Eine Capital Romanze, (2. Fortsetzung uud Schluß., »Wie schön Sie das Alles erklären.- bemerkte Rase ganz hingerissen, „gewiß sind Sie in Washington zu Hause, daß Sie das so genau kennen." „O nein," versetzte er rasch, „ich bin nur zeitweise hier. Jetzt gerade bin ich nur gekommen, um meinen Onkel, den Captain Wilde, der auf einige Wochen mit einem Freund hier verweilt, zu treffen. Ich sür meine Person bin durchaus kein Politiker, sondern Ge schäftsmann durch und durch. Ich reise sür ein New Uorker Handelshaus, und es ist der reine Zufall, daß ich so glücklich war, Ihre Bekanntschaft zu machen, liebe Miß Rose. Ihren Na men habe ich zufällig vm, Ihrem Groß vater aufgefangen, aber nur den Vor namen. der meine ist Theodor Wilde." „Unser Familienname ist Ferguson," erklärte Rose, „mein Großvater hat eine Farm weit draußen hinter Light ford, fast ganz im Busch, und meine Mntter und ich leben mit ihm. seit mein Vater starb und auch die Groß mutter zur Ruhe ging. Ach, guter Herr, ich sehne mich schrecklich nach mei nem Großvater!" „So lieb haben Sie den alten Mann?" fragte Theodor Wilde, nnd es war, als ob ein wehmüthiger Ton seine Stimme durchzitterte. „Ja, so sehr lieb," versicherte sie. „Nun, dann kommen Sie, wir wol len uns beeilen." Er zog sie mit sich fort in den ent gegengesetzten Gang, an dessen äußer stem Ende sich wieder ein Elevator be findet. „Es muß ein großes Glück sein, Je mand zu besitzen, der einen so lieb hat," bemerkte er unterwegs. „Ich bin schon seit so manchen Jahren ganz allein in der Welt, mein Onkel ist der Einzige, der ein Herz sür mich hat. Aber wir sehen »uS selten und er ist eben anch ein vereinsamter Mann, so wie ich." Diese -einsachen Worte gingen dem jungen Mädchen sehr zu Herzen, un willkürlich legte sie ihren Arm sester in den seinen und sagte mit kindlicher Innigkeit: „Sie werden gewiß noch einmal Je mand finden, der Sie liebt, wie Sie es verdienen. Ich halte Sie für einen sehr guten Mann—ja. ganz gewiß, das müssen Sie sein, obgleich—" „Obgleich, Miß Rose," fragte er aufgeregt, „was meinen Sie mit ob gleich?" „Obgleich —" stammelte sie erbebend, „ich Sie heute Vormittag im Restau rant für einen Mann hielt, vor dem man sich zu hüten hat. Aber vergeben Sie mir, ich war ein thörichtes Mäd chen. jetzt sehe ich meinen Irrthum ein sie sind ja auch so gut." Und wie ein schmeichelndes Kind lehnte sie ihr dunkles Köpfchen an seinen Arm. Er sagte zwar kein Wort, aber einem Zuge seines Herzens folgend, preßte er sie einen Augenblick an sich und der kleine Gott Amor hatte seine helle Freude an den Beiden. Sie hatten den Elevator erreicht, der soeben mit einer Fracht Menschen herunterkam, und heraustraten nebst einem halben Dutzend Congreßmitglie dern Großvater Ferguson und Capi tain Wilde. „Well, Rose well! well!" rief Er sterer ganz überrascht und ließ sich's gern gefallen, von seiner Enkelin stür misch unv abgeküßt zu werden, während der Eapitain seinen Neffen mit einem Händedruck begrüßte. Tie anderen Herren umstanden la chend die Gruppe und einer von ihnen machte eine Bemerkung über das hübsche Waldröschen, das sich der alte Bär mit aus dem wilden Westen gebracht habe. „Fürchte Dich nicht. Rose," ermahnte der alte Mann, „das sind alles Freunde von mir, lauter politische Elephanten; wir gehen jetzt znm Essen kannstauch mit." Ein Ausgang in s Freie war nach wenigen Schritten erreicht. Es regnete etwas nikd wer daher einen Regenschirm hatte, der spannte ihn auf. Großvater Ferguson besaß nnter sei nen Reiseiitcnsilien eine Art Familien dach, das so manchen Sturm erlebt hatte und in Ehren grau geworden war. Rose nahm es aus seiner Hand, um es auszuspannen und siehe da aus sei nen geräumigen Falten fiel die schmerz lich vermißte Pfeife. Mit einem Jubelruf hob sie das Fa milienkleinod auf und hielt es lacheud empor. „So viel Sorge, Mühe und Kummer hast du uns bereitet." rief sie aus, „aber da du wieder da bist, ist Alles wieder gut." Theodor Wilde betrachtete das merk würdige Stück mit hohem Interesse. „Eine Friedenspfeife im edelsten Sinne des Wortes," bemerkte er zu Rose ge wendet, „ich wünsche, ihr segnender Einfluß erstreckte sich auch auf mich." Sie erröthete und reichte die Pfeife dem Großvater hin, der sie zwischen seine Lippen nahm nnd kalt zu rauchen be gann, wobei er murmelte: „Wer hätte das gedacht Rose, 016 Und nun ging es hinaus, sie hätten zwar auch iu dem wohl