2 Herr Niesecke. Herr in Verlin ist ein sch> wohlhabender Junggeselle, der für sich selbst recht viel Geld ausgibt, sür An dere aber nicht einen Nickel. Er läßt sich sehr gern einladen und feiert am Stammtisch sämmtliche Geburtstag! mit, nur nicht seinen eigenen, an dem er jedes Mat schwer leidenv ist. Selbst verständlich geht er mit seiner Gesund heit außerordentlich vorsichtig um, und hat eine schauderhafte Angst vor dem Tode. Unlängst nun war Herrn Nie seckeS fünfzigster Geburtstag, und dies mal hatten die Stammgäste doch mit einiger Sicherheit darauf gerechnet, daß sich der alte Nassauer auch einmal los lassen wurde. Aber weit gefehlt. Her, Niefecte dachte gar nicht daran. Ein paar Tage vorher erschien er, wie im mer vor seinem Geburtstage, mit ganz verpacktem Halse, klagte über fürchter liche Schmerzen und blieb dann an den nächsten Abenden ganz fort. Tas Iva» den Stammgästen aber zn arg. und su beschlossen, dem „Leidenden" einen bö sen Streich zu spielen, um ihn für seinc Knauserei zu bestrafen. Herr Niesecke tag am Morgen seines Wiegenfestes noch im tiefe» Schlummer, als es an seim Thür pochte. Er erwachte und hörte zum zweiten Male leise pochen. Zwar empsing er niemals Besuche, aber es war sein Geburtstag, und vielleicht konnte ihm doch einer von den Bekannten eine Auf merksamkeit erweisen wollen. In sei ner Hossnung rief er, „Sogleich", warf sich schleunigst in seinen Schlaf rock, öffnete die Thür und vor sich sah er eine kleine Frau in schwarzem Kleide. „Nun, was ist denn?" fragt Herr 'Niesecke. „Ach, entschuldigen Sc, is dat hier, wo Herr Niesecke gestorben is ? Ick bin de Leichcnwäscherin." Herr Niesecke ist ein paar Schritt zurückge fahren vor Schreck. „Wat sagen Sie, wer ist gestorben?" „Na Herr Nie secke." „I, Gottbewahre, ich bin ja selbst Herr Niesecke." „So-o," sagt die Frau kopfschüttelnd, dann muß det'n Irrthum sind." Niesecke hat die Thür zugeschlagen, setzt sich auf's Bett und will eben anfangen, über die selt same Geschichte nachzudenken, als es wieder klopft. Er öffnet wieder, und sieht einen jnngen Menschen, der ihn fragt: „Ick soll de Leiche balbiren, det is doch hier, wo Herr Niesecke gestorben is?" „Zum Teufel nein", ruf Herr Nie secke, „ich verbiete mir diese niederträch tigen Witze, ich werde Sie bei der Po lizei anzeigen!" „Mir? Na, denn zeigen Sc man los. Wat wollen Se denn eigentlich? Hier is de Postkarte, die mir herbestellt hat." Herr Niesecke nimmt die Karte und liest. Inzwischen ist ein Handwerker die Treppe heraus gekommen mit einem Zollstock in der Hand. „Ju'n Dag, ick soll hier Maß nehmen zu den Sarg sor Herrn Nie secke, hier is et doch?" Herr Niesecke ist außer sich. Auch der Tischler hat eine Karte bekommen. Lange begreift Nie secke die Sache nicht, aber endlich geht ihm doch ein Seifensieder auf. Jetzt erst schämt er sich seiner Drückebergerei. Es klopft noch ein paar Mal. Er macht nicht mehr auf. aber ergeht nach her zum Frühschoppen und als die Be kannten bei seinem Erscheinen kichern, sagt er: „Meine Herren, ich tonnte beim besten Willen nicht sterben. Hente ist mein Geburtstag! Da muß ich Sie nothwendig Ab.'iidS zn eiyem Fäßchcn Echten nm mich haben. Einverstanden?" „ES lebe Herr Niesecke!" tonte es da raus vergnügt in der Rnndc. Ter Förster Windbergcr besitzt einen Erzschelm von Dackl! Tcr Nimrod geht alltäglich am Morgen durch das Torf in fein weites Revier. Da kehrt er auch jcdcsmal in der „Birne" ein, ruht ein paar Minuten aus und ißt eine kleine Wnrst mit einem Stückchen Brod, aber ohne Trunk, denn Windbergerist ein nüchterner Mann, und nur Sonntags trinkt er und zahlt dann feine Wurst, da er die Kellnerin Morgens höchst sel ten sieht. Der Dackl länst jedesmal voraus nnd bellt in den Hansflur, ein Zeichen für die Kellnerin Lisi, die Wnrst zu bringen. Die Liest hat wenig Zeit in der Frühe; sie muß kehren und putzen, lüften nnd klopsen nnd Wasser an den Herd stellen zum Kaffee für die Hcrren leut', wenn sie daher den Dackl hört, steht auch schon der Teller mit der Wnrst im Schcnkzimmcr, dann kümmert sich die Liest nicht mehr um den bescheidenen Gast, sondern laust ihren Geschäften »ach. Wie es fein will, bekommt der För ster die verflixte nnd mnß schön eine Woche im Bett liegen und schwitzen. Am Sonntag ist er wieder wohl und da geht er in die „Birne" und trinkt sein Maß. Liesi! rust er dann und legt eine Mark hin, die Woche hab' ich wenig verzehrt und keine Wnrst g'habt. i-o. antwortete die Kellnerin verdutzt, wie kann das sein? Tcr Dackl hat jcden Morgen 'bellt und so oft ich aufgeräumt hab im Schcnkzimmer, war anch die Wurst und das Brod weg. Ah! da soll der....! rief