Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 18, 1892, Page 3, Image 3

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    Sergius Uanin.
Neman o«n Georg«» Oy« »t.
(15.-Fortsetzung und Schluß.)
Er begriff die ganze Tragweite dieses
Rathes und beschloß, ihn zu befolgen.
Micheline liebte ihn, wandte er sich an
ihr Herz, so mußte sie zu ihm hal
ten. obschon er sie auf's äußerste
verletzt hatte; daß aber Frau Des
varenneS ihrer Tochter keinen Wider
stand entgegensetzen könne, wußte er
längst.
Durch eine versteckte Gartenthür ge
langte er unbemerkt in's Hau« und er
reichte, ohne Aussehen zu erregen, seine
Wohnung. Er fürchtete Frau Desva
renneS zu begegnen, bevor er noch Mi
cheline gesehen hatte. Vor allen Din
gen mußte er seine Kleider wechseln.
Im schwarzen Frack und weißer Kra
watte hatte er halb Paris durchivan
heit. sein einziger Vorzug, ihn im
Stiche gelassen haben? Was sollte
aus ihm werden, wenn er nicht
her wie ein Komödiant, der im Begriff
ist, eine Glanzrolle zu spielen, seinem
Aeußern die nölhige Sorgfalt widmen.
Rur diesinal'noch wollte er' seiner Frau
standen.
Als sie Sergius eintreten sah, konnt«
sie ihre Gemüthsbewegung nicht verber-
Mann sie von solchen vertraulichen Be
suchen entw'öhnt. DaS Erscheinen deSGe
liebtt» in diesem Zimmer, das ihr so öde
trat ihm lächelnd entgegen und reichte
ihm ihre Hand. Sergius zog sie zärt
lich an seine Brust, küßte sie auf'S Haar
und sagte liebevoll: „Schon aufgestan
den, liebes Kind?"
„Ich habe nur sehr wenig geschlafen",
antwortete Micheline gerührt; „ich war
unruhig. Einen Theil der Nacht ver
brachte ich, nm Sie zu erwarten; denn
das erste Mal, daß dies geschah. Ich
wollte Sie »m Verzeihung bitten. Aber
Sie sind sehr spät »ach Hanse zurückge
kehrt ..."
„Micheline! Ich bin ein Undankba
rer", unterdrach sie Pani», indem er sich
„Sergius! Ich bitte Sie!" sagte die
junge Frau und ergriff seine beiden
Hände. „Alles ist vergessen! Ich wollte
Ihnen ja keinen Vorwurf machen; ich
Ein Freudenstrahl erhellte Michelines
Antlitz und Thränen füllten ihre A»gen.
„Sie weinen?" sagte Panin. „Ah,
jetzt, wo ich sehe, wie herzensgut Sie
sind, erkenne ich erst, wie sehr ich gegen
Sie gefehlt habe! Jetzt erst sehe ich ein,
unwürdig und will niederknie«» vor
Ihnen und Ihnen sagen, wie sehr es
mir leidest, Ihnen so viel zu
chelinc entzückt. „Welche Freude, so
süße Worte von dir zu vernehmen!
Welche Wonne, dir glauben zu dürfen!
Schütte din Herz aus! Du weißt, um
dir z» gefallen, könnte ich sterben,
sich um dich handelt?"
„Ich habe gar nichts, Micheline," er'
widerte Sergius, mit der erkünstelten
Miene eines Mannes, der etwas zu ver-
Bedauern, Sie vernachlässigt zu haben. "
„Aber gehört »ns nicht die Zukunft?"
fuhr die junge Frau fort nnd warf ihrem
Gatten einen zärtlichen Blick zu.
Der Fürst schüttelte den Kopf und
sagte melancholisch: „Wer kann für die
Zukunft bürgen?"
Aengstlich und ohne ihn recht zu ver.
stehen, aber scharf aufhorchend, näherte
sich Micheline ihrem Mann: „Was sind
wenn du es willst?"
Schmeichelnd hängte sie sich an sein«
Schulter. Sergius wandte sich ab.
„Ach. bleibe bei mir," flüsterte st«
und schloß ihn in ihre Arme, „jetzt bist
du so gänzlich mein eigen!"