eingerichteten Eapitol-Restauraut speisen können, aber sie zogen ein in der Nähe liegendes klei nes Hotel vor, wo Theodor Wilde so wohl, als mehrere Repräsentanten wäh rend ihres Aufenthaltes iu Washington logirten. Tort war bereits Alles zu ihrem Empfang bereit und die Tafel sreuden konnten beginnen. „Mr. Ferguson," redete Theodor Wilde den altenHinterwäldler an, „Sie gestatten doch, daß ich für Ihre Enkelin ein Zimmer besorge. Bitte, geben Sie mir Ihr Gepäck, ich nehme es mit hin auf, kommen Sie, Miß Rose, ich habe Eie gleich beim Eintreten in der Ofsic«, angemeldet, es steh! ein hübsches kleine? Gemach bereit für Sie." „Rose, incisocl", nnlrmelte der Groß vater, „das m»ß ich sagen!" Es war dem jungen Mädchen etwas ganz Neues, das Jemand so ganz ein schließlich für sie Sorge trug, mit eine», unbeschreiblich glücklichen und dankbare» Gefühl ließ sie sich hinaufführen und be obachtete mit einer Art freildiger Rüh rung, wie der feiugekleidete Stadtherr so sorgfältig und ohne das geringste spöt tische Lächclu des Greifes altmodische Sachen handhabte und oben auf zwei Stühlen zurechtlegte. Indessen setzten sich die Herren immer zu Tisch und ließen Wein kommen. Mr. Ferguson war der Einzige,der sein Glas mit der Hand bedeckte und abwehrte,als eingeschenkt wurde. „Was, Tejnperenzmann?" fragte Captain Wild?erstaunt. „Xot sust sxsotlv," versetzte der Alte, „aber ich mag keinen Wein, eher einen kleinen Rum Rose, olcl Zirl —" er blickte suchend umher. „Ja, was hat den» Rose dabei zu thu» Waiter, eine» Run? sür Mr. Ferguson, aber keinen kleinen!" „Hm >vsll Rose, «lcl —" als der Greis bemerkte, wie Aller Augen sich forschend auf ihn lenkten, fetzte er mit mürrische», Ernst hinzu: „Sie ist nämlich die Tochter von dem Sohn, der nicht gefolgt hat." Ein schallendes Gelächter brach los, und Alle erhöbe» ihre Gläser, um „den Großvater vo» der Tochter von dem Sohn, welcher nie gefolgt habe", hoch leben zu lassen. ES flimmerte vor Fergusons Augen, er verstand den Scherz nicht, wie alle Menschen, die lange in großer Einsam keit gelebt haben, empfand er eine» Stachel, wo gar keiner stecken follte. „Well, well," mnrmelte er. „Ihr führt ja wohl ein lustiges Leben hier Ihr habt Eure schöne Bezahlung und was Ihr dafür schafft, ist auch darnach. Weintrinken, heh aus Staatsunkosten heh —" Es wurde auf einmal gain still, Allt griffen nach Messer und Gabel nnd machten sich über die Speisen her, die vor ihnen standen. „Mein guter Mr. Ferguson," hob plötzlich einer von ihnen an, ..die trau rige Wahrheit ist die, daß die Bezah lung nicht ausreichend ist, nur sehr wohlhabende Männer können mit gu tem Gewissen die Wahl annehmen, wir Anderen, die wir nur gerade unser ge nügendes Auskommen haben, verlieren durch unscrc Abwesenheit von unsern Geschäften, unser» Landwirthschasten, Office» n. f. w. »»rzuviel. SoMan cher von uns bringt als Staaten- Vertreter Opfer, die 'sich kaum jemals wieder ausgleichen lassen. Was wir thu», geschieht keineswegs ans Gewinn sucht oder Ehrgeiz, sonder» a»s wirkli cher Liebe und Begeisterung für unser Volk, unser Land, für unser» Staat, den wir zu vertreten haben." „Das war schön gesprochen, jetzt merke Dirs, Ferguson," sagte Captain Wilde. „Nun, Theodor was willst Du?" wendete er sich an seinen Neffen, der soeben hereingekommen und hinter sei nen Stuhl getreten war. „Ich habe eine Depesche vorgefunden, in einer Stunde »»iß ich nach New Port abfahren. Bis dahin muß etwas in's Reine kommen, die Trennung wäre mir unerträglich —" „Das tonnen wir ja abmachen, setze Dich jetzt hierher und iß, hier ist Dein Platz." Der jnnge Mann folgte der Einla dung, aber er schien mit seinen Gedan ken ganz wo anders, als bei den Ge nüssen der Tasel zu sein. „Onkel," hob er plötzlich in dentscher Sprache an, „ich habe mein Herz an die kleine Rose verloren, sie hat mir'S ganz und gar angethan, ich glaube nicht, daß ich ohne sie sernerhi» lebe» und glücklich sein könnte. Sprich sür mich bei dem alte» Mann." „Na, das ist eine schöne Geschichte!" fuhr der Captain in derselben Sprache aus, „freilich bist Du alt genug, nm zu wissen, was Du zu thun hast, das Mädchen ist ja auch ganz nett —" „Ganz nett." Ein Engel ist sie, ein liebes, holdes Wesen und wie liebe voll gegen den kratzbürstigen Alten. Diese innige Verehrung sür ihren Großvater gibt mir die beste Sicherheit, in ihr ein treuliebendes Weib zu errin gen ich lasse nicht von