der Förster und gibt dem Dackl, der in der Vorah nung der Entdeckung feiner Sünden mit schlaffen Lhren unter'm Tisch liegt, einen Fnßtritt. Darum Hai das Bich zu Haus immer so wenig gefressen, ivie meine Tochler sagt. Ich hab' geglanbt, es war Mitgesühl, einstweilen war'Z meine Frühst ückswnrst! Und halb bös, halb belustigt über den Streich zahlt er die Wnrs, die dem Dackl gewiß ausgezeichnet geschmeckt l»,t Keine Hilfe. Hypochonder: Ach, Herr Docter, hier stichtS bei jedem Athemzug. —Arzt (die Achsel zuckend): Hier ist nichts zu machen. —Hypochon der: Um Gotlcjwillen. steht es denn so schlecht mit mir? Arzt: O min. die Sache ist bis morgen von selbst gut geworden. M ä r z v e i l ch e n. Tic Großmutter ging durck? den Pfarrgarten, der helle, sonnige März tag hatte sie hinausgelockt. Die klaren, braunen Augm der Greisin leuchtete» vor Freude über den blitzenden Früh-- lingshimnicl, über die dicken braunen Knospen an den Bäumen und den zar ten Schleier von Grün, der hie und da schon über d?n Sträuchern hing. Das war ein gesegneter Sonntag heute! Denn wenn auch die Arbeit ruhen mußte, der junge Frühling rnhle nicht in seiner Schöpferarbeit, es war als tonne man es keimen, sprießen und wachsen sehen. Und da! Tie Großmutter stand still liud athmete tief auf über die Fried hofsmauer wehte Veilchenduft! Sollten wirklich schon die Veilchen blühen? Tie alte Fran ging langsam zwischen den srischgegrabencn Garten beeten über den feuchten Grasplatz, der mit jungen Obstbaumen bestanden war, nach der Fcldsteinmaucr, die den Kirch hof abgrenze, Tort stand sie, wo einige abgebröckelte Steine eine Lücke in der Mauer gebildet hatten, zwischen den hollundersträuchern und spähte hinüber nach den Veilchen. Plötzlich tönte ein leises, Helles Lachen an ihr Ohr. Tic Sonne schien ihr in s Besicht und hatte sie geblendet, jetzt be schattete sie die Augen mit der Hand und nun konnte sie deutlich sehen. Dort auf der anderen Seite, wo die Mauer an die Torfwiefcn mit den ge kröpften Weiden grenzte, stand ihre sechzehnjährige Enkelin Ruth, das hüb sche Pfarrtöchterlein mit den langen, blonden Zöpfen nnd den Veilchenaugen. Sie hatte beide Arme auf den Mauer rand gestützt und flüsterte und lachte mit Jemand. Und dieser Jemand war kein Ande rer, als der schlanke, kecke Primaner der älteste Sohn der GutS herrfchaft, der stets am Sonntag ans der nahen Gymnasialstadt herüberkam ;n den Eltern. Und jetzt reichte ihm Ruth etwas ill>er die Mauer, und wenn der Groß mutter alte Augen auch den Dienst ver sagten, so wußte sie doch ganz genau, daß es die ersten Veilchen waren. Die alte Frau war leichenblaß ge worden und ihre Kniee zitterten. Sic mußte sich an der Mauer festhalten. Ruth aber sprang eben sorglos, ein Frühlingslied, das von Lenz und Liebe sang, auf den Lippen, zwischen den Gräbern uud Grabsteinen, dem Pfarr haufe zu. Die Großmutter ging langsam und gebückt den Gartenweg zurück. Sie saß dann oben in ihrem Giebel stübchen in dem alten Sorgenstuhl am geöffneten Fenster, regungslos, die Hände im Schooß gefaltet. Die sinkende Sonne sandte Siröml von Licht und Glanz in das Stübchen der Greisin nnd malte der lieblichen Dorflandschaft vor ihrem Fenster den herrlichsten Goldgrund, auf dem sich die w.'ichen, milden Farbentöne des Abends wunderbar abhoben in der Silhouette des KirchleinS, der Bauernhäuser und in dem Geäst der Akazienbäume am Pfarrgiebel. Die Amsel sang in der Vollunderhecke am Friedhof und in den Vogelkästen zwitscherten die jungen Staare, während Heller Kinderjubcl von der Torsstraße hcrübcrtöule, wo das lustige junge Volk seit Generatio nen dieselben übermüthig tollen Spie!« im Frühling treibt. Ja, es war Alles, Alles wie damals, die Menschen blieben ewig dieselben! Sie stiegen in's Grab, und sie wurden wieder zum Leben geboren, immer die selben in Lnst uud Leid, in Thorheit uud Schmerzen! Die alte Erde hat ja auch nach jedem Winter denselben gol denen Frühling! Und was hülse es, spräche der Win ter zum Frühling: „Blühe nicht, denn Tu mußt welken uud vergehen?" Was hülse es, sprächen die Alten zu den Jungen: „Hütet Euch vor dem süßen, thörichten Jugeudglück, denn es stirbt in Schmerzen?" » So sagte sich die alte Frau jetzt, uud sie versuchte ruhig zu überlegen, was das Rechte zu thun sei, aber immer versank sie wieder in Träumcr.i nnd fragte sich, ob denn das, was sie ge sehen habe, Wirklichleit war oder nur eine Vision aus der Vergangenheit, ein Spuk im hellen Sonnenschein an der KirchhcsSmaiier, wie ihn diejenigen sehen, denen sich ein baldiger Tod an kündigen will. Es ist ein aller Volksglaube, daß der vom Tode Gezeichnete sich