Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 25, 1892, Page 6, Image 6

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    6 «ine «eldheiratft.
Es war eine jener fashionablen Trau»
«Ilgen, welche ganze Straßen mit Neu
gierigen füllen nnd cin entsprechendes
Vcho in den Zeitungen finden.
Ter Bräutigam, ein junger Rechts
anwalt, dcr kürzlich in cinem vielbe
sprochenen Preßprocesse geradezu Sen
sation gemacht hatte nnd dencnStellung
dadurch mit einem Schlage gemacht
war ciu großer, hübschcr junger
Mann von selbstbewußtem Auftreten,
Die Braut entstammte einer belannten
nnd vielgenannte» Familie dcr Geld
aristokratie. Auch ihr Vater war durch
einc» Erfolg, eine industrielle Neue
rung emporgekommen und zählte zur
besten Gesellschaft.
Die Braut trug eine kostbare Toi
lette von weißem Silbe» bro'lat. mit
allem möglichen nnd erdenkliche» Luxus
ausgestattet auch sie ein schönes,
hochgewachsenes Mädchen von stolzer
Haltung, man merkte ihr wenig an v n
dcr herkömmlichen bräutlichen Ruh
rnilg. .
Eine lange Reihe von eleganten
Eqnipagen, Damen in prachtvollen
Toiletten, Herren in aUervornehmstcr
Adjustirung. jene undefinirbare Par
fum-Atmosphäre, die über einer so ele
ganten Gesellschaft schwebt. Nur die
geladenen Gäste habenzEintritt in die
Kirche. Niemand ist in einer dem ge
weihten Orte entsprechenden Stimmung.
Man flüstert und lorgnettirt einander.
ist ein gesellschaftlicher Act wie jeder
andere. Niemand denkt daran, daß
das Schicksal zweier Menschen sich ent
scheidet. Ob die Betheiligten selbst sich
darüber klar sind? Sie zeigen eine mu
sterhaste Haltung, aber nichts von ih
rem Innern, denn das ist nicht „chic".
, Die Ceremonie ist beendet, die kurze
conventionelle Stille vorbei; man spricht
halblaut, drängt sich, die Seidenroben
rauschen, die große GratulationScnr
beginnt. Die Neugierige» draußkn,
welche auch bei der Abfahrt nicht fehlen,
gehen mit der' beruhigenden Gewißheit, ,
morgen ans den Zeitungen zu erfahren,
wer diese vornehmen Herrschaften alle
gewesen sind. Die Hochzeitsgesellschaft
begibt sich in den Festsaal eines aller
ersten Hotels, um dvrt ein Dejenner
einzunehmen. Unsere ersten Hotels
Überbieten ja heute an Eleganz und
Bequemlichkeit das voruehiue Bürger
haus. Und wirklich, es ist Alles so
luxuriös, so üppig, wie im Hause eines !
Fürsten. Das Mahl tostet auch ein
Vermögen der Preis kommt bei sol
cher Gelegenheit nicht in Betracht.
Bevor die Tafel noch aufgehoben,
entfernt sich das Brautpaar, um die
Hochzeitsreise anzutreten.
Natürlich hat der Bräutigam seine >
Toilette rascher gewechselt als die Braut. !
-Er wartet auf sie im Salon ihrer El
tern. Nun tritt sie cin, in dein ein
fachen Rcisetleide. Znm erste» Male
heute sind sie allein.
Sie giebt sich Mühe, ungezwniigen zn
lächeln, cr thut es wirklich nngczwun
gen und faßt mit Herzlichkeit ihre
Hände.
„Liebe Edith", sagte er in dem sono
ren, frischen, selbstbewußten Tone, der !
ihn so vortrefflich kleidet, „da sind wir
nun, ganz allein. Da hast alles
Recht, von mir jetzt eine ansprechende
Liebesszene zn erwarten. Wirst Du
mir sehr zürnen, wenn ich Dir sie
schuldig bleibe? Du weißt ja, ich habe
so gar keine Uebung in schönen Ge-
fühlen".
Sie hat sich rasch gefaßt, auf einem !
Sopha Platz genommen und sagt jetzt
mit der anmnthigc» Unbefangenheit
einer Salondainc:
„Ich weiß, begreife Alles und ver
zeihe daher Alles! Du hast immer nnd
allezeit mit äußerster Energie gearbei
tet, hast dann Erfolg gehabt und warst
fo sehr beschäftigt, wie ein moderner
Erfolgsmensch es sein muß. Du hast
mich ja nie belogen, mir nie betheuert,
daß Du mich liebst!"
„O, liebe Edith, das ist zu viel ge
sagt, versicherte er ein wenig coiiventio
nell, „ich habe nie gesagt, daß ich Dich
nicht licbe, das wäre eine Lüge! Nur
daß ich keine Zeit habe. Gefühlen nach
zuhängen."
Etwas ironisch versetzte sie:
„Auch leine Zeit zu lieben, anch kei
nen Sinn dafür! Warum sich in
dieser Stunde täuschen? Du hast mich
gewählt, weil ich eine sehr ansehnliche
Mitgist besaß, es ist wahr und darum
darf ich es aussprechen. Und ich?
Papa hatte meine beiden Schwestern
glänzend vcrheirathct, aber die beiden
adeligen und militärische» Schwieger
söhne machten ihm das Leben etwas
sauer. Ein Rechtsanwalt! Das gefiel
Papa! DaS ist anch eine schöne Stel
lung und mit solideren Chancen! Papa
wählte nur den Stand und ich ließ
mir s gesallcn."