ihr." „Was ist denn das für eine Sprache", weudote sich dcr Greis an den Eaptain. „'ich muß zwar derartiges schon mitunter gehört haben, aber dennoch weiß ich nicht, was ich davon denken soll. „O, das ist ja deutsch," lautete die Antwort. „Deutsch. Das hätte ich nicht von Dir gedacht, „Old Boy"." „Warum nicht, wir sind von deutscher Herkuust und haben unsere Mutter sprache stets hoch in Ehren gehalten." „Meine Großmutter ist auch ein! Deutsche gewesen," bemerkte ans'S Höchste interessirt der alte Herr, „aber es ist nichts von ihr in unserer Familie übrig geblieben, als ein Name, den wir aber nicht aussprechen können. Mein Vater war darauf getauft und ich bin es auch, indessen wir schreiben stets nnr den ersten Buchstaben, und der heißt L." „Wenn «ie mir den Namen buchsta biren könnten, Mr. Ferguson, so würde ich Ihnen leicht sagen können, wie er ansgesprochen werden muß," versicherte Theodor Wilde sehr zuvorkommend. „Xo, Uov, das kann ich nicht, aber Rose'kanii ihn sogar schreiben, freilich bis zum Aussprechen bringt sie'S anch nicht." In dem Augenblick trat die junge Dame frisch und rosig nnd mit einem wundervollen Ausdruck inneren Glücks in den Augen herein und nahm ohne Umstünde neben ihrem neugewonnenen Freunde Platz, der mit dem bewun dernde» Blick eines echten Verliebten an ihrem hübschen Gesicht hing. Der Großvater sah mit einiger Ver legenheit von seiner Enkelin auf seinen Rum und wundert« sich, daß sie den selben so gar nicht zu bemerken schien. „Rose," sagte er, indem er ihr ein altes abgerissenes Notizbuch hinhielt, das als Hauptinhalt die Getreidepreise vielcr vergangener Jahre enthielt. „Hier, schreibe den Namen auf, deu die selige Urgroßmutter mir und meinem Vater hinterlasse» hat. Der Captain nnd sein Nesse können uns sage», wie er lautet." Rose nahm lächelnd da-Z Buch und malte mit großer Schrist: Bolteii bachheimer, ans das letzte leereßlatt. Theodor Wilde sprach den Namen laut und deutlich aus und die ganze Tafelrunde versuchte ihn zu wiederho len. was sich indessen als ein zn schwe res Stück Arbeit erwies. Großvater Ferguson war starr vor Staunen und Bewunderung, er fand, daß dcr fremde Name von herrlichem Klang fei und ließ ihn sich mehr als zehnmal vor sagen. Endlich brach er loS: deutsch lernen." ~O, das möchte ich gerne," ver sicherte diese, ~aber wo sollen wir einen Lehrer herbekommen da draußen, wo wir daheim sind?" ~Jch will dcr Lchrcr Jhrcr Tochter werden, Mr. Ferguson," versicherte Theodor Wilde mit freudigem Eifer, ~fo lange wir getrennt fein müssen, unterrichte ich sie brieflich, das geht ganz gut, nnd dann " Es sind jetzt gerade drei Wochen her, als ei» junges Ehepaar anf feiner Hochzeitsreise einige Zage lang in Washington verweilte und dem Capital —obgleich der Congreß noch nicht in Sitzung ist—einen längeren Besuch ab stattete. Die reizende junge Fran er zählte mit lachendem Munde, daß ihr Großvater durchaus die Hochzeitsreise habe mitmachen wollen und sich gar nicht daran gewöhnen könne, sich die vielgeliebte Tochter von dem Sohn, der nie gefolgt habe, als Gattin ihres deutschen Lehrers, Theodor Wilde zv denken. (Ende.) Kin Krperimentat-Aomali MuthloZ warf er die Feder auf der. Schreiblisch. Vergebliches Bemühe»! N»» »nd »immcrmehr das fühlte er deutlich —konnte es ihm gelingen, diese Scene z» beschreibe», ohne sie selbst mit erlebt zu haben. Irgend ein alltäglicher Vielschreiber hätte es so gena» nicht ge nommen, aber er er, Ferdinand Loeni, „dcr Apostel des Realismus", wie man ihn »nn schon seit zehn Jahre» nannte, er konnte es nicht; er durste keinen Roman drucken lassen, von dem man hätte sagen können, „natürlich"! Lieber hätte er sich die Hand abge hauen. Unbeweglich, wie weltentrückt, saß er unter dcr Hängelampe, deren mildes Licht sich anf feincin kahlen Haupte spiegelte. Und in der dämmernden Ruhe seines StudirzimmerS das Doppelkinn in die Hand gestützt und die Augen ins Leere gerichtet sing er nnwillkürlich an, von seiner Jugendzeit zu träumen; von jener wilden, im Bierhaus und Cafe verlebten Zeit, als er noch »iit erhobener Stimme feine Theorien zu entwickeln pflegte und zur Bekräftigung auf die Marmorplatte fchtng, daß ihm t e Hände schmerzten. Er war überzeug-, daß es die einzige Ausgabe der Kunst sei, die Natur wahr haft zu schildern; er wollte der Apostel jenes Realismus sein, der die alte zu stürzen berufen war: Und er sah noch das ungläubige