gerlach. Baron Cohn ist zum Ehren
bürger ernannt worden. Der zu le
benslänglicher Zuchthausstrafe begna
digte Webermeister Albert Herre aus
Jeßnitz hat sich in der Strafanstalt er
hängt. —ln Gröbzig begingen das
Rentier G. Heinroth'sche Ehepaar das
Fest der goldenen Hochzeit. Der
Bankier von Seckendorfs, Mitinhaber
des Bankhauses Gutkind Eo., der
als Referveofficier beim 92. Infanterie-
Regiment eingezogen war, stürzte in der
Nähe des Exercierplatzes so unglücklich
vom Pferde, daß er, ohne wieder zum
Bewußtsein zu kommen, starb. s In
Schöppenstedt der Hof-Jnstrumcnten
macher Ferdinand Haase. Der seit
mehreren Wochen vermißte Landwirth
Frd. Kahlhöfer in Alt-Wildungen
wurde ca. 50 Meter von Wilhelms
hausen an der Fulda unter einem Wei
deubusch todt aufgewunden.
Schweiz.
Baselstadt. Vom RegierungSrath ist
der erste Tag der KleinbaSler Gedenk
feier, der 9. Juli, als staatlich aner
kannter Feiertag erklärt worden.
Eine Versammlung St. Gallischer
Stickerei-Fabrikanten beschloß Erwer
bung des amerikanischen Patents für
die Saurer - Dampfstickmaschine zum
Preise von 600,000 Fr. Die drei
Sernfthalgemeinden leisten an die pro
jektive Sernfthalbahn eine Subvention
von 240,000 Fr. Die Drahtseilbahn
von Ragaz nach Wadtrnstein soll bis
zum 15. Juni erstellt sein. Die kan
tonale Gewerbeausstellung in Luzern,
die viele aus den Sommer 1894 ver
schieben wollten, soll nun doch auf 1893
zu Stande kommen. 112 Franz Thal
mann, der Senior der schweizeri
schen Lehrer, in Entlebuch, 95
Jahre alt. Die Bahn auf das 1900
Meter hohe Stanserhorn soll bis 1.
Juli fertiggestellt sein. Die Gefammt
kosten belaufen sich auf 1,400,000 Fr.
In Schaffhausen ist jeder geflvlde Ein
wohner bis zum 40. Jahre seuerwehr
pflichtig; nun soll auch die Feuerwehr
für ihre Dienstleistungen entschädigt
werden. Zwischen dem Luganersee
und dem Langensee dehnt sich die
Grenzlinie zwischen der Schweiz und
Italien durch verschiedene große Win
kel lang aus; die Bewachung dieser
Zollinie kostet Italien jährlich 300,000
Fr. Man beabsichtigt deshalb in Rom,
einfach die Trefa als Zolllinie zu wäh
len und damit viel Geld zu ersparen,
da sich dem Flusse entlang der Verkehr
leicht überwachen läßt. In Prilly
bei Lausaune fand in dem Hause, wel
ches die Mutter des Präfetten Pingond
bewohnt, eine Dynamitexplosion statt,
durch die das Treppenhaus zerstört
wurde. Das Schwurgericht in Zürich
hat ein Urtheil vom Jähre 1863 gegen
den Landwirth Alder von Küßnacht,
der wegen Nothzucht zu 3 Jahren und
10 Monaten Zuchthaus verurtheilt
wurde und diese Strafe ausgestanden
hat, aufgehoben, da sich dessen Un
schuld in Folge Bekenntnisses des witk
lichen Thäters herausgestellt hat. Joh.
Alder erhält für die erlittene Strafe
12,000 Fr. Entschädigung. Ein ge
wesener, zur Zeit wegen anderer Sitt
lichkeitsverbrechen verhafteter Lehrer
hat die That begangen, für welche
Alder die Zuchthausstrafe erhielt.
Im Pariser „Figaro
,inden wir eine längere Petersburger
Correfpondenz über den russische« Fi
nanzminister, welcher wir folgende
Stelle entnehmen: Seit einiger Zeit
schon hatte W. selber an sich eine Blut
leere des Gehirns wahrgenommen und
beschlossen, sich in seiner Behausung
durch einen Specialisten, der ihn fast
niemals verließ, behandeln zu lasse».