„Warum? Du durstest doch selbst
Ansprüche machen."
Sie lehnte sich zurück uud seunte ein
wenig. Ihr Armband klirrte leise.
„Mein Gott, auch wir, wir jungen
Mädchen der besseren Gesellschast, rei
fen heran ohne rechten Glauben an
Licbe. Wenigstens in einem Hause
wie das meines Paters, wo es sich nur
nm Rang und Ansehen handelt ist
eS so! Ich machte auch nur äußere An
sprüche uud sagte mir: sei vernünftig!"
Lebhaft und warm entgegnete cr:
„Das gcfiel mir auch an Dir, daß
Du so vernünftig bist. Mit Dir kann
man sich verständigen: ohne Hinterhalt,
ohne Groll uud Gereiztheit: Du bist ein
prächtiges Mädchen!"
Er küßte ihr mit Wärme die Hand.
„Ich wußte ja, daß ich Dir gefiel,"
sagte sie, „sonst hätte ich nicht Ja ge
sagt, Denn nur des Geldes wegen ge
nommen zu werden, das hatte ich nicht
nöthig."
Er siihlte sich sichttich verstimmt, daß
sie zum zweiten 'Male vom Gelde sprach.
„Du kennst mich genug, Edith, um
HU begreifen, daß ich eine mir unsyiitpa»
tische Person auch mit dreifacher Mit
gist nicht gewählt hätte, und auch ich
mißfiel Dir nicht. Lassen wir also die
leidige Geldsrage ruhen, ja?"
„Du hast recht, das zu verlangen,
und ich vcrsprcche es Dir gern."
Aber sie waren doch Beide kühl ge
worden und froh, daß man meldete,
der Wagen fei vorgefahren.
Die Reife ging selbstredend nach dem
Süden, da eS November war; selbst
redend nur nach de» fashionabclsten
Orten der Riviera.
Man stieg uur in allerersten Hotels
ab, fuhr erster Klasse. Edith hatte
Alles schon gesehen. Robert nicht. Er
hatte noch keine Zeit gehabt, zu reisen.
Aber er war etwas beunruhigt, weil in
seinem Bureau wichtige Geschäfte vor
lagen.
Sie war verstimmt über diese seine
leichten Berstimmnngen, und die ganze
Reise verlief zwar ohne ausgefprohenen
Mißklang, aber doch etwas nüchtern.
Nach der Rückkehr eröffnete Dr. Robert
Brandau feinen Salon mit großem
Erfolg. Das machte die jungen Gat
ten sehr glücklich nnd eine ganze Weile
dachten sie »icht an Liebe....
„Womit tömite ich Robert wohl eine
Freude machen?" dachte Edith, da die
W Verkehr ilste-Z Hochzeitstages nahte.
„Ein Körbchen mit feinen Liqueuren,
das hat er ohnehin Cigarren, die
wählt er am besten selbst —überhaupt,
es sollte etwas Sinniges sein, was
aber? Ein Gemälde! DaS gefiele mir
ain besten. Doch müßte es sich aus die
Feier des Tages beziehen."
Edith versank in tiefes Sinnen.
Welche Saite in ihrem Eheleben hätte
da erktingen sollen ? Was war über
diese Ehe zn sagen? Es gab keine
Zwistigkeiten in derselben, höchstens
ganz abstracte Meinungsverschiedenhei
ten. Aber es sehlte anch an den seligen
Angenblicken. von denen Edith so oft
gelesen. Als Mädchen hatten sie merk
würdiger Weise diese.Schilderungen
kalt gelassen/ Das war doch nur Dich
tung.
Aber seht in deu unzähligen einsamen
Stunden, die sie in ihrem Boudoir ver
brachte mit irgend einem Buche, er
schienen ihr diese Liebesscenen anders,
sie hielt dabei an und dachte nach.
Wie, wenn diese Liebe doch wirklich
wäre? Wenn eS solche Augenblicke
gäbe, wo zwei Menschen glückselig in
einander aufgehen !
Und wenn Robert einmal anstatt ihr
artig die Hand zu küssen, ihr Confect
zu bringen, sie zu fragen, in welches
Theater sie zu gehen wünsche so die
Arme öffnete, ihr strahlend in die Augen
blickte, sie an sein Herz zöge, süße Lie
besworte flüsternd ach, wie ihr daS
Herz bei dieser Borstellung Pocht!
Da trat Robert ein. srisch, heiter,
selbstbewußt, wie immer. Aber ach, er
dachte nicht daran, die Arme sehnsüchtig
nach ihr zn öffnen.
„Ich wollte Dich etwas fragen, liebe
Edith." i
Nun, was wird er fragen ? Muffen
wir nicht eine größere Gesellschaft ge
ben ? Oder: Wie steht es mit Dei
ner Schneiderrechnung? Und etwas
Aehnliches fragt er auch: -
„Womit, meine Liebe, könnte ich Dir
einc Freude machen? Du weißt, aus
welchem Anlaß. Aber, siehst Du, ich
habe wirklich keine Zeit, mix den Kops
zu zerbrechen. Oder- ich mache eine
Dummheit »nd wähle, falsch also gib
mir doch lieber einen kleinen Wunsch
zettel."
DaS war doch wirklich recht vernünf
tig. Dennoch ging eS ihr wie ein Stich
durch s Hirz. Was sollte sie sich auch
wünschen? Sie hatte Alles, Toiletten,
Schmuck, Blumen, Bücher.
„Du bist sehr freundlich, lieber Ro>
bert, nur weiß ich selbst noch »icht, was
ich mir wünsche."