Lächeln, das feine Worte bei den Zuhörern hervor riefen. Und all' die Spöttereien, die lächerlich machenden Kritiken, die bos haften Angriffe, die der Veröffentlichung seiner ersten Novellen gefolgt waren, klangen Hm noch mißtönend in den Ohren. hente, in feinem behaglich-m Zinnner, dessen ungestörte Ruhe'etwas Feierliches hatte. Er erinnerte sich ganz genau jenes Abends, als er, halb wahnsinnig vor Wuth, seiner jungen Frau, die ihm erstaunt zuhörte, sein ganzes Herz aus geschüttet hatte. „Warte nur," hatte er zu ihr gesagt, „warte nur; ich werde diesem Gesindel noch Sachen zu lesen geben, daß sie mich schließlich anerkennen müssen!" Und noch andere Erinnerungen tau chen in ihm auf. Eine Novelle, die er in einer Zeitung veröffentlicht, erregt einen Skandal. Fünfzig Abonnenteu geben das Abonnement auf; ein Kriti ker nennt ihn einen verrückten Dumm kopf; ei» Anderer will ihn bei der Po lizei anzeigen; ein Dritter schreibt einen wüthenden Artikel und schließt: „Ist das Wahrheit? Ist das Na tur? — Verderbliche Künstelei ist es, die im Schlamm wühlt und schließlich Ekel erzeugen muß! Natur? —Wollüsti ges Gift! Beleidigung des Scham gefühls! DaS und nichts anderes!" Und er vertheidigte sich dagegen; rücksichtslos, wild, wie ein gereizter Eber; und halsstarrig gemacht, durch de» Widerspruch seiner Gegner, kämpste er mit Leid und Seele, ging geradewegs auf sein Ziel IoS, die Hände aus die Ohreu gedrückt, um die Beschin,pfungen nicht zu hören und sich nicht beirre» zu lasse». So verging einige Zeit; dann aber siegte das Urtheil des Publikums, und die Kritiker singen an. sich zu besänfti gen. Und, nachdem sie zuerst ihre Be wunderung nur geheuchelt hatten, ka men sie nach und nach dahin, ihn bei jeder Gelegenheit als ein Talent ersten Ranges auszuposaunen. Ei» SchriftsteUerverein bildete sich, dcr seinen Namen trug; es regnete Briese von Direktoren und Redacteu ren dcr gclesensten Zeitungen, die um einen Artikel nur einen einzigen Ar tikel baten! Jedermann wollte ihn kennen lerne:,; vornehme Damen baten um eine Zeile von seiner Hand sür ihre Äutographensainmlungen: schöne Au ivarscn ihm auffordernde, dr»rcl>- bohrende Blicke zu kurz, es war ein glänzender Sieg. Und er hatte diesen -ieg ungezügelt genossen, in der vollen Kraft seiner dreißig Jahre, und sei»en Triumph mit stolz erhobenem Haupte aus den Straßen, in den Salons und in den Theater» verkündet. Als es ihn dann nach der Unsterblichkeit gelüstete, chatte er sein großes Werk begonnen, dessen Titel bereits an allen Ecken in Riesenlettern angekündigt war. Als Schauvlatz des neuen Romans hatte er eine Provinzstadt gewählt und er hatte sich vorgenommen, ein getreues Bild des wirklichen Lebens eines jener kleinen Eeutren zu geben: er wollte das boshafte, kleinliche, neidische Getriebe jener unbeschäftigten, thatlosen Men schen schildern, ivollte eine wahrhaste Beschreibung des laiidschastliche» Hin tergrundcS, dcr Gebrauche, der Perso nen geben; nnd. um sein Vorhaben voll ständig durchführen zu können, hatte er sich in einer Provinzialstadt eingemie thet; hatte Freundschaften geschlossen, um AllcS gewifsenschaft stnoiren zu können; hatte jede Kleinigkeit, jedcn Vorfall, jede Klatscherei beobachtet und mit anSdauernder Geduld genau ge bucht und vermerkt. Und als er sich schließlich stark siil>lte. hatte er sich ans Werk gemacht und die Feder mit jenem Thatendurst mit d m ein Ge neral v.!r ter S.lüa.ht de» Säbel zieht. Der war sehr einsach; es handette st..) nur um eine edle, ver leumdete Frau. Aber um diesen ein fachen Mittelpunkt gruppirte sich eiue solche Fülle von Bildern, von scharf beobachteten Menschen; ein so bewegtes, farbenprächtiges Leben, eine solche Kraft des Ausdrucks, daß dcr Erfolg des RomanS unzweifelhaft war. Wenn er selbst wieder und wieder einzelne Stellen halblant in seinem stillen Stu dirzimmer las, fühlte er sich wie wonne trunken. Zui» Beispiel die Beschreibung eines Septembermorgens, eines jener schönen Herbsttage, wo unter warmen Sonnen strahlen die Tranben langsam reisen und sich von dem zarten Grün dcr Blätter purpurroth abheben;—oder die poetische Beschreibung der Villa, wo die Vicbeudeii ihre Flitterwochen verle be», ein kleines Häuschen, ganz versteckt unter hohen Akazienbäuiyku, unter derea dichtem Laubdach das Tageslicht zu grünlichem Dämmerschein wird und nur einzelne Sonnenstrahlen sich durch stehlen, die feuriggolden auf