Vor etwa 14 Tagen begab er sich, in
Segleitung seines Arztes, nach dem Pa
last von Gatfchina, um dem Zaren
kinen Bericht zu überreichen, als er
unterwegs, während er den Bericht
nochmals durchlas, sich an den Arzt mit
den heftig herausgestoßenen Worten
wandte: „Sehen Siedoch, diese Dumm
köpfe von Beamten haben jede Zeile
doppelt kopirk!" Im Palast angekom
men, fanden ije im Vorzimmer Herrn
Sergius von' Witte, der soeben zum
Vertehrsminister ernannt worden war.
Da die Minister nach dem Alter der
Ernennung beim Kaiser eingeführt
werden, bat der Arzt Herrn von Witte,
trotz feines jüngeren Ministerpatents
juerst einzutreten, um den Zaren über
den plötzlichen Anfall zu unterrichten,
welcher die geistigen Fähigkeiten
des FinanzministerS trübte. So
geschah cs auch, und als nun
Wyschnegradski in das Empfangszim
mer trat, erhob sich der Zar sofort,
ging ihm entgegen und redete ihn fröh
lich mit den Worten an: „Guten Tag,
Iwan Alerejewitfch! Verschieben mir
die Geschichte auf morgen, heute wollei
wir zusammen frühstücken." Doch das
Bewußtsein schien den Minister gänzlich
verlassen zu haben; die Augen fest auf
den Sessel gerichtet, den der Zar eben
verlassen hatte, machte er eine tiefe
Verbeugung, wobei er unverständliche
Worte murmelte; dann setzte er sich an
den Schreibtisch und begann, indem er
sich fortwährend an den leeren Sessel
wandte, feinen Bericht in englischer
Sprache zu verlesen. Der Zar, auf
welchen diese Sceue im hohen Grade
peinlich wirkte, ließ die Aerzte rusen...
Der Zar entfernte sich dann, während
Wyschnegradski, den Kopf auf die
Häude gestützt, bald einschlummerte. —
Prosessor Zacharine, einer der berühm
testen russischen Aerzte, soll erklärt ha
ben. das Leiden WyschnegradskiS, das
durch Ueberarbeitung entstanden, sei
heilbar, aber die letzten Nachrichten ge
ben nur geringe Hoffnung, daß die
Voraussage des Petersburger Psychia
ters in Erfüllung gehen werde.
—ln Petersburg erzähl,
man sich gegenwärtig eine sehr inerk
würdige Geschichte. Der Sohn des
Staatsraths Smirnoff erschien vor-ei
nigen Tagen vor den Richtern der
Strafkammer nnter der Anklage, eine
Gans gestohlen zu haben. Er gab den
Diebstahl unumwunoen zu und berich
tete treuherzig, wie er dazu gekommen
sei, sich den Braten anzueignen. Er
sei ruhig, wie es einem friedlichen Bür
ger geziemt, spazieren gegangen, als er
plötzlich von einer wild gewordenen und
jedenfalls tollwüthigen Gans in die
Wade gebissen sei. Natürlich habe er
sich wehren müssen und habe deshalb
die Gans am Halse gepackt und er
würgt. Ta er nun nicht wußte, was
er mit dem getödteten Gegner thun
sollte, habe er sich endlich entschlossen,
die Gans nach Hause mitzunehmen und
sie als Sonntagsbraten zu verspeisen.
Der Sohn des kaiserlichen Staatsraths
Smirnoff wurde thatsächlich freigespro
chen, weil er sich nach dem Urtheile der
Richter im Zustande „gerechter Noth
wehr" befunden hatt«, att er die .tolle
San»" annectirte.
Auf die russische Ge
fängnißpraris wirft folgendes, einem
deutschen Geschäftshaus nach dem „Vor
wärts" von einer Petersburger Firma
zugegangenes Schreiben ein eigenartiges
Licht:
„Herrn
In einigen der hiesigen Gefängnisse
beabsichtigt man, Belauschungs-Mikro
phone einzuführen, und bitie ich Sie,
mir postwendend mitzutheilen zu wollen,
ob Sie Mikrophone der Art schon ge
baut oder ob Sie solche coilstruircn
wollten, und im bejahenden Falle bitte
ich um Skizze, in welcher Art dieselben
sind oder sein werden. Die Mikrophone
beabsichtigt man in der Wand oder in
der Lage einzumauern und müssen sie
so empfindlich sein, daß, von außen
mit Papier oder Tapete bedeckt, diese
Alles wiedergeben, was von einem
Menschen in der Mitte des Zimmers'
oder gleichviel von welchem Orte des
Zimmers gesprochen wird. Der Auf
trag könnte belangreich werden, und
lohnt es sich daherschon von selbst, etwas
Neues in dieser Art zu coustruiren.