Panin begriff, daß jetzt der Moment
gekommen sei, wo er alles sagen könne.
Es gelang ihm sogar, Thräne» zu ver
gießen; er stieß feine Frau heftig von
sich, al« ob er von einer heftigen Auf
regung ergriffe» wäre, und trat an'S
Fenster. Ntjcheline war sofort an sei
ner Seite und rief leidenschaftlich und
mit bebender Stimme: „Ah, ich wußte
!i doch, daß du mir etwa« verbirgst.
Du bist unglücklich und bekümmert, bist
vielleicht in Gefahr? O, wenn du mich
liebst, so sage mir die Wahrheit!"
Aber Hoffe nicht, daß ich dir alles anver
traue, ich müßte zu sehr erröthen
Wenn ich aber nicht imStande sein sollte,
mich au? der fürchterlichen Lage, i»
die mich mein Leichtsinn, meine Thorheit
gestürzt hat, zu befreien, so bleibt mir,
Gott sei Dank, noch ein letzter Ausweg,
den ich betreten werde "
„Sergius! Du willst dich tödten!'
ries Micheline fafsu»g«loS, als sie Pa
ni»>i verzweifelte Gebärde sah. „Aber
ich? WaS soll altdann ans mir werden?
vi» GetteLwillen. was ist es. das du
mir nicht sagen rannst? .Und von «ein
soll ich es
„Von dein« Mutter,' sagte Ser
gius, den S»fts'seiitend
„Von mein« Maner? Tut. ich gehe
zu ihr! O, du brauchst dich nicht zu
schlagen will, muß zuvor mich Irenen."
Sergius streckte >hr leine Arme ent
gegen und mit einem Kuß flöhte er. der
Heuchler, ihr, seiner Vertheidiger:-,,
einen Muth ein. dem nicht« ,a wider»
stehen vermochte.
„Erwarte mich hier!" sagte die junge
Frau.
Sie entkernte sich durch den kleinen
Salon und bttrai da» Rauchzimmer.
Tief aihmend und von der gehabten
Ausregung «alt ohnmächtig, niußte sie
sich einen Augenblick erhole». Endlich
war der langersehnie Tag gekommen,
an dem Sergius zu ihr zurücklehne.
Sie eilte weiter, und als sie die Thür
der kleinen Treppe erreichte, die zu ihrer
Mutler hinabführte, da Hörle sie ein
leises Klopsen.
Staunend össnete sie die Thür und
prallte'mit einem Schrei zurück. »Eine
Frau stand vor ihr, deren Gesicht ein
dichter, schwarzer Schleier verhüllte.
Als diese Frau Micheline erblickte,
wollte sie zurückweichen und entfliehen.
Aber die Eifersuchi der jungen Frau
hinderte sie daran; die Fürstin packle sie
am Arm. riß ihr den Schleier herunter
und stieß, als sie erkannte, wer es war,
komme...." "
„Schweige!" rief Micheline. „lüge
nicht! Ich weiß alles! Du bist die Ge
liebte meines ManneSi"
Niedergeschmettert durch diese Worte,
bedeckte Jeaniie ihr Antlitz mit den Hän
den und stöhnte: „O, mein Gott!"
„Deine Dreistigkeit übersteigt all«
Schranken!" suhr Micheline mit zorn,
bebender Stimme fort, „sogar hier, in
meinem Hause, fast in meine» Armen
suchst du ihn aus!"
«rrölhend vor Scham und vor Schmerz:
„Ah! Denke ja nicht, daß es die Liebe
ist, welche mich herführt."
„Eine Gefahr? Was für eine?"
„Dein Mann!"
„O, mein Gott!" rief Jeanne, „er ts,
ja sein Nebenbuhler. Wenn du im
schamlos und dreist entgegentrete»!», sie
sast bedrohend: „Nun ja ! Ich will es !
Genug der Vorstellung! Ich liebe ihn !"
Mit abwehrenden Händen warf sich
rief sie.
fetzig M h^l
mich schon vor deiner Heirath liebte?
Weißt du auch, daß er mich deinetwegen
.... das um deines Gelde« Wil
dau» kannst du sage», welche von uns
Beiden ihn mehr geliebt hat, welcher er
mehr angehört."