Zweigen und Blüthen zittern; oder die Be schreibung der Taufe in der kleinen Dorfkirche, durch deren nnverglaste Fenster die würzige Luft der Felder voll hereiiiströmt; und die Schilderuug eines großen Balles beim Präfekten; die strahlend erleuchteten Säle, in denen schöne Frauen, sich tief verneigend, ungeheurcu tcbenden Blumen gleichen; dies Alles las er wieder nnd wieder und stolzes GtückSgefülll erfüllte seine Brust. Besonders spannend wurde der Ro man an folgender Stelle: Zwei Frguen, von Neid »ild Haß gegen die Heldin er füllt, wollen diese um jeden Preis in dcr Mcinung ihrcS ManneS nnd der Welt herabsetzen; »vollen sie von ihrer Höhe herabstürzen, wo sie im Dufte ihrer kcuschen Reinheit, verehrt voll Allen, gleich einer Göttin thront. Sie schmieden tausend boshafte Ränke, bis sie endlich, durch Mißerfolge zum Aeußersten getrieben, einen anonymen Vries an den Gatten schreiben, in wel chem sie die edle Frau verbotener Zärt lichkeiten beschuldigen. Ferdinand Soeni hatte innic« Freundschaft mit dem Manne geschlos sen, welchen er als Urbild seines Helden gewählt hatte. Er wußte, daß dieser heißblütige Mensch nicht wie ein Ande rer, einen Brief mit kalter Gelassenheit ins Feuer werfen konnte, der seine ver götterte Fran derart beschuldigte. Er kannte ihn durch und durch, nnd im Geiste sah er ihn todtenblaß und ver stört in das Zimmer der verleumdeten Gattin stürzen und hörte seine Drohung, sie zu todte», weil» sie nicht ohne Zögern Alles bekenne. ilnd doch sühlte er sich unfähig, ge rade diese Sccne zn beschreiben. Wird sich die beleidigte Fra» hestig gegen eine solche Verleumdung wehre»? Oder wird sie nur ein verächiliches Lächeln dasür haben? Wird dcr unwürdige Verdacht des starken Mannes den Aufschrei ge kränkter Unschuld aus ihrer Seele pres sen oder wird sie sich zu einer Recht fertigung lierbeilasse» und ihre makel lose Trene zu beweisen suchen? Und welchen Ausdruck wird ihr Gesicht an nehmen? Wird das erregte Blut nach dem Herzen ströme» und tödtliche Blässe ihre Wangen überziehen? Oder wird es ihr Gesicht pnrpurn überfluthen? Werden ihre Hände zitternd und nervös an dem Taschentuch zerren oder von Aufregung überwältigt schlaff »nd wil lenlos an den Falten des seidenen Schlafrocks nicderhängen? Ans all' dieses hatte er keine Antwort. Mehr als zwanzigmal hatte er versucht, diese Scene zu Papier zu bringen, die den Brennpunkt des Interesses in seinem Roman bilden sollte, und ebenso oft hatte er das beschriebene Blatt zerrissen oder den kaum begonne nen Entwurf mit dicken Federstrichen in solcher Wuth unleserlich gemacht, daß die Spitzeii der Feder abbrachen. Es war vergeblich; nnr wer diese Sccne miterlebt hatte, konnte sie be schreiben! Er selbst konnte sich keine Rechenschaft geben, wie diese merkwürdige Idee sich jeiner bemächtigt hatte. Ganz plötzlich hatte eines Morgens, als er gerade beim Frühstück saß, der Gedanke sein Hirn durchblitzt, und entzückt von seinem vor züglichen Einsall: schlug er mit solcher Gewalt auf den Tisch, daß die Tassen ! aneinander klirrten. .Bist Du verrückt geworden," rief die junge Frau und schaute ihm mit den schönen, blauen Augen erstaunt in's Gesicht. „Was gibt's denn schon wie der? <»eit Du den verwünschten Ro man angefangen hast, bist Du wie ver wandelt!" Und da er sie nur zerstreut ansah, ohne ihr zu antworten, beklagte sie sich bitter über sein Wesen; „so kann es nicht mehr ivciter gehen," sagte sie schließlich, „wahrhaftig nicht." und dann stand sie aus, schüttelte mit einer nervöse» Bewegung die Brotkrume» aus den Falten ihres Schlafrocks und schritt auf die Balkonthüre zn, durch welche die Morgensonne voll herein strömte. Da ivurhe die Schelle gezogen. „Herr Paul," sagte der Diener und machte die Thür des Speisezimmers weit auf. Ein junger Mann trat ein und begrüßte das Ehepaar mit dcr Un gezwungenheit eines gute» Bekannten. Ferdinand erwiderte kaum den Gruß; er starrte vor sich hin nnd schien ganz damit beschäftigt, die Arabesken des Tischtuches zu studiren. Der junge Mann beobachtete ihn einen Moment mit halbgeschlosseneiiAugenlidern; dann trat er zu der jungen Frau nnd sragte sie, während er ihr die Hand drückte, ob mit ihrem Manne irgend etwas vor gehe. , „Haben Sie vielleicht eine Ahnung? Ich nicht. Ich weiß nur, daß es seit einer Woche nicht mehr zum Aushalten mit ihm ist." Dann seuszte sie tief, zuckte die Achseln und trat mit dem Besucher