selbst im Bilde der Erscheinung sieht. Uud gcuau so war es damals! Derselbe goldene Frühlingstag mn dem ersten Veilchcnd:-:ft. Und dort an der Mauer, an derselben Stelle hat sie gestanden, den ersten Veilchenstrauß in der Haud und hatte sehnsüchtig über die Trist in die sonnenduftige »Ferne geblickt, ein heißes, übermächtiges Ver langen nach etwas Unaussprechlichem, nach etwas, das süßer und lieblicher war als ihr ganzes bisheriges Leben im Herzen! Und da war er gekommen, der Juir ker mit den hellen, lachenden Augen nnd dem Blondhaar, das sich an den Schla fen ein wenig lockte unter dem Jägerhul mit der Bixkhahnfeder und'dann hatten sie sich beide angesehen. Sie kannten sich wohl von Kindheit an, aber an diesem Tage hatten sie sich doch zum ersten Mal wirklich recht gesehen. Er blieb stehen, und sie hatten ge lecht uitt> geplaudert, endlich hatte sie ihm auch die ersten Veilchen über die Mauer gereicht. Ja, gerade so wie damals ging heute die Sonne unter, in dem blaßgoldenen, klaren Abendlicht, nnd gerade so hatte der Kirchthnrinlnops gefunkelt uud ebenso frisch und feucht strich die Nebel luft von der Trift herüber! „O, Jugend! O, Frühling! O, Liebe!" Bist Du ein Traum oder bist Du der einzige Moment de-Z Erwachens in dem langen, dunklen Traum des Lebens? Ja, wie zu einem neuen Leben er wacht, ging sie seit jenem Tage umher! Das Unaussprechliche, das Unnennbare, eZ war zur Wirklichkeit geworden. ES schloß in sich alles Heilige, alles Große und Süße, das ihr Sein und Wesen je ahnend durchzittert. Uud wie der Vogel zur Sonne fliegt, wie die Btume sich dem Lichte zuwendet, so ging sie jeden Tag zu dem stillen Plätzchen an der Kirchhofsmauer, um den Geliebten zu treffen, nm Blicke und Worte der Liebe zu tausche» und end lich den ersten seligschencn K»ß der Liebe. Es war ihr noch nicht in den Sinn gekommen nach den Aeußerlichkeitcn die ses Verhältnisses z» sragen, zn überle gen, daß sie die Psarrerstochler uud er der zweite Sohn einer Adelssamilie sei, deren Besitz ein Majorat war, das dem weitesten zusiel, so daß der zweite ans seine Karriere nnd auf fei»e Tüchtigkeit angewiesen war. Auch waren damals, in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die Grenzen zwischen Adel und Bürgerstand noch oiel strenger nnd unüberwindlicher. Aber ihre Liebe zn dein schöne», le bensfrohen Jüngling war unbegrenztes Br auen ohne Fragen und Zweifel. Er liebte sie, wie sie ihn, und so mußte Alles gut werden. Sie vertraute ans ihn und Rott. Der Frühling ging zu Ende und der Frühsommer brachte den schrecklichen Tag, der zum Wendepunkt in ihrem Le ben wurde. Es war im J»»i, blaßrosa Winden und wilde Rosen blühten an der Kirch hofsmauer und der alte Hollunderbanm, in dessen Schatten sie mit dem Gelieb ten saß, hatte sich mit seinen weißen, tcllcrgroßcn Blülhendolden geschmückt, vie einen süßlichen, einschläfernden Duft ausströmten. In seliger Sclbstocrgesscnheit hatt« sie das Haupt au die Schulter des Ge liebten gelehnt, der den Arm um sie geschlungen hielt nnd in einem wonni gen Znstaude zwischen Schlafen nnd Wachen tönten ihr das Flüstern des Geliebten, das Lied einer Amsel im Holluiidcrbaum uud das saufte Wehen des Sommerwindes über das lange, blumige Kirchhossgras zu einer einzi gen, süßen Schlummermelodie zusam men. „Frieda!" wv: der Blitz hatte dieser Nus nebe» ihr eingeschlagen, und im nächsten 'Augenblick stand sie tootenblaß und zitternd vor ihrem Bater. Bor ihrem Bater, diesem Manne von unbeugsamer Strenge, der selbst harm lose Freude» als Fleischeslust, Augen lust und hosfährtigeS Wesen verdammte uno der von der ganzen Familie geliebl und hochgeachtet wurde, weil er die höchsten Änsordernngen an sich selbst stellte—ja, man mußte ihn kennen, um begreifen zn können, was sie empfand ! Er sprach schreckliche Worte, er be schuldigte sie des Betruges nnd heim licher Sünde, er sagte, daß ihre Schande bereits im Mnnde der Leute sei und daß ein altes Weib, die er des liederlichen Lebenswandels ihrer Enkelin wegen znr Rede gestellt habe, ihm geautworte! habe, „ei, ei, Herr Pastor, wenn Sie so scharfe Augen haben, die auf alle Tanzböden sehen, warum können Sic denn nicht durch den Holluudcrbusch sehen, wo unser Psarrtrölen alle Tage ihren Liebsten küßt?" „Vater!" hatte sie da mit gerungenen Händen gernfen, „ist es denn Sündk nnd Schande, zu lieben und glücklich zu sein? Thu» nicht Alle dasselbe, die Mann und Frau werden wollen? Hat es nicht Gott so gewollt und ist nicht Liebe das Höchste und Heiligste, das Süßeste und Schönste im Menschen leben?" „Mann nnd Frau?" fragte der Vater mit einem flammenden Blick ans de» bestürzten