„So denke nach, liebes Kiud.
vielleicht eine Gesellschaft, oder ei»
Abonnement im Schauspielhause?"
Da war er doch bei der Gesellschaft!
„Nein, nein," wehrte sie, „ich habe
genug Gesellschaft gehabt, mich genng
amiisirt. Weißt Du, wir wollen ein
mal allein zn Hause bleiben und Du
machst Dich frei...."
Sie erröthete, als sie diesen Wunsch
aussprach.
„Du bist bescheiden! Natürlich, lie
bes Kind, mit Freuden, aber Du mußt
Dir außerdem noch etwas wün
schen!"
„Ja, gewiß, eine Menge Dinge; Du
wirst erschrecken."
Er beugte sich über sie und sah ihr lä
chelnd in die Augen. So hatte er sie
nie angesehen! ihr Wnnsch hatte ihn
betroffen gemacht. Aber schon wandte
er sich wieder ab, etwas verlegen, um
seine erloschene Eigarre zu entzünden.
Eine Woche verging. Edith dacht«,
nicht weiter über ein Geschenk für Ro
bert nach nud wünschte sich auch nichts
weiter. Sie wollte bei der stillen Feier
ohne Gescheut verbleiben.
Am Tage vor dem Feste trat Robert
zu ihr in s Zimmer, ein Telegramm in
der Hand.
„Wir bekommen Besuch, liebe Edith,"
sagte er. „meine Schwester hat eben
angekündigt; sie will hier mit meiner
Bermittelnng eine Stelle für ihren
Mann erreichen, der nicht aus feinem
Bureau'fort kann."
„Du hast mir noch so viel wie nichts
von dieser Schwester erzählt," sagte
Edith: „wir lommcu anch gar nicht
zur Sammlung. Es ist eine «schände,
daß ich nichts von ihr weiß."
„M hatte sie immer gerne, diese
Schwester," versehte Robert, „sie ist
'ine mir verwandte Natur, zwei Jahre
jünger als ick. Sie hat auck einen
Jur.st u gel>cirathet, eiucn l.ebcnSwür
digen, begabtep Menschen. Aber er
war sehr arm und meine -Schwester
auch i er quälte sich in einer subalter
nen Stellung."
„Vielleicht kannst Du etwas thun,"
sprach pdith warm, „und ich freue
mich, Deiiu Schwester kennen zu ler
nen. Hcrminc also heißt sie ?"
Edith dachte mit leisem Bedauern,
oaß sie nun doch morgen mit Robert
nicht allein scin würdc. Sie kaufte
auch noch rasch cinc Kcavattcnnadel mit
kincm Solitär, denn der Zauber war
ja doch gebrochen, Sic hatte wohl da
ran gethan, dcn» anch Robcrt über
raschte sie mit einem stilvolle»
sancc - Schmuck liebst prächtigen Blu
men.
Hermine war am Abciid vorher ge
kommen. Sie war eine hübsche, leb
hafte junge Fran von etwas emphati
schem Wesen. Die ersten Stunden wa
ren ausgefüllt durch die Erörterungen,
welche Chancen ihr Gatte hatte.
Robcrt halte Wort gehalten und sich
frei gemacht; so waren sie zn Dreien.
Der FrühstückStisch sah reizend aus
in dem festlichen Blumenschmuck, mit
allerlei guten Dingen besetzt. Zwischen
prächtigen geschnittenen Melrosen fun
kelten die Juwelen, zwischen den grü
nen Sternen der Blattpflanzen die stl--!
kernen Köpfe der Sektflaschcu. Früchte
und Knchen athmen süße Düfte ans
das ganze 'Bild vcrsinnlichte Wohlstand
und Genuß.
Hermine bewunderte Alles, gratu-z
lirte, staunte, redete hin uud her i»
etwas hastiger, erregter Weife. Rober!
lud sie lächelnd ein, Platz zn nehmen, zu
essen und zn trinken. Sie that es abei
sie konnte keinen Bissen hiaua'erbriugeu.
vergebens versuchte sie zu csseu. Plötz
lich ließ sie die Hand sinken und Thrä
nen stürzten aus ihren Augen.
„Mein Gott, wie glücklich Ihr seid!"
rief sie leidenschaftlich.
„Aber Hermine, aber liebe Schwe
ster", versetzten Robcrt und Edith be
stürzt und verlegen. In ihr aber war
die Empfindung durchgebrochen, es gat
!ein Halten mehr.
„O, wie glücklich seid Ihr", stieß sie
nochmals hervor. „Ihr habt ja weiter
nichts zu thun, als Euch gegenseitig
jeden Wunsch abzulauschen. Eure Lieb«
iu verwirklichen, Euch das Leben zu
»erschönen."
Me beiden Gatteil stammelten eine
Gegenrede, Hcrmine achtete nicht da
rauf ; sie fuhr fort:
„O, wie himmlisch schön mnß es
sein, so nur seiner Liebe zn leben. Wic
ist es mir ergangen ! Ach, wie glühend
wir uns liebten — HanS »nd ich. Uns
schien es keine Phrase, in einer Hütte
glücklich zu sein. Und wir Heiratheten
uns trotz des Widerstandes der Ver
nünftigen, denn wir brauchten wirklich
nur eine Hütte. Was galt uns Ein
schränkung und Entbehrung— was der
Hunger sogar? Wenn wir uns nur
hatten. Nur sich im Arme halten
Brust au Brust, Aug' in Aug'.