Ganz verblüfst hatte Micheline diesen
rasenden Erguß angehört, dann entgeg
nete sie ungestüm: „Ach, was liegt
daran, wer vo» uns Beiden triumphirt,
wenn sein Verderben unvermeidlich ist!
Egoisten, die wir sind! Anstatt uns um
seine Liebe zu streiten, sollten wir uns
lieber um seiner Rettung willen ver
bünden! Tu sagst, er müsse fliehen?
Wen» er aber flieht, so bekennt er da
durch, daß er schuldig ist! Die Flucht
bedeutet eiu Leben der Demüthigung,
Fremde, lind das ist'S, was dn ihm
anräthst? Du rechnest daraus, diese
elende Eristenz mit ihm zu theilen! Du
willst ihn ehrlos machen! Ist daS alles,
einem Manne ad, der dich vergöttert,
der alles sür dich aufopfern würde, wi«
Ich für Sergius alles aufopfern kZnnte,
und du zZgersi noch, dich diesem Man»
nicht dein l'eben angeboten, um das Le
ben deines Geliebten zu retten? Und
du behauptest, vaß du ihn liebst?"
>,Ahj" stammelte leann« oerwirrt.
er die angehjre!"
„Das isl'der wahre Ausdruck deines
Herzens " riei Micheline mit zermalmcn'-
Rebenbuhlerin mit oerzweiselndei Angst
und flüsterte erstaunte „Das wolltest du
ihun?"
„Vergib mir!" wimmerte die Unglück
liche; „ich bin besiegt, deine Rechte sind
geheiligt und du hast sie jetzt noch ehr
würdiger gemacht. Behalte Sergius;
Salon zurückgebliebene SergixS an der
Hoffnung, die ihm Micheline eingeflößt
hatte. Von den Strapazen der schlas
tntgegen
sah. Seit der schrecklichen Scene in
Nizza standen sich die beiden Männer
jeht zum erstenmal allein gegenüber.
suchte: „Wie? Sie sind es!"
der junge Mann schnitt ihm das Wort
ab. Mit harten Worten und heraus
fordernder Stimme suhr er fort: „Ich
haben? Ich" »ieine«thtils habe ein
besseres Gedächtniß. Sie sind ein
Sie zu züchiigen."
„Pierre!" ries Panin, sich ausbäu
mend.
„Sie müssen es! Sie sind ein Un
„Sie sind wohl wahnsinnig!" ries
Sergius höhnisch.
„Glauben Sie das ja nicht! Seien
Pierre, die Ha»d erhebend.
„Ah, nehinen Sie sich in Acht!"
knirschte Sergius mit unheildrohende».
Blick Bei diesen Worten össnete er
befand, und riß einen Revolver hervor.
„Erst Dieb, dann Meuchelmörder!'
rief Pierre mit fürchterlichem Hohn.
Er auf den Fürsten zu. Da äff-
lete.
„Ah!" sagie sie mit verächtlicher Jro-
Der Fü>-it that, als ob er das Belei-
daß MicheUnc. als sie zu ihrer Mutter
hinabgehen wollte, unerwartet vuf
Brauen und wich unwillkürlich zurück.
Mit verstörtem Antlitz überreichte Ma
eechal durch die halbgeöffnete Thür Frau
sragi« Frau TeSvarenneS.
Sergius stutzte. Cr fühlte, daß er in
«inem Bannkreise gefangen sei, dem er
thun soll?" rief Sergius außer sich.
Krau DesvarenneS antwortete «uiit.
s-ndern wies mit de» Fingern »af »en
Revolver hin.
„Ich soll mich erschießen? Ah, dal
wäre eine gar zu große Freude für Sie!'-
Er stieß die Waffe heftig von sich und
diese rollte zu Frau TeSvareniieS hin.
der Fürst. "
Seite?
Prinzipalin wechselten einen Blick, wäh
konstaliren, mein Herr! AI« der Fürst
Ihre Ankunst erfuhr, gerieth er, obschon
lEnde.)
Der Künstler auf der li-Taite.