Jüngling. „Meine Tochter, der Mann, der ein Madchen zu seinem Weibe mache» will, küßt sich nicht mit ihr hinter den Hecken! Ein Ehrenmann hat keine Liebschaften hinter dem Rücken der Eltern. Ich frage Sie. Herr Ba ron, wollen Sie meine Tochter vor Gott und den Menschen zu Ihren, christlichen Eheweibe mache»? Wolle» Sie jetzt mit mir zu Ihren Eltern gehe» und sie bitten, diese» Bund zu segnen, um de» Ntif u»d die Ehre meiner Tochter zu retten?" Und er, dem sie diese große, heilige Liebe, das Vertraue», das noch keinen Zweifel kannte, geschenkt hatte, zn dem auch i» diesem Augenblick noch mit freudiger Zuversicht ausblickte—er schlug die Augen nieder, er zögerte und stam melte etwas von Rücksichten und Ver pflichtungen, von der Nothwendigkeit, seine Liebe und sein Verlöbnis; noch längere Zeit geheim zu halten, bis er z» Selbstständigkeit und Unabhängig keit gelangt sei. Sie stand im ersten Augenblick be täubt. sie konnte das Alles nicht sc schnell fassen. Ihre Sinne verließen sie nicht, abcr sie hatte das Gefühl dum pfer Bewußtlosigkeit. Ihr Vater wandte ohne ein weiteres Wort dem jungen Manne den Rücken, er sagte nichts als: „Komm!" Sie war ihm gefolgt, ohne einen Ab schied von dem Geliebten, ohne einen Blick für ihn. Sie hatte de» stolzen, rechtlichen Sin» des Baters, »nd ihr Herz sagte ihr, daß er sie i» der Noth »erließ. Doch der blühende Sommer tag ringsumher hatte sich plötzlich in eine dürre nnd öde Wüstenei verwan delt! Und was >?« iren die Jahre, die nun folgten, anders gewesen? Erst das blutige Herzeleid und' der Berlnst des Vertrauens uno der' Achtung ihrer Eltern. Dann halte ihr Vater ihr eines Ta ges eil«?» Freier zugeführt, einen jnngen Hilfsgeistlichen ans einer benachbarten, großen Tiöcese. Sie hatte ihn gehei rathet, weil es wohl so sein mußte. Er war ein trockener, pedantischer, pflichtst-mger Mann, ohne das Fene» und die Kraft ihreZ VatcrZ. Ihr Le ben war Muhe und Arbeit gewesen, und nur in ihren Kindern hatte das Glück ihr wieder gelächelt. Sie hatte aber mit der Zeit d.'n kurzen Frühlings jub.'l ihrer Irgend gan; veniessen, sie selbst war ein! stille, strenge, nüchtern: Frau geworden. Sie war bereits in vorgerückten Jah ren, als ihr Mann nach dem Tode ihres Paters dessen Nachfolger wurde und sie wieder das Vaterhaus in der alten Heimath bezog. Dort halt« sie den verlorenen Gelieb ten ihrer Jugend wiedergesehen. Er war mit seiner Familie aus Besuch im Schlosse und als sie eines Tages ans dem Trockenplatz Wäsche aushing, ritt er vorüber, auf demselben Weg mit den gekröpften Weide» zwischen der Trist und der Friedhofsmauer, wo er an jenem sonnigen Märztage daherge kommen war. Hinter dem Hollunderbaum verbor gen, hatte sie ihn belauscht, und es hatte ihr einen seltsamen Stich in's Herz gegeben, als sie den hageren, ern sten Mann erblickt, der ein sonniger, heiterer Jüngling war. Er sah nicht aus, als wenn das Leben ihm Rosen gestreut hätte. Seit jenem Tage hatte sie oft an die Jugendzeit denken müssen, und ihr er kaltetes Her; war weicher und versöhn licher, duldsamer gegeu Andere gewor den. Jetzt lag der letzte Abcndsonncnglanz auf ihrem Leben, bald wird sie zu den stillen Schläfern dort hinter der Fried hofsmauern gehören ach, daß man sie im Schatten des Hollunderbaumcs bei den blauen Märzveilchen begraben möchte, daß sie den kurzen Frühlings traum ihres Lebens zu Ende träumen könnte in Frieden! Alsdie Abendschalten dunkelten, kam ihre Enkelin Ruth gesprungen mit einem Sträuscheu srischer, seuchter Veilchen. „Denk Dir Großmutter, auf dem Schloß bekommen sie Traner. Baron Gisbert, der Bruder vom Herrn Baron ist gestorben. Haus von Kempen hat es mir heute erzählt, er ging vorüber, als ich aus dem Friedhof die ersten Veilchen pflückte. Mutter ruft, ich muß hinunter. Adieu, Großmüttercheu!" Die alte Frau aber hatte die zittern den Hände über die Veilchen gehalten uud Thränen rannen über ihre wellen Wangen. Tie ersten Märzveilchen waren die ersten Liebesboten zwischen ihm und ihr gewesen, die brachten ihr anch jetzt die Todesbotschaft. Ter Classen-Aufsali. Tie Schüler der Unter-Tertia eines Berliner Gymnasiums hatten einen Elassen-Aussatz über die „Inquisition" zu liefern. Alle machten nun mehr oder weniger die Martern, die sie zu be schreiben hatten, in ihrem Geiste selbst durch, indem sie sich abquälten, ein leb haftes Bild der damaligen Znstände zu entwerfen. . Einer nur, der sonst gewöhnlich nur dann in erster Reihe zu stehen Pflegte, wenn der Lehrer beim Fragestellen vom Letzten anfing, war diesmal frohen Muthes und erledigte feine Arbeit mit einer Leichtigkeit, die den Neid seiner Umgebung wach rief. Ja, während