Auch Edith hatte ihr kleines silbernes
Besteck sallen lassen, sie lauschte athem
los, das war ja die Liede, die sie bisher
nur aus Büchern kannte! War sie
wirklich diese Liebe? Und Hermine
fuhr fort:
„Ganz anfangs war es so. Wir
waren knapp—wir entbehrten. Jeden
Tag Suppenfleisch und Kartoffel, aber
wir waren vergnügt dabei. Dann
kam unser erstes Kindchen nnd mit ihm
die Sorge, denn sein Erscheinen riß
die erste Lücke in unserem kärglich be
messenen Etat! Schulden! Gewiß,
wir srcnten »ins über unser Kind, wir
liebten es. aber es war zugleich eine
neue Sorgenlast. Und mit dem kleinen,
lieben Ding blieb die Sorge! Wir
haben jetzt drei Kinder, jedes war eine
neue, furchtbare, erdrückende Last, deuu
es reichte nicht aus und man wußte,
nicht, wie lurchzukommeii."
Edith harte mit athemloser Span
nung zngehört.
„Und Eure Liebe?" frug sie jetzt
zitternd.
„O, gewiß, wir haben uns noch im
mer lieb," snhr Hcrmine sort, „aber
wir kommen gar nicht dazu, dessen sroh
zu werden. Ich grüble ja nur, wie
mit dem lnappen WirthschastSgelde
durchzukommen, und HanS, wie er.
trotz aller Nebenarbeit, das beschaffen j
soll, was außer dein WirthschastSgelde
nöthig ist. Und die Sorge» schaffen
Berstilumuiig uud diese Zwietracht.
Ich klage manchmal über das knappe
Wirthschastsgeld, dann wird Hans döse
oder er brummt über das ewige Sup
penfleisch, dann werde ich böse; aber
! wir ärgern u»S nicht, sind aber Beide
stumpf und gleichgiltig bei der AlltagS-
iniserel"
„Und die Liebe, die Seligkeit?"
frug Edith noch einmal, fast athein
los.
„O, die ist nicht ganz todt," entgeg
nete Hcrmine mit einem schweren Scuf
zer, „aber es sind nur kurze Augenblicke
so ab und zu einmal, wenn uns die
Sorge» nicht zu sehr Plage», wenn die
Kinder besonder» niedlich sind, dann
fallen wir uns in die Arme lächelnd
mit leuchtendem Auge —Brust an
Brust, selig hingegcben —ganz wie
damals! Ach, wie glücklich könnten wir
sein, wen» wir nicht so arm wären!"
Edith hatte sich erhoben. Mit ver
klärter Miene, mit einer vibrireuden
Stimme, wie Robert sie nie vou ihr ge
hört, ries sie:
"O, liebe Hermine, diese vereinzel
ten Augenblicke muffen Dich entschädi
gen für Alles, Alles, was Du zu erdul
de» hast! Bedenke doch, daß es nichts
Anderes, nicht Besseres giebt als die
Liebe! Habe Geduld mit Deinem
Manne, habe Geduld mit den Sorgen
des Alltags, henke nur das Eine: ihn
ju liebe», durch selige Momente auch
ihn über die AlltagSmisere zu erheben!
Sei glücklich, sei dankbar, bete zum
Himmel, Du wirst geliebt!"
Bon Neuem stürzten Hcrmiiien die
Thränen aus den Augen.
Du »lagst recht haben, liebe Edith,
und ich will darnach handeln, aber wie
seltsam erregt Du bist. Ihr habt doch
auch aus Liebe gchcirathet?"
Das Hausmädchen trat ein und
brachte ein Telegramm für Frau Her-
Mine. Ter einsame Gatte tonnte es
nicht aushalten.
„Entschuldigt mich siir wenige Mi
nuten", sagte Hermine, „ich muß dein
armen HanS gleich antworten, cin kur
zes und eine dicht beschrie
bene Postkarte".
„Du Glückliche", sagte Edith, und
chon war sie allein mit ihrem Manne.
Er war bald blaß, bald roth gewor
»cn.
In einer Erregung, wic er solche nie
hatte iilcrlc» laffcn. trat cr vor sie
hin nnd sagte:
„Du hast zu mir gesprochen, Edith,
mehr als zu Hermine. Du —Du
bist nicht glücklich, aber Tu thust Un
recht daran, deuu ich, Edith, ich habt
Dich wirtlich lieb, u»r. ach, ich bin so
ungeschickt, wenn nur Du "
„Wenn nur ich?" ries sie bebend am
ganzcn Körpcr, „ich, ich habe Dich ja
auch so licb, und ich schnc mich so nach
Deiner Liebe."
Er breitete die Anne nach ihr aus,
zog sie mit Inbrunst an seine Brust
und bedeckte ihr Gesicht mit leihenschaft
lichciz Püffen.
„Wie dumm, wie thöricht sind wu
gewesen, Edith. Ich dachte, D» lieb
test mich ja doch nicht, den» Du hattest
mir die „Geldheirath" zu hart vor
geworfen. Aber es war doch einc Lie
besheirath, nicht wahr?"
„O, wie glücklich ich bin," schluchzt«
sie, „und es ist heute unser richtige,
Hochzeitstag."
Einc Viertelstunde später saßen si«
bei dem köstlichen Frühstück. Mit dem
Selbstbewußtsein des sicheren Besitzes
sagte Edith, strahlend vor Glück:
„Ja, lieb.' Hermine, auch wir haben
aus Lieb.' geheirathet. Aber nicht nui
die Sorge, auch das Geld bringen dei
Liebe Gefahren, darnin höre meine?