auf den Balkon hinaus, um auf die beinah' menschenleere Straße hinabzuschauen; sie machte ihn auf ein Liebespaar auf merksam. welches flüsternd ans dcr ge genüberliegenden Seite der Straße auf und ab ging. Unterdessen war Ferdinand in sein Studierzimmer gegangen. Seine Augen glänzten vor Freude. Endlich hatte er einen Ausweg gefunden; einen Moment zögerte er noch; aber warum denn nicht? Es ging nicht anders! Er mußt« sich selbst einen anonymen Brief schrei ben'mit falschen Beschnldigungen gegen seine Frau. Warum auch nicht? Er konnte ihr ja nachher die ganze List beichten, sie nm Verzeihnng bitten; unter alle» Umständen war er dadurch jeder Schwierigkeit überhoben und konnte die Sccne, deren Ausführung ihn schon so lange quälte, mit dem äußersten Realismus beschreiben. Er begriff gar nicht, wieso ihm die ser Gedanke nicht früher gekommen war. ES war doch so einfach nüd natürlich. Und während er mit gesenktem Kops, die Hände aus dem Rücken, im Zimmer auf und ab schritt, malte er sich aus, wie AllcS kommen würde. Gott sei Tank, jetzt endlich nahte dcr Momcnt, wo er de» Aufschrei der Entrüstung einer schntdlosen, so niedrig beschuldigten Frau hören würde! Sofort ivollte er sich davon mache», seine» Plan in's Werk zn setzen; aber das Herz schlug ihm seltsam bang vor lauter Erregung. Er schrieb mit verstellter Hand mühe voll einige Zeilen, eine niederträchtige Beschuldigung seiner angebeteten Frau; und um die Täuschung noch glaubhaf ter und vollständiger zu mache», fügte er den Namen ihres angeblichen Lieb habers in Anfangsbuchstaben ein; er wählte den Namen des jungen Mannes, der wenige Minuten zuvor zum Besuch gekommen war. Ich weiß zwar, daß ineine Frau ihn nicht leiden kann; aber das thut nichts. Ui» so natürlicher wird die Scene". Aber, wie er dann seine eigene Adresse schrieb, hatte er eine unangenehme, quälende Empfindung, die ihn in feiner Freude störte. „Es gibt Dinge, die u»S selbst in, Scherz peinlich sind", murmelte er zögernd. Aber er ließ das Gefühl nicht in sich auskommen. Er that es ja für die Kunst, für feine hehre Kunst, die ihn, Unsterblichkeit verhieß, und mit zitternder Hand schloß er den Brief. Dann überlegte er, wann und wie er ihn erhalten würde, und nachdem er es sich ganz genau ausgedacht hatte, trug er ihn selbst auf die Post. Es traf sich prächtig. Sie wollten am Abend in's Theater gehen; und so wußte er sicher, das Blatt, von dem seine ganze Zu tunst abhing, zwischen seinen anderen Briefen beim Nachhausckommen vorzu finden: und die Sccue mußte sich Nacht? abspielen, wie im Roman. Es lvar zn spät, als sie aus den. Theater nach Hause kamen. „Es ist bein.,h ein Uhr", sagte Fer dinand, als er an der Vorplatzuhr vor beiging. Dann fragte er das Mädchen, welches die Thüre geöffnet hatte, ob Briefe für ihn gekommen seien. Das Mädchen antwortete bejahend und überreichte sie ihm. Er legte sie auf ein Tifchchen und blieb einen Augenblick stehen, um die Aufschriften zu lesen, während sich die jnnge Fran wie müde in einen Ses sel hatte sallen lassen und mit nachläs siger Geberde ihre» Spitzenschleier löste. Aus einmal schien ihm etwas auszu fallen. Er zog die Augenbrauen zu sammen und sah seine Frau scharf an; dann wünschte er ihr gute Nacht, steckte seim Briefschaften in die Tasche seines UeberzieherS und begab sich in sei» Stu dirzimmer. Die junge Frau sah ihm kopfschüt telnd nach »nd seufzte nach ihrer Ge wohnheit lies auf; dann wandte sie sich zu dem Mädchen, welches mit der bren nenden Kerze wartend dastand »nd ging !n ihr Schlafzimmer es war ja doch ganz einerlei. Ferdinand lächelte zufrieden, als er fein Studirzimmer betrat; endlich war tr am Ziel. In wenigen Minuten wußte er Alles; dann war es ihm ein Leichtes, die Scene, die ihm so viel Mühe und Qual verursacht hatte, von Ansang bis zu End: meisterhaft zu beschreiben. ! Nur ei» paar Augenblicke noch mußte kr sich gedulden, bis seine Frau das Kammermädchen entlassen hatte. Und so ging er vor dem Schreibtisch auf und ab und träumte vom Erfolg eines voll kommen der Natur abgelauschten Ro mans. „Was macht sie denn gerade heute so lang?" Er versuchte sogar, einige Male durch das Schlüsselloch zu sehen, um zu erspähen, was in dem Ankleide ziinmer, welches sein Studirzimmer von dem Schlafzimmer trennte, vor ging. Aber trotz der nächtliche» Stille unterschied er nur gedämpfte Worte und dai.u ein Klirren von Armban» deru, die aus