die Andern sich abmüh ten, ihre Gedanken zu conzentriren, be saß Anton Schlaumeier denn von ihm ist die Rede noch so viel Geistes gegenwart, von Zeit zu Zeit hosfuuugs hungrig sein in ein Zeituugsblatt ein gewickeltes Frühstück liebäugelnd zn be trachte!!. Schlaumeier war zuerst fertig, und Schlaumeier hatte, wie am andern Tag der staunenden Elasse verkündet wurde, den besten Aussatz geliefert. Seine Schilderung der Zustände zur Zeit der spanischen „Inquisition" war so zu treffend, dajj der Lehrer ihn fragte, ob er denn besondere Studien gemacht habe. Schlaumeier konnte mit gutem Gewissen diese Frage verneinen. „Aber wunderbar ist es doch," meinte der Herr Ordinarius, „wie packend Tu die Peinigung der von der Inquisition vergewaltigten Opser darzustellen weißt z. B. die Beschreibung, wie der Hen ker einen Napf voll heißer Brühe auf einen Stuhl fetzte und dem Häftling befahl, den Stuhl so lange auf- und abwärts zn strecken, bis sich die heiße Brühe über Gesicht nnd Körper des Aermsten ergoß, oder wie man dem anderen fcttgeschmicrte Stiesel im Ge sicht hermnrieb, oder wie man welche zwang, schmutzige Socken in den Mund zu nehmen und ausznkauen. Das ist eine Phantasie —! Aber daß Tu be hauptest, „vier Hiebe hießen auf spa nisch.: ein Pfund Wurst und man be strafe nun mit halben, ganzen bis zn 5 Pfund Wnrst", das geht mir etwas zu weit, das ist unhistorisch." „ES steht aber so " verschnapptc sich der Schlaumeier. „Wo? In welchem Gcschichlswerk? Da bin ich doch neugierig." „Ach, ich kann es Ihnen jetzt nicht zeigen, Herr Dr., es ist ganz mit Fett flecken durchsetzt!" „Das Buch?" .Rein, es ist eigentlich kein Buch,' stotterte der ganz in Verlegenheit gera thene Schlaumeier, „es ist das gestrige Morgenblatt, worin ich mein Frühstück eingepackt hatte und wo die Soldaten-Mißhandlungen drinsteheu." —Mild e r un gsgru nb. Rich ter: Frau Schmidt, Sie sind ange klagt, Ihrem Dienstmädchen einen Tops mir Butter an den Kopf geworfen zu haben. Thut Ihnen dies nicht leid? Angeklagie: Nein, die Butter war schon ranzig. Ein internationaler Kongreß der Thierschußvereine soll nach Beschluß einer Delegirtenvcrsammlung der schweizerischen Thierschutzvereine im Jahre in Berlin abgehalten wer den. Schiffbrüche im Indische» Ocean. An demselben Tage, an dem die „Eider" aus den Atherfield-Felfe» auf gelanfen, erschien in Leipzig (bei Wil helm Friedrich) ein Buch „Schisfbruch auf dem Indischen Ocean", dessen Ver fasser Hugo Walter, erster Officier der „Eidcr" war. Herr Walter hatte be reits einmal Schiffbruch gelitten und zwar im Jahre 1868 als erster Steuer mann auf dem Bremer Vollschiff „Ade le", welches verlassen werden mußte, da seine aus Kohlen bestehende Ladung in Brand gcrieth. Tie Mannschaft jind die drei Passagiere flüchteten sich auf die drei Boote de- Schiffes, von denen das eine von einer englischen Bark aufge nommen wurde und das zweite verlo ren ging. Mit dem dritten Booie mußten Walter und feine vier Leute, die mir mit einem ganz geringen Por rath an Lebensmitteln ausgerüstet wa ren, eine A4 Tage dauernde Fahrt zu rücklegen, ehe es ihnen gelang, die Insel Nassau bei Sumatra glücklich zn errei chen. Seine Erlebnisse während dieser gefahrvollen und entbehrungsreichen Reise hat nun Herr Walter in obigem Büchlein srisch nnd anschaulich geschil dert. Ter Bericht über die schlimmsten Tag: der Fahrt fei im Folgenden r » producirt. Zur Erläuterung schicken wir voran, das; die Schiffbrüchigen ur sprünglich die Keelingsinfeln zn errei chen hofften, bis sie erkannten, daß ihr Weg zur Rettung nach Sumatra führe. Hngo Walter erzählt: Alles kam jetzt darauf an, so schnell wie möglich vorwärts zn kommen, und so sahen wir sehr bald ein, daß das Boot bei den vorherrschenden leichten Winden mehr Segel haben müßte. Das „Wie" wurde hin und hcr über legt, nnd schließlich als das jedenfalls Vorlheilhastcste, ein Gafseltopscgel pro jektiv. Tie «ache hatte ihre Schwic» rigkeit, weil wir kein Segeltuch hatten. Aber die Noth macht erfinderisch. I » der gab ein passendes Stück von seinem Zeug her; der Eine ein blaugestreiftes, baumwollenes Hemd, der Ändere eine Hose, der Dritte ein abgcschnnteneZ Stück einer sriiheren Matratze, jetzt cl- Sack benutzt u. s. w. Eifr g war.n alle Hände den ganzen Tag des 6. Ja nuar beschäftigt, unseren neuen Hel er herzustellen. Ein Stück Flaggenleine kam als Tau darum, eine Fußleiste aus dem Boot diente als Gaffeltopsc gels-Rahe, eine Stange hatten irr bereits, an deren Topp liciTagc bestän dig eine Flagge wehte. Wir waren nicht wenig stolz auf unseren Einfall und unsere Glinst, als wir sahen, wie viel mehr Fahrt das