Rath."
tteine Sungersnoth i
Al-Z der Zar neulich ein sinuischci
Regiment, inspicirte, bot ihm de>
Oberst 20«»» Rubel, die ursprünglich
für die Kosten des Festmahls bcstimml
gewesen, als Beistand zur Linderung
des Nothstandes an. Der Zar wies das
Geld mit dem Bemerken zurück: ~ES
gibt keine Hnngersnoth in meinem
Reiche!"
Europa wird mit Befriedigung vor
dieser Erklärung Notiz nehmen, wenn
es vernimmt, daß der Zar vorher seh,
eingehende Erkundigungen eingezogen
bat und diese sorgfältig prüfen ließ.
Hierdurch wurden folgende Thatsachen
constatirt:
In keinem einzigen der vielen vor
nehmen Restaurants St. Petersburgs
und Moskaus fehlt es an Delikatessen.
In nicht einem der beliebten und für
kleine intime Soupers vielbegehrten
Cabinets der Eremitage und ähnlicher
Etablissements in den genannten Städ
ten ist bisher einc Klage über Brod-
Mangel laut geworden. A'jch wird
dort nach wie vor der Eaviar mit Lös
sel» gegessen, ohne daß die Preise ge
stiegen sind. Dies muß doch als Be
iveis gelten, daß von einer Hungers
noth absolut nicht die Rede sein könne.
Namentlich haben einige Damen, welche
in die erwähnten Eabinets gesührt wur
de», ausgesagt, daß sie von einer Ab
nahme der Lebensniittel nichts gespürt
hatten.
Hiermit nicht zufrieden, hat der Zar
auch durch seine Minister Nachforschun
gen anstellen lassen, und diese haben
ihre Beamtc» vernommen.
Hierbei stellte sich die erfreuliche That
sache heraus, daß kein Beamter hun
gerte. Im Gegentheil wurde consta
tirt/ daß nicht nur einige Minister
selbst infolge starken Essens magenlei
dend waren, sondern daß auch mehrere
der vernommenen Bureauchess. Ge
heimräthe und Secretare mehr gegessen
hatten, als ihnen der Arzt erlaubt
hatte, »nd daß einige derselben im kom
mende» Sommer genöthigt sei» werde»,
eine Kur in Karlsbad gegen Fettsucht
durchzumachen.
In deu Militürcasinos und in allen
Clubs der Hauptstädte ist ferner festge
stellt worden, daß immer mehr Fleisch
und Brod als dringend nöthig vorhan
den sind.
Nach genauer Prüfung aller dieser
ilntersuchungsresultate hat der Zar die
Ueberzeugung gewonnen, daß eine Hun
gersnoth nicht vorhanden, vielmehr an
zunchmen ist, daß die dahin gehenden
Gerüchte von böswilligen Feinden
Landes ersonnen worden sind.
TrSsttÄwort.
ills ein Buckliger vom Pfarrer einst die
weise Lehr' vernommen:
„Alles, was der Herr erschaffen, -ist er
haben und vollkommen,"
Zeigte er ihm seine» Höcker und sragt'
schüchtern und beklommen,
Ob auch ihn» und Seinesgleichen diese
weise Lehr' sollt'frommen.
Und der Pfarrer ließ den Zweifler ganz
in seine Nähe kommen.
Hat ihm srenndlich dann den Zweifel mit
dem Trosteswort benommen:
„Niemals sah ich einen Buckel so erha
ben uud vollkommen!"
Gr. Dersta.
Das ändert die Sacht.
Hausherr (wüthend in die Küche hin
einrufend): „Hol's der Henker, das,
Essen ist ja nicht zu genießen." Dienst
magd: „Aber, Herr Meier, solche grobe
Behandlung lasse ich mir nicht gefallen!"
Hausherr: „Ach, Pardon, ich dacht', es
wäre meine Frau!"
Das ginge ja n och. Bater:
„Ich will mich nicht mehr mit Dir är
gern. Du sauler Schlingel, Du! Wenn
Du nicht lernen willst, laß' es bleiben.
Einmal wirst's schon bereuen. Söhn
cheiu „Aber Pater, wenn'S nicht inehr
inal ist, dann nimm' ich's schon hin."
Ahnung. Dichter: „Sollte
ich sterben, so sollen Dir meine Lieder
zn." Freund: „O weh, da fallen mir
auch gewiß manchmal meine Lider zu."
Ein gutes Gedächtniß ist
ein zweischneidiges Schw-rt.'
DaS Spie:.
Größer nnd breiter, als wir denken
oder glauben mögen, ist Bedeutung und
Raum, welchen das Spiel mit feinen
Arten und Abarten selbst im amerika
nischen Lande der rastlosen Arbeit ein
nimmt. Und man geht nicht zu weit
mit der Behauptung, daß überall in dcr
alten und ncnen Welt »icht allci» wic,
sondern h inptsachtich was gespielt wird,
als gai z vorzüglicher Gradmesser für die
Kulturunfc, Gefchiiincksnchtuug uud
Befähigung der spielenden Menschheit
gelten kaun.
Schon im scheinbar harmlosen Kin
derspiel finden wir cin reiches Feld für
die nllerwcrthvollsten nnd interessante
sten Beobachtungen. In dcr Art nnd
Wcisc, wie sich Kinder sclbstständig
spielend bcfäMtigcn, ciithülten sie ihre
Anlagen und Neigungen, ihr Naturell,
ihren Nachahnilliigstrieh und nament
lich ihre Phantasie» Es ist nicht bloßcr
Mfgsl, sondern in d!l.Verschiedenheit
dcr meniciumiNs Natur tiei begründet,
wenn das eine zartbesaitete PusHtiU
Mütterchen ihre Kinder vorsichtig pftegt,
kleidet und füttert, uud schon bei "dem
Anblick des perrückenlosen Kopfes oder
der lccrcn Anqenhöhleu iu die bittersten
Thränen anspricht, während die andere
etwas roher, aber energischer angelegte
Kleine'ihre ausgestopften Töchter ganz
barbarisch der Prügelstrasc unterzieht,
sie auch muthwiUig verstümmelt,, oder
voll schnöder Berachtnng in dieduiiketste
Spielecke wirft.