EineErinnerung an Moltke
Wie der dämonische sagenumwobene
Paganini zum gewaltigen Gcigenkünst
ler wurde, darüber ist schon manches
erzählt worden. Eine der heutigen
Generation wohl nicht mehr bekannte
Variante, die nach dem Eingeständniß
des Erzählers selbst zum Theil seine
Erfindung ist, liegt jetzt aus dem Jahre
1841 in Form eines Briefes vor.
..In Italien", so heißt es dort,
„lebte vor sechzig Jahren ein Mann,
der schon als Jüngling von auffallen
der Häßlichkeit war. Das lange, raben
schwarze Haar hing wild und starr um
sein gelblich bleiches Gesicht. Sein
Antlitz glich dem ausgebrannten Krater
eines Vulkans und die Züge waren
regungslos, bis die Leidenschaft sie be
wegte. Dann verzerrten sie sich bis zur
Wildheit, und das Sprühen der dunk
len Augen verrieth die Gluth seines
Innern, wie das Feuer des Aetua unter
der Decke von Schnee lodert. Ein sol
ches Gemüth war nicht gemacht, um der
Welt zu gefallen. Die Männer haßten,
die Frauen verschmähten ihn, und er
war allein ganz allein in der Welt.
Wie jeder Mensch irgend eine Fähig
keit besitzt, die ihn für die Abwesenheit
der übrigen entschädigt, so hatte Pietro
die Gabe der Musik. In ftineni Häus
chen zu Ravenna wanderte er die Nächte
auf und ab nnd geigte schmerzliche Me
lodien. Einst öffnete er um Mitter
nacht die mit Oelpapier verklebten Fen
ster. Da hörte er ganz nahe Beifall
klatschen von zarten Händen. Es war
die schöne Ancella, seine Nachbarin.
Dasselbe wiederholte sich in den folgen
den Nächten, und bald entstammte
Pietro in heißer Liebe für das junge,
reiche, schöne Mädchen, nnd nicht bios
seine Geige, sondern seine melodische
Stimme wurde der Dolmetscher seiner
Gesühle. Es entwickelte sich bald ein
Verhältniß zwischen beiden, aber An
cella hatte ihn nur gehört, und er zit
terte vor dem Augenblick, wo sie ihn
sehen würde.
Jemand hat sehr richtig bemerkt, daß
die Männer das Herz durch die Augen,
die Frauen durch die Ohren verlieren.
Ancella liebte ihn, und hätte ihn doch
gLliebt, wäre er zchiimal garstiger ge
wesen. Aber der Italiener konnte das
nicht glauben, und mit einer stürmischen
Neigung wuchs eine wüthende Leiden
schaft in seinem Herzen auf.
Er mißtraute allen, sich selbst und
seiner Geliebten, nnd quälte sich in dem
Maße, wie er fie vergötterte. Ich weiß
nicht, welcher hämische Zufall in einer
unglücklichen Stunde den Schein wirk
licher Untreue auf sie warf. Rur so
viel ist bekannt geworden, daß Ancella,
von einem Stilett durchbohrt gefuiiden
wurde, und Pietv sich den Berichten
übergab, um ein Leben zu enden, das
er nicht mehr ertragen tonnte.
Aber so gut sollte es ihm nicht wcr-
den. Man schickte die Galeere,
da er aber zu schwach die schweren
Arbeiten war, so ihn in
einen einsamen Kerker. Die Nacht
sank herab und schreckliches Gestalten
senkten sich von dem Gewölbe.lieber, sie
drängten sich drohend um sein Stroh
lager, sie streckten blutige Krallen »ach
ihm aus; er that einen. Schrei, Nie
mand hörte ihn. Die Gesellschaft des
elendesten Verbrechers, die eines Hun
des wäre Wohlthat für ihn gewesen,
aber er war allein—ganz allein. Doch
nein! Seine Geige war ihm geblieben,
er ergreift sie krampfhuft, und k-->n
berührt er mit dem Bogen die teil,
fo erllingen sie wunderbar lieblich
gend, vorwurssvoll, begütigend, verzei
hend.