Boot sofort mit dem neuen Segel gleich lief. Ter sicht liche Erfolg ließ uns keine Ruhe und anderen Tages wnrde noch ans den beiden Brodsäcken und kleinen Zuthaten von Kleidungsstücken, ein sogenannter Treiber, hergestellt, wozu einer der Riemen den Mast und. der Bootshaken den Segelbaum bildeten. Zwar mußte jedesmal, wenn wir zn rudern hatten, der Treibmast abgetakelt und als Rie men benußt werden, aber wir hatten ja Zeit genug. In deil Tagen volsi 5. bis 8. Ja nuar legten ivir nacheinander täglich 7V, 83 und <>'.! Seemciten zurück. Die ser dreitägige Wiud SO bis Süd, schien der letzte nördliche Ausläuser des SO-Pnssa!cs gewesen zu sein, denn der Wind war am 8. Januar Abends wie abgeschnitten. Es solgte ein Tag mit vollständiger Windstille. —„Windstille" war das Entsetzlichste für nnS. Ein Etmal mit Windstille war mehr als ein verlorener Tag für nus, erstens weil wir nicht vorwärts kamen und zweitens ging eine Tagesration an Proviant rnz Wasser verlogen. Dieser !>'. Ja nuar, an dem wir bereits 17 Tage im Boote waren, gab nnS einen Borge schmack der LeidenStagc, die nnS noch bevorstanden. Denn man denke sich einen vollständig wolkenlosen Himmel, an welchem eine tropische Sonne bis Mittag » »gefähr 80 Grad hoch steigt, vor deren brennender Glnth man sich in einem solchen Boole durch Nichts schufen kann. Alle (Gegenstände werden der maßen d'.ir.h die Sonnenstrahlen erhitzt, daß man sich bei guten Wärmeleiter», wie z. B. Metalle, buchstäblich die Hänoe verbrennen kann. Wir benutz ten zwar Segel und wollene Decken als Sonnensegel, aber da mir dieselben nicht hoch genug über unseren Kopsen anbringe» lonnten, wpren sie von wenig oder gar keinem N itzen. Kanu man bei solcher hochstehenden Coline sich frei bewegen nud herumge hen. so widersteht man den senkrechten Sonnenstrahlen leichter, weil dieselben den Körper nur im spitzen Winkel strei fen, und z. B. eine breitkrempige Kopf bedeckung fast den ganzen Körper fchon beschattet. Etwas anders aber ist es, iin Boot z» fitzen, z» kaner», oder zn lie gen. Tic Strahlen treffen den größ ien Theil des Körpers im rechten Win kel, und die Wirkung ist eine viel em pfindlichere, intensivere und ermaltcn derc. So kam es auch, daß uns von den Theilen des Körpers, welche den Sonnenstrahlen am meisten anSgesctzt waren, wie Arme, Oberschenkel, Rücke», Nase :c., die Haut abbrauute und dann abblätterte. Etwaiges Bade» in dieser Sonnen gluth verschlimmerte die Sache nur. Dagegen hat mir ein beständig mit Secivasser naß gehaltenes großes Ta schentuch, lose zusammengelegt und i» de» Hut gesteckt, als Kühlungsmitlcl sür den Kopf, ausgezeichnete Dienste ge leistet. Abends aber, sobald die Sonne unter dem Himmel verschwunden war, wnrden zur Abkühlung und Erfri schung, Menschen und Boot eine halbe Stunde lang mit Seewaffer begossen und bespült. Wie Amphibie» lebten wir dann einigermaßen wieder aus. Diese Procedur wurde allabendlich ge wissermaßen durchgeführt, nud wcnn einer zn dieser Erholung zu träge war, wurden ohne Weiteres volle Eimer Wasser über sein Haupt gestülpt.— Nach dieser Anferweckuna ging es dann Pünktlich an unsere Nachtarbeit an das „Rudern". — Drei Mann ruderten, einer stencric das Boot, nnd der fünfte Mann konnte sich ausruhen oder konnte, was gewöhn lich der Fall war, vorn im Bug Am phibium spiele». Der Hitze wegen ar beiteten ivir beim Rudern mit eniblöß lem Oberkörper. Mit der Uhr wurde» genaue Zeiten zum Ablösen und Aus ruhen eingeholte». Später, als unsere normalen Kräste in die Brüche gingen, trat jede halbe Stunde Ablösung ei». S? ging es i» der beschriebenen Weise, wenn kein Wind war, die ganze Nacht hindurch. Ter geringste Luftzug war natürlich für uns eine große Er leichterung. schleunigst wurden dann alle Segel gesetzt, aber unser buntes Gasfeltopjegel that dann immer die beste» Dienste. Tage und daraus fol gende Nächte ohne allen Wind, wie ich sie im vorhergehende» beschrieben habe, waren, wie gesagt, die schlimmsten für uns, zn deren die äußerste Energie aufgeboten werden mußte, be sonders da noch dazu unser Wasservor rath auf die Neige zu gehen drohte. Dan» war unser Muth oft gerade auch nicht mehr der stärkste! Aber es ka men zum Glück «ich wieder Tage, an denen wir es leichter hatten, sei es durch den Wind, der uns vorwärls half, sei es durch Regen, der nnS Trinkwasser spendete. Dann wurden wir mit neuen Hosfuungen belebt, unser Ziel zn erreichen, bevor die Kräfte uns ganz verließen. So am 10. J,anuar, an welchem ivir mit Nord-, Ost- nnd Süd ostwind 33 Seemeilen zurücklegten und Nachts in einer Böe etwas Regenwasser fingen. Auch am 11. bis 13. Januar legten ivir noch 