Es ist ferner kein Spiel deS Zufalls,
wenn im bis an die Zähne bewaffneten,
commandofrohcn Europa jeder Junge
fast schon cinexcrcirt in die Welt tritt,
und der erste Weihnachtstisch sicher von
te.- Baby-Ausrüstnng zum Kriegsspiel
« glänzt, während hier auf dem raffeln
den, dampfpfeifenden kontinent der
Maschine, Pferde- und Eisenbahn,
elektrische und Expreßwaggons. Segel-
und Dampfschiffe das beliebteste Spiel
zeug Jungamerikas bilden.
Wenn wir, weiter fortschreitend, jene
Spiele betrachten, die dcn Uebergang
von der ersten Kindheit zum Leben der
heranwachsenden Jugend bilden, so ist
> S durchaus kein Zeichen von Berirrung
der Natur, wenn im Gegensatz zu dcn
sittsamen oder jedenfalls fitzenden Spie
len der deutsche» Mädchen sich hier beide
Geschlechter i» der Vorliebe für alle
Bewegungsspiele im Freien nicht nur
begegnen, sondern in der Lust an fah
renden, rollenden, ballschwingenden,
aber auch etwas reatistisch küssenden
Spielen überbieten. Eigentlich gehö
ren diese letzteren Pfänder- und Kuß»
Unterhaltungen schon in die Rana
tlasse der Gesellschafts - Spiele, welche
gewiffermaßen den Uebergang von der
Jugend zum Alter vermitteln, indem
sie dazu berufen sind, die verschiedensten
v tlqentc durch ei» nivellirendeS Spiel
»u einigen. Wer aber die Blüthen die
ffsr Geistesspiele „jous ä'ssprii." einem
kleinen Bergleiche unterzieht, der erkennt
auch darin das wechselnde Naturspiel
von geistiger Begabung und Geschmacks
richtung.
Verfolgen wir nun die Stellung,
welche das Spiel im reiferen Leben ein
nimmt, so sinden wir eine Unzahl von
Spielarten, welche je nach ihrer inneren
Beschaffenheit eine größere oder kleinere
Z ihl von getreue» Anhaiigcru auszu
weisen hat. Das edelste und geist
reichste von allen diesen ist das über
Pcrsicn und Arabien aus Indien nach
Europa, und von dort herübergebrachte:
Schach. Könige und Strategen, Aerzte
nnd Wissenschaftler, aber auch kluge
Frauen haben gerne und viel ihren
Scharssinn an den seinen Schein-Zügen,
maskirten oder offene» Angriffen erprobt
und erwiesen. Dem altehrwürdigen
königlichen Schach folgen in bunter
Reihe das harmlosere Dame-, das sried
liche Domino-, das kindliche Lotto-Spiel
und wie die modernen Variationen von
all diescn heißen mögen, sie scheinen da
zu berufen, auch ohne Unterschied der
Geschlechter ihren Freunden manch müs
sigeS Stündchen zu verkürze».
Mehr Gewandtheit und Elastizität,
Krast nnd Geschicklichkeit erfordert die
Handhabung des Billard-Queue, vor
welchem muthige, namentlich graziöse
Damen ebensowenig zurückschrecken, wie
vor dem energischen Kegelkrieg gegen
alle Neune. Ja selbst die am wenig
ste» edlen von allen, die Karten-Spiele,
verfehlen nicht ihre Anziehungskraft auf
Franc» wic Männer. Eifrige Skat-
Freunde behaupten zwar, dqß dieses
Spiet auf dcn scharfsinnigsten Kombi
nationen beruht, abcr ich tcnnc manch'
scharfsinnige Frau, welche sich den Wün
schen ihrcS Ehchcrrn viel reizender an
passen würdc, wofern derselbe wenige,
reizcn und passen, und sich mchr um
seine eigenen großen Buben und Mäd
chen, als um die Grands zu dreien und
vieren kümmern würde.
Indeß ist der Skat immer noch einc
unschuldige Blume im Vergleich zu
jenen leidenschaftdurchglühten Spielen,
welche die niedrigste Begierde nach glei
ßendem Golde erregen: doch dürfen wir
den Herren selbst durchaus keinen Bor
wurf machen, sobald auch Damen eS
nicht verschmähen, ihre Rosensinger
nach dem nicht einmal stets ganz ehriich
verdienten Kartengewinn auszustrecken.
Das Kartenspiel ist und bleibt eben ein
gesellschaftliches Bindemittel, welches
sich so lange behaupten wird, bis ein
neues Spiel dem alten das Spiel ver
dirbt.
O, laßt es genug sein des grausamen
Spiels, höre ich manch' freundlichen
Leser ungeduldig ausrufen, drum wol
len wir Schauspiel. Elavier-, Biolin-,
Flöten-, selbst das zarteste Harsenspiel
nicht mehr zu den Spielen, sondern zu
den Künsten rechnen, obgleich sie dann
erst als vollendete Kunst gelten, wenn
sie spielend bewältigt werden. Ebenso
muß ich, um mir den Vorwurs zu er
sparen, daß diese Spielerei unlogisch
oder unvollständig sei, hinzufügen, daß
ich auch jene auf der höchsten Kultur
stufe stehenden Spiele mit Gefühlen.