eine Marmorplatte ge warfen wurden. Dann hörte er ein Helles Laä>en! „Gerade heute wird sie gor nicht fer tig! Er verbrachte eine Viertelstunde in Erregung. Endlich hörte er eine Thüre gehen und dann Schritte, die sich in der Ferne verloren. „Endlich" mnrmelte er mit einem tiefen Seufzer. Leise, mit großer Vor sicht drückte er die Thürklinke nieder und schlich aussen Fußspitzen wie ein Dieb in das kleine Zimmer mit wachsender Angst tastete er im Dunkeln nach der Schlafzimmerthür und rieß sie so hef tig auf, daß die junge Frau erschreckt aufschrie: „Heiliger Gott! Bist Du verrückt ge worden? wie hast Du mich er schreckt!" Er antwortete nicht, er war ganz Ohr, um kein Wort zn verlieren, ganz Auge, um keine Bewegung zu über sehen. Langsam, mit gemessenen Schritten trat er bleich und ernst auf sie zu. Sie hatte sich in dem großen Bett aufgerichtet. Die schönen blonden Haare fielen aufgelöst auf ihre Schul tern, die weißen Arme nnd die jugend liche Brust schimmerten durch die Spitzen des Nachtgewandes; und so in ihrer Schönheit glich sie einer Lieben den, die den Erwählten ihres Herzens erwartet. Mit sickernder Hand hielt er ihr den verhängnißvollen Brief hui. „Lies!" Die junge Frau erblaßte plötzlich, ergriff das Blatt und warf einen Blick darauf. Dann heftete sie ihre Augen auf ihren Mann; doch nur einen Au genblick und las nochmals das Blatt, das sie zwischen ihren zitternden Fin gern hielt. „Ich weiß Alles," sagte er leise und beobachtend ganz Auge, ganz Ohr, um nur ja keine Bewegung, kein Wort zu verlieren. „Ich weiß Alles!" Sie antwortete nicht. „Ich weiß Alles," wiederholte er zum dritten Mal. Da auf einmal zuckte es um ihren Mund; ihre Augenlider schloffen sich und ihr Körper schüttelte sich wie im Fieberfrost. Plötzlich glitt sie langsam vom Bett herab und fiel bebend zu den Füßen ihres Mannes, der sie starr vor Staunen gewähren ließ. Sie umklam merte feine Kniee und verbarg ihr Ge sicht in feinen Händen.... „Vergib mir," flüsterte sie mit erster bender Stimme, „vergib mir —!" EhinestschcS» Als kleine Sittenschilderungen aus iem Reich der Mitte sind die Auszüge aus chinesischen Blättern willkommen, die der „Ostaf. Lloyd" uns zugänglich zu machm pflegt. Hier einige Mitthei lungen der „Ling nam hat pao" von Canton: „Der Taotai von Hui chao fu, Ehow chow su und Chia hing chow, Tseng, hat Befehle erlassen, daß die Nonnenklöster in feinem Amtsbezirk theilweise aufgehoben werden, da in ihnen zu viel Thorheiten getrieben wer den, die zu Aergernissen Anlaß geben. Die Nonnen sollen sich wieder das Haar wachsen lassen und entweder zu ihren Familien zurückkehren oder Heirathen." —„ln ganz alter Zeit gab es-in China nur >m Kriegsfalle Soldaten, ' aus dem Volke angeworben wurden. Mit der Zeit hat sich dann ein stehendes Heer entwickelt, welches aber trotz seiner Stärke nicht viel werth ist, da die Leute schlecht bezahlt sind und in Falge dessen häufig noch anderen Geschäften nach gehen. Ganz anders steht es mit dem Militär der Ausländer, wo die Leute ausreichend ernährt und bezahlt wer den und wo die Dienstfrage fest gere gelt ist." „In Hnai ning hsien, in Kwangsi, soll ein seltsamer Gebrauch herrschen. Am 15. des ersten Monats jeden Jah res begeben sich alle jungen Mädchen und Männer nach dem Uen Yen Berg zum Promeniren. Jedes der Mädchen trägt einen kleinen Kasten, den es am Fuße des Berges niedersetzt. Sollte einer der Männer sich Verheirathin wol len, so kann er irgend ein Kästchen wählen und mit sich tragen; die Eigen thümerin des Kästchens gibt sich zu er kennen, und die Bekanntschaft ist ge macht. Mesalliancen können nicht vor kommen, da sich nur wohlhabende Leute an diesem Gebrauch betheiligen." „Amerika bereitet eine Weltausstellung vor. Auch China hat im gewissen Sinne Ausstellungen, die aber keinen Nutzen haben und nur Geld kosten. China wird sich an d«r Ausstellung in Amerika nicht betheiligen, weil die Chinesen dort verhaßt sind." „Es wird eine wunderbare Geschichte aus Ping-la-fu erzählt, wo zwei Brüder sich der Ehe ihrer Schwester mit einem armen Gelehrten widersetzen und be schließen, den Mann umzubringen, der mit dem Mädchen und einer Wienerin flicht; die Brüder wollen die Flüchtigen einsangen, erfassen bei ihrer Tante einen Kasten, in dem Jemand verbor gen ist, glauben, es sei der Verfolgte, gießen kochendes Wasser hinein und finden beim Oessnen einen verbrüh ten Priester. Die beiden