26, 3V nnd Seemei le», meistens durch Segeln zurück. Auf diese vier fetten Tage folgten wieder vier magere, in denen wir nur durch Rudern vorwärts kommen konnten. Natürlich nur bei Nacht, denn am Tage in der alles vernichtenden Son neugluth war es unmöglich, diese an strengende Arbeit zn verrichten. Die schlimmsten Tage ivährend der ganzen Bootreise waren der 15. Januar mit 12, und der 17. Januar gar nur mit 8 Sccmcilen durchlaufener Distanz. Windslille, furchtbare Hitze, nur Flasche gleich einen Wasscrglase voll Trinkwasser Pro Mann in 21 Stun den—das Alles halte uns in diesen fürchterliche» Tage» so hernnter ge bracht, daß die Kräfte zum Rudern nicht mehr ausreichen wollten. Aber unverhofft kommt oft! Oder war es vielmehr die natürliche Folge der gro ßen Schwüle? Am Abend des Achtmcilenlagcs (17. Januar) zogen langsam dunkle Regen wolken heraus, jedenfalls mit der edlen Absicht, die LuftetwaS abzukühlen, und »ns womöglich Regenwasser zn bringen. Und so war es anch. Die Segler der Lüfte schütteten so viel ihres edlen In halts über uns aus, daß das Wasfer fäßchen K voll wurde. Nun waren wir wieder fein heraus. Wir lebte» jetzt nur von dem halben Barrel Kajüls- Zwieback, welcher am 3. Januar (elf Tage im Boat) angebrochen worden war. Der Inhalt bestand aus circa vierzig Psnud Zwieback. Letzterer ist ein sehr loses aber hartes Gebäck, und es gehe» uiigefähr vier Stück ans ein Pslind. Fünf Mann haben 22 Tage davon gelebt, sodaßimDurchschnitt der Man» vro Tag HPfuud oder 15 Zwie back bekommen hat. Wie wir bei dieser wenige» Nahrung und dem wenigen Wasser noch die Kräfie zu der anstren genden Arbeit des Rnderns behalten haben, ist mir hcntc noch ein Räthsel. Wir waren aber Alle Leute in den zwanziger Jahren, mit Ausnahme des jungen Logemann, der vielleicht 17 zählte, und in diesen Jahren, wo man meint, die Welt stürmen zn können, giebt man sich so leicht nicht verloren. Bon mir kann ich sagen, daß ich immer eine gewisse Hoffnung hegte, unser Ziel zu erreichen, um nicht elend hier umzu kommen. Meinen sämmtlichen Gefähr ten i»»ß ich das Zciigniß ausstelle», daß Jeder stets nach feinen Kräften das Seinige gethan hat. Es herrschte im mer ein gegenseitiger großer Eifer un ter ihnen vor den Kameraden nicht zu rück zu bleiben, wenn eZ galt, Strapa zen zn erlrage» und mit alter Energie die letzten Kräste daran zu setzen. Wie ein Ertrinkender sich selbst an einen Strohhalm llammert, so verfie len wir bei dem fortwährenden bren nenden Durfte auf die sonderbarsten Idee», um uns möglicherweise trinkba res Wasser zn verschaffen. So war mir ans einer Geschichte, die ich, Gott weiß wo, als Junge gelesen hatte, dunkel erinnerlich, man könne sich auf See trinkbares Wasser dadurch verschaffen, daß man eine leere, aber gut verkorkte Flasche tief unter die Oberfläche sinken lasse, woraus durch den Kork trinkbares Wasser in die Flasche sickere. Also eine Art Destillation! Obgleich ich mir sagte, eS sei Unsinn, einem Korke eine solche vorzügliche Eigenschast zuzutrauen, wurde doch trotzdem eine? schönen Tags, als das Boot todtstill im Wasser lag, die Sache untersucht. Eine zugekorkte leere Flasche wurde an eine lange Leine gcbunde» und mit einige« schweren Zimmermanns - Werkzeugen beschwert ins Meer gesenkt. Nach einer Weile wurde hochgewge». Nichtig, die Flasche war voll Walser, aber leiver, natürlich Salzwasser, denn der Kort war durch den starte» Wasserdruck in die Flasche getrieben. Mit Biiidfadcntrenz unterm Kork wurde die Sache wiederholt. Tic See war spiegelglatt, das Wasser sehr klar, so daß wir bis auf eiue zjcmlichc Tiese die Flasche nebst Anhängsel mit den Auge» verfolgen konnten. Plötz lich sahen ivir, daß ei» mächtiger Hai fisch sich unsern glänzenden Destillir- Apparat ansah und denselben >wn allen Seilen beschnupperte nnd beroch. Wir holten sofort an der Leine ein. Der Hai behielt über immer Fühlung mtt der Flasche, und als einer von uns rief: „Kick mol, et glöwe wahrhastig, dat Biest schnappt alleiiS öwer, hee smitt sik all »pp 'ii Buckel", wurde der Zim mermann sehr ungeduldig und sagte ärgerlich- „Wat tho wi ook rum to manöfricrcn, me!t de 01l Buddel. Nu süngt de Kccrl mien Geschirr wohr schienlech ook noch met öwcr." Das that dcr Hai zwar nicht, aber er kam mit der Flasche so dicht an die Ober fläche geschossen, daß wir glaubten, er wolle nach dcr Hand schnappen, welche die Flasche ins Boot holte. Es war ein unheimlicher Geselle von wenigstens lt> Fuß Länge. Er hielt sich lauernd immer in unmittelbarer Nähe des Boo tes auf. Mehrmals schwamm er so dicht an die Seite des Bootes, mit der Rückenflosse dabei über Wasser