Liebreichen und Leidenschaften zu dm
Künsten, aber zu den dramatisch Verl
wegenen, rechne, welche ihre Rolle dann
am Besten spielen, so bald sie aus den»
Spiele bleiben!
«in moderner P»rrhuö.
„Noch einen solchen Sieg und ick bin
verloren!" Dieser AuSrnf des Königs
Pyrrhus war vielleicht das einzige, was
Veit Häusel von dem Geschichtsunter
richt in der Untertertia behalten hatte.
Dieser Ausruf aber hatte sich ihm o
fest eingeprägt, daß er ihn bei jeder
Gelegenheit zu citiren pflegte. Am
meisten beim Skat, wenn er „ohne
Vier" einen Grand ansagte und als
dann den Alten im skat liegend iaud.
Wir wissen vom König Pyrrhus ver
zweifelt wenig, »nd gar nicht, ob er
Frauenschönheit sehr zugänglich gewesen
ist. Ohne irgend eine Parallele zwi
! schen PyrrhuZ und Veit Hänsel ziehen
zn wol!?», können »vir behaupten. daß
der lehtere für alles Weibliche schwärmte,
das die Beiwörter „jung" und „schön"
mit Recht verdiente. Er war eine mo
> derue Taschenausgabe de» ..Ton Juan",
ein Schwcrenöther voll Courage und
wohlausgerüstet zum Kampfe gegen das
schwache Geschlecht, das so gern sich
besiegen läßt.
Freilich, die ungestüme Art, in wel
cher Veit Hänsel den Winken des kleinen
Liebesgottes folgte, hatte ihn schon ein
paar Mal in das gefährliche Desilee der
drohendeu Verlobung mit dcr Aussicht
aus die klirrenden Eheketten geführt.
Immer aber noch hatte eres verstanden,
sich aus dcr gefährlichen Lage zu be
freien nnd die Mütter der Stadt, dit
Töchter an den Mann zu bringen hat
ten, sahen ihn schon längst mit scheele::
Augen an. Selbst die im Schwicger
sohnfangen Geschickteste verzweifelte be!
ihm an ihrer Kunst.
Veit Hänscl war ein Übscher Bursche,
Disponent in einem großen Fabrikge
schäste, hatte „ein paar Groschen" auf
der Seite und bot mithin alle von un
seren heirathslustigen Schönen nur ge
wünschten Chancen. Aber er ließ sich
nicht sangen, das war das Schlimme!
Nun ist es Thatsache, daß die ge
wandtesten Aale dein Hainen mit Ge
schick entgehen, nm sich dafür in den
Reusen mit desto größerer Ungeschicklich
keit selbst zn sangen. Selbst auf die
Gefahr bin. daß Veit Hänscl gegen einen
Vergleich mit einem Aale auf das hef
tigste Protestiren würde, wollen wir die
sen wagen. Denn alles trifft zu: In
dem aalähnlichen Gewände des schwar
zen Frackes und dito PantalonS fing
Veit Hänsel sich selbst, und die Netze, kri
denen er sich sing, waren von einer
Reuse ausgesperrt, von cinerDame die
ses Namens nämlich: Lydia Reuse!
Bei cincin Maskcnballe in der „Har
monie" war es. Veit Hänsel war auf
einem Eroberung?- und SiegeSzuge be
griffen. Eine sormenschöne Maske in
zierlicher oberbayrischer Tracht hatte
ihn mit ihrem Zauber gefesselt, wie mit
Ketten. Veit Hänsel fühlte sein Herz
mit feinem Verstände durchgehen, aber
rr legte ihm doch keinen Hemmschuh an.
Und so poussirte er denn Lydia Reuse
mit einer Vehemenz, die gefährlich ge
nug für Beit Hänsel war.
Wahrhaftig er hatte keine Ahnung,
wer die Maske war. Aber was ist uns
dcr Name, wenn wir hier das Füßchen
wohlgesormt und zierlich, die Hände
klein und rosig, das Haar blond und
schimmernd in reicher Fülle scheu. Wer
denkt an den Namcn dcr Göttin, wcnn
diese mit wohllautender augcilehmer
Stimme zu uns spricht nnd obendrein
höchst vernünftig spricht. Wer denkt
endlich an dcn Namen, wenn so ganz
»n pkssunt beim Gespräche die Andeu
tung über die Lippen dcr Holde»
schlüpft, daß Papa zwar todt aber „reich
lich hiilterlassen" habe und daß die
Mama von entzückender Sanftmutk
und somit zweifellos das Idealbild eine?
zukünftigen Schwiegermama fei.
Genug!
Ohne daß Lydia Reuse die bekannte
Lohengrinsorderung: „Nie sollst Tu
mich besragen", gestellt, ward schon von
Veit Hänsel im vollsten Umfange re
fpectirt. Er sehnte die.Stunde der Dc
maskirnng herbei nnd erwartete sie in
Lydia's Beisein in einem von traulichem
Lichte erhellten Nebenzimmer. Aber die
Stunde kam, ohne daß Lydia die Masle
von ihrem Antlitze entfernte.
„Lassen Sie mich, mein Freund —",
sagte sie mit melodischer Stimme. „Ich
kenne Sie nnd schätze Sie hoch. abei
lassen Sie mir einmal die Freude, uner
kannt von Ihnen mit Ihnen einer
herrlichen Abend verbracht zu haben.