Brüder stehen jetzt unter Anklage." Lebhaftes Interesse ver räth sich ost blos durch allzugut geheu chelte Gleichgiltizkeit. Was ist da« Glück? Des Menschen Wille, das ist sein Glück, Schiller. Aus den Wolken muß es fallen. Aus der Güter Schooß, das Glück. Schiller. Das nahe Glück ist die Genügsamkeit, Und die Genügsamkeit hat überall genug, Goethe. Glücklich ist, wer genießt und säet. Herder. Glück? Was ist Glück? Ein Schatten und nicht mehr! Fr. Halm. Zum Erwerben eines Glückes gehört Fleiß und Geduld und zur Erhaltung desselben gehört Mäßigung und Vorsicht. Hebel. So sauer ringt die kargen Loose Der Mensch dem harten Himmel ab, Doch leicht erworben aus dem Schooß« Der Giilter fällt das Glück herab. Schiller. Wer sein Glück nicht selbst macht, dem macht's Keiner. Anhaltischer VolkSfrcund. Das Glück giebt alles, selbst Schutz und Sicherheit gegen die Strafe, nu« Ruhe und Trost nicht. B. Jakobs. Das Glück findet man nur da, wa man es selbst mitbringt. Graf Emerich von Stadion. Glück ist. was Jeder sich als Glüit gedacht. Fr. Halm. Es giebt mir ei» Glück: die Pflichtl Carmen Sylva. DaS größte Glück und da-Z größte Unglück ist: wunschlos zu sein. Carmen Sylva. Die Wirklichkeit, und wäre sie die glücklichste, ist rauh; erst das Vergan gene ist das wahre Glück. Grabbe. Noth nicht leiden ist schon zum Glück genug. Alxinger. HI Glück ist Selbstvergessen, völliges Aufgehen in einem anderen Object. Randglossen eines Ungenannten. Was ist das Glück? Es gibt wohl keinen Menschen, der nicht sich und An dern diese Frage vorgelegt Hütte. Und das ist natürlich, denn wir werden mil der Hoffnung, daß das Glück einmal zu uns kommen wird, großgezogen, wi< sind davon überzeugt, daß Jeder ftinen Antheil davon beanspruchen dürfte, und gar mancher, der den ganzen, schönen Kindcrglaubcn über Bord geworfen hat, auf das erträumte Glück warte! er wohl immer noch. Mein Lieblingsstudium ist derMenfch. Und da habe ich die Erfahrung ge, macht, daß nichts ein größerer Schritt in der Erforschung jeder Jndividualv tät, als die Beantwortung der Fragei „Was ist das Glück? Wie denken Sit sich Ihr Glück?" Die Wirkung dieser Frage ist zumeist eine eklatante; die Augen leuchten auf, den Mund umspielt ein Lächeln, und merkwürdig: der Jüngling und di« Jungfrau, der Mann und die Frau in der Blüthe der Jahre, der Arme und der Reiche, der eingefleischteste Skep tiker. der verschlossene Hypochonder Jeder, Jeder wird da«beredt. Und di« Antwort kommt nicht etwa stockend, nein, es klingt fast wie etwas Auswen dig Gelerntes, ein deutliches Zeichen, wie gerne sich Jeder mit diesem Kapitel beschäftigt. Ich glaube nicht, daß unter Hunderl Gefragten zwei dieselbe Antwort gaben. So verschieden die Gharaktere und die Menschenloose, so verschieden sind auch die Ansichten über das Glück. Der Eine sucht es im Genuß wie der Ander« im Entsagen, dieser in der Liebe, Jene, in der Arbeit, ein Jeder jagt einem an dern Phantom nach, ein Jeder meint, er sei auf dem rechten Wege, um es zu erhaschen. Wem aber gelingt es, die blaue Wanderblume, die in weite« Ferne winkt, zu pflücken und zu ber gen? Viele sinken ermattet hin auf dem be schwerlichen Weg, auf dem Einer den Andern verdrängt, um sich selbst di« Bahn frei zu machen; Viele auch, die eben die Hand ausstrecken, Fortuna zu fassen, die sie errungen zu haben glau ben, sehen nur zu spät ein, daß es nur ein Irrlicht war, was ihnen die Leuchte des Glückes schien —umsonst der Kampf, umsonst das lange Mühen! Und wie der Andere, die nicht theilnehmen am Hasten und Jage» der Menge, denen fällt es in den Schooß, hell, leuchtend, groß o Du launische Göttin des Glücks! Was tst das Glück? Wenn Ihr mich gefragt hättet, alt ich noch jung war, ich hätte gesagt: „Was ist das Glück? „Nach jahrelangem Ringen, „Nach schweren, Lauf ein kümmerlich Gelingen, „Auf greise Locken ein vergoldend Licht, „Ein spätes Ruhen mit gelähmten Schwinge»? „DaS ist es nicht!" „D a s ist das Glück: „Kein Werben, kein Verdienen! „Im tiefsten Traum, da ist es Dir erschienen, .Und Morgens, wenn Du glühend auf gewacht, Da steht'S an Deinem Bett mit Götter» mienen, «Und lacht und lacht!" B. Endrulat. Jetzt bin ich alt. Aber den Glauben an das Glück habe ich nicht verloren, denn ich habe das Zauberwort gefun den, das es mir sichert sür immer: „Das Glück, sagt man, sei nur ei« Schein, Und so ist es; .Bilde Dir ein. glücklich zu sein. Und Tu bist eS!" 3