spielend, das; man ihm ein Messer hätte in den Leib jazen können. Das thaten wir wohlweislich aber nicht: denn er hätte vor Schreck jedenfalls mit dem Schwänze geschlagen und dabei unser Boot be schädigen können. Wir beschlossen, dem aufdringlichen Burschen durch ei nen Denkzettel begreiflich zu machen, daß wir seine Begleitung nicht wünsch ten, mußten aber die Gelegenheit dazu abwarten. Ter Zimmermann machte seine große langstielige Art Haarschars und ich mei nen Revolver fertig. Wie schon meh rere Male kam er endlich wieder von .hinten und ganz dicht unter der Ober fläche des Wassers aus das Boot zn. Wir standen Beide mit unseren Massen fertig. Richtig, er blieb dicht unter dcr Oberfläche, »ud als er mit dem breiten Kopfe nahe genug an: Heck war, rief ich:. „Nu is'tTicd, Timmcr mann!" Ich zielte auf das Auge, der Schuß krachte, und die Art sauste auf seinen Kopf nieder. Ter so Getroffene schoß mit dein Kopse nach unten, und schlug dabei mit vem Schwänze mit solcher Wucht auf das Wasser, daß wir Alle im Boot naß wurden. Bald darauf sahen wir ein röthlich gefärbtes Wasser, woraus der Münsterländcr bemcrttc: „(5k glöw, dcr hätt' g'nug kreegen, de schall vor't erst woll »ich ivedder kom men!" Dcr so sprach, behielt auch Recht. Mancher Lcscrmmrd denken, warum wir nicht den Bersuch gemacht haben, in der See kleinere Fische zn angeln, um uns dadurch ein Lcbcnsmittcl zu verschaffen. Abgesehen davon, daß nns so kleine Fische gar nicht zu Gesicht gekommen sind, so hätten wir sie uns auch gar nicht zubereiten können, denn wir konnten uus, da wir kein Feuer hatten, dieselben nicht kochen, und roh kann man doch tcincn Fisch essen. Da gegen waren wir mchrereMale so glück lich. nns rohes Beefsteak zn verschaffen. Es kam nämlich zum Oestercn vor, daß bei Windstille sich ein einsamer Seevogel auf unser Boot, auf Mast oder Raae, setzte, dcr in seinem Leben offenbar noch keinen Menschen gesehen hatte, und natürlich auch keine Ahnung von unse rem harten Kamps um s Dasein hatte. Tas erste dieser weißg-?siedcrtcn hübschen Thiere bennlitc nnsereu Borstcvcn als Ruheplatz. Er zierte aber nicht sehr lange unser Boot als „Gallionspuppe"; Venn bald hatte ihn eine harte Faust sicher erfaßt. Er war bedeutend grö ßer, als eine Taube, und viel fleischiger, als eine Möve. „Der wird verspeist," beschloß der Fünserrath. „lind das Blnt kann der jenige trinlcn, der ihn gesangen hat." „Armes Thicr, dn mußt dein erstes Zusammentreffen mit Menschen sosort mit dem Leben bezahlen." Das Blut schmeckte aber sehr flau, da Salz fchllc, wclchc Erfahrung bcim nächsten Mal.' ab.r Berücksichtigung sand. Salz konnten wir wir genug durch Verdunstung des Meerwassers gewinnen, ivir hatten nur bisher keinen Bedarf dasür gehabt. Der Bogel wnrde dann nicht etwa gerupft, son dern des thranigen Geschmacks wegen ab gezogen und das Fleisch aufs Feinste vcrhackt. Es ist in vielen Fällen gut, wenn man gebrauchte Gegenstände, für die man momentan nicht gerade gleich Ver wendung hat. doch nicht wegwirft, son dern hübsch verwahrt. So erging cs uns mit dein Schinkenknochen und sei ner Original-Scgcltnchvcrpackung. die von innen mit Pscffcr und Salz ange füllt war. Anf dieser inneren Flüche wurde das Roh-Bcefsteak durch Hin nnd Hcrrollen schmackhaft gemacht. Ge wissenhast wurde dann das Fleisch in fünf Theile zerlegt. Es kam allerdings nicht viel auf den Mann, aber eS war doch mal wieder eine Fleischspeise." Am 25. Januar, nach Zurücktegung von I7VO Seemeilen, landeten die Schiffbrüchigen auf Sumatra, wo sie. von den holländischen Beamten auf das Entgegenkommendste ausgeuommen, sich rasch erholten. Ein gequältes Männer herz macht sich Luft in folgender An zeige d.r „Borbecker Zeitung": „Meine unehrliche Frau LiS Rahe ist mir wie der cnttniffen und hat die nöthigen Möbel, eine halbe Seite Speck und so gar das nöthige Bettzeug mir abgestoh len, so daß ich mich nicht zur Ruhe lcgcn kann. Sogar 7 Mart hat sie seit vierzehn Tagen rcrschluckt, ohne mciu Wisscii. hat Schmucksachen ge kaust, wo sic bekannt war. Hat sie sich binnen 24 Stunden nicht einge sundcn, so sind wir geschiedene Leute, da sie schon viermal ausgerückt ist. Ich warne Jeden, dcr sich so ei» Schick sal austhut. Gute Nacht. Ich suche sosort einc Haushälterin. Gnt. Niko laus Kcidcrling, Bochold, Sckt. 1., 137." Womit er ka m. Sarah (zum Isidor, der ihr soeben seine Liebe erllärt): Stehn 'sc ans dcr Balcr limmt! Isidor: Mit'n Segen? Sarah: Nein, mit'n Stock! Mädchenlippen werden hänsig mit Rosen verglichen, aber es gibt auch Klatschrosen. Die Ehe hat große Aeh n lichkeit mit einem Schauspiel, denn in beiden kommen Austritte vor.