Etwas in dieser Art soll schon existiren
und möchte ich gerne Ihre Mikrophone
hierzu benutzen, nur müßten sie zu die
sem Zwecke umconstruirt werden'.
8. Sollten Sie solche Mikrophone
zum Belauschen dcr Arrestanten schon
bauen, so bitte ich um ein Exemplar
sofort per Post. gez.:
In einer in
stattghabten Verhandlung vor dem Mili
türbezirksgericht bildete eine Soldaten
mißhandlung Seitens eines Ofsiciers
(es handelt sich um 56 Fälle) Gegen
stand der Anklage. Angeklagt war der
Secondelieutenant des tgl. 8. Jnf.-
Regiments in Metz, Friedrich Vogel,
der von feinem Compagnicchef mit Aus
bildung der Rekruteu betraut war, die
selben mit Ohrfeigen traktirt zu haben.
In einem Fälle wär eine Ohrfeige der
art, daß dem Soldaten der Kopf an
das Vifir feines Gewehres gestoßen
wurde, wobei eine blutende Verletzung
verursacht wurde. Auf Beschwerde des
Mißhandelten wurde Untersuchung ein
geleitet, welche 56 Fälle von Mißhand
lungen ergab. In der Verhandlung
wollen 37 der Soldaten durch die
Mißhandlung Schmerzgefühl nicht ver
spürt haben, wogegen 19 dies bestimmt
behaupteten. Die Mißhandelten, be
fragt, warum sie sich nicht beschwert
hätten, gaben an. sie hätten sich nicht
getraut und geglaubt, bei den Rekruten
dürfe das sein. Der Angeklagte ist
geständig, will aber im Diensteifer und
in Erregung gehandelt haben. Während
derStaatSanwalt die Anklage unter dem
Ausdruck des Bedauerns (wen der Aherr
Staatsanwalt bedauerte, ob den Offi
.ier oder die Mißhandelten, geht aus
dieser Fassung nicht hervor. Red.) aus
recht erhielt, bat der Vertheidiger,
Hauptmann v. Scanzoni, die Geschwo
renen, bei Bejahung der Schuldfrage
den Zusatz zu machen, „jedoch ohne
Ichmerzgefühl verursacht zu haben,"
welchem Antrag entsprechend auch das
Lerdikt der Geschworenen anSsiel. Vo
gel erhielt 4 Monate Festungshaft.
Den Vorsitz der führte Ge
neralmajor v. Asch, die Verhandlung
leitete dcr Direktor des Militärbezirks
zerichts Stabsauditeur Glück.
Diesonst zieinlich ruhig >.
llniversttätsstadt Coimbra (Portugal)
ist seit einiger Zeit der Schauplatz auf
regeudcr Scenen zwischen Studenten
schaft und Behörden. Das Endresul
tat ist die von der portugiesischen Re
gierung verfügte Schließung dcr Uni
versität mit dcr Aufforderung au alle
Studenten, deren Familien nicht in
Coimbra wohnen, die Stadt binnen 24
Stunden zu verlassen. Die Ursache
der Demonstrationen war ziemlich
ringfügig; Es haben sich an dieser
alten Universität mehr als anderswo
Gebräuche aus längst vergangenen Zei
len erhalten, unter denen die Mißbräuche
keine unbedeutende Rolle spielen. So
ist es unter Anderem Usus, den Neuling
beim Universitätseingang mit dem so
genannten „Canellar", eine Art Guß
tritt, zu tractiren, sobald er nicht den
Schutz eines Aelteren in Anspruch
nimmt. Trotz des Verbots vom Recto
rate wird der Unfug weiter geübt.
Einen vom Pedell in ertapp
ten Studenten verurtheilte der Reetor
zu dreitägigem Career. Darüber war
die Studentenschaft so empört, daß am
Abend desselben Tages dem „tapferen"
Eollegen eiii Ständchcn gebracht wurde,
worauf vor dcr Wohnung des Rectors
gegen diesen demonstrirt wurde. ES
wiederholten sich die Tcinonstratioiicn,
Militär und Polizei intervenirte mit
blanker Waffe; dadurch stieg die Erbit
terung immer mehr, die Studenten ver
langten die Demiision des Rectors,
Pedells und Polizci-Commissars. Die
Regierung autwortete aber mit dcr
Schließung der Universität.