Es war die Stimme Ancellas, ganz
wie sie ihn so oft beruhigt und ermahnt
wie sie ihm geschmeichelt und wie sie ge
weint hatte. Es war ihm klar, daß
Ancellas Seele in seine Geige gefahren
mar. Es schien ihm, daß ein Theil sei
ner Schuld schon durch sein maßloses
Elend gesühnt sei, daß die Hingeschie
dene, welche jetzt bei ihm war, die zu
ihm sprach und die er, verkörpert in
seinem Instrument, umfaßte, ihm Ver
gebung verheiße. Da riß eine Saite,
eine zweite, eine dritte, ein Jammerton
hallte von dem kalten Gewölbe wieder,
es war der Todesseuszer der Gemorde
ten. Erschöpft sinkt der Unglückliche
auf feine Streu zurück.
Am folgenden Tag fleht der Gefan
gene den Schließer an, ihm drei Biolin
saiten zu verschaffen. Sein ganzes
Wohl und Wehe hängt an ihrem Besitz,
aber er hat kein Geld, um das Mitge
fühl des harten Mannes zu erkaufen,
teine Worte, um ihn zu gewinnen.
Trauernd betrachtet er sein liebes In
strument. Nur die K-Saite ist ihm
geblieben. Aber gerade diese zaubert
ihm die tiefe Altstimme seiner Geliebten
hervor. Die ganzen Tage sitzt er, re
gungslos vor sich hinstarrend, da. aber
wenn die Nacht ihre Schatten herab
senkt, dann greift er zu der einzigen
Trösterin feines Elends und geigt, von
niemand gehört, die wundervollsten
Melodien. Damals componirte er die
schauerliche Melodie des LiedeS:
DaS Glück, das einst mich hegte,
Ist meiner Brust ein Dorn,
Die Liebe, die mich pflegte,
Ist meinem Schmerz ein Sporn.
O, wende deinen Spiegel,
Erinn'rung jener Zeit,
Und drücke, Nacht, dein Siegel,
Auf die Vergangenheit.
Die heiße Thräne zittert
Auf meine Brust herab;
Mein Leben ist verbittert,
Ich wünsche mir das Grab.
So geigte er viele lange Nächte, zehn
Jahre lang, ohne daß ein Mensch ihn
gehört; als vollendeter Meister trat er
aus der dumpfen Gefängnißzelle in die
ivcite, sonnige Welt zurück.
Dort nahm er einen fremden Namen
an und reiste in ferne Länder; eine
tiefe Scheu hielt ihn lange ab, den
Menschen seine Gefühle zu offenbaren,
denn die Töne seiner Geige sprachen
deutlicher als Worte von dem Zustande
seiner Seele. Aber die Noth zwang
ihn, sein Talent in die Münze zu schla
gen. Bald erfüllte der Name Paganiin
die Welt.
Taufende strömten in die goldenen
Opernsäle, um den wunderbaren
Fremdling zu hören.
Da stand er leichenblaß, abgespannt,
bis der erste Bogenstrich ihn und die
Menge beseelte.
Ihr stürmischer Beifall ließ ihn kalt.
Zerstreut nur blickte er auf die tausend
köpfige Hydra des Publikums, seine
Seele war anderswo und versenkte sich
iv ihn selbst, sobald der letzte Klang
seiner Saiten verhallt war. Der von
allen gefeiert war, eilte schüchtern uird
menschenfeindlich in feine Einsamkeit
zurück. Dort überzählte er die Gold-
Hanfe», die feine Schatulle füllten,
aber sie gewährten ihm keine Genug
thuung.
Jetzt sind seine Melodien verklungen.
Seine Brust hatte ausgeseufzt und
seine Gebeine ruhen in einem unbekann
ten Winkel. Denn als der müde Pil
ger zu den Citronenhainen feines Hei
inathlandes zurückwanderte, verweigerte
man ihm zu Rom noch die letzte Wohl
that einer geweihten Ruhestätte. Nur
seine Geige ist übrig geblieben und in
)crselben wohnt noch heute die Seele
»er armen Ancella gebannt.