Wie ich gekommen unmaskirt so ver
schwinde ich wieder!"
„Nie!" rief Hänsel mit bedenklichen!
Enthusiasmus. „Nie! Ich lasse Si«
nicht von meiner Seite!"
„Oh —" entgegnete Lydia. „Da;
Wort sagt viel ! Das ist ja eine Er
klärung!"
„Sie soll es sein!" rief Veit und be
mächtigte sich der einen beiden zierlichen
Hände. Uird nnn lasten Sie mich der
süßen Vornamen wissen, an den ich sie
richten darf!"
„Lydia", lispelte die Holde ver
schämt.
„O Lydia!" rief Veit Hänse! auf
wallend und von seinen Lippen glitt
unaufhaltsam der Strom der Liebes
worte. die mit dem stürmischen „Wer
den Sie die Meine!" endete».
„Sie meinen es ehrlich?"
Jupiter, Sonne, Mond und sämmt
liche Planeten? rief Veit Hansel zum
Zeugen seiner reellen Absichten au.
„Und »venu ich nun häßlich wäre!"
„Lydia dieser Name allein, diese
Hand, dieses Blondhaar, und häßlich —
welche Gedanken!" protestirte Veit.
„Sie haben Recht, häßlich im eigent
lichen Sinne bin ich nicht, vollendete
die Schöne.
Bett drängte, Lydia zögerte immer
weniger, endlich hauchte sie daS selige
„Dein" und sank an Veit
Brust.
„Und nun laß mich Deine süßen
Züge schauen", ries Veit nach dein
ersten lange» Kusse.
Ja, „häßlich im eigentlichen Sinuc"
war Lydia nicht, aber dennoch fuhr Veit
Hänsel zurück, als sie die Maske lüftete.
Lydia schielte, schielte sogar ganz eul
sctzlich!
Abcr da kam für Vcit Hänscl schr
m!»I » s,rc,po, Lydias Mama, dcr sich
tue schielende Holdc sizsort mit cincni
Thränciistroni in die Arme warf. Verge
bens sah Ve.t nm sick, derAuSgang war
durch die wuchtige Gestalt der Schwie
germutter gesperrt. Das VerlobnngS-
Desilee gesperrt cr hatte sein Hc
raklca gefunden, wie einst König
PvrrhliS cr hatte gesiegt, abcr ein
Blick iu die schielenden Augen seiner
Braut sagten ihm; mit welchem Ver
luste!
Dennoch sind Veit Hänsel, uud
Lydia Reuse ganz glückliche Eheleute
geworden. Als ich ihn kürzlich tras.
hatte cr ein neues Sprichwort mit
dem cr jonglirte: „Der Mensch ge
wöhnt sich an alles auch an's Schie
len!"
BerdSchtig.
Schlau meyer: Sag''mal alter
Junge, ist daS wirklich richiig, daß Du
das Bild Deiner Braut auf Deiner
Taschenuhr hast einfassen lassen?
Tudcmcyer: Allerdings, und
tS ist ein re z ndcs Stück Arbeit.
Schi au meyer: So, so! Na
da bin ich aber wirklich neugierig
zeig mir doch die Uhr einmal l>er!
Dudcmcyer: Ja, ich möchte
ganz gern aber Du mußt mich
aus einige Tage entschuldigen dann
sollst Du sie bewundern. (Wirst
einen scheuen Blick auf die drei golde
nen Kugclu „Uleines Onkels.")
Die „Eider".
«rabschriften.
Ruf einen Pantoffelhelden.
Hier liegt dcr Mann der Frau Sibylle,
Der stctS mir that und unterließ.
Was sie ihn thun nnd lassen hieß:
Sein lctztcr wie sein erster Wille.
Ans einen MufikuS.
Hier liegt Herr Flaut, der Alles blies.
Was sich mir immer blasen ließ.
Zwei Stunden vor dem Tode noch
Blies rasch cr aus dem letzten Loch.
Auf ciiicn Dummkopf.
So lcicht war das Sterben einem An
dern nie.
Den Geist aufzugeben, macht ihm keine
Müh'.
Auf einen Baumeister.
Hier liegt Hcrr Waltcr's ist jaiumer
fchadc,
Er bantc so sicher in Ziegel und Stein-,
Jetzt baut cr nur noch aus Gottes Gnade'
Ich fürchte, auch die füllt dem Herrn
nicht ein.
Auf einen Schulmeister.
Hier sind deS Herrn Backcl Knochen be
graben.
Dessen Fleisch die Wölfe gefressen haben;
Die armen Wölfe! welch' schreckliche
Pein
Mußt doch so ein rechter Wolfshunger
sein!
Brecher.
Gedankensplitter.
Vornehme Leute und kleine Kinder
In Einem stimmen sie überein.
Si« meinen Beide— mchr oder minder.
Die Welt sei da für sie allein.
Schnell gefaßt. Sie;
.Männchen, woher kommen denn die
rothen Flecke in Deiner gestrick
ten Börse?" Er; Dich
doch nicht — sie hat eben für Deine neue
Schneiderrechnung bluten müyen."
Znr Elektricitatslehre.
Da ficht in der Zeitung, daß in dem
benachbarten Wiesenberg der Blitz i>,
eine Hamiiuelherde eingeschlagen hat;
wodurch mag er bei den Thieren ange
zogen worden sein? Wahrscheinlich
zurch den Leithammel!
Gewagter Ersah. „Ei.
warum schlagt Ihr den Bauer so auf
den Kops?" „Der will a Zahn
ichmerzloS griffen haben, i' hab' aber
iti' Betäubungsmittel z' Haus !"