Nicht geringes Aufsehen
.rregt die plötzliche Verhaftung des
Gcmcindercchners und Kaffirers in dem
über 1200 Einwohner zählenden Flecken
Dehna, Amt Limburg in Nassau. Der
Beamte machte vor einigen Tagen
plötzlich die Mittheilung, es sei in das
Kassenlokal zur Nachtzeit eingebrochen
und dabei an baarein Gelde über 6000
Mark gestohlen worden. Die Unter
suchung wurde eingeleitet und förderte
nun das überraschende Resultat zu
Tage, daß dcr Gcmeindekassirer höchst
wahrscheinlich den Diebstahl nur fingirt
hat, um die von ihm seit längerer Zeit
begangenen Fälschungen und Kassen
defectc zu verdecken. Er wurde des
halb in einer Wirthschaft in Limburg,
wo er sich zufällig befand, verhaftet,
wie es heißt, soll er sich schon seit eini
gen Jahren in Geldverlegenheiten be
funden, und wenn Revision bevorstand,
größere Summen geliehen haben.
Al nächster Woche sollte die Aufstellung
eines eisernen Geldschrankes ersolgen,
und es wäre dann die fingirke Berau
bungsgeschichte nicht mehr gut möglich
gewesen. Hoffentlich gelingt eS der
Untersuchung, die Sache völlig klar zu
stellen.
Der Berliner V»lk»witz.
~-z)ie Denkmäler Berlins und de?
Volkswitz" betitelt sich eine Schrift
von Viktor Laverrenz in Berlin, die
alten Berlinern zwar meist Bekanntes
bringt, aber auf ziemliche Vollständig
keit Anspruch machen darf. Das Neue
darin sind humoristische Zeichnungen
von Gustav Brandt, die alle aufge
führten Standbilder in Karikaturen
wiedergeben. Nachstehend eine kleine
Auslese.
Dem Großen Kurfürsten auf der
Langen Brücke, dcr zur antiken Tracht
die Allongeperrücke trägt, ruft einer
der am Sockel kauernden Sklaven be
wundernd zu: „Ei fein!" Der alte
Fritz Unter den Linden interefsirt sich
für das Uiiiverfitütsgebäude: „Hm, das
ist also die Berliner Universität? Die
hatte ick mir ville jrößer vorjestellt!"
Sein Denkmal ist bekanntlich „von
Rauch" gemacht, und das ist „keene
Kleeniglcit." König Friedrich Wil
helm 111. auf dem Lustgarten Prüft
mit Miene und Hand das Wetter:
„Halt, ick jloobe, et drippelt schon!"
Das Denkmal Friedrich Wilhelm?
111. bei der Luiseuinsel hak an dem
rechten Fuße im Marmor eine dunkle
Stelle, und der Volkshumor behaup
tet, dcr Bildhauer Drate habe absicht
lich hier einen „Riestcr" am Stiesel an
gebracht, um die große Sparsamkeit
des Königs anzudeuten. Hierzu eine
Anekdote. Ein Fremder fand dieses
Denkmal zur Winterszeit in eine
terverfchalung gekleidet; er ließ sich'
darüber von einem Berliner folgende
Aufklärung geben : „Det is dct Denk
mal von Friedrich Wilhelm 111. Sei
ner jroßen Einfachheit Wesen hat dcr
Künstkr ihn so dargestellt. Sehen
Se doch bloß, wie einfach det Denkmal
iS !" Der Fremde aber sperrte Munt»
und Nase auf und starrte den hölzernen
Obelisken an. König Friedrich Wil
helm IV. vor der Nationalgallerie sieht
sich fragend um : „Herrsch, ick habe ja
nicincn Hut verjessen !" Auf die Herr
scher möge» einige Feldherren
Dcr alte Blücher : „Uff iNeinen Üfm
koinmt mir Keener, ick habe selber kaum
Platz!" Gneisenau, der die Rechte
ausstreckt: „Meine Handschuhnummcr
wollen Sie wissen, Fräulein ? Sehen
Sie mal zu, ick jloobe, 10j werde i<k
brauchen."