Und wer hat diese Geschichte Paga-1
»ini's so einfach und doch so rührend er
zählt? Wer war der Schre her jenes
Briefes? ES war kein anderer als
Graf Moltke. Am Abend des 1. De
zember 1841 war er im Opernhausc
bei einem Concert gewesen, das ein ge
wisser Skiori, Schüler Pnganini's und
Erbe seiner Geige, gab. Und nach
Hause gekommen, setzte sich der dama
lige Hauplmann an den Schreibtisch,
um seiner lieben Braut und späteren
treuen Lebensgefährtin etwas vorzu
plaudern. Der ganze so oft bewunderte
Zauber Moltke'scher Darstellungskunst
ruht auf diesem Briese, der uns den
ernsten, kaltberechnenden Denier nun
auch im Lichte der Romantik zeigt nnd
als selbstschöpferischen, phantasierei
chen Dichter. Freilich verspürte der
Briefschreiber für die Freiheit seiner
Erfindung bald etwas wie Gewissens
bisse. Denn am ü. Dezember sügt er
dem Schreiben mit guter Lauue hinzu:
„Die Geschichte von Paganini bitte ich
aber doch nicht als von mir verbürgt
mitzutheilen, seine Erben könnten mich
wegen Verbalinjurie, wegen angeschstl
'zeten Mordes, belangen."
Was die Welt sagt.
Ist man artig, so heißt's:
„Der will was!"
Ist ma» kurz:
„Der hat was!"
Ist man traurig:
„Dem fehlt was!"
Ist ma» lustig:
„Der hat zu viell"
V r -
Onkel! „Also Du bist verliebt?"
Nesse: „Ja. Onkel! Ach, die Liebe iflj
doch recht eigentlich der labende Quell
in der dürren Wüste des Lebens!"
Onkel: „Mag sein ; aber es geht mit
ihr. wie mit so viefen Oasenquellen:
die ihren Durst daraus löschen, sind Ka
mele!"—
Frommer Wunsch.
Dienstmädchen: Na Heinrich,wo wöllt
Sc denn hen?
Hausknecht: Wo Se herkaamt, Ma
rie. Op'n Kontor is nix to dohn; da
hett de Herr seggt, ick fall na de Mah
nung gahn un mal Alles duchtig, uut
lloppen.
Dienstmädchen: Alles? Wie schad'»
datt de Madame nich to Huus is!
Et» Streik zur rechten Heit.
Schillers „Teil", erster Alt
erste Scene.
Werni: Er stößt schon ab; Gott helf
sir, braver Schwimmer! Sieh, wie das
Schifflein auf den Wellen schwankt!
Knoni: Die Fluth geht drüber weg
ich seh's nicht mehr! Doch, halt, da
ist es wieder! kräftiglich Arbeitet sich der
Wack're durch die Brandung.
Die Brandung (zum Direktor, dey
den Tell spielt): Hären Se, Herr Di»
rektor, wenn Se uns nich zwee Neigro
schen mehr pro Abend geben, dann —'
hol'S der Deibel! dann hört di«
Brandung aber och sofort uff!
In der Verlegenheit.
In einem Gebirgsort soll der Minister
beim Eintreffen des ersten Eifenbahn
zugcs von de» Honoratioren empfangen
werden. Böllerschüsse, Flagge», Eh
renpforte, Glockengeläute bilden da»
Festprogramm. Des Schulzen Töch»
terlein an der Spitze einer Schaar
festlich geschmückter Mädchen Hot dem
Minister mit tiefem Knixe einen Blu
menstrauß zu überreichen, und sodann
mit einer Handbewegung gegen die
Lokomotive, welche den Minister ge
bracht, sich wendend die vom Dorf
schullchrer verfaßte Feskhymne vorzu
tragen. Vorschriftsmäßig händigt da»
Schulzentöchtcrlcin mit tiefer Verbeu
gung und klopfenden Herzens dem
ordenbefüten Gewaltigen das Bouquet
ein, vergißt aber in ihrer Scelenangft
die Wendung gegen die Lokomotive und
beginnt mit qeüßender Handbewegung
legen die Excellenz:
„Sei uns gegrüßet.
Du schnaubendes Dampfroß!.-
Stilblüthen. (Aus einem
Feuilleton-NoMan.) „ wie er da
aus dem Paradebette lag. war er selbst
im Tode noch eine schone Leiche."
„ sie heirathete bald darnach den
Adjutant, auf den der Prinz schon bei
Lebzeiten eifersüchtig gewesen war."
und so segnete der Mörder unter
dem wuchtigen Bcilhiebe des Scharfrich
ters mit einem Fluch auf den Lippen
das Zeitliche." 3