Bülow von Dennewitz sieht auf seine
arg zerknitterten Hosen herab: „Don
nerwetter. sind meine Hosen naß!
Sollte ick vielleicht damit heimlich int
Wasser jesallen sind?" Scharnhorst
freut sich mit aufgehobenem Finger der
aufziehenden Wachtparade: „Horch, die
schöne Miisike!" Zieten am Wilhelms
platze fährt sich mit dcr.Hand prüfend
llber's Kinn: „Soll ick mir nu rasiren
lassen, oder warte ick noch 'n bisken?"
Winterfctdt faßt feinc Schärpe an:
„Die Schärpe? Herr, wat niecnen Se
woll, wat die jekost' hat, wie sie noch
neu war?" Brandenburg am Leipzi
ger Platz streckt den rechten Arm aus:
„Un wenn dcr Drcck so hoch liegt, mit
die Sticheln komme ick überall durch!"
Papa Wrangel, sein Gegenüber, weist
die Wagen mit dem Feldherrnstabe zu»
recht: „Immer rechts fahren!"
Auf dem „Sicgesschornstein" auf
dem Königsplatz prangt als Victoria
„das anständigste Fräulein in Berlin",
denn „sie hat kein Verhältniß". Ihre
ältere Schwester auf dem Brandenbur
ger Thor aber fährt die „vierspännige
Norinaltutsche". Bei der FriedrichS
säule aus dem Belle
muß man eine Brille aufsetzen, um sie
zu sehen, denn „sie is zu kleen". Den
Hannoveraner im Hoplitenkostüm da
neben, dcr vor seinem verwundeten
Schlachtroß steht und die Hände empor
streckt, sieht der Volkswitz für einen
Droschkenkutscher an:
„Der verdammte Asphalt! Nu i 5
der Jaul schon wieder mal jestürzt!"
Nun etwas von Staatsmännern, Dich
tern und Denkern. Alexander von
Humboldt „brütet"; der Bildhauer hat
ihm nämlich einen Globus als Ei unter
den Stuhl geschoben. Schiller vorm
Schauspielhaus? hält den Mantel mit
dcr Hand irampfhaftzusamincn; „Herr
jott, mir rutscht immer dcr Palctot!"
Das Haupt des Dichters ist ein Lieb
lingsplatz der Sperlinge, daher das
Scherzräthsel: „Tu, ebend hab'ick'nen
Spatzen uf'n Kopp stehn jesehn!" Dem
Freiherrn von Stein auf dem Dön
hvffsplatze, der den rechten Fuß vor
wärts stemmt, ruft der Volkswitz zu:
„Halt ceiien Schritt und Du liegst
unten!" Die Hcrkulcsbrücke äin
Lützowplatz gibt zu zwei Scherzreden
Anlaß. Dem überwundenen Löwen
greift dcr Heros in den Rachen:
Männeken. der Zahn muß raus!" Der
besiegte ZeiMaur aber wehrt die ge
schwungene Keule ab: „Au. MenschenS
kind, jehn Sie mir bloß mit dein ver
dammten Mijräncftift vom Leibe!"
Der Schloßbruunen heißt im VolkZ
munde trotz feinem officiellen Namen
noch immer, wie von Anfang an, das
Forckenbccken. und der Meergott darauf
war in der ersten Sylvesternacht, die er
<1891j92) erlebte, von einem bezechten
Bürger also angehöhnt: „Schäme
oller Neptun, ick habe bloß eenen Za!»
ken, Du aber hast dreie!" Die typisch
gewordenen „vier Meechens", die sich
an so vielen Sockeln von Denkmälern
finden, würde der Berliner ungern ver
missen: „denn es ist eine schöne Sitte,'
wenn an jede Ecke een Meechen wartet."
Das Goethe-Denkmal hat übrigens nur
drei „drei von den Vielen, die Goethe
bei Lebenszeit hat „fitzen lassen."
L o b.
Das allerfeinste Dirnderl,
Is halt do mei Lieserl.
So fllaß wie a Birnderl.
So flink wie a Wiefcrl.
Verliabt wie a Täubers
Zahm wie ihre Kälba.
Zutrauli' wie'S Schwalbers,
Und dumm wie i' felba.
AlleFrauen tragen Klei»
kr: gekleidet sind nur wenige. , 7